[Antoinette] & Wayne

Ihre Wangen wurden heiß. Je länger Wayne sprach, desto wütender wurde sie. Das war neu. Bisher hatte sie nur ein verdammt schlechtes Gewissen gehabt, sie wusste ihr Verhalten ihm gegenüber war alles andere als fair, sie wusste nur nicht, wie sie das am besten angehen konnte, wie sie das aufklären konnte. Bis er vorhin in der Bibliothek aufgetaucht ist. Und jetzt saßen sie hier, was nach außen hin wie ein Date aussah und es war auch noch ihre Idee gewesen. Das war nicht ihre Absicht, wieder war es nicht ihre Absicht gewesen, also wie schaffte sie es, sich stets so zu verrennen?!
Sie war wütend, als sie ihn so sprechen hörte. Weil er zum einen verdammt nochmal Recht hatte, es sich aber zum anderen total einfach vorstellte. Seit wann waren Gefühle denn einfach? Oder war das nur sie?
"Non, natürlich will ich nicht, dass du mich anflehst.", pampte sie zurück. Vielleicht will ich nur, dass du die Gefühle zeigst, wie ich es nicht kann. Aber womöglich tat sie ihm unrecht. Vielleicht war er wirklich so reflektiert und abgeklärt und stolz wie er sagte. Das war doch... im Grunde eine gute Sache, nicht? Mon Dieu, bin ich etwa neidisch, weil er sich über sich im Klaren ist und ich nicht? Mit einem Mal fühlte sie sich noch kleiner, noch beschämter, aber auch sie hatte ihren Stolz und wollte auf keinen Fall, dass er davon Wind bekam. Antoinette reckte ihr Kinn.
"Was das hier soll? Warst es nicht du, der ein klärendes Gespräch haben wollte? Verzeih, wenn dir das Ambiente nicht passt, mir ist auf die Schnelle nichts passenderes eingefallen.", schoss sie zurück. Je länger sie Wayne zuhörte, je länger sie selbst sprach, desto sicherer wurde sie sich. Obwohl sie irren mochte - Wut blendete so gerne die anderen Gefühle aus. Sie hatte die Momente mit dem blonden Kerl genossen. Sie mochte, wie er sie aus der Komfortzone lockte, wie warmherzig er über seine Familie - inklusive der Tiere - sprach. Er war der Gentleman, der sie bei Regen nach Hause brachte, er war derjenige mit dem sie ewige Zeiten lang den Sonnenuntergang und die Sterne betrachten konnte.
Er war derjenige, der sie geküsst hatte, in einem Chaos aus Mehl und Schokolade. Süß, schüchtern, aufregend, neu. Und doch hatte sie ihn danach aus ihrer Konditorei geschmissen, anstatt mehr zu wollen, mehr Küsse, mehr Nähe, mehr ihn zu verlangen. Es war süß und schön gewesen und doch war ihr erster Instinkt mehr Abstand zu brauchen.
Er war derjenige, den sie um eine Beziehung gefragt hatte, weil er Wayne war, weil es schön war mit ihm Zeit zu verbringen, weil es doch der nächste logische Schritt war, wenn man sich mochte, wenn man sich geküsst hatte. Nicht? Und doch hatte sie, kaum nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, ein ganz komisches Bauchgefühl gehabt. Dieses Bauchgefühl das einen vor Fehlern warnte, dass die eigenen Bedürfnisse meist am besten kannte. Wenn sich dieses Empfinden nur von ihrer innewohnenden Anxiety unterscheiden könnte. Die Unsicherheit, die Nervosität, die Beklemmung, die sich körperlich als Anspannung, Kribbeln oder Druck zeigten, mit der kämpfte sie schon lange. Es war schwierig darunter noch das wahre, vage Bauchgefühl zu erkennen.
Ihre Wut verebbte, als die Erinnerungen über sie hinweg schwappten. Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln, doch Antoinette hielt sie zurück. Sie war es die ihn verletzt hatte, vor ihm durfte sie nicht weinen.
"Es ist nicht fair, ich weiß das.", setzte sie schließlich deutlich sanfter zu Wort an, trotz ihrer zugeschnürten Kehle, die ihr den Mund verbieten wollte. Das ist... Traurigkeit, non? "Es war nie meine Absicht, dich zu verletzten. Ich mag dich... als Freund. Aber mehr ist da nicht. Verzeih, dass mir das erst so spät klar geworden ist." Ihr Blick ging ins Leere, sie hatte die Hände auf ihrem Schoß abgelegt. Es schmerzte, sich das einzugestehen, es schmerzte, ihn verletzt zu haben, es schmerzte wohl bald wieder allein zu sein. Aber er hatte seine Antwort bekommen.