Beiträge von Avokaddo

    [Cedric] & Alessa


    'Du warst ja nicht da!'

    Ihre Wut prallte mit aller Heftigkeit gegen seine Schwermut.

    'Niemand war das!'

    Er musste da durch. Aushalten. Annehmen. Verstehen. Auf dass es vielleicht irgendwann in seinen verdammten Schädel reinging, dass es tatsächlich Leute gab, denen er nicht egal war. Die ihn - sofern Alessa's Worte wirklich der Wahrheit entsprachen - gar brauchten. Es war absurd.

    Ichkanndasnichtichkanndasnichtkanndasnichtkanndasnichtkanndasni-

    Du musst. Da. Durch.

    Cedric versuchte, sich auf seine Atmung zu konzentrieren. Eins. Nach dem anderen.

    'Ich hätte euch gebraucht.' Gebraucht.

    Es machte keinen Sinn. Wieso hätte sie ihn brauchen sollen? Wer war er schon?

    Ich bin ihr vermaledeiter großer Bruder.

    Ah, scheiße. Als Familie waren sie wirklich ausgesprochen unfähig, nicht wahr? Er hätte es besser machen müssen. Er hätte so vieles besser machen müssen.

    Sie war die Jüngste, die Kleine, sie hätte nicht dasselbe durchmachen sollen, es auf keinen Fall dürfen, wie ihre größeren Brüder. Reichte schon wenn sie verkorkst waren.

    Wie sollte er ihr nur sagen, dass es nicht seine Absicht gewesen war? Machte das überhaupt einen Unterschied?

    Denn auch für ihn war niemand da gewesen. Die zähflüssigen Tage, die sich in reiner Sinnlosigkeit aneinander schmiegten. Die guten, an denen er zumindest mal das Bett verlassen hatte, die schlechten an denen er es nicht tat. Er hatte sich so von allen, die ihm mal was bedeutet hatten distanziert, sodass es niemanden kümmerte, gar auffiel, was mit ihm los war. Daher konnte er niemanden einen Vorwurf machen, außer sich selbst. Aber Alessa - sie hatte es versucht. Die Hand ausgestreckt. So viel mehr getan als er selbst und war doch ignoriert worden. Sein Herz zog sich bei dem Gedanken zusammen. Er konnte sich in etwa ausmalen, wie es ihr erging und dieses Gefühl war absolut beschissen. Wie konnte er ihr nur erklären, dass es ihm schlichtweg an Kraft gefehlt hatte, dass er sie nicht hatte hören können? Wie auch sonst niemanden? Er verstand sich ja selbst nicht. Was fehlte ihm denn schon?

    'Ced? Du kriegst das hin. Du hast jetzt schon mehr hingekriegt, als du von dir gedacht hättest.'

    Nun, er hatte eine neue Chance bekommen, nicht? Also wollte er bleiben. Den Versuch wagen, wieder zusammen zu kitten, was auseinander gebrochen war. Cedric sah wie seine Schwester die Tränen wegblinzelte, ihn überrascht ansah.

    Sie weint wegen dir. Denkst du immer noch, das war eine gute Idee herzukommen?

    Hätte ich sie besser in Ruhe gelassen.

    Stillschweigend musterte sie ihn, als wägte sie ab, wie vertrauensselig diese Äußerung von ihm war. Er hatte ihr Vertrauen immerhin schon einmal gebrochen.

    "Nur wenn du das möchtest." Er konnte die Unsicherheit nicht aus seiner Stimme verbannen. Wollte sie? War es nur falsches Pflichtbewusstsein? Er hatte keine Ahnung. Ced hatte das Gefühl gerade auf Messers Schneide zu balancieren. Alessa zuckte zur Antwort darauf nur mit den Schultern, wollte sich nichts anmerken lassen. Nicht besonders einladend, aber auch keine Ablehnung. So gerne würde er sie einfach einmal in die Arme ziehen, diesen Abstand verringern, seiner Schwester wieder näher sein. Aber er fühlte sich unbeholfen in seinem Körper und die Sorge Grenzen zu überschreiten hemmte ihn zusätzlich. Würde sich das je wieder normal anfühlen? Oder musste er-

    Es ist auch dein Zuhause.

    Er blinzelte, geriet ins Stocken. Was in seiner Anspannung vermutlich gar nicht weiter auffiel. Sein... Zuhause? Das war keine kleine Sache. Im Gegenteil. Er hatte sich eigentlich nie so richtig irgendwo zu Hause gefühlt. Und im Moment fühlte er sich so verloren, dass diese Aussage fast wie ein Anker wirkte. Eine Einladung. Vielleicht auch ein Schritt, den seine Schwester gerade bereit war auf ihn zuzugehen.

    "Meinst du das ernst?", fragte er vorsichtig. Er blickte gequält drein. "Denn ehrlich gesagt würde ich ein Zuhause sehr zu schätzen wissen." Ein Zuhause, das war mehr als nur ein reiner Zufluchtsort. Konnte es das werden, für sie beide? Verlangte er ihr nicht gerade viel zu viel ab? Cedric verstummte, presste die Lippen kurz zusammen. Ehrlichkeit? Vielleicht musste er da auch einen Schritt auf sie zugehen. Sein Blick glitt durch den Raum, ehe er den Kopf wieder zu ihr drehte, vage in ihre Richtung blickte. "Ich weiß nämlich gerade nicht wohin mit mir." So sah es nämlich aus. Er wollte das mit Alessa gerade biegen, ja, aber der Grund seines Kommens lag in erster Linie darin begründet, dass das hier den einzigen Ort darstellte, der ihm in seiner Situation jetzt eingefallen war. Erbärmlich. Wo sollte man auch anfangen, wenn vor einem ein einziger Scherbenhaufen lag? Wenn man sein Leben bereits weggeworfen hatte?

    [Cedric] & Kyle // brain fog


    Es war laut.

    Was, was war laut?

    Das Klopfen seines Herzens, seines kaputten, gebrochenen, traurigen Herzens. Es dröhnte in seinen Ohren.

    Sein Körper war zum Zerreißen gespannt. Weshalb? Was war los? Warum, warum, warum?

    Seine blauen Augen fokussierten sich nicht auf einen Punkt, konnten es nicht, wanderten im Raum umher, ohne das sein Kopf sich mit drehte. Nur die Iriden.

    Wohin, wohin konnte er...? Wohin konnte er überhaupt noch?

    'Willst du etwa schon wieder die Flucht ergreifen?', höhnte es.

    Ich bin ein Feigling.

    Ich bin eine Last.

    Ich will nicht.

    Ich kann nicht.

    Ich schaff das nicht.

    Hilfe.

    Sein Herz zog sich zusammen, schmerzhaft, in seiner Brust. Ich muss weg. WEG.

    Egal wohin, irgendwohin.

    Es war laut, so laut, so laut, so--

    Ein Dreiklang ertönte, A, D, Fis. Noten, die das Rauschen seines Kopfes durchbrachen.

    A, Cis, E. Wer spielte...?

    Gis, B, E. Ich kenn' mich mit beiden Optionen relativ gut aus, Ced. You wouldn't even fucking imagine.

    "Hah." Die Worte, Kyle's Worte, sie kamen zeitverzögert bei ihm an, dumpf, wie aus der Ferne.

    Natürlich kennt er sich aus. Ich kann mir vermutlich wirklich nicht vorstellen, was er durchgemacht hat.

    Trotzdem heule ich rum.

    Warum nur fühle ich so.

    Es war frustrierend. So verdammt frustrierend.

    Melodie zum Akkord.

    Sooo.. what is it ur brain is bothering you with? Saying it out loud might just do the trick.

    Ja, was ist los? Was stimmt nicht mit mir?

    Saying it out loud.

    Cedric öffnete den Mund einen Spalt breit. Kein Laut entfuhr seinen Lippen.

    Ichkannnichtkannnichtkannnicht

    Seine Hände verkrampften sich, bohrten sich in den Sitzhocker hinein. Die einzige Regung, zu der er gerade im Stande schien.

    Warum nur fühlte sich sein Körper so schwer an?

    Sag es. Sag es. Sag es.

    Sag irgendwas.

    Er sprach nichts aus. Kyle sprach.

    I guess.. even right now I'm still questioning whether I'm a terrible person or not.

    Ob er eine furchtbare Person war? Beinahe hätte Ced kurz aufgelacht.

    Wondering.. if I'm even being a help to you at all?

    Wondering if I'm fucking things up?

    Beklemmung nistete sich in seiner Magengrube ein.

    Ich bin nur eine Last.

    Sicher ist er froh, sobald ich weg bin.

    Er fühlt sich nur verpflichtet mir zu helfen, obwohl er das nicht müsste. Nicht mal wollte.

    Sei still, sei still, sei still.

    Kyle hatte ihm einen Wohnungsschlüssel gegeben. Kyle hatte ihm vom verdammten Dach gezogen.

    Du lügst.

    Worried to say something wrong, to make you feel worse than you already do..

    Er machte sich Sorgen um ihn. Das sollte er nicht tun. Niemand sollte sich Sorgen um jemanden wie ihn machen.

    Die Melodie verklang. A, B, Gis. Ganze Note, 4/4-Takt. Stille.

    Stille.

    Bis auf ein leises Kichern.

    'Er lacht dich aus. Weil dein Verhalten einfach lächerlich ist. Erbärmlich.'

    Wie kann er so vergnügt wirken?

    Alles eine Farce?

    Alles eine Lüge?

    Immerhin kannte er es. Also, wieso lachte er?

    I don't really have any idea what I'm doing, you know? Don't think any of us do, though.

    Warum wurde das Leben eigentlich nicht mit Anleitung geliefert? Wer hat sich die Scheiße ausgedacht?

    Wieso musste es so verdammt hart sein?

    Ich hab auch keine Ahnung, was ich überhaupt tue. Tun soll.

    Aber es war ein klein wenig beruhigend, dass es Kyle genauso erging.

    But I know what it feels like to be alone and I don't want you to feel that way.

    Ced hatte sich verdammt lange verdammt allein gefühlt. Sie hatte tiefe Wurzeln in seiner Seele gegraben, diese Einsamkeit. Hatte dafür gesorgt, seinen Beziehungen nie vollends zu trauen, sich nicht mit ihnen. Hatte stets im Hintergrund Selbstzweifel geschürt.

    I don't want you to feel that way.

    Ah.

    Ich will es auch nicht.

    Warum konnte er nicht einfach 'nein' sagen und die Sache war erledigt? Warum musste es immer ein Kampf sein? Nichtsdestoweniger, ein Kampf gegen sich selbst?

    Er verspürte Zuneigung auf diese Worte hin. Er wollte so sehr daran glauben.

    And... it does get better. The scary thoughts get less and less. The self doubt does too. Everything.

    Unmöglich.

    Er wollte so sehr daran glauben.

