Beiträge von Death XIII

    Kyle & Luke



    Gott. Ihm war schlecht. Ihm war schwindelig. Er fühlte sich müde, erschöpft, kraftlos. Sein Sichtfeld war noch immer etwas verschwommen, aber er versuchte sich so, so sehr auf seinen besten Freund direkt vor ihm zu konzentrieren. Auch die Sache mit seinem kleinen Bruder und das Geständnis darüber.. ah, er hatte nicht mal wirklich Zeit gehabt darüber nachzudenken. So viele Gefühle, die beschreiben könnten, wie verdammt scheiße er sich gerade fühlte und sie würden wahrscheinlich alle nicht genug sein. Aber.. das war ja auch egal, nicht? Luke sah.. furchtbar aus. Wann genau hatte der Blauhaarige angefangen zu zittern? War es Kyle nicht aufgefallen oder hatte es es einfach in dem ganzen Gefecht vergessen? Wie konnte ihm das.. nicht auffallen? Wenn es das nicht war? Unglaublich, dass er sich überhaupt noch beschissener fühlen konnte, als ohnehin schon, aber offensichtlich gab es bei dieser Thematik keine Grenze nach unten. Aber es war egal, wie er sich fühlte, wie zittrig er selbst war, auch wenn dieses Zittern wieder etwas nachgelassen hatte, seitdem seine Hand sich auf den Arm des anderen Punks gelegt hatte. Wen interessierte es schon, ob es einem scheiße ging, wenn sein bester Freund gerade so.. so.. viel.. durchmachte? Wenn es ihm doch genauso schlecht, vielleicht sogar viel schlechter ging? Der Russe hatte keine Ahnung, was gerade passierte. Luke übergab sich, krallte sich an das Metall vor sich und der Ältere sorgte sich. Machte sich so unendlich viele, unendlich große Sorgen. War das seine Schuld? Das musste es doch sein, nicht? Wegen.. dem.. was er über Melchior gesagt hatte? I mean.. das war.. schon.. sehr fucked up gewesen, oder? Einfach so, an diesen random Nachmittag gesagt zu bekommen, was für.. Dinge der Schwarzhaarige getan hatte. Ja. Da machte es Sinn, dass es ein Schock war. Aber.. das machte keinen Sinn, nicht? Das.. passte nicht zu der Reaktion die Luke danach gehabt hatte. Diese Stimme, die ihn so schroff wachgerüttelt hatte, diese Eindringlichkeit, die Betonung darüber, dass er sich hatte umbringen wollen. Die Tränen. Die.. Umarmung, wenn auch kurz, aber mit solch einer Intensivität, als würden Lukes Gefühle ihn nicht erreichen können, wenn die Wucht nicht stark genug war. Er.. verstand nicht ganz. Auch dann nicht, als Luke ihn wieder ansah und zu sprechen begann.

    Wieso.. entschuldigte sich sein bester Freund? Er.. hatte doch überhaupt nichts falsch gemacht? Was zur Hölle sollte dieser bitte richtig stellen müssen?! Der Junge fühlte sich etwas überrumpelt, seine Augen huschten über das Gesicht des Jüngeren, unschlüssig, was er daraus machen sollte. Ein Teil von ihm wusste, dass es um ihren Streit ging. Um seinen Selbstmordversuch. Dass.. sich.. Luke deshalb.. schlecht fühlte? Schuldig? "No... no, no, no..", wiederholte er die Worte, welche Luke vorhin selbst an ihn gerichtet hatte und seine nassen Augen kniffen sich schmerzlich ein Stück weit zusammen. What the fuck? Das wollte er nicht. Er wollte nicht, dass er sich die Schuld gab. Wollte nicht, dass er dachte, dass er ihn im Stich gelassen hatte. Dass er sich dafür hasste, denn Kyle kannte seinen Gegenüber gut genug um selbst in seinem jetzigen Zustand zu wissen, dass er genau dies machen würde. Aber wieso sollte er? Er hatte nichts falsch gemacht und das Halbblut war es doch gar nicht wert und.. ah. Aber es hatte schon verdammt weh getan, nicht? Seine Seele zerrissen? So... sehr weh getan. Ihn umgebracht, noch ehe er es selbst hatte tun können. Weil er Luke so sehr geliebt und ihm doch vertraut hatte - mehr als sich selbst. Und auch Luke liebte ihn und.. fuck. Er wollte am liebsten laut aufschreien, als sein bester Freund sich umdrehte. He.. couldn't lose him? Not.. him? What.. Sein Herz schmerzte. Auf so unverständliche Weise. Wie konnte er Luke so wichtig sein..? War er für ihn wirklich so.. besonders? Wie hatte er ihm das also antun können - Kyle? Wie hatte er nicht darüber nachdenken können, wie der Blauhaarige sich fühlen würde? Sein Leben und der Tod hatten für ihn nie eine Bedeutung gehabt, aber für ihn? Was hatte er sich nur dabei gedacht? Was wenn er wirklich.. gestorben wäre? Was wäre dann aus seinem besten Freund geworden? Wäre er jemals darüber hinweg gekommen? Es machte keinen Sinn, dass dies überhaupt ein Problem war, aber Lukes Gefühle und Reaktionen waren real und.. er konnte sie ja schlecht ignorieren? Leugnen? Mehr und mehr Tränen rollten seine Wagen runter und als er versuchte den Mund zu öffnen entkam ihm ein lautes Schluchzen, für mehr fehlte die nötige Luft. Sein Herz schmerzte. Sein Kopf schmerzte. I can't do this again. I can't lose you. Not you. Stechend. Pochend. Panik. Noch bevor er es wusste, war er zwei Schritte nach Hinten getaumelt, seine linke Hand griff instinktiv nach der Reling, suchten nach irgendeinen Halt, um nicht plötzlich über die eigenen Füße zu stolpern. Not you. Not you. Not you. I can't. I can't. Ein lautes, sich ziehendes Piepen ertönte in seinen Ohren, dröhnte in seinem Kopf und drohte einen Moment lang ihn zu überwältigen. Gefühlsfetzen und nicht einzuordnende Bilder schlugen plötzlich auf ihn ein. Scheiße, fuck, no, er musste sich doch auf Luke konzentrie-

    Sein Körper drehte sich in dieselbe Richtung, in welcher zuvor der seines besten Freundes geblickt hatte und er schmiss sich schnell gegen das Metall bevor ihm alles hoch kam. Sich sein Mageninhalt entleerte und er, wenn er nicht gerade panisch versuchte die ganze Situation irgendwie zu überstehen, wahrscheinlich gefragt hätte, ob die Nachbarn unter ihm Zuhause waren. Und ob sie gerade tatsächlich zwei Mal hintereinander Jemanden über sich hatten erbrechen sehen. Ob man dafür eine Verwarnung bekommen konnte..? So am fucking zweiten Tag nach dem Umzug? Fuck. Er hatte doch nicht einmal was gegessen, außer ein paar lieblosen, vereinzelten Chips? Wie konnte er sich da überhaupt übergeben? Das war doch bescheuert. Er konnte nicht mal sagen ob es mehr an der Realisation lag, in was für eine ausweglose Situation er Luke beinahe gebracht hätte oder daran, dass sein Verstand ihn gerade wohl umzubringen versuchte. Was ja eigentlich nichts Neues war, aber. Fuck. Luke!
    Er hob seinen rechten Arm, welcher näher zu seinem besten Freund lag und hob diesen zittrig und eher schlecht als recht an, um den Zeigefinger hochzuhalten und seinem Mitstreiter irgendwie zu signalisieren, dass.. ja, keine Ahnung. Das er einen fucking Moment brauchte?! Als sich sein Mageninhalt und mehr endlich geleert hatten, keine zwei Sekunden später, versuchte er es doch mit Worten, auch wenn er das Gefühl hatte, jeden Augenblick erneut zu kotzen. "I'm.. okay.", erklärte er, hastig, zittrig und leise. No - das hatte er scheiße ausgedrückt. Ganz offensichtlich ging es ihm ja nicht okay und sein Herz raste und seine Schläfen pochten und er hätte sich am liebsten den Kopf irgendwo gegen geschlagen oder geschrien oder, "..okay, I'm not. Sorry.." Aber das hatte er nicht gemeint. Und hatte Luke nicht genau sowas eben gesagt gehabt?! Er sollte nicht denken, dass.. "But... not... ur fault." Worte. Worte, Worte, Worte. Er brauchte dringend Worte. Wie konnte er seinem besten Freund klar machen, dass es ihm nicht seinetwegen gerade so mies ging? Aber das er.. ganz dringend die Klappe halten musste, da er sich nicht sicher war, was gerade los war und ob er noch mehr falsche Dinge, von denen er nicht mal wusste, dass sie falsch oder gefährlich waren, verkraften konnte?!

    "..I need u to..", er fühlte die stechende Flüssigkeit wieder hochkommen, ".. topic change..!", entkam es ihm also abgehackt, bevor er erneut würgen musste. Sein Arm hatte sich wieder kraftlos gesunken, während der linke sich noch immer an die Reling krallte. Fuck. Sein Atmen fühlte sich genauso schwer wie seine Gliedmaßen an. Es gelang ihm einfach nicht diesen gleichmäßig zu halten, sich darauf zu konzentrieren, sich irgendwie zu beruhigen, sich.. Shit, shit, shit!!

    Kyle & Luke


    Tired. Tired. Kyle was.. so... fucking.. tired. Dissociating was a lot harder than u'd fucking imagine. Anstrengend. Kyles Leben war wahrscheinlich.. schon immer anstrengend gewesen. Und vielleicht hatte es auch noch nie einen einzigen Moment gegeben, an welchem er sich nicht müde, nicht erschöpft, nicht am Ende seiner Kräfte gefühlt hatte. Keinen einzigen Moment, in welchem er nicht.. auf ein Ende gehofft hatte. Aber das Ende kam nie, nicht? Ein Ende wurde ihm immer wieder verwehrt. Er hatte es endgültig beenden wollen, damals, auf dem Dach - und dan kam Dirk. Mal wieder wurde er gerettet. Immer wieder wurde er gerettet, aber nie blieb Jemand danach. Nie.. half Jemand. Es war.. so verdammt ermüdent. Er hatte es auch beenden wollen, an dem Tag, an welchem er Luke getroffen hatte, nicht? Ohne es zu wissen hatte der Blauhaarige ihn davon abgehalten. Ihn gerettet. Aber auch er.. war nicht geblieben. Er hatte das Gefühl, dass diese Aufzählung länger sein müsste. Aber es war ein Gefühl, welches er nicht einzuordnen wusste. Es fiel ihm nicht ein. Schwammige Bilder tauchten auf und verschwanden genauso schnell wieder. Wenn er sich gerade nicht so von seinem Körper, von der Welt losgelöst gefühlt hätte, dann hätten diese Bilder wahrscheinlich einen größeren Effekt auf ihn gehabt. Er tat viel, er tat alles, um diese Dinge zu vermeiden. Sie hatten ihn bereits einzuholen versucht, aber.. Huh. Warte. Stimmt. Luke. Hatte er nicht gesagt, dass er immer, konstant, ohne Ausnahme auf ein Ende hoffte? Das.. stimmte so nicht. Seitdem er den Punk in seinem Leben wusste, da.. war dieses Gefühl verschwunden. Der Schwarzhaarige wusste nicht genau wieso, aber das spielte auch keine Rolle. War es.. Glück? Nicht im Sinne von Unglück, sondern im Sinne von.. Erfüllung? Seitdem er Luke kannte, da hatte es eigentlich keinen einzigen Moment, keinen Augenblick, nicht einmal einen Sekundenbruchteil gegeben, an welchem er das Leben nicht geliebt hatte. Weil er.. Luke liebte. So sehr, dass er dem Leben, welches er so sehr hasste, mit einem Mal.. etwas weniger zweifelnd gegenüber stand. Ihm doch the benefit of the doubt entgegenbrachte. Aber war Luke gegangen, nicht. Hatte ihn allein gelassen. Im Stich. Und mit einem Mal war der Zweifel verschwunden. Tired. So, so fucking tired. Wozu hätte er denn noch wach bleiben sollen, wenn er doch so verdammt müde war? Wozu wach bleiben, wenn die Sonne doch schon längst untergegangen, die Welt verlassen hatte? War er der Sonne nicht immer gefolgt? Nicht mehr wach zu bleiben.. war da doch die einzig logische Schlussfolgerung.

    Die Stimme seines besten Freundes, laut, bestimmt, plötzlich - riss ihn aus den Gedanken. Der Russe hatte auch zuvor, bei seinen letzten Worten in die Richtung seines Gegenübers geblickt, sich versucht auf ihn zu konzentrieren, war aber kläglich daran gescheitert. Er hatte ihn angeblickt, aber den Jüngeren einfach nicht richtig sehen können. Doch jetzt, als er diese so bekannte, so geliebte Stimme erklingen hörte, so eindringlich, da war es so, als wäre er ein wenig wachgerüttelt worden, als hätte ihn Jemand unsanft und doch so sanft zugleich ein Stück weit zurück in die Realität befördert. Das Halbblut versuchte gerade seine grauen Augen auf seinen Gegenüber zu fokussieren, das Bild endlich scharf zu stellen, als dieser ruckartig in Bewegung kam. Ironisch, irgendwie. Bei jeder anderen Person hätte ihn dies wahrscheinlich viel mehr interessiert. Hätte er viel mehr darauf reagiert. Er war kurz irritiert, verwirrt, verdutzt von der Bewegung, die nach all der langen Stille in den Punk huschte. Aber es waren keine komplizierten Gefühle, welche sich ansonsten dabei bei ihm breit machten. Keine Angst, keine Panik, keine Wut - still sah er ihm dabei zu, einfach deshalb, weil er Luke anscheinend so sehr, so ganz ohne jegliche Fragen, vertraute, dass er all seine Reaktionen einfach akzeptierte. Kyles Augenbrauen zogen sich ein klein wenig zusammen, als Luke seine vorhin gesprochenen Worte wiederholte, fast so, als verstände er die ganze Verwirrung nicht. Natürlich hatte er sich umbringen wollen. Hatte Kyle den jemals etwas anderes gewollt? Aber wieso wurde Lukes Stimme immer lauter, immer eindringlicher? Der Junge verstand nicht ganz, wieso sie auf einmal das Thema gewechselt haben, verstand ja nicht einmal selbst, wieso er bei dieser Aussage vorhin wieder begonnen hatte zu weinen. Als Luke nach seinem Kragen griff, reagierte der Punk nicht weiter. Er war müde, er verstand nicht, er war verwirrt und - sein bester Freund hätte mit ihm sowieso alles machen können, was auch immer er gewollt hätte. Selbst, wenn er ihm nicht so blind, so vollkommen vertraut hätte - selbst, wenn Luke ihm jetzt ein reales, wirkliches Messer in die Magengrube gestochen hätte. Kyle hätte es einfach.. akzeptiert. Genauso, wie er es bei der nächsten Aktion des Narren getan hätte, wäre.. da nicht seine plötzliche Stimmlage, dieser plötzliche Ausdruck von.. Wut? Verzweiflung? in seinem Gesicht, in den honiggelben Augen gewesen. No..? No, no, no, no? Kyles Augen weiteten sich, gefühlt eine halbe Ewigkeit nachdem er von dem Blauhaarigen zu Boden und teilweise auf ihn drauf gezogen wurde. Graue Iriden, welche vibrierten und ein wenig überwältigt wurden von der Intensität ihres Gegenübers. Strange. He.. cared.. so much about that? Es war das erste Mal, dass Jemand.. so.. reagierte. Urgh. Der Gedanke bereitete ihm ein unbehagliches Gefühlm welches er zu ignorieren versuchte. Immerhin.. war die Sonne ja wieder aufgegangen. Merkwürdig, wie man vergessen konnte, dass die Sonne immer wieder aufging. Dass die Nacht... ja gar nicht endlos war. Kyles Augen wurden schmaler, der Ausdruck in ihnen sanfter, die Tränen, sie kamen wieder, spiegelten die seines besten Freundes, nur ein wenig intensiver. Luke... wanted him... to live? Why.. did that make him feel so fucking.. sad? So fucking happy? Unbeschreibliche, unbegreifliche, absolut wilde, absolut intensive Gefühle. Und.. dann fand er sich in einer Umarmung wieder. Die Augen hatten sich geweitet, nicht or Schreck, sondern vor absolutem Unverständnis. Luke... schluchzte, er spürte, wie seine Schulter feucht wurde. Spürte eine Hand, welche sanft seinen Hinterkopf berührte. Sein bester Freund hielt ihn so fest umschlungen, dass der Halbrusse für einen Moment keine Luft bekam. So fest, als würde er die gesamte Welt in seinen Armen halten versuchen. So fest, als würde alles wieder gut werden, solange er bloß nie wieder losließ. Und.. irgendwie.. schien das auch korrekt. Kyle regte sich nicht, sein Kopf brauchte zu lange, um die Informationen, um die Gefühle zu verarbeiten und sie kamen einfach nicht bei seinem Körper an. Einzig allein seine Augen, aus welchen er heraus gerade die gesamte Welt erblickte, welche ihn in den Armen hielt, mit einer solchen Sanftmut, einer solchen unbeschreiblichen Liebe, einem solch bittersüßen Schmerz, einer solchen Sehnsucht, schienen die Nachricht erhalten zu haben. Mit einem Mal.. war sovieles unwichtig. Mit einem Mal schien die Welt so viel klarer. Mit einem mal.. war es so still. Und irgendwie.. schien alles okay. Kyle schaffte es gerade, seinen Kopf ein wenig gegen den des Blauhaarigen zu lehnen, als..

