[Cedric] & Ran
Wie schmeckten Küsse? Nach Verrat sicherlich nicht, auch wenn er gerade eben solchen beging. Doch daran dachte er nicht, noch nicht. Alles was gerade zählte, war das Hier und Jetzt, der Hauch von Vergangenheit, der gerade in seine Gegenwart zurückgekehrt war. Eine unmöglich geglaubte Gegenwart. Sie verstand nicht, warum er so erschüttert war sie lebendig anzutreffen und er verstand nicht, wie er sie je tot geglaubt haben können. Ihre Lippen auf den Seinen schmeckten bittersüß, so wie es ihre Begegnung gerade war. In diesem Moment hatte nichts eine Bedeutung. Es war, als würde diese Handlung jegliche Gedanken die möglicherweise hochkrochen, unterdrücken, sodass er sich ganz dem Gefühl hingeben konnte. Als sie sich von ihm löste, kurz nur, spürte er sofort die Kälte, trotz der lauwarmen Sommernacht und dem kaum spürbaren Niesel. Der Hauch von Worten drang an seine Ohren, ehe sie ihn erneut küsste. Er hatte keine Möglichkeit dem zu widerstehen. Nur langsam begriff er, was sie zu ihm gesagt hatte. Schwerfällig begann sein Kopf, die Eindrücke zu verarbeiten, die sich ihm hier darboten. Etwas stimmte nicht. Etwas war ganz und gar falsch, an dem, was soeben vor sich ging. War es sein Kopf oder sein Herz, der dies zum Ausdruck brachte? Cedric löste sich von ihren Lippen, suchte stattdessen ihren Blick, als hoffte er so zu verstehen, was hier passierte. Er schien die junge Frau vor sich - seine einstige Verlobte - erst jetzt richtig zu sehen. Sie war echt. Ran war hier. Sie war weder Halluzination noch Traum noch sonst ein Trugbild seiner (Wahn)Vorstellung. Cedric ergriff mit einer Hand die ihre, um sie langsam von sich wegzuziehen. Währenddessen versuchte er die Einzelteile des Geschehens richtig zusammen zu setzen und ihm dämmerte langsam, was für einen gewaltigen Fehler er gerade begangen hatte. »Ich habe dich vermisst.« Es waren ihre Worte gewesen, die ihn hatten aufhorchen lassen. "Warum hast du mich dann verlassen?", fragte er, ihre linke Hand dabei noch immer fest umklammert. Als hätte er Angst, sie würde sich in Luft auflösen, wenn er sie losließ. Und war diese Angst nicht berechtigt? Obwohl Cedric leise sprach, waren die Worte in der nächtlichen Stille klar zu hören. Es schien fast, als würde selbst das Meer leiser werden, um dem Geschehen hier zu lauschen.