    Das wird nicht passieren.

    Nicht immer. Aber manchmal. Manchmal war ein Anfang.

    Cedric legte den Kopf auf Kyles Schulter ab, den Blick weiterhin geradeaus gerichtet. Die Hände lagen nun in seinem Schoß und er nestelte mit ihnen herum.

    Er wusste nicht wann es passiert war, aber... die Anspannung seines Körpers war von Panik zu seinem üblichen Level gesunken. Wann er sie wohl erstmals gar nicht mehr würde spüren müssen?

    "Wie.", begann Cedric leise, seine Stimme endlich wieder gefunden. Zeit war verstrichen. "Wie wird es besser? Wie werden sie weniger?" Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

    Kyle war dadurch gegangen, nicht? Konnte er ihm nicht einfach sagen, was er tun musste, damit es ihm besser ging? Damit ihm die eigenen Gedanken, sein eigenes Selbst, nicht mehr so quälten? Aber es gab keine einfache Antwort. Er hatte es selbst gesagt. Keiner Ahnung, was er tat, sich hinterfragen, zweifeln, bis heute nicht wissen ob er ein schrecklicher Mensch war. Nein.

    "Du bist nicht furchtbar. Im Gegenteil." Ced musste das jetzt klarstellen. "Danke.", wisperte er, "Das du mich nicht alleine lässt."

    Dankbarkeit. Das war vermutlich die Zuneigung, die er zuvor gespürt hatte. Ein verdammt starkes Gefühl.

    Nichtsdestotrotz verblieb ein Ausdruck des Kummers auf seinem Gesicht.

    Sprich es aus. Cedric öffnete den Mund erneut, schloss ihn wieder. Als wäre da eine riesige Blockade, die ihn daran hinderte. Kyle hatte seine wahren Gedanken offenbart. Warum konnte er es dann nicht?

    "Es ist schwer.", meinte er gequält, "Die Gedanken laut auszusprechen." Als könnten sie dadurch realer werden. Als könnte sich die Bedrohung dadurch vergrößern. Als wären sie als Gedanken vielleicht noch widerlegbar, ausgesprochen jedoch ein unumstößlicher Fakt. Er konnte sie nicht in die Realität bringen.

    [Cedric] & Alessa


    Erneut legte sich die Stille über die Geschwister. Sie war von der Sorte, wie sie nur schwer zu ertragen war. Cedric hatte nicht den Mut aufzusehen, sah so nicht die Tränen in ihren Augen. Wusste es trotzdem. Schmerz, den er verursacht hatte. Immer und immer und immer wieder kam es auf genau das zurück. Es wäre so viel einfacher, wenn er einfach nicht da wäre. Er schrie. Im Kopf. Ein tosender Sturm seiner Gedanken, über die er einfach keine Kontrolle hatte. Dagegen kam er mit ein bisschen positiv denken schlichtweg nicht an - es wurde einfach verschluckt, negiert in einem dunklen Schlund der sich tief in ihm festgesetzt hatte. Sie hasst dich. Du bist wertlos. Die Leute wünschten, sich nicht mit dir abgeben zu müssen. Sieh was du angerichtet hast. Warum bürdest du dich ihr auf, hm? Niemanden liegt was an dir. Du hättest ihnen und dir da echt 'nen Gefallen tun können. Was kannst du eigentlich? Du-

    Es war so laut.

    Sei still, sei still, sei still, sei still, sei still.

    Cedric hob den Kopf, blickte nach oben zur Decke, blinzelte. Die Hände hinter seinem Rücken waren verkrampft, zitterten, was er zwanghaft versuchte zu unterbinden. Atme. Aber Gott, war es schwer Luft in seine verdammten Lungen zu befördern, wenn sich die Brust so derart zugeschnürt anfühlte. Es war nicht so das er hyperventilierte, sein Körper wusste wie man atmete, er war nur so blockiert, dass es flach und oberflächlich blieb und war das nicht absurd?

    Und als Alessa das Wort ergriff, wäre es diesmal fast er gewesen, der einen ungläubigen Laut von sich gegeben hätte. Als ob. Niemand brauchte ihn wirklich. Wieso log sie ihn an? Was sollte das? Er verstand nicht. Das machte keinen Sinn. Die Aussage nicht. Aber eine Lüge genauso wenig. Wie? Eine klägliche, hoffnungslose Seite in ihm hätte ihm beinahe ein 'Wirklich?' auf die Zunge gelegt - wollte sich vergewissern - doch hielt sich zurück. Cedric sah mittlerweile wieder zu seiner Schwester. Unter der Erschöpfung lag Irritation, Skepsis, Hoffnung vielleicht. Er empfand einen starken Drang ihre Worte einfach abzulehnen, sie nicht zu glauben, denn wie könnte er? Denn wenn er es tat, wog es so nicht noch viel schwerer, sie im Stich gelassen zu haben? Ah, es tat weh. Tat sie meistens, die Wahrheit.

    "Das wusste ich nicht.", erwiderte er leise. Nahm es für den Moment einfach nur an - die Trauer, die diese Wahrheit verursachte. Die Tatsache, dass Alessa alleine gewesen war, wenn sie ihre Bruder gebraucht hätte, wirklich gebraucht hätte, so unverständlich ihm das auch erscheinen mochte. Es war nicht nur das schlechte Gewissen, das in ihm arbeitete, nein vielmehr eine tiefe Melancholie darüber, nicht bei ihr gewesen zu sein, nicht an ihrer Seite. Verpasste Augenblicke. Gespräche, die hätten sein können, die nie waren. Es war schmerzhaft, aber es war gut nicht? Zumindest einen Teil mal einzusehen? Keine Entschuldigung könnte das so einfach wieder gut machen.

    Cedric stieß sich leicht, fast unmerklich von der Haustüre ab. Die eine Hand griff nach dem Ellenbogen der anderen Seite. Er zögerte, ehe er schließlich fragte: "Darf ich bleiben?" Sein Herz schlug schnell, sein Magen verkrampfte sich vor Nervosität, denn da lag immer noch die unterschwellige Angst sie möge ihn im nächsten Moment einfach wieder vor die Tür setzen, weil er zu viel verschissen hatte. Und das hatte er ja wirklich. Zu bleiben, bedeutete sich dem auszusetzen. Es wäre leichter, selbst einfach wieder zu gehen, oder? Aber er ahnte, ein verbliebener gesunder Teil von ihm ahnte, dass er sie dann komplett verlieren würde, wenn er es nicht schon hatte - und das er bleiben wollte, um ihretwillen, ganz gleich was sie ihm noch an den Kopf werfen würde. Schaffte er das? Konnte er das? Er musste. Wollte. Wollte, dass Alessa wieder zu seinem Leben gehörte und er konnte nur hoffen, dass es ihr auch so erging.

    [Cedric] & Alessa


    Ob es bessere Worte gegeben hätte, als jene die er gewählt hatte? Vielleicht. Vermutlich. Cedric spürte, wie sich die Kluft zwischen ihnen gerade nur noch zu erweitern schien. Ein Fehler - wieder einmal. Obwohl anzunehmen war, egal welche Sätze sich in seinem Mund bilden würden, sie konnten das Vergangene nicht ungeschehen machen. Taten sagten so viel mehr als Worte. Und nichts tun, sich nicht melden, sie nicht besuchen - das war nichts was er so eben beheben, wieder gutmachen konnte. Vielleicht nie. Und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte, wenn Letzteres tatsächlich eintreten sollte - wenn Alessa ihm keine Chance mehr gab.

    Als Alessa sich zu ihm umdrehte, suchte er ihren Blick, als könnte er darauf hoffen darin Antworten zu finden. Was natürlich nicht so einfach war. Stattdessen erreichte ihn die geballte Kraft ihrer Gefühle: Wut, Leid, Enttäuschung - woraufhin er zusammen zuckte und bei ihrem Ausbruch immer kleiner wurde. Der Spott in ihrer Stimme konnte den Schmerz nicht übertünchen. Ihr Lachen klang leer und hohl, zornig, wo es einst voller Freude geklungen hatte. Cedric konnte ihrem Blick nicht standhalten, konnte es nicht. Er wand sich unter ihren Worten, hatte sich unbemerkt an der Haustür angelehnt, denn ohne sie würde er sicher komplett einknicken. Sie war so wütend und sie hatte jedes Recht dazu. Auf was willst du dich noch verlassen, wenn du von allen verlassen wurdest? Sie hatte sich diese beschissene Familie nicht ausgesucht. Er hatte besser sein wollen. Wirklich. Aber wer würde ihm das noch glauben? Und welche Rolle spielte das noch? Was machte er hier überhaupt? Was hast du denn erwartet? Das sie dich mit offenen Armen begrüßen würde? Er wusste es nicht. Vielleicht. Die Wahrheit war, er hatte gar nicht wirklich darüber nachgedacht. Zum einen, weil er nicht darüber nachdenken konnte. Ganz im egozentrischen Sinne, war er stets so mit sich selbst beschäftigt, dass schlichtweg keine Kapazitäten mehr da waren, sich in andere hineinzuversetzen. Als wäre seine Empathie völlig kaputt gegangen. Warum nur war das so? Zudem hatte er nicht erwartet, dass sie sauer sein würde, weil er ganz einfach nicht damit gerechnet hatte, dass sie ihn ernsthaft vermissen würde. Das sie ihr eigenes, geregeltes Leben hatte und ganz zufrieden damit war - so zufrieden wie man eben sein konnte. Hatte sie sich mal bei ihm gemeldet? Auch dem war er sich nicht sicher. Selbst wenn, dann hatte er es bestimmt als reine Höflichkeit abgetan. Denn wie konnte er ehrliche Bekundungen als solche anerkennen, wenn er selbst fest daran glaubte, diese Zusprüche nicht verdient zu haben?

    Und so stand er nun hier mit ihr im Eingangsflur und da war sicher noch vieles, sehr vieles auf dem Herzen. Ihrer beiden. Cedric blickte zu Boden, die Handflächen hinter ihm an die Tür gedrückt - als wolle er sich einen schnellen Fluchtweg sichern. Ewig der Feigling. "Tut mir leid, dass ich so aus dem Nichts auftauche.", wisperte er, "Und nicht schon viel früher gekommen bin."

    Gibt's noch ne Charakterbegrenzung? Ne oder? 😂


    Name: Pandora Minh Choi

    [Bild muss ich zu Hause gucken]

    Altersstufe: Teenager

    Geburtstag: 24. November

    Größe: 1,66 cm

    Familienstand: who cares?