    Dieser ihn plötzlich von sich stieß, panisch aufstand, sich umsah und Richtung Balkon rannte. Verwirrung, ein paar Sekunenbruchteile, dann war es bloßer Instinkt, bloße Selbstverständlichkeit, mit welcher sein Körper, wenn auch noch immer zittrig, noch immer schwach und unsicher, sicher ebenfalls aufrichtete und seinem besten Freund folgte, hinaus in die kalte Nacht.

    "Luke..", begann er, die Stimme noch nicht ganz wiedergefunden. Er war direkt neben ihm zum stehen gekommen, hatte nicht weiter darüber nachgedacht. War seinem Freund gefolgt, so wie es sich eben richtig angefühlt hatte. Er verstand nicht ganz, was gerade vor sich ging, zu wirr war alles um ihn herum doch gewesen, aber die Nähe, die Gefühle, die Intensität von vorhin hatten ihn diese unheilvolle Angst doch.. irgendwie.. vergessen lassen. Alles, was jetzt zählte war Luke. Und die warmen, grauen Iriden spiegelten hilflose Sorge wieder, als er seine Hand nach Luke ausstreckte und auf dessen Arm legte: "Are you.. are you ok?? What's.. going on?? Im... im sorry? Can I.. can I do something??" Hatte er was falsch gemacht? .. Okay, dumme Frage. Offensichtli- ah, nein. Darüber brauchte er gerade nicht nachdenken. Es ging gerade ganz allein um Luke.

    Kyle & Luke


    Kyle hatte Autos noch nie sonderlich gemocht. I mean - wieso auch? Er selbst konnte sie nicht bedienen und er war in New York groß geworden - und damit in einem der wenigen Orte in Amerika, wo man auf diese Dinger nicht angewiesen war. Die einzigen Male, an welchen er hinten in einem Auto gesessen hatte, waren jene gewesen, wo er vom Personal des Hauses oder aber manchmal auch von seiner Mutter zur Privatschule, welche weiter entfernt lag, oder aber zurück von jener, gefahren wurde. Was nicht allzu viele Male waren - wenn man bedachte, dass er nach ein paar Jahren nicht mehr dorthin gebracht und stattdessen von zu Hause aus unterrichtet wurde. Er konnte Autos einfach nicht leiden. Präferierte andere Möglichkeiten der Transportation. Er wusste gar nicht, ob er, seitdem er nicht mehr zur Schule gefahren wurde, vor seiner spontanen Flucht von Zuhause, zusammen mit Luke, jemals wieder in ein Auto gestiegen war. Wahrscheinlich nicht. Es gab ja Niemanden, der ihn hätte fahren können. Und wie gesagt - er konnte Autos nicht leiden. Er fühlte sich in ihnen unwohl. Hatte dies auch dann getan, als die beiden besten Freunde zusammen in einem alten Fahrzeug ihre Flucht, ihre Reise durchs Land begonnen hatten. Zunächst. Aber dann, relativ schnell - da hatte er sich verdammt sicher gefühlt, in diesem Auto, neben diesem Kerl, der nicht mal einen verdammten Führerschein hatte. Machte das Sinn? Vielleicht nicht. Aber neben Luke hatte sich der Amerikaner einfach immer sicher gefühlt. Egal wo. Egal wann. Vertrauen.. war so eine Sache. Sie machte Sachen, die unlogisch erschienen, mit einem Mal logisch. Es gab sonst keine Erklärung für dieses Verhalten - außer einem verdammt riesigen Vertrauen, welches zwischen ihm und Luke herrschte. Ein Vertrauen, dass so groß war, dass er sich nicht nur sicher neben Luke gefühlt hatte, sondern auch.. geborgen. Es war fast wie eine kleine Auszeit von der Welt gewesen, jedes Mal wenn Luke sich hinter das Steuer setzte, den Zündschlüssel drehte und Kyle neben ihm nach Musik suchte, welche die Reise durchs Unbekannte begleiten würde. Eine kleine Auszeit von der Welt.. huh. So etwas gab es Heute nicht. Wie.. schade?

    Es war also ironisch. Dumm. Naiv. Dass Luke Kyle genau das gleiche Vertrauen entgegen brachte, wie der Schwarzhaarige es bei ihm tat. Dass er ihn hinters Steuer ließ. Und dass der Ältere sie beide zusammen gnadenlos in einen Unfall hinein manövrierte. Und dabei auch noch eine dritte Person mit in die Tiefe gerissen hatte. Dass es sich so für Luke anfühlte, in jenem Moment. Aber das machte Sinn, nicht? So endete es immer, wenn man dem Russen vertraute. Tat es das..? Und.. vertraute Kyle tatsächlich, wirklich, wahrhaftig seinem besten Freund? Er war sich nicht.. sicher. Genauso wenig, wie er sich sicher war, was er gerade erwartete. Was auf sein Geständnis folgen würde.

    Es war Verwirrung. Tränen. Noch mehr, als ohnehin schon. Luke schnappte nach Luft. Seine Stimme zitterte, zitterte so so sehr, als er sprach. Der Schwarzhaarige wusste wirklich nicht, was er erwartet hatte. Nichts. Alles. Gab es überhaupt eine Erwartungshaltung, die man haben konnte, nachdem man etwas so grauenhaftes aussprach? Nachdem man es tat, obwohl man wusste, wie sehr er der Person, die man über alles auf der Welt liebte, weh tat? Luke hatte vor wenigen Sekunden, vor wenigen Sätzen noch gesagt, dass er ihn liebte. Kyle hatte diese Liebe erwidert - und trotzdem war er sich bereits nicht mehr sicher, ob sie es tatsächlich taten. Ob diese wenigen Sekunden nicht gereicht hätten, um diese Liebe auszulöschen. Er glaubte Luke, glaubte ihm von ganzem Herzen.. und gleichzeitig tat er es nicht. Es war.. so verdammt schwer ihm zu vertrauen. Seit wann war es so schwer das zu tun? Er war doch sonst immer in das verdammte Auto gestiegen. Aber das Auto.. existierte wohl nicht mehr. War ein Wrack, zerstört - weil der Blauhaarige das Vertrauen an die falsche Person weitergebracht hatte.

    Sein bester Freund ließ ihn nicht aus den Augen. Starrte ihn an. Starrte aus diesen Augen, von welchen der Punk mit einem Mal das Gefühl hatte, dass dessen Flammen mit einem Mal erstickt wurden. Sie leuchteten nicht so, wie sie es sonst für ihn taten, nicht? Es schmerzte. Alles in den Russen schrie danach auf seinen Freund zu zu gehen, ihn in den Arm zu nehmen, ihn irgendwie zu trösten. Aber er tat es nicht. Er hatte Angst. So verdammt große Angst. Und Luke stellte Fragen. Fragte wieso. Fragte wie. Wieso stellte er solche Fragen?? Es war fair, machte Sinn. Aber Gott verdammte Scheiße - wieso stellte er diese verfickten Fragen??
    Kyle blickte seiner besseren Hälfte entgegen, wortlos, ein paar Augenblicke, dann entkam ihm ein nervöses Glucksen zwischen den ganzen Tränen, die nie ein Ende gefunden hatten. Nicht, weil es lustig war. Nichts an dieser ganzen Situation, an dieser ganzen Geschichte war jemals lustig gewesen. Aber genau deshalb entkam es ihm, dieses makabere Geräusch - weil er zu irgendetwas anderem gerade einfach nicht fähig war.
    "Why? How?", wiederholte er leise, das Zittern in seiner Stimme konkurrierte mit dem des Blauhaarigen. Er öffnete den Mund, um zu einer Antwort anzusetzen - schloss ihn dann aber wieder. Immerhin hatte er das Thema ja angesprochen, da er es Luke schuldig gewesen war. Da er ihn nicht länger anlügen wollte. Da er die Wahrheit wissen musste. Da.. verdiente er auch, dass der Russe ein wenig über die passende Antwort nachdachte, nicht? Also.. wieso? Und wie?
    Der Kopf des Schwarzhaarigen wand sich ein kleines Stück zur Seite, seine grauen Iriden folgten dessen Weg und huschten in die rechte obere Ecke. Nachdenken.. darüber, weshalb er Melchior umgebracht hatte, huh..? Das war.. schwierig. Der Junge hatte oft Probleme sich an Dinge zu erinnern, welche in weiter Entfernung lagen. Er wusste, dass sie passiert waren - wusste, dass er Melchior geschubst, dass der kleine Junge gefallen war. Erinnerte sich noch vage bildlich an diese Szenerie. Erinnerte sich aber mehr an die Tage darauf, an den Tag von dessen Beerdigung. Es war einfacher für den Punk die Gefühle zu fühlen, die mit den vagen, mit den fehlenden Erinnerungen zu tun hatten. Die Gefühle, die aufkamen, wenn er an Melchior und dessen Tod dachte. "I.. pushed him down the stairs.. In school.. When.. we were kids.", erklärte er nach einer Weile, jedes Wort entkam ihm zögerlich und er brauchte lange, um die richtigen zu wählen. Ein wenig vergaß er, wo er sich gerade befand. Die Umgebung um ihn herum.. sie erschien unwirklich. Er beachtete sie sowieso nicht wirklich. Starrte zur Seite, starrte in seine Gedanken, doch beides schien leer. Nicht da. Nicht wirklich. Alles war verschwommen.. und der Halbrusse hatte große Probleme, sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Je mehr er es versuchte, desto mehr schien ihm die Realität, die Umgebung zu entgleiten. "And.. I did that..", fuhr er fort, seine Augenbrauen verengten sich ein wenig beim sprechen. Gefühle. Gefühle konnte er besser greifen. Das war einfacher. Weniger riskant. Einfacher. Nichts war einfach. Das Gefühl, welches er verspürte, welches das Alles erklärte.. ".. because I fucking hated him. I hated Melchior. He should have never been born." .. Hass. Das Gefühl, welches alles erklärte. Es war so einfach, nicht? Die Tränen hatten aufgehört zu fließen. Schon seitdem Kyle angefangen hatte zu sprechen. Ihm war schlecht, ein wenig zumindest. Wahrscheinlich war ihm sehr, sehr schlecht. Aber das Gefühl, es fühlte sich weit entfernt an. So wie alles. Ein heiseres, kurzes Auflachen. Er wirkte abwesend. Ein wenig, als ob er zu sich selbst sprach, nicht zu seinem Gegenüber. Seine linke Hand war wie automatisch zu seiner linken Körperhälfte gewandert, dort, wo sich die vielen verschieden großen Narben befanden. Stimmt ja, die Erinnerung ging ja weiter. "And afterwards I tried to kill myself."
    Huh? Wait. Kyles Gesichtsausdruck veränderte sich minimal. Da war etwas durcheinander gekommen. Das stimmte so nicht. Das musste er richtig stellen. Er wollte Luke doch die Wahrheit sagen, nicht? Er war so verdammt unkonzentriert. "No.. sorry. Scrap that." Wo war Luke überhaupt? Die grauen Augen wanderten durch den Raum, fanden ihren Gegenüber und blieben wieder auf diesem hängen. Versuchten sich vehement auf diesen zu konzentrieren, sich an diesen zu heften, suchten nach dem Halt, welchen der Blauhaarige doch sonst so symbolisierte. "That was.. later. A.. month.. ago?" So stimmte das, nicht? Wieso kamen ihm mit einem Mal wieder Tränen? It wasn't such a big deal, right? Immerhin hatte er, als er über Melchior gesprochen hatte doch auch nicht geweint. Das machte keinen Sinn. Das war.. evil. Egoistisch. Ihm war schwindelig. Er war müde. Erschöpft. Er konnte sich immer noch nicht richtig auf das Gesicht und noch viel weniger auf die honiggelben Augen vor sich konzentrieren. Wo war der Hass nun eigentlich hin? War er nicht besser, als diese ständige, plötzliche Angst, welche nun wieder hoch kam? Dieses Zittern, welches einfach nicht aufhören wollte? Er wollte am liebsten wegrennen. Aber er wusste nicht, wohin. Wusste nicht, wovor. Und.. wegrennen ging doch nicht. Immerhin war Luke hier, nicht irgendwo sonst? Oh. Und er hatte ihr Fluchtfahrzeug ja mitten in einen Baum hinein gefahren. Unglücklich.

    Kyle & Luke // Did I dissapoint you? Will they still let me over? If I cross the line?


    All Kyle ever wanted in life was to be loved.

    Geliebt zu werden, für wer er war, geliebt zu werden, trotz allem, was passierte. Geliebt zu werden, auch wenn es vielleicht gar nichts zu lieben gab. Einfach nur.. geliebt zu werden.

    Huh.. das machte keinen Sinn. Liebe - die hatte der Punk in seinem Leben schon des öfteren bekommen. Seine Eltern - sie hatten ihn immer geliebt. Ihn geliebt, auch dann, wenn es gar nichts zu lieben gab. Auch dann, als er keine Liebe verdient hatte. Selbst dann, vor ihrem Tod, als er sie brutal ignoriert hatte. Seine Mutter zumindest. Diese hatte ihn wirklich, wirklich geliebt. Bei seinem Vater war er sich nicht ganz so sicher. Er hatte das Gefühl gehabt, dass er ihn geliebt hatte, aber den Zweifel, den Hass - den konnte der Mann nie wirklich abschütteln, nicht? Es machte Sinn und trotzdem.. hatte Kyle diese Liebe nie gewollt. Die Liebe seiner Eltern interessierte ihn nicht. Es war unfair, womöglich, ganz wahrscheinlich sogar, aber so empfand er nun einmal. Er konnte sich nicht zwingen, Jemanden zu lieben - auch, wenn diese nie etwas getan hatten, was ihn davon abgehalten hätte. Liebe.. war eine komplizierte Sache. Und der Amerikaner war sich sicher, dass er sie einfach nicht verstand. Es war ganz einfach, nicht? Nicht jeder war in der Lage zu lieben. Und er gehörte schlicht und ergreifend dazu.

    Der Punk zog die Augenbrauen verständnislos enger zusammen, als er die Worte seines besten Freundes, die Antwort auf seine vorherige Frage, hörte. Das Einzige, was in seinem miserablen Leben bisher Sinn machte, war er? Kyle? Auch das machte wieder keinen Sinn. Wie konnte das sein? Lukes Leben musste wirklich, wirklich grauenhaft gewesen sein, wenn er diese Worte so aussprechen konnte und sie auch tatsächlich ernst meinte. Er war mit Sicherheit nicht das Einzige, was Sinn machte. Er war wahrscheinlich das, was es am wenigsten tat. Das, was Lukes Leben endgültig ruinieren würde, sollte er darin weiterhin verweilen.
    Das Halbblut wollte zu einer Erwiderung ansetzen, doch der Blauhaarige ließ ihn nicht. Zunächst nicht durch Worte, sondern durch.. Tränen? Kyles Augen weiteten sich unwillkürlich, als er erblickte, wie Luke in Tränen ausbrach. Sein Körper agierte, noch ehe er es realisierte, noch ehe er darüber nachdenken konnte und setzte sich auf dem Sofa auf, streckte sich nach Vorne, seine linke Hand streckte sich in die Richtung seines Gegenübers, wollte nach ihm greifen, ihn trösten, ihn um Verzeihung bitten - sie tat es jedoch nicht. Sie wurde zögerlich von von der anderen, der zittrigen, rechten Hand gegriffen, welche sie unsanft am Arm packte und wieder auf halben Weg zurückzog. Alles in Kyle, jeder Muskel, jede Faser zerrte sich dagegen, wollte zu seinem Freund eilen, wollte ihm beistehen, wollte, dass es aufhörte. Wollte ihn nicht weinen sehen, wollte nicht seine Schmerzen sehen, wollte nicht, dass er litt und - Because I fucking love you.

    All Kyle ever wanted from his little, miserable life, was to find someone who truly loved him.

    Luke.. loved him. Luke.. truly, truly loved him. It was.. terrible. Kyles Gesichtszüge entglitten ihm noch mehr, als sie es zuvor getan hatten. Es war absurd, dieses Gefühl, welches sich durch seinen ganzen Körper breit machte. Sein Herz fühlte sich gleichzeitig erfüllt und dennoch so, als würde es gerade von kalten, rauen Fingern in tausend Stücke zerrissen werden. Tell him. Tell him. TELL HIM.

