Leon | verlässt die Villa
Das war für wahr eine wirklich unschöne und unschickliche
Situation. Für Bianca. Nicht für das junge Halbwesen. Denn er konnte sich
einfach aus dem Staub machen. Niemand konnte seinen großen Äuglein widerstehen,
wenn er sich als Schakal durch die Hallen der Villa bewegte und entdeckt wurde.
Vielleicht rief man den Kammerjäger aber bis dieser Kauz auftauchen würde, wäre
Leon schon längst durch die Hintertür verschwunden. Oder vielleicht sogar durch
das große Haupttor wenn es geöffnet war, wenn wieder ein viel zu sehr von sich
selbst überzeugter Mensch in güldenen und teuren Kleidern die heiligen Hallen
betrat und sich für überaus wichtig hielt obwohl er am Ende des Tages auch nur
ein normales Lebewesen war. Mit viel zu viel Geld und Macht. Der Kerl rümpfte
die Nase. Es machte ihn fast schon ein bisschen wütend dass es Menschen gab,
die sich für etwas Besseres hielten, nur weil sie das Glück hatten in eine
solche Familie hineingeboren zu sein. Es machte sie absolut nicht besser. Es
machte sie nicht freundlicher, nicht schöner. Es machte sie nicht zu Menschen,
die mehr als den normalen Umgang verdienten. Doch leider fühlten diese Exemplare
genau so. Als stünden sie über allen anderen. Über dem einfachen Volk, was Leon
schon immer missfallen war. Aber vielleicht waren es ganz oft auch nur
Vorteile, denn eine Ausnahme befand sich mit ihm in diesem Raum, so schien es
ihm. In diesem überaus prunkvollen Raum. In dem sich alles nur noch um ihn drehte.
Oder mehr der Tatsache wie er möglichst still und heimlich hier verschwinden
konnte. Sein Blick wanderte von seinem Handgelenk, dass die junge Adelige mit
ihrer zarten Hand gepackt hatte, hinauf in das hübsche Gesicht, dessen Ausdruck
stetig zu wechseln schien. Sämtliche Farbe war gewichen, auch wenn sie vorher
schon ziemlich blass war, so könnte man sie jetzt nicht von einer weißen Wand
unterscheiden. Wenn es hier überhaupt wirklich weiße Wände gab weil gefühlt
jedes Flecken mit irgendeinem Goldstuck verziert war oder ein hässliches Bild
von einem uralten Mann mit großer Nase präsentiert wurde. Als sie vor einem der
großen Fenster ihres Zimmers zu stehen kam, hob der Wüstenbewohner seine
Augenbrauen und steckte den Kopf kurz nach draußen nachdem Bianca das Fenster
geöffnet hatte. Sie erwartete jetzt aber nicht wirklich dass er sprang oder?
„Meine Liebe..“, begann er nach einem Räuspern. „Ich bin keine
Katze.“ Was erwartete die Andere bitte, dass er jetzt einfach aus dem
Fenster sprang nur weil sie sich bei ihren Bediensteten nicht durchsetzen
konnte? Leon seufzte und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du
solltest dir eine neue Gefolgschaft anschaffen, wenn sie dir nicht glauben.“
Als hätte er den besten Rat der Welt gegeben nickte er einige Male mit
geschlossenen Augen und klopfte ihr auch ein paar Mal sanft auf die Schulter
bevor er seine Hand zurück zog und die Arme vor der Brust verschränkte. „Am
besten verschwinde ich ganz aus Trampoli oder? Gibst du mir noch ein bisschen
etwas mit? Gold, Essen..? Die Reise wird sicher lang werden..“ Leon sah
zur Seite, sein Blick glitt nach draußen und wurde von der aufgehenden Sonne
angestrahlt. „Wie bitte?“ Als hätten ihn ihre Worte wirklich hart
getroffen, zog er die Luft scharf an und schaute die junge Frau vorwurfsvoll
an. „Ich bin nicht irgendein Streuner, ja? Dafür hast du mein Fell viel
zu sehr gestreichelt als dass ich ein normaler und daher gelaufener Streuner bin..“
Ein Grinsen schlich sich auf die Lippen des Mannes und warf der Adeligen auch
einen vielsagenden Blick zu bevor er sich schließlich geschlagen gab, die Hände
erhob und sich dem Fenster näherte. „Jetzt fühlt es sich verboten an.“,
murmelte er, warf erneut einen Blick aus dem Fenster damit er sich sicher sein
konnte dass dort keine Wache marschierte und drehte sich noch einmal zu Bianca,
nach der er die Hand ausstreckte und sie sanft an ihrer Wange platzierte.
