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#25 - {Raven}
Ein müdes Lächeln huschte über die bläulich blassen Lippen, sein Begleiter ein überraschter Blick. Die Halbelfe rührte sich nicht einen Millimeter, zu verdutzt war sie, als ihr Kamerad sich ruckartig auf einen der abgestürzten Flugfische zubewegte und sich auf desselbigen Rücken positionierte. Sie wollte etwas sagen, sie wollte ihn von diesem lebensmüden Ritt abhalten, doch entkam kein Ton ihrer gereizten Kehle. Sie wollte ihre Beine in die Hand nehmen, ihn an der Schulter packen und davonzerren, doch ihre Muskeln verwehrten ihr den Dienst. Fliegen war in der Tat ihre einzige Möglichkeit, den See zeitnah zu überqueren - Das hatte sich in ihren Augen nicht geändert. Aber... Bei Gott! Als Raven von einem Flug sprach, meinte sie sicher alles andere als auf ein verwirrtes Lebewesen zu springen und zu hoffen, dass man verhältnismäßig unversehrt am anderen Ufer ankam! Entsprechend zwiegespalten stand sie nun auch ihren Optionen gegenüber: Wäre sie so heillos verrückt und folgte ihm bei der nächsten Gelegenheit auf einem anderen Jungtier? Oder sollte sie lieber abwarten und Tee trinken, hoffend, dass sich bald ein Zeitfenster öffnen würde, in dem sie sich unbemerkt verwandeln könne? Der Rotschopf ließ den Kopf senken, ihre Sicht verschwamm, ein unerträglicher Mix aus Schwindel und Übelkeit machte sich in ihrer Magengegend breit.
Das nächste Mal, dass sie ihr Kinn wieder anhob, musste sie jedoch feststellen, dass sie den wagemutigen Flugfischreiter aus den Augen verloren hatte, wodurch das Gefühl von Unbehagen nur noch stärker randalierte. Der Schock stand ihr in das nasse Gesicht geschrieben. War er..? Rasch näherte sie sich dem See, versuchte durch den dichten Regen und die Massen an Monstern hinweg den blauhaarigen Herren zu erkennen und... Fehlanzeige. Raven schluckte, ihr war schlecht. Sie hätte ihn aufhalten sollen. Sie hätte ihm folgen sollen. Genau genommen hätte sie wohl all das machen sollen, was sie nicht getan hat. Mit einem kurzen Anlauf sprang das Halbmonster geradewegs auf den See zu, ehe ein schwächelndes Licht sie umhüllte und anschließend einem prächtigen Farbenspiel von Federn wich. Ihre Schwingen waren schwer, das Regenwasser brauchte nicht lange, um sich an die Daunen ihrer Monsterform anzuheften und sie in die Tiefe zu ziehen. Und auch der Wind war mitnichten ein Freund in dieser Situation, viel zu stark, als dass sie sich ordentlich hätte manövrieren können. Es stand bereits von Anfang an fest, dass sie diese Form nicht lange halten könne. Umso wichtiger war es also auch, dass sie Vishnal schnellstmöglich ausfindig machte und an Land schleppte! Tatsächlich erwischte sie den jungen Mann auch dabei, wie er gerade von dem Flugfisch rutschte und in die Tiefe stürzte. Alamiert setzte der Phönix zum Sturzflug an, versuchte mühselig den Herren mit ihren Krallen zu packen, wie ein Adler es mit seiner Beute tat. In jenem Falle entglitt das "Fressen" ihr jedoch um eine Haaresbreite und tauchte nahezu geräuschlos in die tobenden Wellen. »Verdammt!«, entwischte es der Gestaltenwandlerin, der jedoch kaum Zeit verblieb, sich Sorgen um das Absturzopfer zu machen, rammte einer der vielzähligen Flugfische sie doch selber.
...
... ...
»Mhm...«
Raven öffnete langsam ihre eisblauen Augen, blinzelte um die verschwommene Sicht zu reparieren. Nicht, dass es viel zu sehen gab - Statt Sonnenschein und Vogelzwitschern begrüßte das mysteriöse Unwetter von zuvor die junge Dame, welche wie aus einer Narkose erwacht, noch immer leicht benommen war. Ihr Kopf dröhnte, in ihrer Magengrube herrschte ein stechender Schmerz, den sie selbst allerdings kaum warnahm. Plötzlich jedoch schrak die Schmiedin auf, sah sich wie wild geworden umher. Vishnal. Wo war Vishnal? Was war mit den Kämpfern auf der anderen Seite des Ufers? Sie konnte bei bestem Willen niemanden entdecken. Hatte sie etwa halluziniert? Nein, das konnte nicht sein. Trotz ihrer Benommenheit konnte sie vor sich klare Spuren eines Gefechtes entdecken. Moment. Kampfesspuren? Hatte sie das andere Ufer etwa erreicht? Das Halbwesen versuchte sich aufzurichten, ihre Arme waren zittrig, rutschten in dem tiefen Matsch immer wieder ab, ihre Beine spürte sie nicht einmal mehr, hingen sie doch die ganze Zeit im eisigen Wasser... Wasser? Hatten die Wellen sie an Land getragen, nachdem sie ebenfalls abgestürzt war? Wie lange lag sie bewusstlos da? Sie schlug ihre Hand an die Stirn, es dröhnte und pochte, es fiel ihr schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Andererseits war der Elfe sehr wohl bewusst, dass sie ihren Körper zumindest aus dem kühlen Nass schleppen musste, wenn sie nicht gerade einem kalten Tod ins Auge blicken wollte. Mühsam tasteten die Hände den rutschigen Grund vor ihr ab, suchten nach einem Ast, einem Stein, irgendwas, an das man sich hätte hochziehen können - Sie ergriffen eine dünne, alte Wurzel, welche sicherlich nicht viel aushalten würde, aber durchaus ein mickriger Hoffnungsschimmer war.
Um sich die Details zu ersparen: Es war ein Krampf bis sie endlich wieder "festen" Boden unter sich hatte. Ebenso war es auch der Akt des Aufstehens - Weiß Gott, wie oft sie ausrutschte und wie viel Schlamm an ihr haftete, in ihrer Haut fühlte sie sich jedenfalls nicht mehr wohl. Seufzend fuhr Raven sich durch den klebenden Pony, sie musste Vishnal suchen. Oder zumindest irgendeine andere Person. Vielleicht war jemand dazu in der Lage, sie über die derzeitigen Geschehnisse aufzuklären.
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