    Er hatte keinen Zweifel daran, dass die Sonne es ernst meinte. Dass die Sonne da war und ihn bei sich haben wollte. Und es tat weh. So unsagbar, unsagbar weh. Er konnte das Licht zwischen den Tränen, welche sich den Weg aus seinen Augen gebannt hatten nur noch schwer erkennen, das Bild war unscharf.
    Und dennoch... "I love you.. more than anything in the world, Luke. More.. than my fucking life.", entkam es ihm dann schließlich, unter einem Schluchzen, welches sich auch durch größte Mühe nicht hätte vermeiden lassen können. Das war die Wahrheit, nicht? Er liebte Luke. Er liebte seinen besten Freund mehr, als alles andere. Er war der einzige Grund, weshalb er noch hier war. Der einzige Grund, weshalb er sich Tag für Tag durchgekämpft hatte. That's not what you're supposed to tell him. Tell him. TELL HIM. Er wusste, was gemeint war. Und er hatte nicht vorgehabt, es nicht zu sagen. Wahrscheinlich, da hätte er Lukes Gefühle ignorieren sollen. Nicht darauf antworten. Aber er konnte nicht anders, als es zu tun. Seine Seele wäre ansonsten vermutlich entzwei gerissen worden.

    "But..", begann er, zögerlich, seine Stimme, auch wenn nur noch ein Häufchen Elend, war bestimmt und ließ keinen Zweifel daran bestehen, dass er wollte, dass Luke ihn unbedingt ausreden ließ. Seine Lippen waren unruhig, zitterten, so, wie es sein ganzer Körper tat. Er liebte Luke. So, so sehr. Self-sabotage. Es war unfair. Er konnte es nicht unausgesprochen lassen. Es machte keinen Sinn, es weiterhin zu ignorieren. Er schuldete Luke die Wahrheit. Lieber jetzt, als zu irgendeinem anderen, späteren Zeitpunkt. Irgendwann musste er ihm die Wahrheit sagen. Und sie würde alles zerstören. Alles. Es brachte nichts, zu versuchen, etwas wieder aufzubauen, was sowieso unwiderruflich dem Untergang geweiht war, nicht? Spätestens dann, wenn Luke es heraus fand - da war sowieso alles vorbei. Und trotzdem konnte Kyle einfach nicht aufhören zu schluchzen. "But... I lied to you. I.. I betrayed you. I.. fucking tricked you into loving me." Self-sabotage. Ein schwaches Grinsen auf seinen Lippen. Keines, welches irgendetwas positives an sich hatte, nein. Es war eines dieser Grinsen, die man aufsetzte, wenn die Wahrheit so grotesk, so absolut böse war, die Gefühle so absolut überwältigend, dass man keine andere Wahl hatte, als zu grinsen. Es war wackelig, so, so so so wackelig. Drohte jeden Moment einzubrechen, wurde überzogen von unzähligen Tränen, die sich immer schneller ihren Weg über sein Gesicht bahnten. Ihm war schlecht. So verflucht schlecht. Er wusste, wie weh Luke die Wahrheit tun würde. Wusste, was sie bei ihm auslösen wurde. Er wusste auch, dass er Luke nicht verdiente. Er hatte es von Anfang an gewusst. Nicht gewusst, dass dies eine Wahrheit war, welche sie von Anfang an verdammt hatte, ihnen jeglichen Happy End verwehrt.. hatte es erst im Laufe der Zeit erfahren. Aber es änderte nichts, nicht? Kyle konnte es trotz allem nicht ändern. "I.. I killed my little brother, Luke." Self-sabotage. Sie hatten nie die Chance auf ein Happy End gehabt, nicht? All Kyle ever really wanted in life was to be loved. Doch das würde er niemals bekommen. Er hatte sich jegliche Chance darauf verspielt. "How could you ever.. love someone like that?" Das tat er nicht. Konnte er nicht. Würde er nicht. Es war das Schlimmste, das Abscheulichste, was er hätte Luke erzählen können. Es war evil. Aber es war die Wahrheit. Und Luke verdiente die Wahrheit, nicht? Er hatte es nicht gewusst. Nicht von Anfang an.. erst, als sich ihre Freundschaft langsam entwickelt hatte.. aber das machte keinen Unterschied. Und dies hätte ihre Freundschaft irgendwann sowieso zerstört. Es machte also keinen Sinn weiterhin zu lügen. Luke kannte ihn nicht. Hatte das nie, nicht? Hielt Kyle für jemand ganz anderen, als er tatsächlich war. Und Kyle liebte ihn wirklich. Liebte ihn so sehr, dass es ihn fast umbrachte ihn mit dieser Tatsache zu konfrontieren. Aber er war besser dran ohne ihn. War es schon immer gewesen. Lukes Liebe.. war nicht echt. Galt einer Person, welche nicht existierte. Wie hatte Kyle ihm das nur antun können..?

    Self-sabotage.

    All Kyle ever wanted was to have Luke at his side. Forever.

    But it was doomed right from the start.

    Kyle & Luke // I guess I never really faced my fears before


    Es war ironisch, irgendwie. Wie abgelenkt der Schwarzhaarige gerade war. Wie tief in seinen eigenen Gedanken, seinen eigenen Überzeugungen und den falschen, welche er sich eingeredet hatte oder ihm eingeredet worden waren. Im Endeffekt wusste er auch gar nicht, welche davon falsch und welche davon richtig waren. Alle? Ein paar? Keine? Er war so abgelenkt davon, so tief darin versunken, dass ihm gar nicht aufgefallen war, wie glücklich sein bester Freund für einen Augenblick ausgesehen hatte. Wie er gestrahlt hatte und Kyles Grinsen erwidert, gespiegelt. Es war absurd, dass es ihm nicht auffiel. Dieses Grinsen, dieses Strahlen, welches für ihn immer die Welt bedeutet hatte. Welches ihn so, so so so oft glücklich gemacht hatte, völlig gleich um welche Situation es gegangen war. Das Grinsen des Blauhaarigen war wahrscheinlich eine, wenn nicht gar die liebste Sache auf der Welt für ihn. Der Amerikaner hatte dieses Grinsen so lange nicht mehr gesehen, seine Wärme so lange nicht mehr genießen können.. und dachte auch, dass er es wahrscheinlich nie wieder tun würde. Doch es war da, direkt vor ihm - und er sah es einfach nicht. Sorgte sich zu sehr darum, einen Fehler, einen weiteren, einen dieser vielen, unzähligen, unendlichen Fehler gemacht zu haben. Er konnte einfach nicht aufhören damit - Fehler zu machen. Er verstand noch immer nicht, wie es dazu gekommen war, dass Luke und er sich wieder vertragen hatten. Es hatte einfach an der unangenehmen Situation gelegen, nicht..? Sie waren quasi gezwungen worden, von den äußeren Umständen..? Ansonsten hätte der Jüngere doch niemals wieder ein Wort mit ihm sprechen wollen würden.. ja! Ja, das machte Sinn. Was allerdings keinen machte, war, dass Kyle sich trotzdem gefreut hatte. So unglaublich, unsagbar gefreut. Wie froh er gewesen war. Wie glücklich. Wie verwirrt. Wie verloren. Ah. Er fühlte sich immer noch verloren. Absolut und unauffindbar verloren. Es war nie Jemand gekommen, um ihn zu finden. Kein einziges Mal. Er hatte sich immer Selbst den Weg zurück finden, erkämpfen müssen. War es Leid, im Dunkeln herum zu tapsen, in der Hoffnung, irgendwann sein eigentliches Ziel zu finden. Im Endeffekt.. hatte es sowieso von Anfang an kein Ziel gegeben, nicht? Den angeblichen Weg hatte er sich einfach nur ausgedacht gehabt. Es gab keinen und gesucht hatte man ihn auch nicht. Selbst dann nicht, als er geschrien, als er darum gebeten, als er darum gefleht hatte. Please. Please answer me. I.. dont wanna be alone on my birthday. Keine Antwort. Ein Dach im schwachen Licht der Scheinwerfer der Straße unter ihm. Please dont leave me alone on my birthday, Luke. Keine Antwort. Ein verlassenes Dach, ein verzweifeltes, hilfloses Lächeln und das leise Geräusch eines Herzens, welches sich anfühlte, als sei es in tausend Stücke gerissen worden. Es war absurd, dass die Scheinwerfer überhaupt noch ein Licht warfen. Es hatte doch keins gegeben, after all. Es war Dunkel und die Sonne hatte nichts mit ihm zu tun haben wollen. Sie war besser dran ohne ihn.

    "...Huh?", entkam es ihm, als die Sonne aufging und das Wort ergriff. Der Russe meinte sich verhört zu haben, blickte just in jenem Moment hoch, als es auch sein Gegenüber tat. Blickte zum ersten Mal seit langem direkt wieder in die honiggelben Augen, die er so sehr liebte und.. war verwirrt. Kyle hatte dieselben Worte nun zwei Mal hinter einander gehört und verstand trotz allem nicht. Seine Mimik spielte die Konfusität, welche sich in seinem Inneren abspielte, wieder und er versuchte ein paar Sekunden lang, die Puzzleteile, von denen es nicht allzu viele gab, die aber einfach zum verrecken nicht zusammenpassen wollten, irgendwie zusammenzufügen. "You.. do?", hinterfragte er, langsam, zögerlich die Worte seines besten Freundes. Es war nicht so, dass er ihm nicht glaubte... nein, eigentlich - da hätte er ihm ganz und gar nicht geglaubt, zunächst. Aber Luke, von welchem er doch wusste, dass dieser nicht gut darin war, Augenkontakt zu halten und diesen gerne vermied.. blickte ihn mit solch einer.. Ehrlichkeit? an? War es das? Er verstand nicht, aber er konnte einfach nicht anzweifeln, dass Luke es ernst meinte. Und das verwirrte ihn. Brachte ihn aus dem Konzept, welches sowieso schon lange an einem alten, nicht mehr brauchbarem Faden hing.

    Er spürte, wie ein, zwei vereinzelte Tropfen einer warmen Flüssigkeit auf seinen Fingerknöcheln landeten. Seine Augen wurden schmaler, seine Gesichtszüge verloren ein wenig an dem Halt, an welchen sie sich zuvor geklammert hatten und füllten sich mit einem tiefen Schmerz, welchen er für den Augenblick nicht mehr in der Lage war zurück zu halten. "That.. doesn't make sense.. Luke." Ah. Wann hatte er angefangen zu weinen? Es waren noch nicht viele Tränen gewesen, doch er merkte, wie sie langsam mehr und mehr wurden. Es fühlte sich sogar falsch an diesen Namen laut auszusprechen. Als hätte er nicht das Recht, ihn in den Mund zu nehmen. Wieso? Wieso, wieso, wieso? Es machte keinen Sinn. Es- "You're supposed to hate me. So why would you.. love it?", seine Stimme hatte kurz nachgegeben, als er die Worte hatte betonen wollen und er biss sich auf die Unterlippe, so, als würde das irgendwie dabei helfen, diese wieder unter Kontrolle zu bringen. Eine Frage, die er nicht stellen würde, wenn er nicht absolut davon überzeugt war, dass sie der Wahrheit entsprach.

    Kyle & Luke // New flat!!


    Dass Luke so reagierte, als ob er nicht wüsste, wovon Kyle sprach, half nicht sonderlich dabei den Jungen zu beruhigen. Sein bester Freund schien ehrlich verwirrt, nicht? Seine Stimme war ruhig gewesen und er fragte sogar nach, weshalb genau er auf ihn wütend sein sollte. You lied. Aber das machte keinen Sinn. Wie konnte es sein, dass der Blauhaarige wirklich, ehrlich nach einem Grund nachfragen musste? Wenn man einmal bedachte, was er bei ihrem Streit über ihn erfahren hatte? Klar hatte Kyle nie wirklich die Möglichkeit gehabt gehabt ihn in irgendeiner Weise aufzuklären - Luke hatte nachgefragt, aber in dem Schock des Moments hatte der Schwarzhaarige nichts sinnvolles oder hilfreiches dazu beitragen können. Luke wusste seitdem, dass er aus einem reichen Elternhaus kam, - He doesn't even know me. - dass sein richtiger Name nicht Kyle Astrait LIAR LIAR LIAR war und.. er in im Endeffekt über alles belogen hatte, quasi? "Uhm.. for everything?", fasste er dann also etwas ratlos und zögerlich seine Gedanken zusammen, verwirrt darüber, dass seinem Freund nicht noch mehr Dinge als ihm selbst einfielen, die er ihm an den Kopf hätte werfen können. Als Kyle bemerkte, dass Luke in Bewegung kam hob er seinen Kopf und seinen Blick doch ein Stück weit, folgte zunächst einmal nur mit den Pupillen misstrauisch dem Weg des Jüngeren, welcher dann jedoch nicht weit von ihm entfernt anhielt und sich vor ihm auf den Boden setzte. Der Dunkelhaarige wartete einen Augenblick, ob Luke sich nochmal rühren würde und war sich unsicher darüber, was er davon halten sollte, dass er nun so nah gekommen war. Was hatte er vor? Wollte er bleiben? Hatte er Kyle hier nicht erwartet? Nein, dann hätte er anders reagiert, nicht? Wollte er ihn also hier haben? Hatte er sich über den Schlüssel gefreut? Was er wütend? Just one message. Please, don't ignore me, Luke. Fühlte es sich von ihm verarscht? Ah. Luke richtete das Wort an ihn und Kyle drehte den Kopf in seine Richtung. Einen Moment lang rührte er sich nicht, dann änderte er seine Sitzposition so, dass er nun halb auf den Knien hockte, seinen besten Freund aber ansehen konnte, wenn er einfach gerade aus schaute. Er zerbrach sich merklich eine Weile lang über die Frage des Jungen den Kopf, wägte ab, was genau er meinte, dann schien ihm jedoch etwas klar zu werden und sein Gesicht erhellte sich mit einem Mal. Ein breites, verschmitztes Grinsen, welches so gut in sein Gesicht passte, zeigte sich. "What do you mean what's going on?", fragte er, fast schon ein wenig aufziehend, "Ich hab' uns eine rieeeeeeeeesige Wohnung besorgt!! Mit riesiger Küche, Wohnzimmer, einem für dich und einem für mich und allem drum und dran!" Während er sprach hatte er demonstrativ die Arme ausgebreitet um seinem alten Freund klar zu machen, wie verdammt groß die Wohnung war und war er denn großartiges bei diesem dummen Einfall angestellt hatte. "Isn't that-" He hates you. "...fucking..-", er ließ die Arme langsam wieder sinken, das Grinsen erstarb so schnell, wie es gekommen war You should have died., "...awesome..?" Der für einen Moment gewonnene Enthusiasmus war erloschen und er wand den Blick wieder ab, unsicher, wieso er sich für einen Augenblick überhaupt so sehr gefreut hatte. Anzunehmen, dass Luke sich darüber freuen würde, war dumm. Von 'uns' zu sprechen war auch dumm. Er hatte Luke unbedingt hier haben wollen, aber jetzt, wo er da war.. da bekam er Panik. Da wusste er nicht, was er tun sollte. Er konnte das ganze nur schlimmer machen, nicht?

    Kyle & Luke..?


    Er hätte wahrscheinlich Musik anmachen sollen. Aber jetzt war es schon zu spät dafür. Kyle hatte das Gefühl, dass er sich keinen einzigen Millimeter bewegen konnte. Zu riskant. Auch, wenn er nicht recht wusste, worin das Risiko eigentlich bestand. Wie lange wartete er eigentlich schon..? Wie lange würde er noch warten müssen? Until the day you die. Hopefully soon~ Vielleicht.. stimmte das ja. Es war.. wirklich unwahrscheinlich, dass Luke auftauchen würde, nicht? Wieso hatte er sich überhaupt so viele dumme Hoffnungen gemacht? Selbst wenn Luke hier auftauchen, gar hier einziehen würde.. wäre das dumm von ihm. Kyle würde mit Sicherheit wieder alles ruinieren. So wie immer. Es wäre dumm, so so so dumm von seinem besten Freund, hier aufzukreuzen. Hatte er ihm denn nicht schon genug weh getan..? Er würde es wieder tun. Immer und immer wieder. Vielleicht würde Luke auch.. sterben, wenn er herkommen würde. Nicht heute. Nicht morgen. Aber bald..? Wieso war er sich so sicher, dass Luke sterben würde? It's just what happens to everyone around you, Kyle.  Ja. Es war so simpel, nicht? Melchior war gestorben, seine Eltern waren gestorben.. so viele Leute mehr waren gestorben. Huh.. wer war eigentlich noch gestorben? Er konnte sich an keine Namen erinnern. Nur an ein paar verschwommene Gesichter. Hatte sie seither hin und wieder mal gesehen. Nie so intensiv, wie an dem Tag, an welchem er bei Dirk alter Wohnung vorbeigeschaut hatte, aber.. sie waren da gewesen. Immer wieder. Waren erst dann wirklich verschwunden, als er seine Medikamente genommen hatte. Oh, die hatte er ja die letzten Tage vergessen. Aber das war ja nicht so schlimm, oder..? Klar, hörte er jetzt Dinge. Das war unpraktisch. Aber he couldn't really be bothered. Aber es sah ja nichts, nicht? Dafür hatte er die Pillen zu lange, zu regelmäßig genommen. Und solange er nichts sah.. war das doch bisher okay. Immerhin schien das, was er hörte, ja mehr Sinn zu machen, als seine eigenen Gedanken es taten. Wait. War das ein abgefuckter Gedankengang? Vielleicht war es ja doch nicht so gut... Urgh. No. He really didn't give a fuck.

