Darren & Yumi | in seinem Zimmer
Die
Wärme und das Gefühl, das diese mit sich brachte, war es, die ihn
dazu brachte sich zu beruhigen. Die seinen Atem entschleunigte und
doch gleichzeitig dafür sorgte, dass die Tränen nasse Spuren an
seinen Wangen hinterließen. Weil er sich in ihren Armen wohl
fühlte, irgendwie geborgen, angekommen. In ihrem Armen konnte er
kurz das hinaus lassen, was er in den letzten Wochen zurück gehalten
hatte. Die Verzweiflung, die Trauer, die Wut und all die anderen
Gefühle, die sich angestaut hatten. Die er sonst niemanden offen
zeigen konnte weil alle erwarteten dass er damit umgehen konnte. Weil
Freunde den Schauspielstudenten eben so kannten. Sorglos,
optimistisch, voller Hoffnung. Ein Kerl, der nie aufgab, egal was das
Leben ihm in den Weg warf und doch war er jetzt hier, saß weinend am
Boden seines Zimmers weil ihm all das in den letzten Wochen zu viel
geworden, ihm zum Verhängnis geworden war. Das Bild, das andere sich
von ihm machten. Daran war er höchstwahrscheinlich auch selbst daran
Schuld, wenn man immer davon sprach, seine Gefühle offen und ehrlich
auszusprechen, sie auf der Zunge zu tragen. Doch meist fällt es
einem eben einfacher das zu seinen Mitmenschen zu sagen, es von ihnen
zu erwarten, als sich die eigens gesagten Worten zu Herzen zu nehmen
und es selbst zu machen. Jedoch wollte Darren niemanden zur Last
fallen und meist war es einfacher zu nicken und zu lächeln als zu
erklären was für Gedanken und Sorgen man sich machte. Sicher gab es
auch einige Menschen die ihn nicht verstanden, wenn da noch Ärzte
und Therapeuten an seiner Seite waren, die ihm auch immer wieder gut
zu sprachen und weiter optimistisch blieben. Aber nach außen schien
vieles auf den ersten Blick auch einfach immer gut. Bis man
schließlich brach und Halt von Jemanden brauchte und dieser Jemand
war Yumi. Nicht nur jetzt in diesem Augenblick und doch stieß er sie
im nächsten Moment von sich. Darren wiederholte sich, sprach die
Worte mehrmals und mit jedem Mal mit mehr Nachdruck aus. War lauter
geworden, ernster und bemerkte selbst auch, was es für eine Wirkung
auf die ehemalige Studentin hatte. Genau das, was er hatte erreichen
wollen? Was war sein Zweck überhaupt gewesen, hatte er sich wirklich
Gedanken darum gemacht oder war es ihm auch einfach irgendwie egal
gewesen? Weil er es hatte loswerden wollen, weil er es nicht mehr
hören konnte. Die leise Stimme der Blonden drang an sein Ohr und
seine Mundwinkel hoben sich für den Bruchteil einer Sekunde. Sie
sprach wohl die Wahrheit. Und was war der Grund warum sie überhaupt
noch bei ihm war? Mitleid? Ein schlechtes Gewissen? Wenn es doch
anscheinend so schwer war das mit anzusehen. Darren schüttelte den
Kopf. „Du bist keine schwarze Katze.“,
antwortete er darauf, den Blick hatte er mittlerweile wieder von ihr
abgewandt, den Kopf etwas hängen lassen und diesmal war es an ihm
auf das freie Fleckchen Zimmerboden zu schauen, das zuvor noch Yumi
begutachtet hatte. Als wäre es etwas Besonderes, als konnte man dort
etwas Schönes beobachten obwohl es eher ein Hinweis darauf war dass
sie einen gewissen Abstand zwischen einander aufgebaut hatten. Oder
eigentlich eher er. Weil ihn ihre Nähe gerade etwas erdrückt hatte,
unangenehm war, unpassend? War das überhaupt möglich? Der angehende
Darsteller konnte es nicht sagen, war stattdessen damit beschäftigt
sich über ihre Worte Gedanken zu machen. Sie zu sortieren und zu
überlegen was passiert war dass sie sich selbst diese Vorwürfe
machte. Dass sie glaubte immer Schuld zu sein, dass sie jegliche
Schuld auf sich nahm. Für Dinge, Erlebnisse und Erfahrungen, die die
Menschen selbst wählten und für die sie selbst die Verantwortung
trugen.. nicht etwa Yumi. „Du bringst kein
Unglück.“ Das sagte man doch über schwarze Katzen aus
oder? Dass man Acht geben sollte, wenn sie den Weg kreuzten weil das
kein Glück brachte. Weil dann Pech folgte. Darren sah das anders und
wusste trotzdem dass es keinen Unterschied machte. Es war nicht das
erste Mal dass dieses Thema aufkam, dass er es anstieß und darüber
sprach. Es war nicht das erste Mal, dass er ihr die Schuld nehmen
wollte, die sie sich selbst auf bürgte obwohl sie rein gar nichts
dafür konnte. Aber war es dem Studenten überhaupt möglich ihr das
überhaupt klar zu machen? Jegliche Spur von Aufregung, von Wut oder
sonstigen überschäumenden Emotionen schwanden im nächsten Moment,
waren nicht länger wichtig als die Angst sich in ihm breit machte.
