[Tori] & Gaius | Küche

Schweigen. Stille. Nichts.
Gaius sagte kein Wort. Nicht auf ihr Geständnis, nicht auf ihre Fragen. Keine Reaktion. Sie wartete, wartete, wartete. Ihr Herz klopfte wie verrückt in ihrer Brust, es war die blanke Verzweiflung die sich darin widerspiegelte. Das Gefühl etwas tun zu sollen, zu müssen, wissen zu müssen, was zu tun war. Die Erwartung an sich selbst ihm zu helfen, so wie er ihr immer geholfen hatte - wie er immer gewusst hatte, was das richtige war um sie aus dem Dunklen herauszuziehen. Und sie? Sie konnte es ihm nicht gleichtun? Es ihm nicht im Gleichen zurückgeben? Was für eine Beziehung sollte das sein, in dem die Partner einander nicht ebenbürtig waren? Aber so war es schon immer gewesen bei ihnen, nicht wahr? Er war so viel größer als sie, so viel heller, so viel stärker - und ihn jetzt so zu sehen, an ihrem Küchentisch, ein Häufchen Elend, welches alles von sich abschottete. Es zerriss ihr das Herz. Sein Leid war ihr Leid und so wahr diese Behauptung sein mochte, so blasphemisch war sie doch gleichermaßen, wo sie doch nicht wusste, woran er so sehr litt. Eine Lüge nichts mehr. Sie war eine verdammte Heuchlerin.
Der Kettel. Der hohe Ton aus dem Teekessel lies einfach nicht nach und Gaius schwieg noch immer. Tori hielt es nicht länger aus, sie stand erneut auf um den Kettel vom Feuer zu nehmen und schenkte, mehr aus Routine als das sie es wirklich vorhatte, ihnen beiden jeweils einen Becher heiß dampfendes Gebräu ein. Beide stellte sie zu schnell auf dem Tisch ab, weil sie ihre Gefühle nicht ganz zurückhalten konnte. Ihre wilden, verletzten, verzweifelten, impulsiven Gefühle. Der Tee schwappte etwas über, aber es kümmerte sie nicht. Es war das Lachen. Das Lachen, dass sie an ihm doch sonst so sehr liebte, dass so vollkommen falsch klang. Entsetzen hatte sich in ihren zarten Gesichtszügen breit gemacht. Wer war das noch, der da vor ihr saß?
Gaius., gab sie sich selbst zur Antwort. Egal was los war, das war immer noch Gaius, der Mann der ihr alles bedeutete. Nur weil sie zuvor nicht alle Seiten von ihm kannte, nur weil sie nun neue Facetten kennen lernte und mochten sie ihr auch erstmal noch so fremd vorkommen - es war immer noch Gaius der da auf dem Stuhl vor ihr saß. Verletzt, verwirrt, verloren und doch derselbe. Sie setzte sich wieder neben ihn, ganz dicht, gerade so dass sie sich noch nicht berührten. Und dann - dann sprach er. 'Du liebst mich?'
Sie schwieg. Tori schwieg und sah ihn einfach nur an. Es hätte als Hohn gemeint sein können - als würde er sie für ihre leeren Worte verspotten, sie als das enttarnen was sie war: Eine Heuchlerin, die es mit nichts ernst meinte. Aber da war kein Hohn. Kein Spott. Alles was sie in seiner Stimme hörte, war Verwirrung, als könne er nicht verstehen, wie so etwas nur möglich sein konnte. Eine neue Verletzlichkeit an ihm, der dort saß, wie ein verlorener Junge, von allen verlassen. Und am liebsten würde sie ihn fest in den Arm nehmen, doch sie spürte das es gerade nicht das war, was er brauchte.
Und er sagte es ihr. Warum? Sie verstand nicht woher es kam - dieser Unglauben, diese Irritation. Doch sie kannte es gut - zu gut. Wie sehr hatte sie sich vor genau der selben Frage gefunden? Wie häufig nagte der Selbstzweifel an ihr, wie oft verlangte es ihr Herz nach einer Bestätigung einer Wahrheit, die sie sonst nicht glauben konnte? Es war ein Stich zu hören, dass es wohl das erste Mal für ihn sein musste. Warum?
Tori öffnete den Mund. Sie war nicht gut im Sprechen. Obwohl sie so gerne mit Worten hantierte, viel es ihr stets schwer, die richtigen im richtigen Moment auf ihre Zunge zu legen. Sie hörte lieber zu - gerne zu. Weswegen ihr auch so verzweifelt daran gelegen war, den Zwerg zu einer Antwort, einem Hinweis, irgendetwas zu animieren, mit dem sie arbeiten konnte. Die Stille hatte sie ihn die Sackgasse gedrängt. Doch auf Zuhören kam es jetzt nicht an.
"Ich liebe dich-,", begann sie, ihre Stimme wie ein Wispern und doch klar und deutlich in der Stille. Tori konnte nichts dafür - sie spürte direkt, wie sich ihre Wangen rot verfärbten. Sie konnte ihn nicht direkt ansehen, sondern blickte stattdessen einige Zentimeter tiefer auf Höhe seiner Brust. Ihre Finger nestelten nervös herum, als wären sie sich der Wahrheit gewahr, der sie sich nun selbst stellen würde. "Für alles was du bist. Für deinen unerschütterlichen Optimismus. Für dein Lachen. Deinen Humor. Dafür das du nicht aufgibst und Herausforderungen angehst, so schwierig oder unmöglich sie auch erscheinen mögen. Für die Fähigkeit, die Dinge auch differenziert zu betrachten. Das du deine Meinung lautstark vertreten kannst ohne dich zu kümmern was andere davon halten. Dass du das Richtige tust, ganz gleich wie stark die Konsequenzen sein mögen - weil du deinem Herzen folgst und nicht auf deinen eigenen Vorteil bedacht bist." Ein kurzes Zögern, ehe sie fortfuhr, "Weil du für mich da bist. Vom ersten Tag unserer Begegnung wolltest du mir helfen ohne etwas dafür zu erwarten. Mir. Du hast dein eigenes Leben riskiert um ein Mädchen vor einem Monster zu bewahren, dass du kaum kanntest. Du bist unfassbar mutig und schaffst es sogar mir, der ängstlichen kleinen Magd, ein wenig Mut mitzugeben. Du bist das aufrichtigste und liebenswürdigste Wesen das ich kenne. Du hast mich immer wieder aus den Tiefen rausgezogen und für all das was du tust und was du bist und was du für mich bist liebe ich dich und dieses Gefühl ist so unfassbar stark, dass ich es kaum in Worte fassen kann, so viel stärker als alles was ich bisher erlebt habe und auch wenn es mir wahnsinnige Angst einhaucht würde ich es mit nichts in der Welt tauschen wollen, weil es mir so viel zurückgibt. Weil du, in all deiner wunderbaren, chaotischen, liebenswerten Art und Weise, dadurch ein Teil von mir bist und ich wünschte du könntest nur für einen Augenblick sehen wie ich dich sehe, denn mir scheint auch wenn Worte so viel ausdrücken können, werden sie der Wahrheit nie auch nur annähernd nahe kommen." Stille. Schweigen. Herzklopfen. Worte, so viele Worte gesprochen und doch hatte sie das Gefühl es nicht auf den Punkt gebracht zu haben, nicht genug gesagt zu haben, dass es nicht ganz das ist, was diese Liebe zu ihm wirklich ausmacht. Ihr blieb die Hoffnung, dass der Funke ausreichen würde ihm die Antwort auf seine Frage, die so berechtigt und so sehr nachvollziehbar war, nur im Hauche zu vermitteln