    Dass die Tür zu seiner Wohnung aufging, das bemerkte der Schwarzhaarige nicht. Luke hätte sich überhaupt nicht die Mühe machen müssen leise zu sein. Selbst wenn er die Tür zugeschlagen hätte wäre es dem Punk nicht aufgefallen. Er hatte schon mehrfach an jenem Tag gehört, wie die Tür aufging und zugeschlagen wurde. Hatte die ersten paar Male aufgesehen, nur um dann direkt wieder enttäuscht zu werden. Die Tür war nie geöffnet worden und es hatte auch nie Jemand den Wohnraum betreten. Ein makaberer Streich, den er sich wohl selbst gespielt hatte. Es war dumm gewesen, überhaupt etwas zu erwarten. Und das Summen im Hintergrund - es war zu einem Wimmern geworden. Eine Frauenstimme, huh. Gott. Wieso mussten sie immer wieder weinen..?
    Was macht ein Klavier in meinem neuen Zimmer?

    Genervt verzog Kyle das Gesicht. Really? Was war das denn jetzt für eine dumme Frage? ".. ein Flügel..", korrigierte er leise Lukes Stimme, auch wenn er nicht wusste, warum sie jetzt solch eine random Frage stellen würde. Eigentlich war es auch dumm manchmal darauf zu antworten, aber.. hin und wieder half es ja. Oft machte es die Dinge allerdings nur schlimmer. Wait. Da bewegte sich etwas.

    Leicht erschrocken bewegte der Russe seine Augen in die Richtung, aus welcher er Bewegung vernommen hatte. Erblickte eine Gestalt, die sich auf ihn zubewegte. Und dann ein Gesicht, welches ihm noch allzu bekannt war. Hatte er jetzt also doch visuelle Halluzinationen? Das machte doch keinen-
    "Luke?!", entkam es ihm, noch ehe er darüber nachdenken konnte. Der Amerikaner hatte sich wie automatisch aufgesetzt und auch, wenn er sichtlich geschockt war, kam er nicht umhin, automatisch erfreut über das Gesehene zu wirken. Seine neutralen Gesichtszüge hatten sich kurz zu einem Strahlen verwandelt, doch dann wand er genauso hastig wieder den Blick ab und sein Gesicht wirkte zweifelnd, als er Richtung Boden starrte. Nein. Visuelle Halluzinationen machten doch keinen Sinn gerade, oder..? Stand es um ihn doch schlechter, als er gedacht hatte? Wobei.. gedacht hatte er eigentlich sowieso nicht so richtig. Also musste der Jüngere wirklich hier sein, nicht? Luke war wirklich gekommen? Tatsächlich? Kyle wollte sich freuen. Wirklich, wirklich dringend darüber freuen. Aber er konnte es nicht. Man sah ihm im Gesicht an, dass er zweifelte. Shit. Er hatte Luke nichts gesagt. Luke hatte keine Ahnung gehabt, dass er hier war, nicht? Er hatte sicher gedacht, dass den Russe ihm eine Ein-Zimmer-Wohnung besorgt hatte oder so. Und jetzt musste er brutal feststellen, dass dieser verdammte Idiot doch tatsächlich gedacht hatte, es wäre okay anzunehmen, dass Luke eine Wohnung mit ihm teilen wollte. Wahrscheinlich hatte er nur nicht direkt wieder verschwinden wollen. Aber.. sein Ton war doch ironisch gewesen, nicht? Er hatte bloß einen Scherz gemacht? Oder?? Meinte er das Ernst? War er-

    "Are you.. mad at me?", entkam es ihm gequält, noch immer zu Boden schauend. Warte. Das hatte er gar nicht laut aussprechen wollen. Als er das realisierte, dass er Gesprochen hatte, ohne darüber nachzudenken, sah er doch ein Stück weit auf und wirkte etwas erschrocken darüber. Ahh, fuck! Was war das bloß für eine selten dumme Frage gewesen?! Why won't he answer my messages? He couldn't care less. Nobody would stop you. God, shut up. Shut up, shut up, shut up!! Als ob er sich nicht dessen bewusst war. Wie dämlich es war. Natürlich war Luke wütend auf ihn.

    Waiting in the living room Kyle (before Ced)


    Das hatte er sich eigentlich anders vorgestellt. Wobei, eigentlich auch nicht wirklich. Viele Erwartungen hatte der junge Mann nicht gehabt, als er sich vor ein paar Wochen auf einige Wohnungen beworben und tatsächlich im Endeffekt auch die Zusage für eine überaus großzügig geschnittene, er halten hatte. Er hatte gewusst, dass es Zeit gewesen war, umzuziehen, dies quasi als kleinen Neuanfang anzugehen.. aber das mit dem Neuanfang war so eine Sache. Es klang in der Theorie immer so einfach und toll, aber in der Praxis.. war es verdammt hart und ging definitiv nicht so einfach von statten. Eine neue Wohnung war wohl ein toller Start - aber das war's auch schon wieder. Ein Tapetenwechsel war mit Nichten eine Lösung für alles und würde wohl kaum auf magische Weise alle Probleme lösen, die ihn langsam aber sicher einzuholen gedachten. Weshalb es auch irgendwie passend war, dass Kyle, einen Tag, nachdem er eine Horde Möbelpacker damit beauftragt hatte, sich um seinen Umzug zu kümmern, nun mit dem Rücken auf dem neuen Sofa lag, welches sich mitten im Wohnzimmer befand und rat- sowie lustlos an die kahle Decke starrte. Viel mehr als das Sofa, einem Flügel in der Ecke, der neuen Küche, sowie einem provisorischen, kleinen Tisch direkt neben dem Sofa und einem ganzen Haufen vollgepackter Kisten, gab es bisher nicht zu sehen. Er hatte kaum mehr als drei, vielleicht vier Teile ausgepackt, seitdem er Gestern hier angekommen war und hatte es auch für's Erste nicht wirklich vor. Ob es an fehlender Motivation oder Kraft lag wäre ein guter Einwurf gewesen, aber wirklich scheren tat er sich nicht drum. In der Küche lag eine offene, halb aufgegessene Tüte Chips, zusammen mit einer Medikamentendose, welche in alle Tage der Woche eingeteilt war und von der Kyle, auf Nachfrage, hätte gestehen müssen, dass die Pillen von Heute und dem Tag davor absolut ungerührt geblieben waren. Auf dem kleinen Tisch neben ihm stand eine Flasche Whisky und ein Glas, welches noch ein wenig gefüllt war und offensichtlich war es das Erste gewesen, was bisher gefüllt worden war. He won't come. Why would he? He fucking hates you. You lied to him. Der Punk wusste nicht, ob er Heute noch einen Gast zu erwarten hatte oder nicht. Es war bereits später Nachmittag und er hatte am frühen Morgen der örtlichen Schule, von welcher er wusste, dass Luke sie besuchte, einen kleinen Besuch abgestattet. Er hatte sich für Lukes Bruder ausgegeben und im Sekretariat vorgesprochen, dort einen Zweitschlüssel, auf welchem ein kleiner Anhänger mit der Adresse dieser Wohnung befestigt war und einen kleinen Zettel mit den Worten "Ur new room" abgegeben und die etwas entnervte Dame darum gebeten, Luke diese sobald wie möglich zu übergeben, da es sich um einen Notfall handelte. Gut, einen Notfall gab es zwar nicht, aber Erwachsene, vor allem die verbitterten, hatten die Tendenz, einem nur dann zu glauben, wenn man sie auf völlig absurde Weise anlog, nicht, wenn man ihnen aber die Wahrheit sagte. Er musste ein wenig schmunzeln bei dem Gedanken daran, wie sein bester Freund wahrscheinlich kurze Zeit später durch eine Lautsprecheransage ins Sekretariat gerufen wurde und wie die ganze Klasse wahrscheinlich - so wie es sich für Abiturienten eben gehörte - laute "Oooooh"-Töne von sich gegeben haben musste, weil sie vermuteten, dass der Blauhaarige irgendeine Scheiße verzapft haben und nun in großen Problemen stecken musste. He's gonna be so pissed about that. Why would you do that, are you fucking stupid? He won't come. Das Schmunzeln war dem Jungen schnell vergangen und er musste zugeben, dass er sich wirklich Sorgen darüber machte, wie schlau diese Aktion gewesen war. Er hatte absichtlich nicht "Our" geschrieben, da es sich.. irgendwie.. falsch? angefühlt hatte? So, als ob er etwas absolut Absurdes und Anmaßendes von sich geben würde, wenn er die Wohnung, welche ein leeres Zimmer für Luke frei hatte, tatsächlich als ihre Wohnung bezeichnen würde. Wollte Luke überhaupt hier einziehen? Hatte er nicht schon genug von Kyle gehabt? Sicher, sie hatten sich versöhnt, aber seitdem noch nicht wirklich Zeit gehabt um miteinander zu reden und vielleicht wollte der Jüngere das ja auch gar nicht und.. You lied to him.
    "I didn't even know I was lying...", murmelte er leise auf die Vorwürfe hin, die unglaublich laut in den verschiedensten Nuancen in seinem Kopf hallten, aber einen wirklichen Konter wusste er auf deren Worte nicht. Es war wahrscheinlich.. nicht allzu schlau gewesen, die Tabletten, welche er nach einem Besuch beim Psychiater verschrieben bekommen hatte, mit einem Mal einfach nicht mehr zu nehmen und den Preis dafür zahlte er offensichtlich relativ schnell, aber.. Neuanfänge waren schwer. Und auch, wenn sie relativ gut angeschlagen hatten, so wusste der Schwarzhaarige noch immer nicht wirklich, wie er mit dem Wirrwar in seinem Kopf, dem Wirrwar aus Erinnerungen, die wieder zurückkamen und den Problemen, die davor und seither entstanden waren umzugehen hatte. Machte es überhaupt Sinn Medikamente zu nehmen..? Und Gott, konnte dieses nervige, laute Surren, welcher er schon seit einer guten Stunde ununterbrochen im Hintergrund hörte, endlich einmal aufhören? Es war ja kaum auszuhalten!

    Würde Luke die richtige Wohnung überhaupt finden? Gut, er hatte spaßeshalber ein Schild mit der Aufschrift "Gays & Strays" auf die Eingangstür gehangen, ein kleiner Witz, der seiner Meinung nach ziemlich gut passte... aber jetzt hinterfragte er auch das. Sein Magen knurrte, aber er ignorierte diesen Fakt gekonnt. Bevor die beiden Punks sich wieder versöhnt hatten, hatte er kaum etwas zu sich genommen, eine Tatsache, die man ihm auch noch ansah, auch wenn es mit Sicherheit besser geworden war! Aber ja, mehr als die halbe Tüte Chips gestern und dem halben Glas Whisky war es bisher dann doch nicht geworden. Körperliche Anzeichen von Hunger waren noch immer nicht das Gleiche wie Appetit. Und wen kümmerte schon Essen, wenn er nicht einmal wusste, ob er noch einen Freund hatte? Vielleicht war das alles ja ein großer Fehler gewesen. Sollte er vielleicht.. einfach wieder abhauen? Aber.. wohin? I have nowhere to go.

    Kyle & Ced // It's always fucking complicated, isn't it?


    Es gab einige Dinge im Leben des Amerikaners, zu denen er eine komplizierte, eine.. schwierige.. Beziehung hatte.
    Vertrauen, Berührungen und Liebe waren drei der Themen, welche es mit großer Wahrscheinlichkeit und mit genauso großer Leichtigkeit in die Top Five schaffen würden, sollte er denn jemals danach gefragt werden, diese zu listen. Demnach war es irgendwie ironisch, dass er sich hier, gerade, mit Ced, doch so, so oft mit genau diesen Dingen konfrontiert sah. Was das Vertrauen anging.. so fand Kyle, dass er doch schon Einiges getan hatte, um Vertrauen gegenüber dem Blonden zu zeigen. Dass er ihm einen Schlüssel zu seiner Wohnung gegeben hatte, ihm ein paar seiner eigenen Gedanken und Erfahrungen offenbart, wenn auch nur die Oberflächlichsten womöglich - und dass er nicht vor den Berührungen des Studenten zurückgeschreckt war, zeigte viel. Wirklich. Auch wenn es ironisch war. Berührungen.. Kyle war der erste von Beiden gewesen, welcher sie gesucht hatte. Auf dem Dach. Zunächst sanft, dann hatte er scheinbar eine Linie überschritten und sein Gegenüber war kurz zurückgeschreckt, er hatte gesehen, dass er sich unwohl gefühlt hatte und Kyle hatte sich wirklich, wirklich mies gefühlt. Er hatte keine Ahnung, wie man sich richtig gegenüber Anderen zu verhalten hatte. Ihm fehlte es wirklich, wirklich an Erfahrung. Und ein wenig war er verwirrt. Dafür, dass Cedric in jenem einen Moment so zurückgeschreckt war und nicht die Typ Person zu sein schien, die besonders körperlich war.. hatte er inzwischen einige Male den Kontakt zum Gepiercten gesucht. Verwirrend. Die einzige Person, zu der er sonst auch nur ansatzweise eine solche Nähe hatte, war Luke. Dasselbe galt für das Thema des Vertrauens. Und.. huh. Als Cedric den Kopf schließlich auf Kyles Schulter ablegte, den Blick noch immer gerade aus, womöglich zum Flügel, womöglich dem Nichts entgegen gerichtet, da kam das unerwartet. Ein kleiner Teil im Inneren des Russen war aufgeschreckt, wollte sich einen Moment lang verkrampfen - doch der Weißhaarige blieb ruhig, sein Körper bewegte sich nicht. Einzig allein seine Augen spiegelten kurz den Schrecken wieder, welchen er sich trotz Allem noch nicht ganz gegenüber Cedric verkneifen konnte - zumindest nicht dann, wenn die Berührungen nicht von ihm ausgingen. Doch auch diese, die sich ein Stück geweitet hatten, beruhigten sich kurze Zeit darauf wieder und eine milde Sanftheit breitete sich in ihnen aus, als auch die Mundwinkel des Jungen ein wenig nach oben huschten. Er hatte keine Ahnung, ob es an seinem Klavierspiel, seinen Worten, beidem oder gar nichts davon gelegen hatte - doch der Blonde hatte sich ein wenig beruhigt. Irgendetwas schien also geklappt, funktioniert, richtig gewesen zu sein. Das beruhigte Kyle. Es war ihm wichtig, Dinge.. richtig zu machen? Auch, wenn er selbst gesagt hatte, dass es oft wohl einfach kein richtig gab. Daran musste er sich immer wieder Selbst erinnern. Oft reichte es einfach.. zu machen. Und sein Bestes zu versuchen. Auf das zu hören, was das Innerste einem sagte. Und.. Liebe. Da waren wir bei dem dritten Thema angekommen. Kyle liebte Luke. Hatte dies getan, vom ersten Augenblick an, in welchem sie sich erblickt hatten. Auch, als es noch absolut keinen Sinn gemacht hatte. So funktionierte das bei dem Punk einfach. Er wusste direkt, wenn eine Person in seinen Augen besonders war. Was nicht hieß, dass in seinen Augen nicht die meisten Menschen besonders, einzigartig waren... Aber! Manche waren einfach wirklich wirklich besonders. Besonders für ihn. Und bei seinem besten Freund hatte er dieses Gefühl so stark wie noch nie zuvor empfunden. Und im Endeffekt.. war es womöglich auch gar nicht so schwer die Liebe des Weißhaarigen für sich zu gewinnen. Das war schon immer irgendwo das Problem gewesen, nicht? Dass das Herz des Kindes einfach immer viel zu groß gewesen war. Auch, wenn er definitiv noch nicht an einen Punkt angekommen war, an welchem er diese Worte jemals laut aussprechen, jemals gegenüber sich selbst, gegenüber anderen eingestehen würde.
    Liebe war ein schwieriges Thema. Bis auf Luke und Lucky hatte noch nie Jemand, noch nie irgendetwas, was Kyle jemals geliebt hatte, überlebt. Sie alle waren gestorben, ohne Ausnahme. Und selbst bei letzteren beiden.. nagte an manchen Tagen ein unheilvoller Zweifel an ihm, welcher unglaublich schwer abzuschütteln war. Sie lebten. Sie lebten. Sie lebten. Taten es noch. Nein. Sie lebten. Sie würden dies auch weiterhin tun, nicht? Er fragte sich kurz, ob er auch Melchior geliebt hatte. Ein ironischer Gedanke. Er verwarf ihn schnell, wollte nicht zu lange darüber nachdenken, nicht zu tief in seine eigenen Gedanken tauchen, nichts durcheinander werfen, wenn er doch in der Gegenwart benötigt war. Cedric lebte, nicht? Und in jenem Moment, als der Blonde seinen Kopf auf seiner Schulter ablegte, zu sprechen begann, da empfand Kyle eine tiefe Zuneigung dem Älteren gegenüber.