    Familie: Suiren [Mutter], Rick [Vater], Ran [Halbschwester], Matthias [Patenonkel], Amy [Patentante], Cedric [Patencousin], Iveine [beste Freundin]

    Herkunft: Riverport

    Info: Pandora war eine Frühgeburt. Dies und mehrere Unachtsamkeiten in der Schwangerschaft führten dazu, dass Pandora auf ihrem linken Auge blind geboren wurde. Sie hatte eine ganz wundervolle Kindheit (was in Riverport schon was heißen will), denn beide Elternteile waren für sie da gewesen. Nicht nur das: Bei dem reichen Elternhaus waren Ausflüge, Urlaube und generell alles drin gewesen, ohne sich darüber auch nur einen Gedanken machen zu müssen. Es galt nur eine Regel: don't mess with your parents. Nicht, das sie's nicht versucht hätte, aber meistens verbrannte sie sich daran doch. Tja, und jetzt steckt Panda in der Pubertät, gl hf.

    Job: chaos queen

    Charakter: stolz, spontan, stur, abenteuerlustig, selbstbewusst, chaotisch, impulsiv, ist für fast alles offen, anmaßend, hochmütig, rebellisch, egozentrisch

    Vorlieben: Partys, Chaos, tun was sie will, Nächte, Graffiti, Make-Up, Kleidung (Style!!), Freiheit, Verbotenes,

    Abneigungen: Menschen, Erwachsene insbes. Autoritätspersonen, Regeln, Schule, schwer arbeiten (überhaupt arbeiten??)

    Wohnort: Fuchsberg 4 | Riverport

    Vergeben an: Avokaddo

    [Cedric] & Alessa


    Quietsch. Das nicht zu verkennende Geräusch eines bremsenden Fahrrads, ließ Cedric aufsehen. Er sah auf. Nein, es handelte sich nicht um seine Schwester, die gerade mit dem Fahrrad angeradelt kam (irgendwie hätte ihn das gewundert), sondern um einen Pizzaboten. Also war doch jemand zu Hause? Jepp. Da ging auch schon die Tür hinter ihm auf. Der Augenblick war gekommen. Cedric drehte sich im Sitzen nach hinten um und blickte zu seiner kleinen Schwester hoch. Wobei sie so klein nicht mehr war. Wann ist das nur passiert? Sein schlechtes Gewissen vergrößerte sich nur noch. Vor ihm stand fast schon eine Frau. Aber Kopf in den Sand stecken war gerade nicht drin. Ihre Blicke trafen sich. Er konnte nicht sehen, was sich in ihnen spiegeln mochte. Ablehnung? Wut? Oder doch Freude? Sein Herz klopfte schneller, zum einen weil er sich wirklich, wirklich freute seine Schwester zu sehen, zum anderen weil er genauso viel Angst davor hatte, sie möge ihn zum Teufel jagen. Wozu sie jedes Recht hatte. Ced stand auf, als sie sich wieder in Bewegung setzte, unschlüssig wie er Alessa begrüßten sollte. Wie viel Nähe war da noch zwischen ihnen? Und warum musste es mit einem Mal so kompliziert sein? Die Worte lagen ihm schwer auf der Zunge. Ihr Name oder einfach nur ein Hallo, für den Anfang. Doch der Kloß in seinem Hals war zu dick als dass auch nur irgend ein Laut seine Kehle verließ.

    Der Pizzabote verschaffte ihm Zeit. Reiß dich zusammen. Verflucht, am liebsten hätte er sie in die Arme geschlossen, sie an sich gedrückt, zugegeben, dass er sie vermisst hatte. Aber er tat nichts davon. Es war Unsinn - und nebenbei vermutlich mehr als einmal Grenzüberschreitend. Stattdessen also schloss er lediglich die Augen, versuchte krampfhaft die Ruhe zu bewahren. Es würde sich regeln. Keine Panik. Seine Gedanken schossen schon wieder in eine fiktive Zukunft. Wenn Alessa ihn nun ablehnte, ihm die Tür verwehrte, wo sollte dann hin? Und wie sollte er das dann wieder gerade biegen? Wo sollte er mit dem gerade biegen seiner Beziehungen überhaupt anfangen? Die zu seiner Schwester war ja nicht die Einzige, die er gekappt hatte. Er hatte sie alle gekappt. Nur um jetzt mit nichts dazustehen. Ich bin allein. Er hatte das gar nicht anders verdient. Wieso sollte sie auch ihre Zeit mit ihm verschwenden, nur weil sie Geschwister waren? Das war lächerlich. Insbesondere wenn man ihre verquere Familiengeschichte ansah. Familie. Was war das schon?

    Hör auf.

    Alessa nahm die Pizza entgegen und der Lieferkurier schwang sich wieder auf sein Fahrrad. Cedric stand schließlich auf, war ihr zugewandt, bereit etwas zu sagen, irgendwas, bevor sie ihm die Tür vor der Nase zu knallte. Seine Schwester sah ihn abwartend an. Da war eine Zurückhaltung in ihrem Verhalten, die ihm neu war, die er ihr jedoch kaum verdenken konnte. 'Kommst du...?' Sein Magen machte eine Kehrtwende. Ein klitzekleiner Stein fiel ihm vom Herzen. Er bekam eine Chance. Er hatte es vermutlich nicht verdient, aber er bekam eine Chance. Die Anspannung hielt ihn dennoch weiterhin fest im Griff. Es stand einfach so vieles zwischen ihnen. Doch für's Erste nickte Cedric nur und folgte Alessa ins Haus hinein. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, der Geruch von Pizza lag in der Luft. Zögerlich blieb er hinter seiner Schwester, presste die Lippen aufeinander. "Tut mir leid, dass ich mit einem Mal vor deiner Haustür auftauche.", kam es schließlich - endlich - aus ihm hervor. Dann, Pause. Nichts. Wie sollte das bloß noch werden? Wo zum Teufel sollte er anfangen? Seine Hände wurden schwitzig. "Wie... geht's dir?" Oh Gott, wie banal einfach. Konnte er nicht einmal mehr ein Gespräch mit seiner Schwester führen? Er kam sich vor wie der letzte Heuchler - der er ja am Ende auch war. Immerhin hatte ihn nicht die Zuneigung zu Alessa her geführt, sondern die reine, eigene Verzweiflung. Vielleicht bin ich auch einfach nur ein selbstsüchtiger Mistkerl. Wie nah war dieser Gedankengang nur an der Wahrheit dran?

    [Hahkota] & Yahto




    War schon blöd, wenn man sich zusammen eine Gehirnzelle teilte. Da hatten die beiden Blutsbrüder jahrelang auf ihrer Insel trainiert, nur um am Ende doch in Panik zu verfallen, sobald etwas schief ging. Ihre Vorfahren würden sich schämen! Hahkota nahm einen richtig tiefen Atemzug. Er war der Ältere. Er durfte nicht länger eine Schande für seinen Stamm sein! Das Dämonenwerkzeug war zu Boden gefallen, was brannte war die Opfergabe selbst. Das bedeutete... der Schutzzauber wirkte! Aber lange würde er nicht mehr standhalten! Hahkota griff nach dem Schweizer-Taschenmesser, ein scharfer Schmerz machte sich in seinem Arm breit und ihm war, als könnte er etwas Dunkles erkennen. Mit voller Wucht schmiss er es aus dem Fenster, welches natürlich offen stand (sie mochten es eben, die Natur in diesen Steinbau zu lassen okay?). Hahkota war ein ausgezeichneter Werfer, aus den Augenwinkel erkannte er, dass er es bis in den Nachbarsgarten katapultierte. Gut, konnten sich die drum kümmern. Sie konnten sie ja vielleicht später warnen oder so. Der Schutzzauber brannte immer noch lichterloh, mittlerweile hatte es den Vorhang mit erwischt. Das war... nicht gut. Ne, das war echt nicht so gut. "Yahto, hol das Feuer-Ausmach-Ding!", rief er seinem Freund und Häuptlingssohn zu. Er selbst rannte in die Küche, griff nach den Ofenhandschuhen, rannte zurück ins Wohnzimmer, nahm das Stößchen mit dem Weihrauch in die Hände, rannte zurück in die Küche, schmiss es in die Spüle, schmiss die Handschuhe in die Spüle und ließ Wasser drauf laufen, bis es langsam weniger wurde. Erst danach bemerkte er ein Pochen in seinen Händen, die trotz des Ofenhandschuhschutzes leicht verbrannt hatte. Oh, und war da nicht noch was gewesen? Es roch verbrannt aus dem Wohnzimmer. DIE VORHÄNGE!!! DIE VORHÄNGE BRANNTEN NOCH!!

    [Marlin] & Sherry



    Marlin gluckste. Vielleicht hatte der heiße Dampf sein Gehirn vernebelt, aber tatsächlich war er nicht genervt von der harschen splitterfasernackten Frau, sondern vielmehr amüsiert. Naja, er war ja genauso nackt, nur befand sich sein Körper noch redlich noch bis zum Hals Unterwasser. Ungewöhnlich, dass er mal der anständige Part war. "Einsicht ist der erste Weg zur Besserung." Na, immerhin wusste sie, dass sie a) splitterfasernackt und b) verwirrt war. Damit war ja alles geklärt. Pervers fand er sich übrigens nicht im Geringsten. Es war ja nicht so, als das er die Situation einer offensichtlich so verwirrten Frau ausnutzen würde. Und immerhin war das hier ein Gemeinschaftsbad. Naja, trotzdem kostete er ihren Unmut aus. Was sollte er sagen? Er war einfach angetan, wenn auch andere Menschen außer er schlecht drauf waren - und keinen hehl daraus machten. Direkt sympathisch. Was offenbar nicht auf Gegenseitigkeit beruhte, aber das störte ihn nicht. Tja und tatsächlich bat sie ihm um einen Gefallen. Belustigt zog Marlin die Augenbrauen nach oben. "Seh schon, hat dir richtig Entspannung gebracht.", kommentierte er, während er sich tatsächlich dazu herabließ, ihrer Bitte Folge zu leisten. Selbst er war nicht so ein Unmensch, als das er einer armen a) splitterfasernackten und b) verwirrten Frau die Hilfe verwehrte. Nur um das nochmal zu betonen. "Was hast du denn noch so Wichtiges vor, hm?" Marlin erhob sich - guess what, eben so nackt - stieg aus dem Wasser und griff nach einem der Handtücher, die die Badehausoma hergelegt hatte. Eines davon band er sich selbst um die Hüfte, ein zweites nahm er. Kontrolliert setzte er einen Schritt nach dem anderen, ging am Beckenrand entlang auf die blonde Schönheit zu. Den Blick hielt er gezielt auf Augenhöhe. Rote Augen. Ungewöhnlich. "Und was stimmt mit dir nicht?", fragte er geradeheraus, provokant, obwohl seine Stimme ruhig blieb. Damit gab er die Aussage zurück, die sie vorhin über ihn getroffen hatte. Was mit ihm nicht stimmte, wusste er. Aber sie? Da war immer noch die Tatsache, dass sie so plötzlich im Bad aufgetaucht war. Wie war ihm das entgangen? War er wirklich weggedöst? Oder sie war untergetaucht, ihre Haare waren nass, aber... so lange? So ganz traute er der Sache nicht. Ich werd wohl doch einfach alt. Und dann die roten Augen. Das war unnatürlich. Kontaktlinsen? Aber wozu farbige? Wobei sie ja schon sehr exzentrisch wirkte. Naja, im Grunde konnte es ihm auch egal sein. Marlin entschied sich um. Als er ihr das Handtuch reichte, ließ er seinen Blick von ihrem Gesicht aus weiter nach unten gleiten, über ihre Brüste, ihren Intimbereich. Hübsch. Seine grünen Augen blitzten auf, ein süffisantes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Das nahm er als Bezahlung dafür, dass er sich die Mühe gemacht und ihrer Bitte gefolgt war.

