Der Wachposten


  • Die Blonde war ein wenig erleichtert als ihr Gegenüber ihr zu verstehen gab, dass sie sich wegen der Schnee-Sache keine Gedanken machen muss. „Ja, ich denke das könnte nicht schaden sich mal mit etwas anderem beschäftigen zu können...“ Wie lange war es her, dass sie einfach mal einen Tag lang nichts getan hatte? „Du meinst sowas wie...Hobbies? Naja, normalweise...also wenn ich frei habe trainiere ich eigentlich immer...“ Klang schon irgendwie ziemlich stumpf. So als ob sie kein wirkliches Leben hätte. Im Grunde...war es ja auch genau so. „Klingt blöd, ich weiß...“, gab sie zu. Eigentlich würde sie sich das niemals eingestehen, aber der Schnee hatte sie von ihrem alltäglichen Streit mit Brodik abgelenkt und sie irgendwie beruhigt. Sie seufzte leise. „Vielleicht sollte ich mich wirklich nicht so auf die Arbeit beschränken...“, murmelte die blonde Kriegerin.


  • "Ja ich meine sowas wie Hobbies.", bekräftigte der miese Wächter und fing laut an zu lachen, als Forté ihm gestand, dass sie sich eigentlich nur aufs Training und ihren Job konzentrierte. Es war kein böses Lachen. Viel mehr hatte er es einfach geahnt und schon gewusst, dass sie nicht so der Typ dafür war, um es sich mal an einem freien Tag gut gehen zu lassen. Das Gesicht das die Blonde bei ihren Worten machte fand Brodik allerdings nicht zum Lachen. Sie ja schon fast traurig aus und dabei war sie ja trotz Rüstung sogar ziemlich... ja ziemlich niedlich, wie er fand. Sein Lachen war wohl unangebracht gewesen. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und starrte mit einem fast zerknirscht aussehenden Gesichtsausdruck nach draußen. "Also wenn heute zufällig so ein freier Tag wäre, dann würde ich mich bereit erklären dir zu zeigen was es heißt mal nicht an die Arbeit zu denken.", schlug er vor. Natürlich hatte er im Hinterkopf auch sein eigenes Wohl dabei im Auge. Wenn er mit ihr irgendwo unterwegs war, dann musste er sich immerhin schon mal keine Gedanken an seine ach so wichtige Arbeit verschwenden.


  • Sie hatte schon geahnt, dass er sie dafür auslachen würde, aber es war nicht das Lachen, was sie erwartet hatte. Schlagartig hörte er auf zu lachen und es wirkte schon fast, als ob es ihm Leid tat. Hatte er also doch so etwas wie Gefühle, zumindest ansatzweise. „Ich...ich denk mal...wenn wir eh nichts zu tun haben geht das okay.“ War das die richtige Antwort gewesen? Nicht, dass er sie abfüllen würde und in irgendeinem Schuppen wegsperren wurde, sodass er nicht mehr arbeiten musste. „Das soll jetzt aber kein Trick sein, oder?“, fragte sie unsicher, wobei ihre linke Augenbraue nach oben schnellte. „Und Morgen geht’s dann aber wieder an die Arbeit, alles klar?“ nicht dass er dachte das würde jetzt bis zum Frühling immer so laufen! „Wo hast du überhaupt vor mich hin zu bringen?“


  • Forté hatte tatsächlich vor heute frei zu machen, um mit ihm umher zu ziehen. Das musste ein Weihnachtswunder sein. Brodik gab ein belustigtes Geräusch von sich und lächelte sie dann an. "Das ist kein Trick und lass dich gefälligst überraschen.", sagte er in seiner rauen Stimme und besah sich die Blonde. "Aber für das was ich mit dir vor habe solltest du diese Rüstung besser ablegen.", stellte er klar und wurde dann ein wenig rot. Irgendwie hörte sich der Satz falsch an. "Ich meine natürlich nur weil es doch unbequem ist in einer Rüstung Spaß zu haben. Also ohne nehm ich dich mit." Der miese Wächter hatte sich wieder etwas verlegen am Hinterkopf gekratzt und aus dem Fenster gestarrt. "Und von mir aus komm ich dann morgen wieder zur Arbeit, aber bist du jetzt dabei oder nicht?"


  • Die blonde Kriegerin trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust als ihr Gegenüber von ihr verlangte sich 'auszuziehen'. Glücklicherweise behob er das Missverständnis sofort. „Das werd ich doch mal hoffen. Mein Schwert ist nie weit.“, warnte sie ihn. Von wegen unbequem in einer Rüstung Spaß zu haben. Fortés Rüstung war wie ihre zweite Haut. Aber gut, warum nicht. „In Ordnung. Dann treffen wir uns in zehn Minuten wieder hier.“ Die Entscheidung war gefallen und ein wenig unschlüssig machte sich die Blonde auf dem Weg ins Haus und in ihr Zimmer.