    Aber seine Fragen waren schwierig. Kyle verzog das Gesicht zu einem nachdenklichen Ausdruck und gab ein kleines Seufzen von sich. Vorsichtig kam auch sein Kopf in Bewegung, lehnte sich nun genauso sanft, genauso zaghaft gegen den seines Freundes. "Es.. ist für jeden anders, glaube ich, Ced.", begann er, wahrheitsgemäß und suchte einen Moment lang nach Worten, die seine Gedanken irgendwie verpacken konnten, "Aber.. die Antwort lautet meistens Zeit. Und Arbeit. A lot of fucking work. A lot of fucking fighting. With others. With ur past. With urself." Ihm war klar, dass das keine schöne Antwort war. Es war eine anstrengende, eine nüchterne Aussage - aber sie gab ein Ziel vor, eines, welches erreichbar war. "Aber.. nicht heute. Und nicht allein. Den wichtigsten Kampf hast du gestern schon gewonnen. Und du hast dich echt besser geschlagen, als du denkst. I'm fucking proud of you, you know?" Ah. Liebe. Als Cedric seinen zuvor laut ausgesprochenen Gedanken widersprach, wirklich spätestens dann, stand es fest. Stand fest, dass der Blonde es in die bisher noch so kleine, vorsichtige Liste an Personen, an Lebewesen, geschafft hatte, die Kyle liebte. Und er lebte! Und tatsächlich war sogar allen Ernstes Kyle dafür verantwortlich, dass er das noch tat!! Die nach oben gerichteten Mundwinkel des Punks konnten nicht anders, als bei diesem Gedanken noch ein wenig höher zu steigen. Ein wenig hatte er Angst. Große, große Angst. Diese Angst würde so schnell nicht verschwinden. Aber auch das war okay, solange er die Überhand über sie nicht verlor. Und für einen Moment, als der Blonde ihm widersprach - da glaubte er ihm auch tatsächlich. Es brauchte nicht diesen kurzen Moment, um Cedric zu glauben, dass er wirklich so empfand. Nein. Kyle dachte nicht, dass Ced ihn belügen würde. Die Aussage, dass er nicht furchtbar war, die konnte in den Augen des Musikstudenten definitiv so stimmen. Aber aus der Perspektive des Weißhaarigen..? Eine schwierige Meinung. Und trotzdem glaubte er ihm kurz. Es gab nur wenige Momente, in welchen Kyle bisher dieser Meinung zugestimmt hätte. Und diese kleine Mitteilung hatte tatsächlich gereicht, um sich darunter einzureihen. Ihm entkam ein kleines Glucksen und sein Kopf bewegte sich dabei minimal im Takt der Laute, seine Haare streiften das Gesicht des Blonden neben ihm. "Thank you. I.. really appreciate that. And I'll try my hardest to remember ur words." Für die vielen Momente, in welchen er noch zweifeln würde. Er würde versuchen, die Meinung, die Worte seiner Freunde, die Worte Lukes, die Worte Cedrics, die für ihn so viel mehr wert hatten, als viele jener, die er Selbst aussprach, hervorzuholen, ihnen Glauben zu schenken, mehr, als jenen Gedanken, die ihn so vehement verfolgten. Weil sie doch viel eher die Wahrheit sprachen, als diese, nicht? "Also.. you're not a terrible person either, by the way.", fügte er schließlich hinzu, da es wichtig war, "What I've seen so far is.. soft. Hardworking. Thoughtful. A little naive, maybe - Meeting up with unknown ghosts and shit. And obviously - stupid when it comes to holding things like Chicken Nuggets. But not terrible. Not all all. Just.. a little lost and in pain."

    Kyle & Ced // Just don't believe the hype



    Ah. Kyle.. war ein wenig überfordert. Er war ein ganz klein wenig überfordert, als Cedric mit seiner Erklärung über die .. war es die neunte gewesen?? Die Neunte Symphonie? Auf jeden Fall war das dann doch etwas mehr, als das, womit der Punk gerechnet hätte. Theoretisch hätte er wohl entweder damit gerechnet, dass Cedric ihm diese nun die nächsten fünf Minuten lang vorspielen würde - oder aber diese gar nicht beherrschte. Aber das? Die Augenbrauen des Russen zogen sich zunächst bei der Erzählung des Blonden enger zusammen, dann hoben sie sich und seine Augen weiteten sich ein kleines Stück als er erstaunt versuchte die Informationen, die der Andere ihm gerade mitgeteilt hatte, zu verarbeiten. Zwischenzeitlich hörte man ihn ein kleines: "You're kidding..", murmeln, aber das Grinsen, welches kleinlaut über die Lippen des Studenten huschte belernte ihn eines Besseren - er scherzte nämlich so ganz und gar nicht. "What the fuck, man..", hauchte er, ein wenig lauter, offensichtlich absolut in seinem Weltbild entgleist, da er sich nie im Leben hatte vorstellen können, dass die thematisierte Symphonie so kompliziert sein würde. Gut, er wusste das Musicals und andere Shows so lang sein konnten. Opern auch, oder? Aber ein einziges Stück?? Gab es noch mehr, die so verdammt lang waren? Und wie hatte er etwas so langes erschaffen können, wenn er doch fucking taub war zu dem Zeitpunkt? Wie lange das den Typen wohl an Zeit gekostet hatte?
    Die Fragezeichen in Kyles Oberstübchen sammelten sich so lange an und lenkten ihn so sehr ab - gut, das mit dem Themenwechsel hatte also definitiv auch bei ihm selbst erfolgreich funktioniert -, dass er zunächst einmal gar nicht bemerkte, dass Ceds Stimmung sich änderte. Was.. ungewohnt war. Vor allem, wenn man einmal bedachte, dass er vor wenigen Augenblicken noch misstrauisch ihm gegenüber gewesen war. Normalerweise ließ der Amerikaner andere Personen nicht aus den Augen, beobachtete all ihre Bewegungen und versuchte ihre Gedanken, ihre Emotionen zu erraten, zu wissen, was in ihnen vorging und was womöglich als nächstes geschehen konnte. Im einschätzen dessen war er nicht besonders gut - aber das Beobachten, das Verfolgen, das Interpretieren - das tat er trotzdem. Naja, außer bei Luke. Hin und wieder konnte er es sich auch dort nicht verkneifen.. es war nun einmal eine alte Angewohnheit. Okay, vielleicht auch mehr als das. Aber bei seinem besten Freund hatte sich dieser Schutzmechanismus inzwischen größtenteils automatisch abgeschaltet. Hieß das also, dass er Cedric so sehr vertraute, sich so.. hm. Sicher? Um ihn herum fühlte, dass sein Gehirn sich teilweise mit anderen Dingen beschäftigen konnte? Huh. Wie war das denn passiert? War es überhaupt das, was passiert war? Hatte er inzwischen einfach so große Fortschritte gemacht? Shit. Jetzt lenkte er sich schon wieder mit abschweifenden Gedanken ab. Erst, als sein Gegenüber wieder das Wort ergriff, da reckte sich sein Kopf plötzlich in dessen Richtung. Kyle brauchte einen Augenblick um wieder im Hier und Jetzt anzukommen und die Frage des Älteren zu verarbeiten. Ihm fiel auf, dass Cedric weg sah und etwas angespannt wirkte - allerdings nichts weiter. Dafür war ihm auch einfach nicht die Zeit geblieben. Der Weißhaarige sah den Blondschopf kurz verdutzt an, dann entkam ihm ein kleines Auflachen. "Ich kenn' mich mit beiden Optionen relativ gut aus, Ced. You wouldn't even fucking imagine." Er setzte ein kleines Grinsen auf - auch wenn die Thematik für Außenstehende wahrscheinlich absolut keine Komik oder einen Grund dazu offen ließ. Seine Hände hatten sich inzwischen Richtung Piano bewegt - auch, wenn eigentlich Cedric an der Reihe gewesen wäre, so schien er gerade zu zögern - und Kyle vermutete, dass der Klang der Musik ihm vielleicht etwas an Nervosität nehmen konnte? Gut, er wusste ja nicht, dass Ced gerade in eine Panikattacke gerutscht war.. aber ja. Die Stille war per se zwar nicht unangenehm, aber.. er fing nebenbei an ein Lied zu spielen, an welches er bei der Frage des Älteren instinktiv dran hatte denken müssen. Er überlegte kurz, was er auf die Frage des Blonden antworten sollte - auch, wenn dieser diese voreilig wieder zurückgezogen hatte. Eigentlich hatte er mehr abwägen wollen, was genau er jetzt aussprach.. aber ja. Das mit dem irgendwie sicher fühlen, huh? Also sprach er weiter, ohne groß drüber nachzudenken. Ohne sich selbst groß zu hinterfragen: "Sooo.. what is it ur brain is bothering you with? Saying it out loud might just do the trick."

    Dann zögerte er doch kurz. Ja.. das war so leicht gesagt, nicht? Auch, wenn er sich auf Cedric konzentrieren wollte.. so schien es doch irgendwie unfair, wenn nur er Dinge über sich Selbst offenbaren würde, nicht?

    "I... should probably start, huh? I guess.. even right now I'm still questioning whether I'm a terrible person or not. Wondering.. if I'm even being a help to you at all? Wondering if I'm fucking things up? Worried to say something wrong, to make you feel worse than you already do.. Eh." Ihm entkam ein kurzes, leises Kichern. "I don't really have any idea what I'm doing, you know? Don't think any of us do, though. But I know what it feels like to be alone and I don't want you to feel that way. And..", er zuckte kurz ein wenig übertrieben mit den Schultern und setzte ein kleines Lächeln auf, ".. it does get better. The scary thoughts get less and less. The self doubt does too. Everything."

    Kyle & Ced // Not telling u


    Kyle verzog kurz das Gesicht zu einem trotzigen Ausdruck, als Cedric erklärte, dass ihm nichts einfallen würde und dann danach fragte, ob er denn von anderen Leuten Spitznamen besaß: "Yes, I do. Mein Bestie hat einen für mich. Aber den erzähl' ich dir nicht. Das wäre echt.. weird. Also, wenn du den jetzt einfach so klauen würdest."

    Er war sich nicht sicher, was sich Cedric jetzt davon als Antwort versprochen hatte. Oh. Vielleicht sollte es ihm nur als Inspiration dienen? Aber das konnte er sich nach der Aussage von dem Blonden irgendwie weniger vorstellen. Und ob er ansonsten noch Spitznamen hatte.. hm. Ihm fiel gerade zumindest nicht wirklich was ein. Was irgendwie schade war. Aber okay - man konnte ja nicht immer alles haben, was man wollte, nicht? Und wenn man einmal bedachte, dass Ced momentan womöglich sein einziger richtiger Freund neben Luke war.. ja okay, die Chancen standen echt schlecht. Aber mit mehr Leuten sprechen, nur um mehr Spitznamen zu bekommen? Fuck no. Das schien viel zu aufwendig.
    Als sein Besuch sich dann durch die Haare fuhr, auf die Erwähnung von Spooky Ghost hin, da musste der jüngere der Beiden wieder ein wenig schmunzeln. Er verstand nicht, wieso er Kyle damals unter jenen Umständen überhaupt geantwortet hatte, huh? Das war nicht das erste Mal, dass irgendjemand darüber verwirrt war. Eigentlich fragten sich die Leute ständig, wieso die Dinge genau so und nicht anders gelaufen waren, wenn sie an den Weißhaarigen kamen. Das war für ihn inzwischen weniger verwunderlich. "Weiß nicht was du meinst. Ich hab' doch offensichtlich ein Händchen dafür Menschen aus ihrer Comfort Zone zu holen. Oder halt zu Dingen zu bewegen, die sie sonst nie tun würden.~" Sein Schmunzeln war zu einem kleinen Grinsen geworden und er hatte sich, während er gesprochen hatte, von der Wand weg, zurück zu Ced gewandt. Was.. womöglich ein kleiner Fehler gewesen war. Denn als der Student dann weiter sprach, da entgleisten dem Amerikaner kurz die Gesichtszüge. Seine Augen weiteten sich minimal und er hatte einen neutralen Ausdruck aufgesetzt, wand jedoch schnell das Gesicht ab, bevor es dem Blonden auffallen konnte. Die Entgleisung und das Abwenden - sie geschahen quasi gleichzeitig. Trotzdem unterließ er es nicht mit seinen grauen Augen unauffällig zu Cedric rüber zu spähen und ihn zu beobachten, abzuwägen, was das zu bedeuten hatte. Dieser hatte sich glücklicherweise ebenfalls zurück zum Flügel gedreht. Huh.. woher..? Misstrauisch musterte er die Gesichtszüge des Blonden, suchte nach irgendeinem Anhaltspunkt. Wieso hatte er ihn unter Kyle Melchior eingespeichert? Woher kannte er- ah. Es machte Klick bei dem Russen. Er hatte Cedric diesen Namen verraten, damals, als er ihn gehackt hatte. Als er absolut übermüdet gewesen war und nachdem der Blonde ihn gefragt hatte, was es mit dem Namen Spooky Ghost auf sich hatte. Es war ein kleiner Scherz gewesen, welchen er sich da ausgedacht hatte, damals. Weil er es lustig gefunden hatte. Auf dem Handy eines Toten zu schreiben und dann von einem Toten zu sprechen - demnach die Identität von Spooky Ghost. Damals war er aber auch echt nicht in der besten mentalen Verfassung gewesen. Es war erst ein, zwei Monate her gewesen, dass er mit Luke in Amerika gewesen war, nicht..? Urgh. Es machte Sinn, dass dieser Name, welchen er seit seiner Kindheit nicht mehr wirklich gehört hatte Panik in ihn auslöste. Immerhin war er bis vor einem Jahr auch noch ein Zeichen dafür gewesen, dass Jemand über seine Vergangenheit Bescheid wusste und ihn womöglich auffliegen lassen könnte. Inzwischen.. gab es ja nicht mehr viel, was auffliegen könnte. Zumindest nicht in derselben Art und Weise wie zuvor. Seine Eltern waren nämlich tot, also nichts, was er diesbezüglich befürchten musste. Natürlich konnten die Leute trotz allem zu viele oder aber falsche Informationen über ihn haben, aber.. Hm. Was hatte er dem Blonden damals noch gesagt? Nicht viel, oder? Und auch nichts, womit er etwas anfangen konnte? Konnte das zu einem Problem werden? Immerhin hatte der Russe damals ja nicht wissen können, dass diese Bekanntschaft tatsächlich auch.. halten würde. Aber solange Cedric den Namen bloß in seinem Handy gespeichert hatte.. Ja. Das war kaum der Rede wert. Hatte keine Bedeutung. Hieß also, man konnte die Toten weiterhin ruhen lassen, wenn man denn mochte. Kyle entschied sich das Thema zu wechseln. Zum einen aus den offensichtlichen Gründen, zum anderen, da er sowieso auch wirklich neugierig war. Sein Körper ließ die leichte Anspannung, die ihn gepackt hatte, wieder los und hatte das Bedürfnis sich irgendwo anzulehnen, mit dem Kopf, den Armen - das ging jedoch schlecht. Also stellte er seine Arme hinter sich ab, damit er sich zumindest ein wenig nach hinten lehnen und seine Beine ausstrecken konnte. "Kennst du noch andere Stücke von dem Typen? Wie das eine, von dem du eben gesprochen hast? Jetzt bin ich neugierig wie sie geklungen haben. Danach bin ich aber wieder dran, also such dir was Gutes aus."