    [Cedric] & Kyle // happy babe is happy until he's not


    Aus ihrer Komfortzone heraus, huh? Well, das hatte er bei Cedric auf jeden Fall geschafft. Wobei, eigentlich war es gerade fast umgekehrt. Cedric bewegte sich ständig außerhalb seiner Komfortzone, die quasi nicht mehr existent war und Kyle zog ihn wieder hinein - wie in eine kleine Kuppel der Sicherheit. Dem Jetzt. Einem Jetzt, in dem es gerade... okay war. Irgendwie.

    "Du tust das also öfter?", fragte er beiläufig nach, wobei er nicht groß darüber nachdachte. Es gehörte wohl einfach zu seinen Eigenschaften. So wie manche Menschen hervorragend vor Publikum sprechen oder Leute für eine Sache begeistern konnten. Und, was kannst du? Außer dich selbst und andere ruinieren? Er krümmte sich innerlich. Sie kamen immer wieder, weiterhin - jene dysfunktionalen Gedanken, die seine winzige Kuppel der Sicherheit durchbrechen wollten. Ein Teil von ihm erkannte es bereits: Es würde ein sehr, sehr langer Weg werden.

    Er versuchte seine Anspannung zu lösen. Tja, wenn das immer so einfach wäre. Seltsamerweise bekam er den Eindruck, dass es Kyle in dem Moment ähnlich ging. Ced drehte den Kopf zu ihm, bemerkte jedoch nichts Näheres. Nur der Punk, der gerade dazu übergegangen war, sich mit den Armen hinter ihm abzustützen. Womöglich hatte er nur seine eigenen Gefühle projiziert. Es gab vieles, was Cedric nicht über Kyle wusste. Umgekehrt hatte auch er noch nicht viel erzählt. Es waren keine Themen... über die man einfach so reden konnte. Vielleicht, mit der Zeit? Vielleicht, wenn ihre Freundschaft hielt.

    Back to Topic.

    "...Also." Wie erklärte er das jetzt am Besten? "Das wird jetzt schwierig. Die Neunte Sinfonie geht über eine Stunde, besteht aus 4 Sätzen, gespielt von einem ganzen Orchester samt Chor, die Freude schöner Götterfunken singen und ein Piano ist tatsächlich nicht dabei." Tatsächlich grinste Ced. Nur ganz leicht, aber nichtsdestotrotz ein Grinsen. Nun, Musik war eines seiner wenigen Leidenschaften, also machte ihn das einfach glücklich, darüber reden zu können. "Glaub das krieg ich hier so jetzt also nicht hin." Was nicht heißen sollte, dass er nicht bereit war was anderes zu spielen. Aber - und das musste man jetzt einfach mal so sagen - er hatte nicht alles im Kopf. So begnadet war er dann doch nicht. Instinktiv griff Cedric nach dem Handy in seiner Hosentasche. Nur, dass er gar nicht seine Hose an besaß. Und das er sein Handy auch nicht mithatte. Der kurze Anflug von Freude verschwand so schnell, wie er gekommen war. Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Ah. Da war ja was gewesen. Haha. Yeah. Als er sich weniger frohen Mutes auf den unklaren Weg gemacht hatte, seinem Leben möglicherweise ein frühzeitigeres Ende zu verschaffen, hatte er rein gar nichts mitgenommen. Nur die Klamotten, die er trug, die noch immer in Kyle's Badezimmer lagen. Wieso sollte er auch? Also, kein Handy. Ob ihm... seit gestern irgendjemand geschrieben hatte? Ob sich irgendwer Sorgen machte, wenn er sich nicht meldete? Ach, wer denn? Glaubst du wirklich, es wäre so bald jemanden aufgefallen? Glaubst du wirklich, es würde irgendwen interessieren? Ah. Sein Mund wurde trocken. Stimmte schon. Er sollte sich da keine falschen Hoffnungen machen. Das war ihm ja längst klar gewesen. Warum verdammt nochmal, schmerzte der Gedanke dann trotzdem so sehr?

    "Kennst du das Gefühl,", begann Cedric langsam und wich dabei Kyle's Blick aus, "Dass du dich zwar nicht physisch verletzt, dein Kopf und deine eigenen Gedanken dich aber einfach fertig machen?" Sag das nicht, sag das nicht, sag das nicht. Wieso brachte er das jetzt an? Total bescheuert. Uuh, wir waren hier um uns sicher und gut zu fühlen, verdammt. Was war mit der Sicherheitskuppel? Was war mit der Musik? Ced hatte die Hände unter seine Oberschenkel gepackt. "Sorry. Vergiss es. War jetzt unangebracht." Musik. Was konnte er spielen? Für Elise? Noch etwas von Einaudi? Er hatte nicht bemerkt, wie sein Körper sich verkrampfte, sein Herz schneller schlug, irrelevant in Anbetracht des Sturmes der in seinem Hirn tobte, ihn daran hinderte auch nur einen klaren, vernünftigen Gedanken zu fassen. Shit. Shit, shit, shit. Komm verdammt nochmal auf dein Leben klar, Ced. Ah. Aber ich hab Angst, Angst, Angst.

    vom 17.09.2022


    [Cedric] vor der Haustüre


    Er hatte gelogen. Nichts Neues mehr, allerdings doch die erste Lüge in seinem 'neuen' Leben. Er hatte Kyle zugesichert, dass er okay war, dass es einen Ort gab, an den er hinkonnte, dass er sich keine Sorgen brauchen mache. Zugegeben - das hatte nicht funktioniert. Auch richtig stark von dir, ne neue Freundschaft direkt mit Lügen zu beginnen. Nein, so war es nicht! Er wollte nur nicht... dass sich jemand unnötig Sorgen machte. Ah, das alte Muster, huh? Wobei sie in seinem Fall vielleicht nicht so unnötig waren. Er seufzte. Kyle hatte ihm das Versprechen abgenommen sich zu melden. Okay. Das konnte er. Sobald er es schaffte ins Wohnheim zurückzukehren, wo noch immer sein Handy lag - samt allen anderen Habseligkeiten. Er trug gerade nicht mal seine eigenen Klamotten, die lagen noch immer in Kyles Bad. War ihm recht so. Auch wenn es ungewohnt war, in fremden Sachen außer Haus zu gehen - immerhin hatte Kyle ihm noch eine Jacke hinterhergeschmissen. Denn heute war es deutlich kühler als noch tags zuvor. Gestern hatte ihn die Sonne verhöhnt und heute holten ihn die Wolken ein. Aprilwetter durch und durch. Stimmt, April. Er hatte Geburtstag gehabt, nicht? Vor ein paar Tagen? Wie hatte er selbst das vergessen können? Und alle anderen mit mir? Naja egal. Das Leben ging weiter, so überraschend das auch sein mochte. Nur wie das war noch die Frage. Und akuter eben das wohin. Cedric steckte die Hände tiefer in die Jackentaschen, während er so durch die leeren Straßen der Kleinstadt ging. Er begegnete nur wenigen Leuten, nach den ersten schönen Tagen, verkrochen sich die meisten bei dem kühlen Wind lieber wieder in ihre Häuser. Er konnte es ihnen nicht verdenken. Sein Kopf war wie leergefegt. Es wirkte fast, als versuchte sein Gehirn krampfhaft an nichts zu denken, um so all die losen Fäden, die ihn noch zusammen hielten, weiterhin zusammen zu halten.

    Und dann stand er plötzlich vor einem Haus, dass ihm doch irgendwie vertraut war, selbst wenn es Monate - wenn nicht gar Jahre - her gewesen sein mochte, als er zuletzt hier gewesen war. Ein Haus in einer ruhigen Wohngegend am äußeren Rand der Stadt. Das Haus von seinem Dad und seiner kleinen Schwester.

    Cedric atmete einmal tief durch, legte dann den Kopf zurück. Ein Zufluchtsort, vielleicht? Was sollte er sagen, warum er da war? Es war komisch ohne Ankündigung aus heiterem Himmel aufzutauchen, nicht? Wie ehrlich konnte er sein? Wie ehrlich wollte er sein? Oder musste? Ah, das war keine gute Idee. Er war die letzten Jahre auch kaum für Alessa da gewesen, hatte sie verloren wie so viele andere auch. Scham keimte in ihm auf, bis seine Wangen brannten. Was soll's. Er hatte nichts mehr zu verlieren. Und wenn es die Ausweglosigkeit war, die ihn hergeleitet hatte, war es eben so. Cedric überquerte die wenigen Meter von Straße bis zur Haustüre, hob den Finger und zögerte doch. Er war scheiße nervös, gleichzeitig spürte er wie die Enge in der Brust ihn zu ersticken drohte. Ruhig. Das ist nur eine verdammte Türklingel. Cedric konnte nicht einschätzen ob lediglich Augenblicke oder doch Stunden vergingen, ehe er sich überwand die Klingel zu betätigen.

    Nichts passierte.

    Er wartete. Übermäßig lange. Dann versuchte er es nochmal. Nervös war er immer noch, aber die Enge war nun leichter auszuhalten, vielleicht weil sich die Ahnung zu bestätigen abzeichnete: Es war niemand zu Hause.

    Cedric versuchte sich an einem (mehr schlecht als rechten) tiefen Atemzug, drehte der Tür den Rücken zu und - setzte sich auf die kleine Treppe vor dem Haus. Niemand zu Hause. Im Grunde hatte er auch keine Ahnung wann Matze oder Alessa wieder kommen würden. Oder ob sie überhaupt noch hier wohnten - okay nein, das ging zu weit. Zumindest einen Umzug hätte er doch mitbekommen. Es gab keinen Ort an dem er sonst hin konnte - außer zurück zu Kyle vielleicht - aber das war für ihn gerade keine Option. Und ganz ehrlich gesprochen fehlte es ihm auch an Kraft sich wieder aufzuraffen und weiter zu gehen. Warten. Mit warten konnte er sich erstmal abfinden. Mit Nichtstun kannte er sich mittlerweile ja aus, meist aus fehlender Motivation, keiner Energie - Nichtstun weil er aktiv wartete war im Gegenzug dazu ja fast erfrischend. Ob das gut gehen würde?