Und der Musiker diese schließlich auch äußerte. Seine Stimme war
nicht laut gewesen, war nicht viel mehr als ein Flüstern aber es
brauchte auch nicht viel mehr. Er hörte die Worte der Anderen,
hatte ihre zögernde Handbewegung bemerkt und für kurze Zeit seinen
Atem angehalten. Als hätte er irgendwie mehr erwartet. „Ich
habe das Gefühl diesen Teil verloren zu haben.“, gab der
Kerl als Antwort. Der Blick seiner dunklen Augen sank etwas,
entdeckte das sanfte Lächeln der Anderen und eine warmes Kribbeln
durchströmte seinen Körper. Für einen Moment konnte er den Blick
nicht von ihr abwenden, tastete ihr Gesicht ab und hob seinen Kopf
als die ehemalige Studentin sich erhob. Der zukünftige Schauspieler
öffnete seinen Mund, doch viel mehr als ihr Name in einem viel zu
leisen Flüsterton kam ihm nicht über die Lippen. Yumi hatte sich
erhoben, war fort, war durch seine Zimmertüre verschwunden und das
ohne eine Erklärung. Hatte eine Kälte hinterlassen, die ihn
erschaudern ließ. Länger noch schaute er auf die ins Schloss
gefallene Tür seines Zimmers bevor er den Blick abwandte und mit
seiner Hand über seine Augen rieb. Die letzten Spuren seiner Tränen
wegwischte. War es dieses Mal das letzte Mal dass sie durch diese Tür
marschiert war? Immerhin hatte die Blonde vorhin auch genau
das gleiche getan. War fortgegangen nur um wenige Minuten später
wieder zu kommen. Vielleicht weil sie Gefallen daran fand ihn immer
wieder ohne Worte zurück zu lassen, weil sie wissen wollte wie er
reagierte oder weil sie wollte, dass man sie aufhielt? Der Kerl fuhr
sich mit den Fingern durch die Locken und horchte auf als Jemand die
Türklinke nach unten drückte und er unterdrückte ein Schmunzeln,
als er die wallende, blonde Mähne entdeckte. Und wahrscheinlich wäre
ihm dieses auch im Halse stecken geblieben als sein Blick auf das
Musikinstrument in ihrer Hand fiel. Was wollte sie damit? Es ihm
unter die Nase reiben? Dass ihre Gitarre noch ein Stück war oder wie
schön es doch war, die Saiten dieses Instrumentes unter seinen
Fingerkuppen zu spüren? Nein, Darren wusste sehr wohl dass sie nicht
dieser Art von Mensch war und dachte dies auch nicht wirklich und
trotzdem spürte er erneut etwas Wut in seinem Bauch, die er jedoch
erfolgreich zurück halten konnte. Mitunter half ihm die junge Frau
selbst, als sie ohne Worte neben ihm Platz nahm, ihr Duft in seine
Nase stieg und er sie dabei beobachtete wie sie die Gitarre stimmte.
Die es auch wirklich bitter nötig hatte, wie sich folgend
herausstellte. Darren konnte nicht anders, seine Mundwinkel hoben
sich, auch wenn die Töne die das Instrument unter ihren Fingern von
sich gab lange nicht perfekt waren, so löste es ein wärmendes
Gefühl in seiner Körpermitte aus, das sich ausbreitete und
schließlich zu einer sanften Gänsehaut führte. Vor allem bei diesem
Anblick. Ein paar lockere Strähnen waren der jungen Frau ins Gesicht
gefallen, umrahmten ihr Profil während sie aufmerksam zwischen den
Saiten und ihrem Handy hin und her schaute. Sein Mund öffnete sich
als wollte er etwas sagen, doch es war als hätte man ihm alle Worte
geraubt als Yumi die Gitarre in seinem Schoß ablegte, ihm das
Musikinstrument überreichte. Es war ein merkwürdiges Gefühl, die
Musik wieder so nah bei sich zu spüren und dieses Mal mehr denn je.