    Kyle & Ced // Wild shit



    Und Ced musste auch nichts sagen! Aber dass er etwas sagte und kurz ein kleines Lächeln über seine Lippen huschte, sprach definitiv Bände. Vielleicht war er jetzt nicht unbedingt innerlich aus dem Häuschen deshalb, der Blonde, aber die Art und Weise, wie er gleich eine Komposition aus dem Hut gezaubert hatte, welche vom Titel her eine Anspielung auf den Namen gewesen war, zeigte doch, dass er darüber nachgedacht hatte. Und es irgendwie angenommen. Und Ced schien sowieso eher der Typ zu sein, der seine Gefühle mit Musik ausdrückte oder aber generell nicht aktiv in die Welt heraus schrie - zumindest nicht bis zu jenem Moment, wo diese einfach raus mussten. Was ja Sinn ergab - ansonsten wäre er wohl nie allein auf dem Dach gelandet.
    Kyle wurde einen Augenblick lang stutzig, als sein Freund nachfragte, ob er jetzt denn auch einen Spitznamen für den Russen brauchte. "Hm. Sure? If u wanna?", antwortete er, nicht sicher, was er darauf erwidern sollte, "Ich meine, ich werd' so oder so noch ein paar mehr für dich finden, so wie ich mich kenne. Vielleicht fällt dir ja irgendwann auch was für mich ein." Immerhin kam so etwas ja aus dem Moment, aus einem Gefühl, aus einer Situation heraus, nicht? War es das, wie Spitznamen funktionierten? Auch, wenn er ständig andere Worte, als die tatsächlichen Namen für Menschen benutzte und über diese Worte sich auch seine Gedanken machte.. hatte er nie so wirklich über das Prinzip von Spitznamen per se nachgedacht. Huh. Gab es da überhaupt groß was nachzudenken? Er grinste kurz. "Natürlich hättest du ja immer noch Spooky Ghost zur Auswahl, als kleines Memoir darüber, wie wir uns kennengelernt haben." Hatte der Student ihn eigentlich jemals umbenannt? ... Hatte er Ced eigentlich jemals umbenannt? Nope. Er erinnerte sich daran, wie die Nachricht Cedrics heute 'Hot New Boyfriend' und einen Flammenemoji dahinter stehen gehabt hatte. Er wunderte sich, ob sein Gegenüber dies, sollte er jemals auf Kyles Handy schauen, hinterfragen oder aber als eins von Kyles Shenanigans akzeptieren würde. Irgendwie.. wenn er so daran dachte, was am gestrigen Tag passiert war.. ärgerte es ihn kurz, dass Cedric womöglich nicht auf seine Warnung damals gehört hatte. Als er die Tarotkarte Death gezogen und ihn mit einer sehr betrunkenen Whatsapp darum gebeten hatte, vorsichtig zu sein. Aber er konnte es ihm nicht verübeln, im Endeffekt. Wahrscheinlich waren die Umstände so gewesen, dass er es nicht hatte umgehen können und zum anderen.. war seine Warnung auch sehr strange gewesen, to be fair.

    Aufmerksam lauschte der Weißhaarige dem Musiker, als dieser ihm von Beethoven erzählte. Er fragte sich insgeheim, ob dies Informationen waren, die man in der Schule lernte, Informationen, die zum Allgemeinwissen gehörten (er musste Luke unbedingt mal fragen) ..? Ob es Wissen war, welches sich Cedric in seinem Studium angeeignet hatte? Wissen, welches er besaß, da er eine Passion für die Musik hatte? Oder einfach speziell für Beethoven? Er zog bei der Erzählung weiterhin die Augenbrauen zusammen, dann entspannten sich diese schließlich wieder und er blickte einen Moment lang auf, starrte nachdenklich zur Decke des Raumes.
    "Huh.. still sounds wild to me. Also.. dass er sich daran erinnern konnte, wie die Töne alle klangen? Ich wüsste nicht mal, ob ich mich nach ein paar Jahren noch an die Stimme meines besten Freundes erinnern könnte.", gab er nachdenklich zu und irgendwie.. war dieser Gedanke wirklich ein wenig deprimierend. Er erinnerte sich zum Beispiel noch an die Stimmen seiner Eltern, welche jetzt fast ein Jahr lang tot waren. Aber.. ein Jahr war keine lange Zeit. Gut, er hatte auch vorher nicht mit seinem Vater gesprochen, also diese Stimme länger nicht mehr gehört.. er fragte sich, ob sie irgendwann verblassen würden? In 5 Jahren? In 10? Lag es eher an der Sentimentalität, dass Beethoven der Klang nie vergessen hatte? "I wonder.. ob die Stücke auch wirklich so klingen, wie er sich sie vorgestellt hat. Oder ob doch irgendetwas abweicht. Would be fucking tragic, if it does."

    Kyle & Ced // Who??


    Kyle schwieg einen Moment lang, als Cedric zu seiner Frage ansetzte. Prinzipiell hätte er gerne sofort ja gesagt, aber man sollte vorsichtig mit seinen Versprechen sein, nicht? Und es war unmöglich für Kyle seinem Freund zu versprechen, dass dies auch wirklich so eintreffen würde. Ihm zu versprechen, dass er okay sein würde, dass alles wieder gut werden würde - ja, das war eine Sache. Das stimmte. Da konnte er hinter stehen. Aber zu versprechen, dass er dieses schöne Gefühl, diese Sehnsucht danach nicht wieder verlieren, wieder vergessen würde..? Das war schwierig. Man ließ Dinge, im Alltag, aber vor allem, wenn man sowieso an depressiven Gedanken oder schlimmerem litt wie der Blonde, sehr schnell aus den Augen. Oft begann es mit einem einzigen Tag. Einem Verschieben. Einem Schwur, dass es eine Ausnahme war. Dann wiederholte es sich. Immer wieder. Und irgendwann, da hatte man vergessen. Vergessen, bis man wieder danach griff, es wieder anpackte, es sich wieder zu eigen machte. Und selbst dann war es möglich es am nächsten Tag bereits wieder zu verlieren. Also.. "I'll try my best. And so will you, don't you?" Er lächelte, warm, zart, ehrlich, freundschaftlich. Ein Lächeln und eine Aussage die wahr waren. Etwas, was greifbar und machbar war.
    Cedric änderte seine Position und man sah, wie sich langsam ein kleines Fragezeichen auf des Punks Gesicht abbildete, als er den Kopf ein Stück weit zur Seite neigte und nicht viel mit dem anfangen konnte, was Ced ihm da zu sagen hatte. Ein zweites Fragezeichen erschien und der Kopf neigte sich noch weiter, als er überlegte - er hatte das Gefühl, so wie der Musikstudent Beethoven's Klaviersonate Nummer 14 gesagt hatte, hätte bei ihm etwas klingeln müssen. Er hatte es so gesagt, wie jemand sagen würde, dass man die Zwiebeln vor dem Anbraten schälen sollte. Aber nope. Da klingelte absolut nichts. Weder wusste er, was das fürn Stück war, noch war er sich sicher, ob er jemals etwas von Beethoven gehört hatte. Mozart sagte ihm was. Auch, wenn er jetzt kein Stück benennen könnte. Vielleicht, mit ganz viel Überlegung, da würde ihm ein Titel einfallen.. aber spielen? Und Titel dem passenden Stück zuordnen? Nope. Immerhin war er auch eher mit russischen Stücken aufgewachsen.

    Oh! Als der Ältere dann den Titel nannte und auf seinen neuen Spitznamen andeutete, da begann Kyle so breit und frech zu grinsen, dass seine spitzen Eckzähne (we love Body Modifications in this house) aufblitzten und ein Strahlen machte sich auf seinem blassen Gesicht breit. "Hah! You like it!! You like the name!" Der Kopf, welcher bis eben noch schief geneigt war, richtete sich wieder auf, nur um dann zusammen mit einem Teil seines Oberkörpers zufrieden von einer Seite zur anderen zu wackeln. Die Aufregung darüber dachte er erst gar nicht zu verheimlichen, blieb dann jedoch abrupt in seiner Bewegung halten, als Cedric weiter sprach. Sein Grinsen erlosch, seine Gesichtszüge wurden neutral und dann kniff er die Augenbrauen ein wenig zusammen. "What? No. You're fucking shitting me.", erklärte er und sah seinen Gefährten mit leichtem Misstrauen entgegen, "Wie zum Fick soll er denn komponiert haben, wenn er taub war? Woher soll er gecheckt haben, wie das Stück am Ende klingt?"

    Kyle & Ced // What a nice colour


    Dem Weißhaarigen entkam ein kurzer, leises, amüsierter Schwall Luft, als Cedric ihn ansah und verkündete, dass er das Spielen vermisst hatte. So, wie Kyle ihn erlebt hatte, als seine Finger über die Tasten getanzt hatten, so, wie er sich bewegt, wie er gespielt hatte.. Die Farben, die seine Gefühle, seine Seele wiederspiegelten.. huh. Der Punk fragte sich kurz, ob die Farben wirklich im Raum herumgetanzt, sich wild, aber gleichzeitig auch irgendwie.. beherrscht..? herum gewirbelt hatten. Jetzt, wo er Cedric so ansah, konnte er das gar nicht mehr so Recht sagen. Jetzt, wo sein Gegenüber gerade gar nicht mehr spielte. Es war viel mehr ein Gefühl gewesen, nicht..? Wie hätte er auch dabei Farben sehen sollen, das machte nicht viel Sinn, nicht..? "Then.. we'll just make sure you won't forget how it feels like ever again.", erklärte er genauso leise, wie sein Freund es zuvor gesagt hatte und seine Mundwinkel huschten ein Stück weit nach oben. Man konnte schlecht etwas vermissen, wenn man es niemals wieder losließ, oder? Der Student widmete sich wieder dem Flügel und die nächste Melodie erklang. Huh.. Kyle fragte sich, woher Cedric seine Stücke wohl wählte. Suchte er sie sich gezielt aus, spielte er seine liebsten, waren es Stücke, die er während seines Studiums, seiner Kindheit vielleicht, gelernt hatte? Er schmunzelte ein wenig. Zum einen fand er es schön, wenn Cedric des öfteren vorbei kommen würde, um an seinem Flügel zu spielen, da es für ihn offensichtlich eine wundervolle Aktivität war. Zum anderen, war es wohl genauso ganz angenehm Jemanden darauf spielen zu hören. Ihn nicht selbst zu spielen. Auch, wenn der Amerikaner das in den letzten Jahren sowieso quasi nie gemacht hatte. Vielleicht würde er dem Ganzen ja jetzt doch nochmal eine richtige Chance geben..? Zumindest würde er Cedric auch ein wenig dazu zwingen etwas aktuellere Musik zu spielen, es würde definitiv nicht nur bei klassischer in diesem Haushalt bleiben. Wie sein Freund wohl auf diese Erkenntnis und diese kleine Bedingung reagieren würde? Je länger Cedric spielte, desto mehr neigte sich der Kopf des Halbbluts zur Seite, desto angestrengter lauschte er den Tönen, die irgendwie.. bekannt vorkamen. Kannte er das Lied? Hatte er es selbst einmal gespielt? War es ein berühmtes, welcher jeder Anfänger einmal in seinem Leben erlernt hatte? "Was.. Wie heißt das Stück? Sollte ich das.. irgendwo her kennen?", fragte er schließlich, relativ am Ende, als nicht mehr viele Klänge fehlten, die gespielt werden mussten und richtete den Blick direkt zu dem des Blonden. Nope, es wollte einfach nicht bei ihm klingeln. Vielleicht verwechselte er doch etwas? Genau deshalb präferierte er Musik mit Lyrics - da war das deutlich einfacher.

    Kyle & Ced // Death Upright


    Wahrscheinlich merkte man es mir an, dass ich ein wenig amüsiert darüber war, als Ced den Namen hinterfragte, welchen ich ihm gerade verpasst hatte. Um ehrlich zu sein, da war es aus dem Affekt heraus geschehen. Moonchild. Es wirkte irgendwie passend. Und es stimmte ja auch irgendwie. Ced erinnerte mich an den Mond. Es war schwierig in Worte zu fassen, wieso und wie genau. Ich liebte es meinen Freunden, allgemein den Leuten in meinem Leben Spitznamen zu verpassen. Liebte es, wenn sie spontan aus dem Nichts heraus kamen und trotzdem zu jedem Einzelnen von ihnen individuell so gut passten. Es machte Spaß, wirklich, wirklich Spaß. Das hatte ich eine Weile lang ganz vergessen. Der Mond hatte etwas magisches an sich. Das machte natürlich Sinn, wenn man einmal bedachte, was für eine Bedeutung er in der physischen, aber auch der Welt der Magie hatte. Eine ganze Weile lang hatte ich auch vergessen gehabt, wie sehr ich das magische liebte. Das magische der Magie selbst, das magische der Welt, die unausgesprochene Magie, die in Momenten lag. In der sanften, oft zaghaften und unsicheren Stimme meines besten Freundes, welcher absolut keinen Grund dazu hatte, sich jemals in Frage zu stellen. Die Magie, wenn er lächelte. Die Magie, wenn er etwas lustiges sah, ich einen dummen Kommentar abgab oder wir einfach etwas Hirnverbranntes anstellten. Das Gefühl, welches er in mein Leben gebracht hatte. Die Art und Weise, wie er mir immer und immer wieder einen Sinn zu Leben gegeben hatte. Die Gefühle, die ich für ihn empfand waren ebenfalls unmöglich in Worte zu fassen. Die Welt war ein Ort voller Magie und als Cedric aufstand und nach meiner Hand griff, mich leicht, aber überraschend zielstrebig vom Stuhl hob, diese Hand dann wieder losließ und davon erzählte, wie lange er nicht mehr gespielt hatte, wie lange er die Uni bereits gemieden hatte, während er zu meinem Flügel schritt; dann jedoch damit fortfuhr, sich vor diesen zu setzen und nach einem kurzen Augenblick zu spielen begann... Ah. Man merkte sofort, dass er die Musik liebte. Es kam mir ein wenig so vor, als wäre gerade ein kleines, aber unglaublich wichtiges Stück seiner Seele zurückgekehrt. Ich weiß nicht, wie ich auf diesen Gedanken kam, aber er erschien mir einfach.. richtig. Es fühlte sich einfach so an, als ob. Ich lauschte still der Musik, die seine über die Tasten tanzenden Finger produzierten, mit der Welt, aber vor allem gerade mit mir teilten. Ich wunderte mich, ob der Flügel schon immer so unglaublich schön geklungen hatte. Ob er schon immer diesen Hauch von.. Leichtigkeit, all diese komplexen Emotionen und diese Tiefe in sich gehabt hatte. Oder ob es bloß an meinen neu gewonnen Freund lag, der es schaffte, dieses Instrument mit seiner Essenz zu füllen und den Raum, in welchem wir uns befanden, mit unzähligen, bunten Lichtern zu tauchen. Die Lichter, man konnte sie nicht sehen, aber es fühlte sich so an als ob. Ich fragte mich auch, ob es für den Mann am Flügel ähnlich geklungen hatte, als ich am Tag zuvor gespielt hatte. Hatte mein zunächst ungeschicktes Tastenspiel ebenso eine Tiefe, eine Vielfalt an Farbe gehabt? Die Kraft, die Magie, die Welt, welche doch voll soviel Farbe war, in noch mehr von ihnen zu tauchen, neue zu erfinden, zu kreieren. Hatte der Flügel schon immer so schön geklungen, auch damals, als er in meinem Elternhaus stand? Oder war er damals nur in der Traurigkeit, dem Kummer jener versunken, die die Hände an ihn gelegt hatten? Hatte Ced dem Flügel neues Leben eingehaucht oder war es das andere Haus gewesen, welches ihn in ein trübes Licht, einen leeren Abgrund getrieben hatte? Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich mitten im Raum stehen geblieben war, gefesselt von dem Anblick des Musikstudenten, welcher am Flügel saß und spielte. Der Anblick machte mich glücklich. Irgendwie. Nein, offensichtlich. Wenn man ihn so sah, war es kaum vorzustellen, dass er seit langer Zeit nicht mehr gespielt hatte. Dass er fast, ja fast gar nicht hier sitzen würde. Beinahe wären die Farben erloschen, erstickt und vernichtet, aus Gründen, welche keinen Sinn zu ergeben schienen. Der Raum wäre leer, farblos, kalt und still geblieben. Wäre am nächsten Tag wahrscheinlich mit dem Gelächter von Luke und mir erfüllt worden, nichtsahnend dessen, was hätte sein können. Nichtsahnend darüber, welche Farben fehlten. Ich ging ein paar Schritte näher an Ced ran, blieb nicht weit von ihm entfernt, ja direkt neben ihm stehen.
    Moonchild war ein passender Name für ihn gewesen. Seine Musik hatte mich, genauso wie der Anblick des Mondes, in den Bann gezogen. In dem Moment hing eine solche Symbolik, dass es nicht möglich war sie in Worte zu fassen. Mir fiel es anscheinend bei vielen Dingen schwer, sie irgendwie in eine Hülle zu packen. Sie hingen lose im Raum herum, die Worte und ich bemühte mich ihnen eine Form, einen Sinn zu geben. Aber es war manchmal einfach unmöglich ein Gefühl zu fesseln, es war wild und gab sich nicht einfach kampflos geschlagen, wollte frei sein, wollte gelebt werden. Ich merkte nicht, dass mir wieder ein paar Tränen gekommen waren.
    Aber es machte Sinn, nicht? Alles, irgendwie? Wenn man bedachte, dass ich ohne Luke niemals hier gewesen wäre. Dass ich ohne meinen besten Freund niemals wieder zurückgefunden hätte. Dass er für mich da gewesen war, seine eigenen Ängst ignoriert hatte, nur um mir bei den meinen zu helfen. Es war irgendwie lustig, dass er für mich wie die Sonne war. Quasi das komplette Gegenteil von Ced. Und trotzdem konnte ich nicht anders, als gerade an beide zu denken. Ced lebte. Irgendwie. Ich verstand nicht, wie ich das geschafft hatte. Ihm zu helfen. Wahrscheinlich hatte ich auch das meinem besten Freund zu verdanken. Dass er mich gefunden hatte, damals - wenn auch wahrscheinlich auf die dämlichste Art und Weise. Dass er mich wiedergefunden hatte, als ich kurz davor war, aus seinen Händen zu gleiten. Vermutlich hatte er den Grundstein gelegt. Mir wieder Vertrauen, den Glauben daran, dass es funktionieren könnte, geschenkt. Einen Grund weiterzumachen. Mich glauben lassen, dass ich es hinkriegen könnte, meine Geschichte, meine Vergangenheit.. zu verändern. Natürlich hatte ich ihm geglaubt. Aber jetzt.. schien ich mit einem Mal auch irgendwie einen richtigen, einen endgültigen Beweis zu haben. Dass es Sinn machte. Dass alles... okay war, so wie es gelaufen war. Die Dinge. Die schlechten. Die furchtbaren. Die grauenhaften. Die guten. Die fragwürdigen. Ich war nicht wütend, gerade, auf die Dinge, die passiert waren. Ich hätte es wahrscheinlich sein müssen und an einem anderen Tag, da würde ich das auch wahrscheinlich sein. Aber gerade.. da hatten sie zu eben jenem Moment geführt. Mich erst in Lukes Arme und dann irgendwann, ganz viel später, auf dieses verlassene, noch nicht einmal komplett erbaute Dach. Wen interessierten schon die schlechten Dinge, wenn ich dafür meinen besten Freund bekommen hatte? Wen interessierten schon die schlechten Dinge, wenn ich ohne sie vielleicht nicht am richtigen Ort, zur richtigen Zeit gewesen wäre? Wen ohne sie.. keine Farben den Raum erhellen würden. Vielleicht war die Musik des Flügels schon immer schön gewesen. Ich wusste es nicht. Vielleicht war sie aber auch früher grauenhaft, bitter und kalt gewesen. Ich wusste es nicht. Aber gerade.. da war die Welt ein magischer Ort und die Musik war schön. Unglaublich schön.
    Und ich glaubte irgendwie wieder, dass alles letztendlich einen Sinn ergab. Und auch ein wenig mehr an mich selbst. Ich hatte eine lange Zeit lang geglaubt, dass ich es irgendwie immer wieder schaffte, die Menschen um mich herum in den Tod zu treiben. Aber vielleicht.. womöglich.. nein, ganz sicher.. konnte es auch anders sein. Ich konnte etwas ändern. Konnte vielleicht dafür sorgen, dass die Musik des Flügels weiterhin den Raum in Farben tauchte anstatt die Welt in troste, graue Wellen versinken zu lassen. Die Welt konnte ein magischer Ort sein, wenn man sie ließ. Und gerade, da war alles irgendwie.. okay.
    "You don't like the name?", fragte ich ein wenig schmunzelnd bei meinem Freund nach, als die letzten Tastentöne verstummten und noch bevor ich überhaupt erst daran dachte, ihm zu erklären, woher diese Idee gekommen war, "I do think it fits u a lot." Eine kleine Pause. "Ich glaube, der Flügel hat noch nie so schön geklungen, wie gerade eben."

