[Tabatha] mit Bianca und Leon im Krankenzimmer
Diskretion also. Dem würde sie sich fügen. Obwohl es Tabatha normalerweise einerlei wäre, wünschte sie sie könnte mehr tun als die Wunde nur notdürftig zu vernähen und zu verbinden. Immerhin trug sie Schuld an der Wunde. Mit gutem Recht vielleicht - aber dennoch Schuld. Doch wenn sie oberflächliche Verletzungen zwar versorgen konnte, so kannte sich die Elfe mit Heilkräutern, Salben und Tinkturen nicht besonders gut aus. Sicher, so etwas wie Mädesüß gegen Kopfschmerzen oder Schafgabe bei offenen Wunden gehörten ein wenig zum Allgemeinwissen. Doch damit gegen eine solch tiefe Wunde ankämpfen? Sie war sich nicht sicher. Und sie hasste es sich nicht sicher zu sein.
Egal jetzt. Nadel desinfizieren, Faden zur Hand - dann machte sie das eben. Das bekam sie ja hin. Und wenn man sich das Geplänkel so anhörte war das wohl auch ausreichend. Tabatha lauschte nicht, sie war im Raum und als Magd war es ihr täglich vergönnt, den Unterhaltungen in der Villa zu folgen ohne selbst Teil davon zu sein. Verschwiegenheit machte die Dienerschaft immerhin aus, nicht wahr? Wenngleich ihre Gedanken nur ihr gehörten und meine Güte manches wollte sie auch wirklich nicht hören. Wie konnte man so viel sprechen und doch nichts wirklich sagen? Doch dann war es still. Tabathas Ohren spitzen sich unwillkürlich. Still. Nur die brüchige Stimme ihrer Herrin, der den Namen des Gauners aussprach. Unsicher. Angstvoll. Ihr Blick eilte zu Leon, der nun keinen Mucks mehr von sich gab. Die Haut bleich, er schwitzte, atmete schwer. Selbst jetzt wirkte er in keinster Weise verletzlich. Beinahe erstaunlich, wie sein loses Mundwerk ihn so über seine Schmerzen hinweggetragen hatte. Bemerkenswert, aber sicher nicht gesund. Nein gesund sah anders aus. Tabatha zögerte nicht länger. Noch bevor Bianca es wirklich ausgesprochen hatte, war sie eiligen Schrittes aus dem Krankenzimmer verschwunden um einen Heiler aufzusuchen. Die Dienerkammern waren nicht weit entfernt. Sie fand die alte Agatha, die zwar nicht die schnellste, aber sicher die Fähigste war, die in diesen Gemäuern zu heilen vermochte. Sie signalisierte der alten Frau worum es ging. Agatha war so alt, dass sie nicht mehr besonders gut hören konnte, noch sprach sie, doch ihre Augen waren wach und sie verstand sofort worum es geht. Einigen Menschen lag das Helfen einfach im Blut. Anders als mir.
Kurz überlegte sie einfach vor dem Krankenzimmer zu warten bis Agatha ihren Zauber gewirkt hatte - denn nichts anderes war die Heilkunst im Endeffekt - doch sie gestattete sich dieses Maß an Feigheit nicht. Immerhin lag der Gauner wegen ihr dort drin. Und Bianca war es auch noch... ob sie ihr Vorwürfe machte? Tabatha bemühte sich um eine ausdrucklose Miene, hatte sich neben der Tür postiert, vermied Biancas Blick und sah einfach nur genaustens zu, wie die Heilerin am Werk war. Obwohl ihre Hände alt und runzlig waren, bewegte sie sie mit ausgesprochener Präzision und Fürsorge. So präzise, wie sie das Bein mit ihrem Dolch getroffen hatte. Die Zeit verfloss unfassbar zäh, die Anspannung im Raum schien förmlich greifbar. Bis Agatha sich schließlich zu den Frauen umdrehte und ihnen mit Gesten signalisierte: Entzündet. Fieber. Gut jetzt. Keine Gefahr. Braucht Ruhe. Wird heilen. Tabatha nickte. Der Blick der Alten war durchdringend, ehe sie ebenfalls nickte und schließlich aus dem Krankenzimmer wuselte. Stille. Stille, Stille, Stille - als drohte die Unrast jeden Moment zu zerplatzen. Auf einmal wünschte die Elfe sich die dummen Sprüche des Halbwesens zurück. Vielleicht lag in dem Nichtssagen am Ende doch ein Zweck. Ablenkung. Zerstreuung. Eine Flucht vielleicht, tröstlich, aber nicht auch eine Lüge? Tabatha hielt den Blick bewusst auf Leon gerichtet. Seine Mimik wirkte nicht mehr ganz so angespannt wie noch zuvor. "Ihr könnt Euch ausruhen. Ich werde aufpassen.", sagte sie leise, wenngleich ihre Stimme in dem weißen, kargen Raum ihr unweit lauter vorkam. Sie hoffte Bianca würde ausnahmsweise einfach zustimmen. Sie brauchte genauso eine Pause, wie Leon es tat. Aber sie wusste es nicht, wusste rein gar nichts mehr und so wartete sie die Antwort gar nicht erst ab, sondern zog sich einen Stuhl neben das Krankenbett um ihren Worten Taten folgen zu lassen.