    [Charlie] & Ben | auf dem Weg ins Obergeschoss



    Charlie tänzelte von einem Fuß auf den anderen. Die Kieselsteine rutschten ihr schon aus der Hand, weil ihre Finger so taub geworden waren vor Kälte. Hatte ihr Bruder wirklich einen solchen Tiefschlaf?! Oder... war er etwa selbst aus dem Haus geschlichen und bei nächtlicher Stunde unterwegs? Schock! Da würde ihr Zwilling ihr aber ganz neue Seiten zeigen.

    Die sich natürlich nicht bewahrheiteten. Ihr Handy vibrierte in der Hosentasche und erleichtert las Charlie Ben's Nachricht. Die Rettung nahte! Dafür durfte sie ihm vermutlich wieder Haushaltsdienst abnehmen. Naja, war nur fair. Charlie stapfte zurück zur Haustier, als sie plötzlich sah, wie das Licht im Flur anging. Sofort duckte sich das Mädel, sodass sie aus dem Fenster heraus nicht zu sehen war. Oh man, sag bloß nicht du hast Oma aufgeweckt!

    2 Minuten später, eine neue Nachricht: Er hatte Oma aufgeweckt.

    Charlie stöhnte. Ben war ein furchtbarer Lügner und ihre Oma eine äußerst scharfsinnige Frau, selbst für ihr Alter noch. Sie würde ihn bestimmt durchschauen, egal was er behauptete und Ben gegenüber zwar nichts sagen, aber sie selbst morgen zur Rede stellen. Ganz sicher. Uuuuggghhh.

    Egal, half jetzt alles nichts. Charlie schlich ums Haus herum zur Terrassentür, wo Ben ihr wie versprochen die Tür aufgemacht hatte. Die Mission war also nicht gänzlich gescheitert. "Du bist mein Retter!!", begrüßte sie ihn so leise wie möglich, aaaaaber mit einer deutlichen Bierfahne, die von ihr ausging (sorry Ben). Sie ging aber noch gerade, oder? Nicht das ich dafür meine Hand ins Feuer legen würde ahahaha. Sie hatte einiges getrunken. Die Kälte und das Adrenalin von der Herumschleicherei hatten die Effekte zwar für einige Zeit in Schach gehalten, aber jetzt wo ihr kleiner Bruder auf sie aufpasste und sie im Haus war, schien die Anspannung von ihr abzufallen. Oh yeah, das hatte sich ja alles mal sowas von gelohnt! Ha! Mit einem dümmlichen Grinsen auf ihrem Gesicht wuschelte sie ihrem Lockenschopf von Bruder durch die Haare. "Was würd isch nur ohne dich tuuun!" Ups, das war vielleicht lauter heraus gekommen als geplant. Schnell ab nach oben!

    [Charlie] | nachts vor dem Haus



    Oh nein, nein, nein, nein, nein!

    ...

    Charlie wir haben ein Problem.

    Spulen wir kurz ein wenig zurück. Charlie, jung, dynamisch, Teenager, hatte gemacht, was junge Leute in dem Alter eben so machten: Sie war ausgegangen. Heimlich. Hatte sich am späten Abend auf leisen Sohlen aus dem Haus geschlichen, die Schuhe in der Hand um sie draußen erst auszuziehen, die Haustüre so leise geschlossen wie es nur ging. Frei! Sie liebte ihre Großeltern, aber was sowas betraf, waren sie einfach... naja, alt. Und für sie war sie immer noch das kleine liebe Mädchen, was ja nett war, aber... ach man, sie wollte halt auch mal raus! Und als sie gehört hatte, dass der Sohn vom Bauer Gustav eine Dorfparty in seiner Scheune veranstaltete, war der Fall für sie klar gewesen. Der war ja auch nur ein paar Jahre älter als sie! Und es hatte Spaß gemacht. Auf dem Dorf kannte man sich eben, also hatte das keiner hinterfragt. Aufm Dorf boten dir Erwachsene auch schon mit 13 das erste Bier an. Pädagogisch fragwürdig, aber so war's halt. Also hatte sie keiner verpfiffen. Manchmal war's aber auch nervig, dass sich im Dorf alle kannten, weil sie das Gefühl hatte, so nicht ernst genommen zu werden. Genauso wie ihre Großeltern sie immer noch wie ein Kind behandelten, maaaan! Sie war schon fast volljährig, verdammt! Naja, jedenfalls, Party war gut, Uhrzeit war spät und Charlie stand zurück vor der Haustür.

    Ohne Schlüssel.

    Scheiße!! Charlie presste die Lippen aufeinander, dass ihr der Fluch nicht entfleuchte. Oma hatte einen super leichten Schlaf und ein perfides Gehör. Leider.

    Noch ein Problem. Im Sommer mal spontan draußen campen? Kein Problem. Sie hatten dazu auch alles in der Gartenhütte verstaut.

    Aber es war fucking Dezember.

    Gar nicht gut Charlie, gar nicht gut. Sie tänzelte ein wenig von einem Fuß auf den anderen, weil die Kälte ihr bereits unter die Kleidung kroch. In der Scheune war's halt doch deutlich wärmer gewesen, voll mit tanzenden, feiernden Leuten. Okay, half alles nichts. Ben musste ihr helfen.

    Sie zog ihr Handy aus der Tasche und schreib ihrem Bruder eine kurze Nachricht.



    Vielleicht schob ihr Bruder ja eine nächtliche Lerneinheit?! Sie erhoffte sich davon nicht zu viel. Vermutlich schlief er tief und fest und würde ihre Nachricht so nicht lesen, selbst wenn sein Handy mal nicht auf lautlos gestellt war. Daher schlich sie ums Haus herum und sammelte ein paar Kieselsteine ein, die um das Haus herum lagen. Ein Hoch auf die Deko. Dann versuchte sie damit Ben's Zimmerfenster zu treffen. Natürlich schliefen die Zwillinge im Obergeschoss, wo sie nicht einfach mal ans Fenster klopfen konnte. Charlie warf ein Kieselsteinchen nach dem anderen. Normalerweise war sie gut in Werfen und Zielen. Aber alas - sie war angetrunken und ihre Finger waren ganz steif vor Kälte. Komm schon Ben, wach auf. Das konnte noch eine lange Nacht werden.

    [Cedric] & Kyle // good ol' memories, wait, the math is not mathing


    "Noch mehr?", wiederholte Cedric und blickte verständnislos zu Kyle. "Okay, jeder hat so seine Hobbys. Ich akzeptiere das.", schloss er schließlich und zuckte lediglich mit den Schultern. Es schien ihm gerade besser, das nicht weiter zu hinterfragen. Nur weil es für ihn keinen Sinn machte, musste das ja noch lange nicht für andere gelten. Andersrum gab es ja auch genug Dinge, wo sich seine Mitmenschen sicher dachten, was mit ihm selbst nicht ganz richtig war. Vor allem nicht ganz richtig im Kopf, höhnte es. "Mir wird nichts einfallen. Hast du denn Spitznamen? Von anderen, meine ich." Cedric nahm das eher simpel. Cedric - Ced. Das war's. Kurz und einfach, keinen Grund eine Philosophie draus zu machen. Und er hatte Kyle schon gesagt, dass er nicht gerade der kreative Typ war. Kyle war außerdem schon ein kurzer Name, kurz und einfach, keinen Grund daran etwas zu ändern. Nun, er könnte Melchior mit Mel abkürzen, aber alas, warum auf einen Zweitnamen ausweichen? Zumal der Punk selbst sagte, er präferiere den Namen Kyle. Nein, alternative Namen kamen ihm nur schwer über die Lippen. Aber solange Kyle sich nichts Blödes für ihn ausdachte, konnte er gut damit leben.

    Die linke Hand, die immer noch mit den Tasten herum hantierte, als könne sie es einfach nicht lassen, endete abrupt was einen harten, tiefen Ton zur Folge hatte. Cedric drehte den Oberkörper zu Kyle. "Das war echt skurril gewesen." Er fuhr mit der rechten Hand durch seine Haare. "Ich mein, damals hast du mich echt anders verwirrt. Weiß immer noch nicht, warum ich überhaupt geantwortet hab." Ced schüttelte den Kopf, als würde er sein Vergangenheits-Ich nicht länger verstehen. Kyle irritierte ihn auch heute noch, aber nicht mehr so sehr wie zu Beginn. Hatte er sich einfach an die Macken seines neuen Freundes gewöhnt? Cedric wollte die Dinge immer durchschauen, ihren Kern verstehen, um sie für sich Einordnen und Abschätzen zu können. Wie eine Gleichung der Mathematik, die sich umstellen ließ, um so zu einer Lösung zu gelangen. Aber Menschen waren nicht so simpel gestrickt, Gefühle waren es erst recht nicht. Natürlich ließ sich auch hier aus Erfahrung Kontrolle gewinnen. Auch Emotionen hielten eine Grundformel inne. Ich verpasse den Bus, ich bin genervt. Ich haue mich wo an, Schmerz. Ich höre, meine Verlobte hat mich ohne ein Wort zu sagen verlassen und werde wütend. Eine Beziehung geht kaputt, ich bin traurig. Im Grunde war es simpel. Nur existierte oft Schicht um Schicht um Schicht, was diese eigentlich simple Gleichung unfassbar komplex machte. Wenn er versuchte herauszufinden, was er fühlte (das war schon eine Aufgabe für sich) und dann noch warum dem so war - Nein, er verstand sich selber nicht. Es war nicht einfach. Und naja, mit Kyle war es... Kyle war eben... Kyle. Er war verwirrend und kompliziert, aber vielleicht auch nur weil er direkt und roh agierte. Naja, und vielleicht weil er wirklich einen Hang zum Kryptischen hatte. Aber gut, eigentlich verständlich - er wollte auch nicht jedem sofort erzählen, wo seine Probleme lagen. Probleme, die du dir doch nur selber machst, wisperte es. (Außer in Zukunft, bei Lucky Duck, Luke einfach randomly zu erzählen was so bei Endgame Sache gewesen war, wuups, aber hey, die Drogen waren Schuld!!)

    "Nichts da Spooky Ghost. Nachdem du mir deinen Namen verraten hattest, hab ich dich einfach unter Kyle Melchior eingespeichert." Klipp und Klar. Jap, Cedric war der Typ der Leute mit Vor- und Nachnamen einspeicherte. Und weil er Kyle's bis dato noch nicht kannte, hatte halt den anderen Namen dazugeschrieben. Alle Infos die er hatte, wurden eingespeichert, so und nicht anders lief das bei ihm (und mir lol). Zugegeben zur Zuordnung hatte er ausnahmsweise noch einen Geister-Emoji hinter den Namen gesetzt. Nur für den Fall der Fälle.