    Kyle & Ced // Papierkram und so


    Der Weißhaarige war sich nicht ganz sicher, was die Interpretation mancher Gestern anging. Cedric nickte auf seine Worte hin, tat dies langsam und bedacht. Dieser Teil war eigentlich verständlich. Eine wortlose Zustimmung, ein wortloses schenken von Vertrauen. Dann griff der Blonde kurz nach Kyles einer Hand, die zusammen mit der anderen auf jeweils einem von Cedrics Knien verharrte und drückte sie genauso kurz, aber fest. Da wiederum war der Amerikaner sich unsicher. Aber er nahm an, dass es etwas Positives war. Es ärgerte ihn ein wenig, dass er die Interpretation erraten musste, aber eigentlich war das wohl auch okay. Es war neu und etwas verwirrend positive Interaktionen mit Menschen zu haben. Auf positive Art und Weise körperlich in Kontakt zu treten. Gute.. Erfahrungen mit Menschen zu haben? Da machte es Sinn, dass es zuerst ein kleines Ratespiel darstellte. Menschen, die in seinem Alter schon wussten, was diese bedeuteten, hatten es zu irgendeinem Zeitpunkt ja auch nicht gewusst. Er hinkte bloß ein wenig hinterher und irgendwann würde es schon mehr Sinn machen, auf Anhieb interpretierbar sein. Er hätte ja nachgefragt, aber es erschien ihm gerade nicht der Moment, da es wichtigere Dinge gab. Und die Berührung etwas Positives war, stand im Endeffekt ja fest - also reichte das. Der Rest war unwichtig. Als der Ältere dann sagte, dass seine Vorschläge gut klangen zogen sich Kyles Mundwinkel nach oben. Gut. Keine Ahnung, womit sie dann anfangen sollten, da der Blonde das nicht spezifiziert hatte - aber irgendetwas davon konnten sie dann ja machen. Das würde schon irgendwie funktionieren.

    Dann sprach Ced jedoch weiter und das Halbblut stützte sich ein wenig fester auf den Knien des Jungen ab, damit er genug Halt hatte um sich aufzurichten und löste seinen Griff dann. Während des Aufstehens entkam ihm ein langes, tiefes Seufzen und ein unzufriedenes Schmollen machte sich auf seinen Lippen breit. Dann schnippte er einmal leicht, sodass es kaum spürbar war, mit den Fingerspitzen gegen Cedrics Stirn und ging ein paar Schritte zur Küchentheke, um dort ein paar Stücke Küchenrolle abzureißen. Hey, andere Leute hatten früher weitaus aggressivere Reaktionen bekommen, da konnte er sich darüber sicher nicht beschweren. "Silly Moonchild. Ich hab' nicht wegen dir, ich hab' mit dir geweint. Wegen sowas brauche ich keine fucking Entschuldigung zu hören.", erklärte er dann, drehte sich wieder zu Cedric um, hob dann mahnend einen Zeigenfinger, da er vermutete, dass dieser sich nun für die Entschuldigung entschuldigen würde und er ihn damit davon abhalten wollte. Er ging ein paar Schritte zurück und setzte wieder ein kleines Schmunzeln auf als er Cedric die Küchenrollenblätter reichte: "Here you go.", sagte er und legte kurz sanft seine Hand auf Cedrics Kopf ab, um sie sogleich wieder wegzuziehen und es sich gegenüber von ihm auf dem Stuhl bequem zu machen. "Wenn du dich bereit fühlst, dann können wir ja noch zu dem Plan mit dem Flügel übergehen, den du eben erwähnt hattest.. auch, wenn ich mir nicht ganz sicher bin, what the hell du vor hast. Aber jetzt hast du mich neugierig gemacht."
    Auch, wenn er eigentlich nicht sonderlich Lust hatte selbst zu spielen. Hatte Ced nicht gesagt dass sie sich beide davor setzten sollten..? Wollte er ein Duett spielen? Ah, es würde schon halb so schlimm sein, falls das tatsächlich der Fall sein sollte. Vielleicht würde es ihm nach einer Weile ja auch wieder Spaß machen zu spielen, wer wusste das schon. Wenn es Ced glücklich machen würde, dann reichte das als Grund aus.


    Kyle & Ced // Fairly Local


    Es.. war irgendwie beeindruckend, was solch einfache Aktionen, wie eine Umarmung, alles ausdrücken konnten. Es dauerte einen kurzen Augenblick, bis Ced reagierte - auf die Umarmung des Amerikaners. Aber als er es tat, da schlang er seine Hände fest an ihn, klammerte sie an den Jüngeren, fast so, als könne er sich ansonsten jeden Augenblick in Luft auflösen. Eine Umarmung war etwas so alltägliches - eine Begrüßung. Und doch konnte sie doch so viel mehr sein. War gerade soviel mehr. Er hatte Cedric selbst eng an sich gezogen, dass dieser diese Enge, diese Intensität erwiderte.. zeigte, wie sehr, wie sehr sehr sehr der Blonde diese nötig gehabt hatte. Zeigte einen unausgesprochenen Schmerz, eine unausgesprochene Dringlichkeit - und eine merkwürdige Nähe zwischen den Beiden, die aus dem Moment heraus entstanden war. Nicht merkwürdig per se, es waren bloß die Umstände, die so abstrus waren. Es wäre gelogen gewesen, hätte der Russe behauptet, er hatte diese Umarmung nicht selbst nötig gehabt. Zum einen, nach der Situation, durch welche die beiden Idioten am vergangenen Tag gegangen waren. Zum anderen.. hatte es eine tiefe Bedeutung für ihn. Dass Jemand, der ihn erst vor Kurzem kennengelernt hatte, so reagierte.. Ah. Es war ein schöner Kontrast zu allem, was der Weißhaarige bisher erlebt hatte. Natürlich hatte es auch Umarmungen zwischen ihm und Yuri oder ihm und Luke gegeben.. aber mit Ced war es nochmal etwas Anderes. Es zeigte, dass die Person, zu der Kyle inzwischen geworden war, die er gerade darstellte.. wohl gar nicht so übel war. Cedric Finger gruben sich tief in Kyles Pullover. Die grauen Augen des Jungen wurden schmaler und auf seinem Gesicht bildete sich die Sorge und ein Hauch Schmerz ab - er war nicht physisch, er galt Ceds Reaktion. Die Verzweiflung war zu spüren, noch bevor er sie aussprach. Und es tat Kyle weh, dies zu spüren. Cedric bedankte sich bei ihm. Und Kyle entkam kurz ein belustigter Schwall Luft und hätte er den Spielraum dafür gehabt, dann hätte er wahrscheinlich ungläubig den Kopf geschüttelt. Nicht, weil ein Dank absolut unangebracht war oder es diesen nicht akzeptierte. Sondern einfach.. weil Cedric ein Idiot war. Er hatte den Blick gesehen, denn dieser aufgesetzt hatte, als er ihm erzählt hatte, dass er ihm schon sehr geholfen hatte. Wie konnte er so irritiert darüber sein, wenn es doch so mitten im Raum stand? Ah, vielleicht tat es das auch gar nicht. Der Blonde hatte wahrscheinlich keine Ahnung, wie bedeutsam dieses kleine Danke war. Wie bedeutsam diese Umarmung war. Wie.. unglaublich froh Kyle war, dass er endlich einmal nicht zu spät gewesen war. Dass er die Routine, in welcher er solange gefangen war hatte brechen können. Dass all die Arbeit, welche er im letzten Jahr hinter sich gebracht hatte nicht umsonst gewesen war. Dass er.. doch nicht evil to the core war. Dass es anders ging. Dass er selbst entscheiden konnte. Dass nicht alles verloren war. Er hatte Cedric nicht verloren, nicht? Er würde auch sonst Nichts mehr verlieren. Er hatte schon vorher die Vermutung gehabt, dass er Dinge vielleicht ändern konnte.. aber den Musikstudenten nun hier zu haben, in seinen Armen, lebendig.. das war die Bestätigung die er schlussendlich gebraucht hatte.
    Der Punk bemerkte an der Stimmlage des Mannes das er zu weinen begonnen hatte, noch ehe dieser es Selbst merkte. Er wusste genau, wie er sich fühlen musste. Verstand nur zu gut, wieso er weinte. Wieso die Worte aus ihm heraus sprudelten, wie hilflos, wie verloren er sich fühlte. Er kannte nicht die Gründe, aber das machte nichts. Hellgraue Augen wurden glasig und eine Umarmung löste sich. Blaue Augen wandten den Blick ab, Tränen wurden weggewischt und ein Schluchzen ertönte. Wieder wurden sie weggewischt, doch sie schienen einfach nicht aufhören zu wollen.
    Kurz verspürte Kyle so etwas wie Angst. Angst davor, das Falsche zu tun. Es schlimmer zu machen. Nicht die passende Antwort parat zu haben. Er verstand so gut, was Cedric gerade durchmachte, was denselben Weg bereits mehrfach gegangen, über diesen gestolpert, gestürzt, hatte sich wieder aufgerichtet und war dann doch wieder das ein oder andere Mal gefallen. Und trotzdem.. hatte er keine Ahnung, was die richtige Antwort war. Was genau er Cedric nun antworten sollte. Was genau er machen sollte. Und das machte ihm Angst. Aber.. dann realisierte er schnell, dass das absolut dämlich war. Es spielte keine Rolle. Es gab keine richtige, perfekte Antwort. Das war Schwachsinn. Er war hier, mit Cedric. Hatte ihn an einen sicheren Ort gebracht und würde ihn nicht allein lassen. Würde ihn im Auge behalten, würde alles versuchen, was ging.. Würde es einfach versuchen. Das war alles, was man machen konnte. Und oft.. oft reichte das auch schon.

    Der Punk ging vor Cedric in die Hocke und platzierte vorsichtig seine Hände auf dessen Knie. Blickte hoch, da das Gesicht des Jungen nun ein Stück weit höher lag als seines. "Hey, Ced. Listen to me.", begann er, die Stimme sanft und zaghaft, fast so, als könnte sie etwas zum Zerbrechen bringen, wäre sie zu stark, "First of all: Du bist kein schlechter Freund. Ich meinte das ernst, als ich sagte, dass du mir auch schon geholfen hast. Und das, obwohl wir uns erst so kurz kennen." Er setzte ein kleines Lächeln auf: "Und.. ich glaube nicht, dass das so stimmt. Dass du all deine bisherigen Freunde vertrieben hast. Ich hatte in dem Moment genau dasselbe gedacht. Dass ich alles abgefuckt hatte. Dass ich meinen besten Freund belogen, vertrieben und für immer verloren hatte. Aber Freunde verzeihen einem viel mehr, als man denkt. Wir haben geredet. Und wieder zueinander gefunden. Es ist nur verdammt wichtig, dass du deinen Freunden erklärst was los ist. Nicht sofort. Nicht unbedingt bald. Wenn du bereit bist. Es kann sein, dass nicht alle es verstehen werden. Dass du wirklich ein paar von ihnen verloren hast. Aber mit Sicherheit nicht alle. Aber Freunde können nur das verstehen, was man ihnen auch sagt, weißt du..?" Ah. Er spürte, wie auch ihm ein paar warme, feuchte Tränen die Wangen entlang fuhren. Ja, das machte Sinn. Es brauchte nicht viel, um ihn emotional zu machen, wenn Jemand offensichtlich litt. Es traf ihn noch mehr, wenn er diese Person kannte. Ob das ein Problem war..? Ah, fuck it. Natürlich war das keins. Es war dumm, sich über alles Gedanken zu machen. Sich wegen jedem Scheiß anzuzweifeln. Kyle stieß einen kleinen Schwall Luft aus.
    "Und wenn du Hilfe brauchst.. dann können wir uns darum kümmern. Du kannst zum einen solange hier bleiben, wie du willst. Und jederzeit wieder zurückkommen - deshalb ja der Schlüssel. Und wenn du magst.. dann können wir auch schauen, ob wir einen Therapeuten für dich finden? Oder eine andere Art von Hilfe? Es gibt viele Möglichkeiten. Und sie müssen ja nicht direkt passen. Wenn.. sie's nicht tun, dann schauen wir einfach weiter, hörst du? Wenn du Hilfe brauchst, dann finden wir raus, was für eine Art Hilfe du brauchst. Ich lass dich damit nicht allein. Und deine anderen Freunde werden dich sicher auch gern unterstützen. Das kriegst du schon hin, Ced. I promise." War es gewagt da ein Versprechen zu geben? Möglich. Es war nichts, was Kyle garantieren konnte. Depressionen oder Dinge jener Art waren.. kompliziert. Es bestand immer die Möglichkeit, dass man sich am Ende doch noch das Leben nahm. Vor allem jetzt, am Anfang, da gab es keine Garantie. Aber Kyle glaubte an den Blonden. Und Gott, war das nicht noch mit eins der besten Versprechen, die man Jemandem machen konnte? Würde es Ced vielleicht unter Druck setzen? Oder war es.. wichtig. Er schien Kyle gerade doch sehr zu vertrauen, nicht? Vielleicht war es diese Selbstverständlichkeit, mit welcher Kyle es sagte, die sein gegenüber gerade brauchte. Um selbst daran zu glauben, dass er das konnte. Zu sehen, dass Jemand an ihn glaubte. Selbst, wenn Kyles Versprechen irgendwann gebrochen werden würde.. so hatte er es doch versucht, nicht..?