Mit Yumi an seiner Seite fühlte es sich anders an als während
seiner Therapiesitzungen. Viel echter und näher und realer. Der
Student hob seinen Kopf und presste die Lippen aufeinander als sie
diesen zweideutigen Kommentar aussprach, er das Grinsen auf ihren
Lippen entdeckte, den Ausdruck in ihrem Gesicht. Ein leises
Schmunzeln entkam ihm und er schüttelte den Kopf ein klein wenig,
auch wenn sie durchaus recht hatte. Der Wuschelkopf legte seine
gesunde Hand an den Bauch der Gitarre, ließ seine Finger über die
Saiten gleiten und zupfte vereinzelt daran, sodass sich der Raum
erneut mit Musik füllte. Nicht so wie noch vor einigen Wochen und
Monaten. „Und wo ist deine Schuluniform?“,
erwiderte der Kerl daraufhin, wirkte beinahe enttäuscht und es
entkam ihm sogar ein Seufzen. „Das gibt leider
Minuspunkte..“ Erneut schüttelte er den Kopf, schmunzelte
jedoch kaum eine Sekunde später und lenkte seinen Blick schließlich
wieder zu ihr. Das aufgeregte Funkeln in ihren blauen Augen, das
Lächeln auf ihren zartrosa Lippen sorgten für ein Kribbeln in ihm,
sein Herz schlug ein paar Takte schneller und er hielt inne als er
zuerst auf den Hals der Gitarre sah und folgend auf seine verletzte
Hand, die er auf seinem Oberschenkel platziert hatte. Weil sie unnütz
war, unbrauchbar in dieser Situation. Der Bartträger
lächelte. „Erinnerst du dich daran?“, sagte er
nach einem Moment der Ruhe, streckte seine Hand nach ihrem Handy aus,
das noch immer vor den jungen Erwachsenen lag nachdem sie es für das
Stimmen der Gitarre benutzt hatte, und nutzte es kurzerhand um im
Internet nach einer bestimmten Seite zu suchen und dort nach einem
ganz besonderen Lied. Ohne Noten, schließlich hatte Yumi ihm schon
einmal gesagt dass sie damit nichts anfangen konnte. Tatsächlich
auch etwas, was viele nicht konnten. Manchmal sogar Musiker selbst.
Entweder sie lernten mit Griffzeichenschrift oder vertrautem einfach
ihrem Gehör. Beides funktionierte, mehr oder weniger, wobei am
wichtigsten dabei doch eh war, dass das Herz mitspielte oder? Er ließ
seine Finger einmal über die Gitarrensaiten gleiten, wartete einen
Augenblick geduldig in dem die junge Erwachsene sich mit den Griffen
vertraut machte und er überlegte in diesem Moment ob ihr der Song
bereits bekannt vorkam. Zögernd senkte er seinen Blick während sein
Daumen eine Saite nach der anderen berührte. Der junge Mann atmete
tief ein, schloss seine Augen und hielt noch einmal inne bevor er
seinen Blick auf Yumi richtete. Irgendwie war er nervös, fast
aufgeregt. Als stünde er vor einem Publikum, als würden dort
aber viele Menschen auf ihn warten und nicht einmal in diesen
Situationen, in denen er auf eine Bühne musste, hatte er derart
Lampenfieber. Oder war es das überhaupt? War es nicht eher die
Angst, die sich wieder Platz machte, die seinen Körper ausfüllte
weil das hier einfach nicht.. richtig war? Nicht richtig weil seine
linke Hand sich kein bisschen bewegte und nutzlos war, er die Gitarre
nicht unter seinen Fingern spüren konnte. Doch als seine Finger
erneut über die Saiten glitten, etwas kräftiger und somit einen
richtigen Ton erzeugte, da auch Yumi ihre Finger passend platziert
hatte, malte sich ein Lächeln auf seine Lippen und es dauerte keine
Sekunde bis er auch seine Singstimme wieder gefunden hatte und ein Lied anstimmte, sowohl mit seiner dunklen Stimme als auch mit der
Gitarre. Gemeinsam mit Yumi. Es war nicht perfekt aber wahrscheinlich
machte es das gerade aus.