    Cedric drehte sich wieder zurück zum Flügel und blickte eine Weile lang stumm auf die Tasten. Darüber hatte er noch nie nachgedacht. Aber tatsächlich war die Vermutung gar nicht so abwegig. Sie würden es niemals herausfinden, weder wie es im Kopf des Meisters geklungen hatte, noch ob es von dem abwich, wie es dann gespielt wurde. Tragic indeed. Cedric wurde melancholisch bei der Vorstellung. "Ich glaube.", meinte er langsam, "Das ist das besondere der Musik. Jedem von uns vermittelt sie etwas anderes." Und vor allem vermittelte sie uns eines: Gefühle. Etwas, mit dem Cedric so seine Schwierigkeiten hatte. Und was sie alle dabei empfanden, war absolut unterschiedlich und hielt das nicht auch eine bittersüße Schönheit inne?

    [Cedric] & Kyle // Him!! & random Geschichtsunterricht


    Kyle hatte sich zu ihm gesetzt, als er ihm das Versprechen abnahm. Oder... nicht ganz abnahm. Aber das war fair. Er konnte nicht alles, wozu er selbst sich nicht in der Lage fühlte, auf die Schultern seines neuen Freundes schichten. "Sorry.", entkam es ihm, ehe er die Lippen zusammenpresste. Zu spät. Das Wort war schon rausgerutscht. "Ich..." Sein Bestes, was? Er spürte, als würde ein Gewicht ihn niederdrücken. Als wäre sein Bestes ein gerade noch unerreichbares Ziel, als wäre sein Bestes etwas das mal war, was er jetzt verloren hatte. Ihm war noch nicht klar, dass es sich hierbei um keine gerade Linie handelte mit einem endgültigen Ziel. 'Sein Bestes' das durfte jeden Tag anders aussehen. Mal konnte er viel geben, mal nur ganz wenig. Jeder Tag sah anders aus und er war anders in diesem Tag. Immer ein Stück. Und das war okay. Tja, aber akzeptierende Gedanken wahrlich zu verinnerlichen, sollte er lieber mal in Therapie gehen. It helps. There were some life hacks, he could find useful. Aber soweit waren wir noch nicht. Step by step. "Ich versuch's." Für jetzt war das genug.

    Beethoven's Mondscheinsonate. "Ich hab nichts dergleichen gesagt.", entgegnete Cedric, als Kyle regelrecht enthusiastisch wurde, jedoch umspielte ein sachtes Lächeln für einen Moment seine Mundwinkel. Wo Cedric zurückhaltend agierte, gab Kyle seine Gefühle offen zu. Ced fand das faszinierend wie beneidenswert zugleich. Wie nur konnte jemand so sein? Hatte er überhaupt schonmal jemanden kennen gelernt, der sich so unverstellt zeigte? Vielleicht war es auch nur hier und jetzt so, nein bestimmt sogar. Er hatte sich auch umbringen wollen. Zweimal. Das war sicher nicht die Person gewesen, die jetzt so glücklich neben ihm saß. Cedric wurde schlecht bei der Vorstellung. Nicht nur, weil er selbst nicht hier wäre, hätte der Punk sein Vorhaben erfolgreich umgesetzt, sondern vorwiegend weil dann eine mitfühlende, starke, warme, humorvolle Person ganz einfach fehlen würde. Ced ließ das Schweigen zu, während er Kyle von der Seite aus beobachtete. Zusah, wie dieser zufrieden hin und her wippte. Es war nur eine von vielen Seiten eines Jungen, nur die eine, die er kennen lernen durfte. Für jetzt sollte das genügen. Vereinzelt waren andere Facetten durchgeblitzt - wie vorhin am Küchentisch. Eine Dunkelheit, die sich nicht immer verbergen ließ. Vielleicht würden sie irgendwann über all die furchtbaren Teile ihrer Geschichte reden. Vielleicht auch nie.

    "Brauch ich dann auch einen Spitznamen für dich?", durchbrach Cedric die Stille schließlich, bevor Kyle noch auffiel, dass er mit den Gedanken gerade ganz, ganz woanders gewesen war. Mit Spitznamen kannte er sich nicht aus und er hatte da auch keine besondere Verwendung für, aber Kyle schien es glücklich zu machen, also wehrte er sich nicht länger dagegen.

    "Naja, er war ja nicht von Anfang an taub, das kam erst später.", meinte Cedric und legte gedankenverloren seine linke Hand wieder auf die Tasten, ein paar simple Muster erklangen. "Wobei spät relativ ist. Ging in seinen 20ern schon los mit Schwerhörigkeit. Muss hart gewesen sein." Er konnte sich das gar nicht vorstellen. Die Musik nicht mehr hören, derer man sein Leben verschrieben hatte? Die Welt, stummgeschaltet? Ein trauriger Ausdruck huschte über sein Gesicht. "Hat ihn zeitweise an Suizid denken lassen. Kann's ihm nicht verdenken." So schließt sich der Kreis. "Er hat aus dem Kopf heraus komponiert und sich auf sein musikalisches Gedächtnis und seine Erfahrung verlassen. War immerhin seine Profession." Cedric hatte großen Respekt - vor vielen Komponisten, er liebte die Stücke von damals einfach. Was nicht heißen soll, dass er modernerer Musik abgeneigt war, aber die klassischen Sachen berührten ihn einfach anders. "Tatsächlich.", erzählte Cedric weiter, "Als die Neunte Sinfonie uraufgeführt wurde, hat er den Applaus der ihm galt nicht gehört. Die Musiker musste ihn behutsam zum Publikum drehen."

    [Cedric] & Kyle 


    Noch immer klangen die Noten in seinem Kopf nach. Es war ein beruhigendes Gefühl, irgendwie. Als würde die Musik ihn bergen, wie sie es früher oft getan hatte. Es juckte ihn regelrecht in den Fingern einfach weiterzumachen. Nie aufzuhören, denn nur so konnte er seinen Frieden wahren. Nie aufzuhören, denn so konnte er den Schwierigkeiten des Lebens einfach entgehen. Ced wusste, dass der Gedanke närrisch war, der Wunsch bestand trotzdem. Ein dummer Traum.

    Then.. we'll just make sure you won't forget how it feels like ever again. Das wäre schön. Da war sie wieder, die Sehnsucht, bittersüß in seiner Brust. "Versprichst du's mir?", fragte er leise, mit den Gedanken nicht ganz präsent. Es war vermutlich unfair, Kyle darum zu bitten für ihn mitzudenken, ihn in die gewünschte Richtung zu stupsen, wenn er sich selbst wieder vergaß und damit das, was ihm etwas bedeutete. Aber Cedric traute sich selbst nicht länger und das aus gutem Grund. Und er wusste, nein, hoffte, glaubte wollte das es stimmte: das Kyle seine Versprechen hielt.

    Er hatte das so nebenbei gefragt, noch während er spielte. Und er war überrascht, ungelogen. Wobei es eigentlich nur logisch war: Wer bitte konnte schon die Menge an klassischen Stücken von längst verstorbenen Künstlern auseinanderhalten? Schätze, mein Studium hat mich doch geprägt. "Beethoven's Klaviersonate Nummer 14." Cedric hatte das Stück beendet und drehte sich zu Kyle um, dass eine Bein angewinkelt, mit dem Fuß überm Knie. (erste reihe, dritte von links, i have no idea how to describe this) "Auch genannt die Mondscheinsonate. You know, wegen Moonchild?" Er zuckte mit den Schultern, der Hauch eines Schmunzelns umspielte für einen winzigen Moment seine Mundwinkel. "Wusste nicht, was ich sonst drauf antworten sollte." Vielleicht war es nicht die klarste Aussage einfach weiter Klavier zu spielen, aber hey, jeder hatte so seine Methoden. Ced liebte das - diese Entspanntheit die er gerade empfand. Nur Augenblicke vorher hatte er Panik geschoben und die Tränen nicht zurückhalten können, weil einfach alles zu viel wurde. Es war skurril wie schnell sich die Dinge ändern konnten. Und sie waren nicht weg, nicht vergessen, nicht vergeben - aber er war dankbar für jede noch so kleine Ablenkung, die sich ihm bot. Für diese kleinen Momente, in denen er wieder lernte, zu leben. Das nicht alles schlecht war. Nicht immer. Und besonders nicht jetzt. "Beethoven war übrigens der, der später taub weiter komponiert hat.", fügte er hinzu, nur für den Fall der Fälle. Vielleicht durfte er Kyle noch in die Welt der Klassik entführen? (Er hatte ja keine Ahnung, dass dieser genau das Gegenteil vorhatte).

    [Cedric] & Kyle // I'm in a glass case of emotion


    Die Zeit war stillgestanden, so wie sie es manchmal tat, um einen Moment einzufangen. Und diesmal - diesmal war es ein guter Moment gewesen. Endlich. Es war eine schöne Abwechslung, nach allem, was... war.

    Walk. Das Stück hatte eine seltene Sanftheit, die hohen Töne vorsichtig, hauchzart, als wagten sie kaum zu erklingen. Darauffolgend - eine Tiefe, ernst. Eine Gleichmäßigkeit, die dennoch keine Eintönigkeit aufwies. Als erzählten sie vom Alltag, dessen Tage blass ineinander übergingen und dessen Emotionen dennoch real und intensiv gefühlt wurden. Als wären die sanften Töne die ersten Tropfen eines Regens, der daraufhin einbrach und sich vom Himmel ergoss, jedoch nicht die Gewalt eines Sturmes mit sich brachte. Nur Wasser, leise, beständig. Das war Walk.

    Die letzten beiden Töne verklangen, Cedric ließ sich Zeit, ehe er die Finger von den Tasten löste. Dann atmete er aus. Ein tiefer, langer Atem. Er hatte sich ewig nicht mehr so ruhig gefühlt. Tatsächlich fühlte er nichts - nichts, was wirklich nennenswert gewesen wäre. Es war jedoch nicht die Leere, die ihn erstickte, ihn lähmte. Genauso wenig waren da die Angst, die ihm die Kehle zuschnürte, die Selbstzweifel, die ihn wertlos machten, die Anspannung, die alles in ihm zusammenzog. Nein, jetzt atmete er frei. Doch ebenso wenig spürte er Glück, Freude, nicht einmal Stolz, etwas vollbracht zu haben. Und in genau dieser Hinsicht fühlte er nichts besonderes - nichts bis auf ein ureigenes Verständnis von 'Es ist gerade gut so wie es ist. Es ist okay.' Und das war herrlich. Es war kein tiefes Lachen, welches alles in uns löste, keine Inspiration, die uns antrieb, nicht einmal die Hoffnung, dass alles besser werden würde. Keines der positiven Gefühle, nach denen wir stets lechzten. Aber auch keine negativen. Und trotz allem nicht Nichts. Es war. Es war okay. Und auf eine Weise: Es war gut so, wie es sich gerade gestaltete.