    Kyle & Ced // Irgendwie doch nah


    Es war irgendwie ironisch. Zum einen, in solch einem ungünstigen Moment abzudriften, wo es doch so gänzlich unpassend war. Zum anderen.. war die ganze Situation hier ironisch. Dass Cedric sich hatte umbringen wollen; dass Kyle aufgrund dessen, dass er den Kerl meiden wollte, der ihn damals vor einem Fehler bewahrt hatte, überhaupt erst die Richtung geändert und den Blonden zuvor erblickt und ihn davon abgehalten hatte. Dass.. Cedric überhaupt noch hier war. Er erinnerte sich daran, wie der Ältere ihm, nach ihrem ersten und vorher einzigen Treffen, out of nowhere eine Nachricht geschrieben hatte, in welcher er aus irgendeinem Grund gesagt hatte, dass Kyle ihn umgebracht hatte. Was.. es eigentlich echt beschissen gemacht hätte, hätte der Student es tatsächlich geschafft und hätte der Punk ihn erst viel zu spät gefunden. Diese Nachricht damals.. war ähnlich wie die kurze Erinnerung gewesen. Auch, wenn den kurzen Flashback als Erinnerung zu bezeichnen so nicht ganz richtig war. Es war Fakt, dass die Leute um Kyle herum starben. Sie taten es ständig. Immer. Es gab keine Ausnahmen. Also machte es auch Sinn, dass seine Mutter gestorben war. Sein Vater. Das Erstere sich umgebracht hatte passte ebenso köstlich ins Bild. Cedrics Nachricht damals hatte den Russen überrumpelt, geschockt, verängstigt - aber wirklich überrascht? Eigentlich hätte er so einen Ausgang doch quasi erwarten müssen. Allein deshalb, weil der Blonde ihn kennengelernt hatte, machte es Sinn, dass er sterben musste. Zu behaupten, Kyle hätte ihn umgebracht - das wäre einfach nur die logische, offensichtliche Erklärung gewesen. Etwas, was offen im Raum stand und nun endlich ausgeschrieben wurde. Der Punk war fast schon verwirrt gewesen, dass er Dirk überhaupt Gestern erblickt hatte. Also - lebendig. Er hatte vorher gar nicht gewusst gehabt, wie es um diesen stand. Und auch, dass Luke noch lebte..
    Als das Halbblut seinen Namen hörte, huschten seine Pupillen hoch, blickten in die Richtung des Mannes, welcher sich wieder gesetzt hatte und nun ihm gegenüber war. Ansonsten verharrte der Jüngere erst einmal in seiner Position, zu sehr ahnte er, dass eine unüberlegte Bewegung seinerseits gerade kontraproduktiv sein würde. Nach all dieser Zeit.. war es auf eine nicht greifbare Weise noch immer irgendwie komisch seinen Namen zu hören. Kyle. Nicht auf eine schlechte Art. Es war nur merkwürdig, weil es im Endeffekt doch gar nicht sein echter Name war. Ein ausgesuchter, erfundener. Dennoch schaffte dieser es ihn ein wenig zurück ins Hier und Jetzt zu ziehen. War es vielleicht inzwischen trotz Allem sein richtiger, echter Name geworden?
    Und auch Ced.. war nicht tot. War überaus lebendig, sogar. Gut, das war jetzt womöglich etwas zuviel des Enthusiasmus gewesen - aber der Grundgedanke blieb. Er war nicht gestorben. Hatte überlebt. Es stimmte zwar, dass es viele Menschen gegeben hatte, die um Kyle herum gestorben waren, aber.. Luke lebte. Dirk lebte. Und Cedric.. ging es offensichtlich auch gut. Er hatte ihn also nicht umgebracht. Nein, wenn man es genau sah.. ganz im Gegenteil. Er.. er hatte ihm doch das Leben gerettet, oder? Er? Kyle?

    Jemandem das Leben zu retten.. einmal nicht verdammt nochmal zu spät gewesen zu sein. Eigentlich.. war das doch das perfekte Beispiel dafür, dass es auch anders ging, nicht? Dass die Vergangenheit und.. andere.. Dinge, nicht unbedingt eine Rolle spielten. Selbst, wenn sie einen ein oder zweimal einholten. Das.. hatte die Vergangenheit und die Dinge nun einmal so an sich. Sie waren miese Gegner. Aber der Amerikaner war schon immer ein mieser Verlierer gewesen und das würde sich jetzt auch nicht ändern. Vielleicht konnte man das Konzept von 'Kyle' ja doch noch ändern.. nicht von jetzt auf gleich, aber hatte er nicht genau darauf das letzte Jahr über abgezielt? Er konnte sich die Zweifel darüber nicht verkneifen, aber..-
    Als Cedric dann wieder das Wort ergriff, da war die Verzweiflung in seinem Tonfall kaum zu überhören, selbst dann, wenn man noch nicht ganz bei sich war. Wieso klang er so verzweifelt? Seinetwegen? Kyle schloss einen Moment lang die Augen und holte tief Luft. Atmete sie wieder aus. Wiederholte den Prozess. Ließ die Hand, die sich vor seinen Mund positioniert hatte, wieder sinken. "It's.. complicated.", entkam es ihm nach einer Pause und er öffnete die Augen wieder, sah in die blauen Iriden seines Gegenübers, schien aber schon ein ganzes Stück ruhiger geworden zu sein. Er hatte eine schwierige Frage gestellt. Und er machte sich.. Sorgen um Kyle. Wirklich, wirklich Sorgen. Das gefiel ihm nicht. Er wollte nicht, dass Cedric sich Sorgen um ihn machte. Dass er.. so klang, wie er es gerade tat. Aber andererseits.. war es auch.. ganz angenehm? Es war ungewöhnlich, dass sich Jemand um ihn sorgte. Nein, das stimmte so nicht. Die Leute in dieser Stadt, die er bisher kennengelernt hatte und auch sein bester Freund, wahrscheinlich mit großem Abstand, hatten.. sich wahrscheinlich auch schon bei Begegnungen mit ihm gesorgt. Vielleicht war es ihm vorher nur nie so richtig aufgefallen. Weil es ihm eben nicht.. bekannt gewesen war. Wie gesagt - complicated. Genau deshalb hatten wir spezifische Gedankengänge ja gemieden - es war alles so verworren, dass dafür einfach noch nicht die Zeit gekommen war. Weil es Dinge einfach noch mehr verkomplizierte - so wie gerade.
    Im Endeffekt kannte Cedric ja auch nur den Kyle, welchen er gerade jetzt vor sich sah. Und er sorgte sich um ihn. Wow, hatte er sich da wirklich aus Versehen einen Freund durchs Hacken verschafft?
    "But.. I'm alright. You've actually helped me plenty already.", erklärte er dann ruhig und auf seine Mundwinkel rutschten ein Stück weit nach Oben. Gut möglich, dass das mal wieder wenig Sinn für Ced ergab, aber.. Kyle setzte sich in Bewegung, stand von seinem Stuhl auf und überwand die ein, zwei Schritte, die ihn von dem Blonden trennten. Wenn er so Recht drüber nachdachte.. dann konnte sein Gehirn doch in etwa zusammenreimen, was Gesagt worden war. Also beugte er sich zu dem Älteren rüber und legte die Arme um ihn herum, trennte ihn dabei auch ein wenig von der Umarmung, in welcher der Stuhl ihn gepackt hatte, da er stattdessen nun in eine von ihm hinein geriet. Es war auch merkwürdig, dass Jemand eine.. Umarmung von ihm anfragte. Entweder, weil es Niemanden gab, von dem er es erwartete, oder aber die Leute, wie Luke zum Beispiel, keine Freunde von Körperkontakt waren. Aber.. vielleicht hatte er auch in dieser Vermutung zuviel hineininterpretiert. Vielleicht stimmte auch das gar nicht? War einfach zu oft die Angst mitgeschwungen, dass so etwas vollkommen unangebracht war? Fehl am Platz? Auf jeden Fall war er wirklich froh, dass es Ced einigermaßen gut ging. Und froh, dass er gerade an einem sicheren Ort war. Und sein Angebot mit dem Wohnungsschlüssel angenommen hatte. Er würde ihn natürlich trotzdem noch sehr oft mit Nachrichten oder aber gelegentlichen Anrufen bombardieren, um sicher zu gehen, dass es ihm auch außerhalb dieser vier Wände gut ging.. Aber gerade da drückte er ihn einfach nur kurz fest an sich. Vielleicht auch etwas länger als kurz, je nachdem wie der Blonde es sah. So eine Umarmung konnte auch von beiden Seiten von Nöten sein. "Thanks, Ced."

    Kyle & Ced & sich wohl doch ganz wie zu Hause fühlen, I guess?


    Offensichtlich hatte der Punk noch immer ein paar Probleme damit, wenn es darum ging Dinge offen und ehrlich anzusprechen. Nicht, dass er es inzwischen nicht bereits tun würde - er machte es sogar sehr oft!! Aber Leuten in die Augen zu sehen, wenn er es tat? Oder sich nicht ein wenig bis sogar sehr unwohl dabei zu fühlen? Uff, das bekam er ja selbst gegenüber Luke kaum hin. Mit seinem besten Freund funktionierte es seit ihrer Versöhnung und all jenem, was sie sich seither erarbeitet hatten sogar ganz gut, aber.. man, er schaffte es trotzdem nicht sich ein wenig abzulenken und mit diesem verdammten leeren Teller herumzuspielen. Wieso war das auch so verfickt schwierig?! Fehlte ihm das Selbstbewusstsein? Theoretisch hatte er ja viel davon, aber.. gleichzeitig wohl auch nicht? Immerhin war er schon irgendwie.. eine ganz andere Person, als vor einem Jahr noch. Oder sogar noch früher als das. Naja, wenn wir noch viel früher gingen, dann wäre es fast schon perfide gewesen, diese Aussage zu verneinen. Also lag es einfach daran, dass gewisse Aussagen zur eigenen Person und seiner Gefühlswelt ihn.. verwirrten? Verunsicherten? Was, wenn Cedric ihn für seine Worte verurteilen würde? Hieß das, dass der Russe ein schlechter Mensch war? Wahrscheinlich war es diese Gefahr, diese plötzliche Abstoßung, die er fürchtete. Wieso? War es ihm nicht egal, was Leute von ihm dachten? Nicht, wenn ihm etwas an eben jenen Leuten lag. Er sie gut leiden konnte. Ahh, das musste er noch üben. Aber er hatte ja gerade auch erst damit angefangen, nicht?
    Kyle horchte auf, als Cedric auf seine vorhin getroffene Aussage antwortete. Dass er es nicht schlimm fand, das zeigte direkt wieder, dass das Halbblut unnötigerweise nervös gewesen war. Was wäre schon das Schlimmste gewesen, wie er hätte reagieren können? Seine nächste Aussage jedoch.. Der Wert liegt ja in der Erinnerung und nicht in der Sache, oder?

    Huh. Wie war das zu verstehen? Hatte er gerade nicht gesagt, dass der Sentimentale Wert des Flügels wahrscheinlich bei 0 für ihn lag..? Was meinte Ced also mit Erinnerung? Dass es egal war, wie wertvoll der Flügel für ihn war oder nicht war, da es mehr um die Erinnerung an die Person ging, dessen Besitzer er zuvor gewesen war? Der Flügel, der ein Teil seines Erbes war.. ein Besitztum seiner verstorbenen Eltern. Der Wert des Flügels lag in den Erinnerungen daran..
    Das Bild einer Frau, die vor dem Flügel saß, umgeben von einzelnen Kerzen, es war dunkel. Herbst? Abend? Morgen? Kyle war sich nicht sicher. Es war einfach nur.. verdammt dunkel. Dunkel und kalt. Die Frau spielte eine Melodie, welche er nicht zuordnen konnte. Und sie.. weinte?

    And the women, oh, the women, all they do is cry

    Urgh. Konnte sie nicht endlich einmal aufhören zu weinen? Was hatte sie überhaupt für einen Grund zu weinen? Weshalb tat sie es so oft? Sie hatte kein Recht-..

    Das Bild verschwamm und die Frau verschwand. Von der Decke tropften Tränen zu Boden. Warte, nein. Das machte keinen Sinn. Oh. Sie war gar nicht verschwunden. Sie hatte sich bloß ein wenig höher bewegt. Sie hing nun von der Decke, der Hals wurde von einem Seil verziert, welches zu gut dazu passte. Gott. Und sie weinte noch immer. Selbst als sie tot war konnte die nicht aufhören verdammt nochmal zu weinen. Wie lange sie da wohl schon hing..? Und wie lang weinte sie eigentlich schon?

    Konnte irgendjemand bitte dafür sorgen, dass sie endlich aufhörte zu weinen? Es was unerträglich und-

    "Huh..?", meldete sich Kyle perplex zu Wort, als er Cedric Stimme vernahm. Der Blick des Amerikaners war abgedriftet, er schien zunächst einen Augenblick lang gar nicht mehr im Raum anwesend. Die Stimme seines Gegenübers brachte ihn zurück in die Gegenwart, doch er schien noch immer nicht ganz darin angekommen zu sein. Wirkte aufgewühlt. Irritiert warf der Weißhaarige einen Blick zu Ced, welcher nun vor der Spülmaschine stand und.. diese eingeräumt hatte? Warte, was? Fuck. Er hatte nicht über gewisse Themen nachdenken wollen. Und jetzt hatte er in einem deutlich ungünstigen Moment einen Flashback gehabt - perfekt.

    "Uhm.. sorry, ich-" Ja. Er was? Da war er sich doch auch nicht sicher.

    "Can.. you give me a second, please?", bat er mit wackliger Stimme, die Hand, welche zuvor noch mit dem leeren Teller - warte, da war ja gar keiner mehr. Hatte Ced den auch mitgenommen? - herumgespielt hatte, war an seinen Mund gewandert und hatte sich davor zu einer lockeren Faust geballt. Sein Blick hatte sich stur auf den Tisch vor ihm geheftet. Ihm war mit einem Mal übel geworden. Shit. Was hatte Ced gerade gesagt? Fuck. Er hatte keine Zeit, um sich schlecht zu fühlen. Er konnte den Blonden doch nicht einfach ignorieren. Aber.. er musste sich auch erstmal kurz wieder zusammenreißen. Fuck. Sollte er einfach tief Luft holen oder würde ihm davon nur noch schlechter werden?

    Kyle & Ced & Good Communication


    Ahhhh. Er hatte sich offensichtlich blöd ausgedrückt. Das wurde dem Amerikaner schnell klar, als Ced zu sprechen begann, ein wenig hilflos die Worte herausbekam und dann genauso hilflos mit den Schultern zuckte. "No, no, no, no - noooo!!", entkam es ihm hastig, als er realisierte, dass der Ältere von Beiden damit begann zurückzurudern - verdammt, der Typ war gerade mal zwei Sekunden excited gewesen und hatte sich getraut was Spezifisches anzufordern - das wollte er jetzt nicht sofort wieder ruinieren!
    "It's fine. Honestly. Tu dir keinen Zwang an. Ich.. bin mir auch eigentlich recht sicher, dass der sentimentale Wert, von dem ich eben gesprochen hab, so ziemlich.. bei null liegen wird.", erklärte er dann und legte den Kopf ein wenig schief, wand den Blick zu Cedric, nachdem er ihn kurz zuvor, für ein paar Augenblicke zumindest, gemieden hatte. "Ich.. wollte das nur nicht direkt so ausdrücken. Klingt irgendwie ziemlich scheiße, wenn man das so sagt." Seine Mundwinkel hatten sich zum Ansatz eines schiefen Grinsens verzogen und seine Finger spielten ein wenig mit dem nun leeren Teller vor sich herum. Ja, das stimmte so eigentlich. Er hatte nicht viel oder gar nicht über das Erbe seiner Eltern nachgedacht und er würde den Flügel auf jeden Fall behalten - ich meine, immerhin ging es hier um einen verdammten Flügel. Und er konnte ihn ja auch spielen und liebte Musik. Aber ob er ihn gerade deshalb behielt, weil er seiner Mutter gehört hatte..? Oder ihn deshalb ehrte? Nunja.. nein. Würde es ihn überhaupt wirklich stören, falls etwas daran kaputt gehen, er zerkratzen oder Ähnliches würde? Möglich, aber dann wohl nur des Flügels Willen. Und meistens würde es man ja relativ einfach korrigieren können - nunja, zumindest, wenn man Geld besaß. Und davon hatte Kyle eigentlich noch so ziemlich genug. Wenn es jedoch um tote Menschen ging.. waren die meisten lebendigen ein wenig komisch. Zumindest der Meinung des Weißhaarigen nach. Für viele Angehörigen oder aber auch Menschen, die nicht zu dem näheren Personenkreis gehörten, waren Andenken an Verstorbene quasi... heilig? Unglaublich wertvoll. Ein Muss, quasi. Um den Verstorbenen zu gedenken. Aber so richtig.. konnte das Halbblut damit nichts anfangen. Er verspürte weder den Drang, gewisse Dinge zu behalten, noch gab' es da groß eine Verbindung zu, die er empfand. Eigentlich war es fast unnötig gewesen gegenüber Ced überhaupt erst zu erwähnen, dass der Flügel seiner Mutter gehörte und auch Teil seines Erbes war. Vielleicht war es einfach Gewohnheit oder ein Hauch unterschwelliger sozialer Erwartung gewesen, der ihn dazu gebracht hatte, so zu agieren. Irgendwie.. hatte es sich bisher fast gezwungen angefühlt, wenn man über den Flügel sprach, auch gleich dessen Hintergrund zu erwähnen. Wahrscheinlich würde er das von nun an unterlassen. Eigentlich war es ja Schwachsinn. Das er sich darum bisher überhaupt einen Kopf gemacht hatte. Ja, beim nächsten Mal würde er es anders machen.