    Die Rüstung war schnell abgelegt und nach einigen Malen bei denen sich die Kriegerin mit den Fingern durch die inzwischen offenen Haare fuhr sah sie nicht mehr aus wie eine wild gewordene Furie. Sie schloss die Türe wieder hinter sich und begab sich wieder zurück zum Tor.


  • Fortés Drohung mit ihrem Schwert lies den Silberhaarigen grinsen. Als ob sie ihm wehtun könnte. Und als ob er zu der schlimmsten Sorte Männer gehören würde. Okay... zugegebenermaßen konnte er es ihr nicht verübeln, dass sie das dachte... schließlich sah er nicht gerade wie ein liebenswerter Kerl aus und er benahm sich ja auch nicht so. Ihm war eigentlich so ziemlich alles egal. So wie er so ziemlich allem egal war. So funktionierte das Leben für ihn. In den 10Minuten die Forté ihm Zeit gab war er kurz nach Hause geeilt, hatte sich warme Klamotten angezogen und etwas in eine Tasche gepackt, dann stand er wieder pünktlich auf der Matte und auch Forté war schon wieder da. Ohne Rüstung und mit offenen Haaren. Im ersten Moment guckte Brodik wie ein Fisch; mit großen Augen und geöffnetem Mund. DAS WAR FORTÉ?! Sie sah ja richtig... richtig süß aus. Sein Gesicht färbte sich rot, als ihm auffiel wie unverfroren er sie gerade angestarrt hatte. "Du siehst echt gut aus in normalen Klamotten.", gab er zu, sah ihr dabei aber nicht ins Gesicht. Es war sowieso schon viel zu peinlich dass er versprochen hatte den ganzen Tag mit ihr zu verbringen und womöglich würde sie ihn für das Kompliment noch köpfen, wenn er sich nicht beeilte. "Also los! Wir haben noch viel vor!", rief er, nahm sie an der Hand und zog sie etwas eilig, aber nicht grob vom Tor weg.


    ~gehen~


  • Das Abenteuer hatte den Grauhaarige stark mitgenommen und er spürte kaum noch seine Beine. Trotzdem zwang er sich weiter zu gehen und den Berg, der zum Polisee führte, hinab zu steigen. Er hatte Forté sein Leben zu verdanken, das wusste er und es nervte ihn wirklich, aber im Moment wollte er einfach nur nach Hause. Das Adrenalin, das seinen Körper zuvor gestärkt hatte verflüchtigte sich immer weiter, da er ja nun nicht mehr in Todesgefahr lebte. Maximal erfrieren konnte er jetzt noch, aber sicher würde seine Kollegin es nicht zulassen, dass er sich so aus der Affäre zog. Irgendwie schafften es die beiden Wächter dann tatsächlich bis zum Wachposten, wo Brodik sich zuerst auf einen Stuhl fallen ließ, um in seiner Tasche nach einem Flachmann zu kramen, aus dem er einen kräftigen Schluck nahm. Alkohol wärmte den Körper schließlich am besten von innen. Nach kurzem Zögern hielt er Forté das metallene Gefäß ebenfalls hin. Den ganzen Weg hatten sie kaum geredet und Brodik wollte jetzt nicht damit anfangen. Er und sein Ego waren noch nicht darüber hinweg, dass er einer Frau sein Leben verdankte. Aber Forté war ja auch nicht irgendeine Frau. Sie beschützte schließlich das Dorf jeden Tag vor diesen angeblich schrecklichen Monstern. "Danke nochmal.", murmelte der Grauhaarige und schaffte es sogar seiner Kollegin in die Augen zu sehen.