    Die letzten beiden Töne verklangen. Für die Dauer eines Liedes, war Cedric nicht hier gewesen. Vielleicht war er auch nicht er gewesen. Er hatte sich vergessen, seinen Kummer, seine Vergangenheit, die Sorge um die Zukunft. Sie hatten schlichtweg keine Rolle gespielt. Nicht in diesem Moment. Und im Grunde, da bestand das Leben nur aus Momenten, die einander folgten, nicht? Wieder und wieder und wieder. Ein neuer Moment. Dann der nächste. Sie flossen so sehr ineinander, dass wir das Gefühl hatten, sie fügten sich zu einem einzigen ewig langem Strang zusammen. Sie waren verbunden, so wie ein Moment den nächsten formte und Entscheidungen hatten Auswirkungen, kleine, große. Doch das Leben war keine Linie, es war nur Jetzt. Nur war das so verdammt schwer zu begreifen, dass wir uns ständig im selbst gewobenen Strang verhedderten. Bis wir daran erstickten. Der ideale Nährboden für Sorgen. Sorgen was war, was man falsch gemacht hatte, was man hätte anders machen können oder sollen, was man bedauerte. Sorgen was sein würde, was man tun solle, wie man sich entscheiden solle, wie sich alles entwickelte, der Versuch die Zukunft zu kontrollieren, um uns selbst zu beruhigen, obwohl das schlicht unmöglich war. Das Leben in seinem Kopf, seine Gedanken, seine Erinnerungen, dass was ihn, Cedric, als Person formte, kognitiv - das Leben im Außen, die Dinge, der Körper, die Zellen die sich darin bewegten, die Atome aus denen alles geschaffen war, physisch. Nun, was war das Leben? Darüber durften sich Philosoph:innen den Kopf zerbrechen. Aber wofür quälten wir uns? Für die guten Momente? Für die Zufriedenheit in einem Augenblick? Reichte das aus, um sich mit all den negativen Emotionen herumzuschlagen? Walk. Aber irgendwie wäre es auch schade drum, dass aufzugeben. Der Tod kam sowieso - da konnten wir auch noch ein bisschen mitspielen. Für die guten Momente. Für ein Lächeln, für tiefrote Sonnenuntergänge, für den Geruch leckeren Essens, für die Umarmung eines Freundes, für das Erstaunen durch Kunst, für fantastische Geschichten in denen wir mitfühlten, für... Musik, die in uns widerhallte.

    Die letzten beiden Töne verklangen. Als hätten all die Klänge einen Zauber gewoben, die das Schlechte zurückhielt - er würde nicht ewig halten, dieser Zauber, aber für jetzt, da war es genug.

    Die letzten beiden Töne verklangen. Cedrics Hände rutschten vom Klavier in seinen Schoß. Sein Herz schlug ruhig, bedächtig, er fühlte. Erstaunen zeichnete sich in seinem Gesicht ab, über sich selbst und über die Gefühle, die ihn heimsuchten, die er kaum noch kannte.

    Es dauerte einen Moment, bis Worte bei ihm ankamen. Bis er wieder begriff, wo er war. Kyle's Wohnung, sein Flügel. Und seine Worte, die er an ihn gerichtet hatte. Cedric drehte den Kopf langsam zu seinem Freund um. "Ich habe das vermisst.", hauchte er. So sehr vermisst. Sehnsucht ergriff ihn, aber es war kein schlechtes Gefühl. Als müsse er betrauern, dass er dieses Fragment seiner Selbst verloren, vielleicht sogar unterdrückt hatte. Aber es war okay, jetzt. "Danke." Es war unklar, ob er damit die Möglichkeit meinte, die ihm gerade gegeben wurde oder Kyle's Kompliment. Vermutlich beides.

    Cedric drehte den Kopf wieder Richtung Flügel, als könne er noch nicht davon ablassen. Tatsächlich spielte er ein weiteres Stück an. Beethoven's Mondscheinsonate. Cedric hatte keine Ahnung was Kyle ihm mit Moonchild sagen wollte oder wieso das passte - aber ehrlich gesagt, hinterfragte Cedric das auch nicht so genau. Es handelte sich um Kyle und er lernte langsam, dass nicht alles was sein neuer Freund sagte oder tat, unbedingt einen Sinn ergeben musste. Zumindest nicht für ihn. Aber er wollte es auch nicht so im Raum stehen lasen und die Mondscheinsonate war seine Antwort darauf.

    [Cedric] & Kyle // am Flügel


    Cedric blinzelte überrascht, als Kyle gegen seine Stirn schnippte. Es holte ihn zumindest aus den Gedanken heraus. Sein Blick ruhte auf Kyle, als dieser aufstand um ihm etwas zu holen. "Sor-", setzte er an, wurde jedoch von Kyle's mahnendem Zeigefinger unterbrochen. Verdammt. Das war... schwieriger als erwartet. Entschuldigte er sich wirklich so häufig? "Silly Moonchild...?", wiederholte er stattdessen den Namen, den der Punk ihm offenbar gerade verpasst hatte. "Woher kommt das denn?", fragte er, als er dankbar das Küchentuch entgegennahm um sich die restlichen Tränen wegzuwischen. Und einmal kräftig zu schnäuzen. Was man halt nach einem Heulkrampf so alles hinterließ. Jedenfalls. "Ich fühl mich zu gar nichts bereit.", nuschelte Cedric, während er das provisorische Taschentuch zu einem kleinen Viereck zusammen faltete. Die Aussage hatte einen unangenehm wahren Kern. Er fühlte sich nicht bereit sich dem Leben zu stellen, er fühlte sich nicht bereit seinen Freundschaften gegenüber zu treten, er fühlte sich nicht bereit sein Studium fortzusetzen, er fühlte sich nicht bereit, nach Therapeut:innen zu suchen... Er seufzte. Die vergossenen Tränen hatten ihn auch mit einem leichten Kopfschmerz zurückgelassen, wie das eben oft so war, wenn die Emotionen einen so richtig übermannten. Müde. "Und ich hab gar nichts vor.", fügte er hinzu und man konnte fast einen Hauch Trotz hinein interpretieren. Nur fast. Cedric raffte sich auf. So verlockend die Vorstellung war, sich einfach eine Decke über den Kopf zu ziehen und die Welt zu vergessen, wollte er sich gerade trotzdem nicht zu leicht machen. Er schmiss das Taschentuch weg, griff kurz entschlossen nach Kyle's Hand und zog ihm vom Stuhl hoch, Richtung Wohnzimmer. Sonst würden sie am Ende noch Jahre in der Küche verbringen. Er ließ die Hand ebenso schnell wieder los, wie er sie genommen hatte, so viel Körperkontakt war eigentlich überhaupt nicht seine Art. Aber mit Kyle war es irgendwie... leichter? Vielleicht färbte der Punk auch einfach auf ihn ab. Cedric fasste sich ein Herz und ging schließlich zum Instrument in der Mitte des Raumes. Es war okay. Es war erlaubt. Er setzte sich auf den Hocker und betrachtete erst einmal nur. Ced wusste nicht, ob Kyle ihm folgte oder es sich woanders bequem machen würde. Tatsächlich dachte er nach. Ausnahmsweise nicht über all die Geschehnisse in den letzten Tagen und Wochen. Sondern einfach nur darüber, was es ihm bedeutete. Musik war eine ständige Konstante in seinem Leben gewesen. Sie hatte nie etwas von ihm gefordert, ihn im Gegenzug jedoch stets geborgen. Weil sein Kopf, der sonst immerzu zu rasen schien, dann ruhig wurde. Vielleicht war es seine Art der Meditation, ein Weg einfach den Moment zu erleben wie er war - ohne auf die Vergangenheit zurück zu blicken oder sich über die Zukunft Sorgen zu machen. Es war Teil seiner Identität - zu dem geworden. Und so wurde er ruhig. Ich hab dich vernachlässigt, dachte er im Stillen und dann, lauter: "Ich hab schon ewig nichts mehr gespielt." Eine bittere Wahrheit lag darin. Das etwas, dass ihm stets geholfen, stets geerdet hatte, einfach... vergessen wurde. Nein, nicht vergessen. Ignoriert. Er hatte seine Geige im Zimmer gesehen und sich einfach nicht aufraffen können. Mit einem Mal war es mit Druck verbunden, wo es ihm sonst die Freiheit geschenkt hatte. "Ich war auch schon ewig nicht mehr in der Uni." In der Uni hatte er weitere Möglichkeiten sich auszuprobieren und hatte sie gerne genutzt. Es gehörte einfach zu seinem Studium dazu. Auch das hatte mit einem Mal gefehlt. Einfach so. Ceds rechte Hand bewegte sich hin zu den Tasten, die Fingerspitzen berührten diese Sacht, jedoch ohne einen Ton zu spielen. Ich habe keine Ahnung was-, Ein Ton erklang, verhallte leise. Cedric atmete hörbar aus, hatte nicht bemerkt, wie er den Atem angehalten hatte. Und mit einem Mal bewegte er sich intuitiv, spielte die ersten hohen Töne, ganz zart. Als erinnerte sich sein Körper an etwas, was sein Geist vergessen hatte. Spielte die Töne erneut. Setzte sich gerader hin, als er schließlich die linke Hand hinzunahm und einfach spielte.

    [Cedric] & Kyle 


    In seinem Kopf tobte ein Sturm. So war das häufig, wenn man weinte, nicht? Cedric spürte den Schmerz in seinem Inneren, der Grund, weshalb die Tränen unaufhörlich flossen. Wann war das letzte Mal gewesen, dass er geweint hatte? Als er... Noita die WaLhrühegite erzählt hatte? Das war unfair gewesen. Er hatte kein Recht gehabt zu weinen. Aber vielleicht... vielleicht hatte ein Teil von ihm gewusst, dass er sich mit seiner Entscheidung auch selbst verletzte. Wie nur konnte er ehrlich zu seinen Freundschaften sein, wenn er nicht einmal ehrlich zu sich selbst war? Er hatte die Gefühle danach vollends abgestoßen, um nicht am Schmerz zu ersticken, doch die verinnerlichte Wertlosigkeit - die war auch vorher schon da gewesen. Sie war immer mal wieder durchgeblitzt, im Innen, wie im Außen. Ich habe kein Glück verdient. Ich bin es nicht wert. Es hat alles keinen Sinn. Manchmal hatten die Anderen etwas bemerkt. 'Natürlich hast du Glück verdient.' Nick. 'Für mich bist du wertvoll.' Noita. 'Ich bin froh, dass du da bist.' Kyle. Nun, Letzterer hatte mehr als nur etwas bemerkt; er hatte das Schauspiel aus nächster Nähe mitverfolgt - und eingegriffen. Der Gedanke an Nick und Noita jedoch schmerzte. Genauso wie er an Simon und Alice schmerzte. Alessa hatte er vollkommen vernachlässigt. Und mit Ran am Ende gar nichts geklärt. Sie vermisste ihn. Wahr? Gelogen? Und was bedeutete das jetzt noch? Sie hassten ihn, hassten ihn, hassten ihn. Ah, es tat so verdammt weh. Wo war bloß die Gefühlslosigkeit, die den Schmerz betäubte? Mit einem mal glaubte er nachvollziehen zu können, weshalb Menschen zu stimmungsverändernden Mitteln griffen.