„Meine Liebste, sei nicht traurig, verzage nicht, wir werden uns wieder sehen..
nichts kann uns trennen.“, gab das Halbwesen überschwänglich von sich
als wäre er der Hauptdarsteller eines dramatischen Bühnenstücks. Er brach seine
Rolle, fing an zu lachen, hielt sich dann den Zeigefinger an die breiten Lippen
und verwandelte sich in seine tierische Form auf vier Beinen. Als kleiner Wüstenfuchs
hüpfte er vom Fenstersims aus auf die hervorstehende Fassade und dann auf einen
Baum, der ein paar Meter neben ihrem Fenster in die Höhe ragte. Von dort aus
sprang er auf einen tieferen Ast und dann auf den Grünstreifen am Boden. Bevor noch
ein Bediensteter um die Ecke kam und Alarm schlug, machte sich der kleine Fuchs
durch die Sträucher und Büsche auf und davon. Was man nicht alles tat für die
Frauen..
Beatrice | bei Bianca in ihrem Zimmer
Es war dann doch keine lange Reise gewesen. Schon eine
längere Hinfahrt sowie eine noch längere Rückfahrt da die Pferde an einem
gewissen Punkt keine Kraft mehr gehabt hatten und sie unnötig noch eine Pause hatten
einlegen müssen aber jetzt war Beatrice wieder in Trampoli, wieder zurück in
ihrer neuen Heimat. Wobei sie es gar nicht so bezeichnen wollte. Ihre Heimat
war bei ihren Eltern, die letztendlich auch der Grund gewesen waren warum
Benedict sie aus dieser stickigen Hölle namens Taverne heraus geholt hatte. Dass
sich so etwas Taverne nennen durfte, dass in diesem Drecksloch Getränke und
vorallem Essen serviert werden durfte.. die Adelige schüttelte sich während sie
langsam die Treppen zum Eingangstor hinauf ging. Ihr geliebter Vater hatte sich
schwer verletzt, er war beim Ausreiten seines Lieblingspferdes gestürzt, denn
das Pferd hatte sich erschrocken und so hatten die Dinge seinen Lauf genommen.
Doch ihr Vater hatte das Mädchen beruhigt, es ging ihm den Umständen gut und so
wurde sie wieder fort geschickt. Was für eine unnötige Reise wie sich heraus
gestellt hatte, hätte ein Brief nicht gereicht? Oder gar keine Information über
diesen Vorfall? Immerhin konnte sie sich keine Gedanken über etwas machen, wenn
sie nichts davon wusste. Aber wahrscheinlich hatte Benedict es nur gut gemeint.
