[Kyle] bei Leo an der Theke
Auf den Kommentar darüber, dass er nüchtern nicht die Eier gehabt hätte hier aufzukreuzen, reagierte er zuerst nicht. Schließlich hatte er sich nicht absichtlich Mut angesoffen, nur um Leo gegenüberstehen zu können. Und wäre der Abend mit Bianca nicht wie immer irgendwie aus dem Ruder gelaufen, wäre er auch sicher nicht hier. Doch diese ganze Situation erklären wollte er nicht. Es würde den Schmied vermutlich auch sowieso nicht interessieren. Er griff nach einem Schwert, welches eine ähnliche Größe so wie Aussehen von seinem alten Schwert besaß. Nur weil er ein neues Schwert wollte, musste er ja nicht groß rumexperimentieren. Mit seinem alten Kurzschwert war ja auch eigentlich nichts verkehrt gewesen. Während er eines der Schwerter so vorsichtig und stabil wie möglich in seiner Hand balancierte, um abzuschätzen wie einfach er während dem Kampf mit Magie und Waffe hantieren könnte, deklarierte der Schmied weiter, dass er selbst in einem besoffenen Zustand gut abschätzen könne, wer gut mit dem Schwert umgehen könne. Dies ließ seine Augenbrauen in die Höhe schießen. "Nein, echt? Hört sich nach einer ziemlich unglaublichen Fähigkeit an", musste er grinsen. Wie man die Fähigkeiten von jemand Betrunkenes einschätzen könnte, der gerade am Kämpfen war verstand er zwar und wollte glauben, dass er selbst vermutlich ein ziemlich gutes Gefühl dabei hatte, ob jemand jetzt gut oder grottenschlecht mit seiner Waffe umgehen konnte, aber er hatte doch noch nicht einmal eine Waffe in der Hand vor ihm gehalten. Vielleicht wollte der Alte auch einfach aus Eitelkeit nicht zugeben, dass einem Betrunkenen eine Waffe zu geben vielleicht nicht die beste Idee war. Gerade als er das Schwert wieder auf den Thresen legen und nach dem Preis fragen wollte, kam ein weiterer Kunde in den Laden. Das Glöckchen an der Tür registrierte er zuerst nicht wirklich, doch als der Schmied selbst seine Aufmerksamkeit kurz auf die Kundin legte, blickte er automatisch ebenfalls in ihre Richtung. Ihr Anblick ließ ihm fast augenblicklich die Farbe aus dem Gesicht weichen. Nicht, weil er negative Erinnerungen mit direkt dieser Person verband, sondern weil sie, wie auch Cammy eine der Wiederauferstandenen war, die ursprünglich von der Hand jenen Mannes gefallen waren. Unwillkürlich musste er an den Abend des Balls denken, an dem Bianca weinend in seinen Armen gelegen und von den schmerzhaften Erinnerungen gesprochen hatte, welche beim Anblick Tabathas wieder in ihr hochkamen. Er wollte seinen Blick schon gleich wieder abwenden, um nicht ebenfalls wieder mit Erinnerungen bombardiert zu werden, doch da packte ihn der Schmied auch schon beim Kragen und warnte ihn noch einmal, dass er ja nicht andere in Gefahr durch seine eigenen Entscheidungen bringen sollte. Die Reaktion, welche dies in ihm auslöste, konnten sie beide nicht erahnen und wäre ohne die Anwesenheit von Tabatha vermutlich nie so geschehen, doch in diesem Moment, in dieser bestimmten Konstellation trat der Schmied genau in sein persönliches Fettnäpfen. Als Leo schon wieder dabei war, die Hand von ihm zu lösen, schob er instinktiv seine Hand von sich weg und trat einen Schritt zurück. "Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich noch nie jemanden mit einer Waffe verletzt habe!", schnautzte er ihn an. Es war unwahrscheinlich, dass der Schmied wirklich wusste, wie tief seine Schuldgefühle über die Toten, für die er sich verantwortlich fühlte waren. Wie sehr er sich immer noch dafür verurteilte, dass er Menschen, die ihm so nahe standen nicht beschützen konnte. Die Tatsache, dass einige davon jetzt wieder am Leben waren, änderte daran gar nichts. Der Verlust war immer noch nicht verheilt, die Schuld war und würde wahrscheinlich nie beglichen werden. Gott, würden ihn diese Erinnerungen sein ganzes Leben lang heimsuchen? Am liebsten wäre er jetzt gleich wieder aus der Schmiede gestürmt, aber irgendetwas in ihm ließ ihn bleiben. Vermutlich half ihm der Alkohol nur einfach dabei, konfrontativer als sonst zu sein. Auch wenn der Schrecken von eben wieder etwas Klarheit geschaffen hatte.