    Hör zu. Kyle's Stimme versuchte sich einen Weg durch den Lärm in seinem Inneren zu bahnen. Er sah dessen Lächeln nicht, der Tränenschleier ließ ihn alles, alles nur verschwommen wahrnehmen. Er wischte sie erneut fort. Der Anblick seines neuen Freundes holte ihn ins Hier und Jetzt zurück. Langsam nickte er. Cedric hoffte, dass Kyle recht behielt - er wollte ihm so sehr glauben. 'Naiv.', Ein Wispern, 'Als ob du dich ihnen stellen könntest. Als ob du auch nur ein sinnvolles Wort herausbringst.' Cedric griff kurz nach Kyle's Hand und drückte sie fest, ehe er sie ebenso schnell wieder losließ. Der Kloß in seinem Hals war zu dick um etwas zu sagen, also war das eine Art Antwort - ein Halt, ein Vergewissern, ein ich will dir glauben. Und er wollte. Auf eine Weise war es hilfreich, dass Kyle - so traurig und schockierend es war - von Erfahrung sprechen konnte. Es gab Dinge, die sich nur schwer erklären ließen, geschweige denn begreifen, verstehen, nachempfinden. Es brauchte jemanden, der es einfach kannte, egal was es war. Eine Art gegenseitiges Verständnis, die keiner Worte bedurfte. Ein Ich bin nicht alleine. Ein Teil von ihm fragte sich, was Kyle zu seinem Suizidversuch gebracht hatte, aber er wagte es nicht zu fragen.

    Hilfe. Damit die Gedanken in seinem Kopf ihn nicht mehr geißelten. Damit der Schmerz geringer wurde. Damit er das Ende nicht mehr als Lösung sah.

    Erneut nickte Ced. "Das klingt gut.", wisperte er schließlich. Es war hart. Aber daran konnte er sich klammern.

    Und da endlich versiegten die Tränen. Er fühlte sich ausgelaugt und erschöpft, so wie das oft war, wenn die Emotionen einen beutelten. Mit einem mal registrierte er, dass auch Kyle Spuren von Tränen aufwies. "Oh man.", meinte er, "Jetzt hab ich dich auch noch zum weinen gebracht. Sorry, ich- Ach man." Er hatte keine Ahnung was er sagen sollte. Alles war Chaos. Alles war viel. Und vom Geheule lief auch noch seine Nase. "Ähm. Hast du... vielleicht ein Taschentuch oder so..."

    [Cedric] & Kyle | nah so nah


    Cedric hatte keine Ahnung, wo sich Kyle gerade befand. Aber er kannte das. Er kannte das so, so gut.

    Warum nur? Aber warum, warum, warum?

    It's called trauma. And nobody can save you from that.

    Gestern holte ihn ein. Er wusste nicht warum, nur... Kyle dissoziiert zu sehen, erinnerte ihn, wie er drauf gewesen war - nur wenige Stunden vorher. Ein Albtraum. Es fühlte sich an, als würde eine reine Ewigkeit dazwischen liegen, aber Überraschung: Nichts verschwand so einfach über Nacht.

    Der Wind, der ihm durch die Haare fuhr, die kalte Reling unter seinen Händen, jene Stimme. "Ich kann dir helfen, es zu Ende zu bringen." Ah, es war falsch, so falsch. Übelkeit machte sich in ihm breit. Die Tiefe. Die Angst. Und auch wenn er es nicht zugeben wollte. Eine surreale Hoffnung, die er mit einem Ende verband.

    Nie mehr. Er schluckte. Die Übelkeit blieb. Nie wieder wollte er sich an eine tödliche Hoffnung klammern. Er durfte nicht. Aber wäre es nicht so einfach?

    Cedric schloss die Augen. Sein Herz schlug schnell in seiner Brust. Nichts daran war einfach. Das Leben war nicht einfach. Aber das Leben war.

    'It's complicated.' Ced öffnete die Augen wieder, als Kyle - endlich, endlich - reagierte. "Jaaa.", erwiderte er, "Das kann ich verstehen." Stille legte sich über sie, ein Schweigen, in dem jeder der beiden seinen eigenen Gedanken nachhing.

    "Wie-", setzte Cedric an, als Kyle ihm erklärte, er hätte geholfen. Wie das? Er saß einfach nur hilflos hier rum? Oder war es eine Lüge, um ihn zu beruhigen? Mir geht's gut. Die größte Lüge der Gesellschaft. Aber Ced wollte nicht, dass Kyle ihn belog, er wollte die Wahrheit, er-

    wurde in eine Umarmung gezogen. "Oh."

    Das kam überraschend. Aber nicht unangenehm. Stimmt, er hatte ja danach gefragt. Nur das sie jetzt noch eingelöst werden würde, damit hatte er dann doch nicht mehr gerechnet. Es fühlte sich gut an. Warm. Trotzdem dauerte es bis sich sein klopfendes Herz beruhigte. Instinktiv hatte jeder Muskel in seinem Körper sich angespannt, als könne er der Berührung nicht trauen. Und das wollte was heißen, stand er doch unter Dauerstrom - mal stärker, mal schwächer, aber immer on edge. Wann nur war er so geworden? Langsam löste er sie auf, die Spannung in seinem Körper - so gut es eben ging. Hob die Arme, um sie ebenfalls um den Rumpf des Anderen zu liegen, klammerte sich mit seinen Händen regelrecht an ihn. "Danke.", flüsterte er schließlich, "Das du mich gerettet hast." Und dann kamen die Worte wie von selbst: "Das du da warst. Mich runtergeholt hast. Das ich hier sein kann." Seine Finger vergruben sich in Kyle's Pullover. Er dachte nicht länger nach. "Ich hatte solche Angst. Auf eine Art. Gleichzeitig hab ich nichts gefühlt, nur Ausweglosigkeit und ich wollte einfach nur das es aufhörte. Ich glaub, das ist es, was mir die meiste Angst gemacht hat. Meine eigenen Gefühle und Gedanken. Als wäre da eine Stimme in meinem Hinterkopf, die ständig gegen mich arbeitet. Ich glaub... Ich glaub ich brauch Hilfe. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich weiter machen soll. Ich hab so Angst, wenn ich deine Wohnung verlasse, dass... dass..." Uuh, wie sollte er das nur erklären? Das die Hoffnungslosigkeit ihn erneut niederdrückte? Er konnte den Gedanken nicht formen. "Dass es wieder schlimmer wird. Dass ich nicht stark genug bin, dagegen zu halten. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich weiß es einfach nicht." Weinte er etwa? Verwirrt löste Cedric die Umarmung, wich Kyle's Blick dabei aus. "Und jetzt red ich nur über mich, obwohl du offensichtlich auch mit Sachen zu kämpfen hast und es tut mir leid, wenn ich irgendwas falsch gemacht hab-" Abgesehen von der Sache mit dem Selbstmordversuch. "Und ich will auch für dich da sein, so wie du für mich, weil ohne dich würd ich hier nichtmal sitzen, aber ehrlich gesagt hab ich keine Ahnung wie man ein guter Freund ist." Ein gequältes Lächeln, "So wie es aussieht hab ich meine bisherigen Freunde nämlich alle vertrieben." Das war überhaupt nicht zum Lächeln, aber was sollte er sonst machen? Der Schmerz saß tief, so so tief. Die Worte waren gerade einfach aus ihm heraus gesprudelt. Wann hatte er das letzte mal so viel auf einmal gesagt? Cedric wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Er hatte sich darüber beklagt nichts zu fühlen, aber gerade brachen die Gefühle alle über ihn herein und es war einfach zu viel. Zu viel auf einmal. Als wäre auf einmal ein Damm gebrochen worden. "Uuuh...", weinte er. Neue Tränen kamen stetig nach und er wischte sie wieder weg. Mit einem Mal fühlte er sich wieder wie ein Kind. Aber die Umarmung, die war schon nice gewesen. Warm.

    [Cedric] & Kyle | doch nicht so nah am Flügel


    Something did not work like plan.

    Nicht, dass Cedric gerade irgendeinen Plan vom Leben hatte. Wir hatten uns darauf geeinigt: Er brauchte einfach wieder ein bisschen Übung darin.

    Du hast verkackt., wisperte die Stimme in seinem Hinterkopf. Nur ein Moment - ein kleiner Augenblick - in dem sich die Atmosphäre verschob. Es war nicht die Ablehnung, die auffällig war, es war die Apathie. Kyle reagierte nicht. Kyle reagierte nicht. Kyle, der bis eben noch so sehr hier war, seine Präsenz derart intensiv, dass er Cedric keine Möglichkeit gab, sich in sich selbst zu verkriechen. Warm. Er war weg.

    Cedric schluckte. Und ihm fiel wieder ein, dass er diesen Mann kaum kannte. Nichts von ihm wusste, nichts von dem, was er möglicherweise mit sich herumtrug. Aber - verdammt nochmal - das war egal. Er mochte Cola, keinen Kaffee, aß kein Fleisch, außer vielleicht Chicken Nuggets, war offensichtlich reich und das wichtigste: Er kümmerte sich um einen Dude, dem er erst einmal begegnet war, als wären sie alte Freunde. He cared.

    Und Cedric hatte keine Ahnung was er tun sollte. Er wusste nicht mal, was mit seinem Gastgeber überhaupt los war. Nur das was los war - das war unverkennbar. Was hab ich getan? Hab ich was getan? Falsches gesagt? Bin ich einfach doch zu viel? Bitte lass es nichts mit mir zu tun haben. "Kyle?", fragte er leise, als er sich wieder auf den Stuhl setzte. "Was ist los? Kann ich irgendwas machen?" Die Verzweiflung war nicht aus seiner Stimme zu vertreiben. Es war Angst, die in ihm hochkroch, die sich schwer in seiner Magengegend einnistete. Verdammt, er konnte sich ja nicht mal selbst helfen, was sollte er da für Kyle tun können? Ihm einen Smoothie anbieten? Allerdings hatte er auch um einen Moment Zeit gebeten, also sollte er vielleicht einfach mal die Klappe halten.

    Aber wenn sie schwiegen - hatten die intrusiven Gedanken freie Bahn.

    Du bist Schuld.