Aber das war jetzt nicht weiter wichtig. Jetzt war sie wieder hier und betrat
die aufgewärmte Villa, in der sie gleich von ein paar vorbei eilenden
Bediensteten begrüßt wurde. Was war denn hier los? Ihre Augenbrauen hoben sich
und sie schaute nach links und rechts nachdem sie ein paar Schritte nach vorne
gegangen war. Ihre Leibeigenen folgten ihr auf Schritt und Tritt und brachten
ihre mitgebrachte Truhe mit ihren Habseligkeiten die Treppen hinauf zu ihren
Gemächern, die ihr letztens schon gezeigt worden waren und in denen noch andere
Dinge von ihr auf sie warteten. Und trotzdem hatte sie jetzt wieder einige neue
Kleider mit eingepackt. Man konnte nie genug Kleider haben. „Entschuldigt,
meine Liebe, was ist denn los? Ihr eilt so durch die Flure.. ist etwas
geschehen..?“, fragte sie eine etwas unsicher aussehende Dame mit
weißem Häubchen. Ihre Stimme war süß und freundlich und das überschattete die
grenzenlose Neugier, die darin lag. Entweder es war ein großes Fest geplant und
sie verfolgten alle einen strengen Zeitplan oder es lag mehr in der Luft. Die junge
Bedienstete stotterte und stammelte ein paar Worte hervor, doch im Endeffekt
bekam sie nichts aus ihr heraus. Was Beatrice wirklich störte. Sie wusste, sie
war nicht die Frau des Hauses und hatte somit auch nicht das Recht darauf alles
zu wissen was in diesen Räumen vor sich ging aber dass die Dienerschaft ein
Geheimnis hütete, das machte sie wütend. Sie hatten nicht zu tratschen, sie
sollten arbeiten. Die Prinzessin warf ihre silbernen Haare über ihre Schultern
und ging elegant die Treppen hinauf, folgte den länglichen Fluren und wurde
langsamer als sie eine Traube von Dienerinnen vor einem Zimmer stehen sah, die
sich sofort auflöste als sie Beatrice bemerkten. Diese lächelte zunächst
freundlich, dann verblasste dieses Lächeln und sie eilte nach vorne zu dieser
Tür, die der Ursprung des Aufruhrs zu sein schien. Aber was befand sich hinter
dieser Tür? Ihr Blick wanderte darüber, über alle vier Ecken nach unten zum
Türgriff auf den sie ihre Hand legte. Doch bevor sie sie öffnete, legte sie ihr
Ohr an das Holz und versuchte etwas zu hören. War das eine Männerstimme? Und
eine Frauenstimme? Wem gehörten diese Gemächer? Ihre Neugier und die Aussicht
auf einen Skandal öffnete sie ganz vorsichtig und leise die Tür. Nicht ohne
zuvor noch einmal nach links und nach rechts zu schauen, da sie nicht unbedingt
von Jemanden erwischt werden wollte, wenn sie ohne zu Klopfen einfach ein
besetztes Zimmer betreten wollte. Ihre blauen Augen suchten den Raum ab und
entdeckten eine blauhaarige Dame am Fenster aus dem gerade ein.. flauschiger Fuchs
gesprungen war?! Nein, ihre hübschen Augen mussten sie trügen, denn was machte
ein solches Tier in den Gemächern einer Adeligen? Ein ruhiger Hund, eine
flauschige Katze, wie sie es auf dem Bett lag, das waren Haustiere aber doch
kein Fuchs! „Oh nein, ruft den Hundefänger!“, rief das
Prinzesschen laut und drückte mit einem Mal die Tür auf, machte ein paar
Schritte in das Zimmer und deute mit ausgestrecktem Arm und Finger auf das
offene Fenster. „Oder den Fuchsfänger?“ Ihre Stimme war
leiser geworden, sie neigte ihren Kopf zur Seite und warf der Fremden einen Blick
zu bevor sie ans Fenster eilte und noch versuchte einen Blick zu erhaschen aber
es war nichts mehr zu sehen. Die Silberhaarige wirbelte nach kurzem Innehalten
herum und griff nach den Händen der anderen, die sie folgend auch mit überaus
besorgtem Blick absuchte. „Geht es dir gut? Was machte dieses Tier
hier? Hat es dich verletzt?“ Es war ihr eigentlich wirklich egal ob
sie verletzt war eher wollte sie wissen was hier los war und wieso die
Bediensteten einen solchen Sturm los lösten wegen eines Tieres.