#1 - {Lest & Kohaku}
Vorsicht schloss jener grünhaarige Kerl die schwere Tür hinter sich, wandte den gesamten Körper unmittelbar danach um, sodass er zumindest nicht mehr den Anblick des Haustores vor Augen hatte, und atmete mehrere Male tief ein - Immerhin galt es, die noch recht frische Luft in vollsten Zügen zu genießen! Seine violetten Augen - oder viel mehr war es das entspannte Augenmerk als solches? - glitten langsam, musterten die Umgebung doch in penibelsten Schritten, um jedwede Veränderung, jeden ach so klitzekleinen Unterschied zum vorherigen Male ausfindig machen zu können. In der Tat ließ sich dabei auch etwas entdecken! Inmitten dieser morgendlichen Routine brach grelles Licht herein und beleuchtete dank der fast schon weiß glänzenden Mittagssonne die verschiedensten Dinge. Ungewöhnlich, wie der Herr fand. Ungewöhnlich? Oh ja, sehr sogar! Lest hatte noch nie viel von einem öden Morgenmuffel gehabt, der bis spät in den Mittag hinein schnarchte, nein, eher verließ er das Haus mit dem übergroßen Garten zuhauf schon in den frühen Morgenstunden, aber im Gegensatz dazu... Eben in jenem Augenblick hob der Hellhaarige einen Arm und legte sogleich die freie Hand an dessen Ellenbogen, reckte sich, gähnte - Am Mittag! Großzügig atmete der mittelgroße Mann aus, entfesselte all die angesammelte Luft von zuvor in einem kräftigen Atemzug. Was war nun zu tun? Lest verzog die Miene. Gut, er hatte tatsächlich wertvolle Zeit mit einem doch ruhigen Schlaf verschwendet, aber... Aber das bedeutete doch nur, dass er die übrig gebliebene Zeit möglichst sinnvoll zu nutzen hatte! Viel mehr noch: Er sah es als seine Pflicht an! Allerdings... Was bedeutete es, die Stunden nach dem Jungen "sinnvoll" zu nutzen..? Na, durch die Gegend streifen und nach ungewöhnlichen Dingen Ausschau halten!
So kam es also dazu, dass das jüngere Geschwisterkind sich mehr oder weniger enthusiastisch von dem Gebäude, das unter Anderen es und seine Schwester - apropos... Wo die sich wohl gerade aufhielt? - als Zuhause bezeichneten, entfernte und sich schnurstracks und unbewussterweise in ein ihm noch unbekanntes Areal bewegte. Mittendrin musste der Herr jedoch stocken, bemerkte er schließlich erst jetzt, dass das Plätzchen ein wenig abgelegener erschien... Ein großer, bemerkenswerter Pluspunkt: Natur pur! Das hieß, wenn man einmal von den herabgekommenen, vereinzelten Mäuerchen absah. Ansonsten versprühte die Umgebung ganz eindeutig den Flair eines Waldgebietes. Ein weites Grinsen formten die dünnen Lippen des Herren. Waldgebiet! Oh ja, er liebte Wälder - Und wie! Nicht für lau verbrachte er als junger Strolch und Knirps so manche Nacht unter dem glitzernden Sternenhimmel und... Baumkronen halt. Oh, ob er hier wohl auch Woolies finden würde..? Gedankenverloren trottete der selbsternannte Abenteurer weiterhin den Trampelpfad entlang und bei dem Gedanken an seine flauschigen Monsterfreunde stieg dem Jungspund auch sogleich eine gewisse, hauchdünne Röte ins Gesicht, die jedoch rasch ihren Untergang finden sollte:
Da war er. Hoch und erhaben. Ein massiver, majestätischer Baum stieg empor, seine Krone höher als die seiner Mitbäume, auch war er der einzige der sich in der gewaltigen Präsens hunderter, kleiner Blüten rühmen konnte. Ausgiebig war der Blick, welcher den Riesen durchlöcherte, intensiv bis er glaubte, eine Gestalt zu Füßen der hochgewachsen Pflanze erkennen zu können. Von lauter Neugier geleitet, tippelte er schnell, doch vorsichtig näher an dir menschliche Gestalt: Ein kurz geratenes Mädchen, grüne Haare, schlief in der warmen Mittagssonne - Wahrlich mysteriös! Und was hatte man in solch einer Situation zu machen...? Na, was wohl..? Lest blinzelte die Fremde an, hob binnen weniger Sekunden einen Zeigefinger und bewegte in geradewegs in Richtung Wange. »Hey!«, entkam es des wispernden Herrens Kehle lediglich bei dem kuriosen, dennoch hübschen Anblick des schlafenden Fräuleins, ehe besagter Finger eine beliebige Stelle ihrer Wange berührte.