  • Schweigend waren die Wächter zurück zum Wachposten getrottet, die Kraft hatte inzwischen beide verlassen. Immer wieder glitt der Blick der Blonden zu ihrem Kollegen hinüber, aus Sorge der Unfall könnte noch weitere Spuren hinterlassen haben, doch Brodik schien nur damit beschäftigt zu sein ihren Blicken aus zu weichen. Nicht allzu verwunderlich, anders herum wäre sie sicherlich ebenfalls nicht besonders begeistert davon gewesen von ihm gerettet worden zu sein. Genau aus diesem Grunde würde sie ihm das auch nicht auf die Nase binden. Es war nicht zu übersehen, dass es seinen Stolz verletzt hatte von einer Frau, insbesondere von ihr, gerettet worden zu sein. Daheim angekommen ließ sich der Grauhaarige direkt auf einem Stuhl nieder und griff nach...war das Alkohol? Unsicher schüttelte sie den Kopf, als er ihr ebenfalls etwas anbot. Damit wollte sie gar nicht erst anfangen! Es schädigte dem Körper und für einen Wächter gab es nichts wichtiges als gesund und kräftig zu sein. Nicht zu fassen, kaum waren sie wieder zurück schon gab es wieder nur noch das eine an das sie denken konnte. Während sie in Gedanken war ruhte ihr Blick noch immer auf dem Grauhaarigen. Als sie dies bemerkte drehte sie sich schnell weg und richtete sich der Küchenzeile zu. Peinlich. „Das war selbstverständlich.“, antwortete sie, wobei sie in den Schränken kramte und schließlich einen alten Teekessel hervor zog. . „Nichts worüber man noch lange reden müsste.“ Mit diesen Worten war das Thema für sie gegessen. Sie füllte den Kessel mit Wasser und stellte ihn auf die Feuerstelle, sodass das Wasser sich langsam zu erhitzen begann. Während sie darauf wartete holte sie noch eine Schüssel aus dem Schrank, die sie vor den Füßen des Wächters auf den Boden stellte, nur um darauf hin das warme aber nicht zu heiße Wasser hinein zu füllen.


  • Forté tat seine Danksagung mit ein paar netten Worten ab und Brodik musste tatsächlich kurz leise lachen. Sie war einfach unvergleichlich. Jede andere Frau hätte ihn wahrscheinlich wochenlang damit genervt, geärgert und aufgezogen, aber die blonde Wächterin tat es einfach ab und schien ihn nicht nochmal darauf ansprechen zu wollen. Irgendwie fand er das schon nett, aber natürlich würde er das nicht zugeben. Genauso wenig wie er zugeben würde, dass er diese Frau nun irgendwie mit an deren Augen sah. Sie hatte ihr Leben für ihn riskiert, obwohl er ihr doch überhaupt nicht bedeuten konnte. Abgesehen davon, dass er ihr eigentlich nur Ärger machte. Während er so darüber nachdachte folgte sein Blick Forté, die Wasser kochte und dann eine Schüssel vor seinen Füßen abstellte. Erst verstand der Grauhaarige nicht was sie von ihm wollte, aber das änderte sich schließlich als sie ihn ansah. "D-d-du hast mir ein Fußbad gemacht?", fragte er dennoch ungläubig. Vielleicht war das eine Falle. Vielleicht war der ganze Aufwand für sie selbst gewesen und sie wollte nur von ihm, dass er den Stuhl frei machte. Aber das würde keinen Sinn ergeben, denn es standen schließlich auch noch andere Stühle im Raum. Anstatt darüber zu diskutieren wie unnötig das war und ihr zu sagen, dass sie nicht seine Mutter war zog Brodik nur die Schuhe aus und ließ seine Füße in das heiße Wasser gleiten. Die ersten Sekunden schmerzten höllisch, aber er verzog keine Miene, denn er wusste, dass die Hitze verhindern würde, dass seine Zehen abfroren. "Danke. Möchtest du deine Füße nicht auch mit reinstellen? Deine sind sicher nicht wärmer als meine." Er sah sie ehrlich an und verzog keine Miene bei seiner Aussage. Warum sollte ihm das auch peinlich sein? Sie war seine Kollegin und sie hatten heute schon schlimmeres zusammen erlebt als ein gemeinsames Fußbad. "Vielleicht sollten wir auch einfach ins Badehaus gehen und uns ein heißes Bad gönnen. Ich zahle dann natürlich auch den Eintritt." So viele normale, geradezu nette und ungenervte Worte zu Forté... der Unfall musste wirklich was zwischen ihnen verändert haben.


  • „Ist das nicht offensichtlich?“, antwortete Forté schmunzelnd und lehnte sich mit dem Rücken an die Küchenzeile (oder wie man das damals nannte), nachdem er sie etwas verwirrt auf die Schüssel voll Wasser angesprochen hatte. Noch einen Moment lang sah er sie mit einem undefinierbaren Blick an, vermutlich suchte er nach dem Trick dahinter oder sowas. Als ob die Blonde so ein Mensch wäre, also wirklich! Der Sturz in das kalte Wasser hatte wohl wirklich Wunder bewirkt. Erneut bedankte er sich bei ihr und das, obwohl er dieses Wort vor dem heutigen Tage noch nie in ihrer Gegenwart in den Mund genommen hatte. Vielleicht hatte es ja etwas in ihm wachgerüttelt, zu wünschen wäre es ja. Vielleicht würde er ja auch generell etwas freundlicher werden, das würde sich sicher auf positiv auf das Arbeitsklima auswirken! Aber die nachfrage, ob sie nicht ihre Füße zu seinen in das warme Wasser stellen wollte war dann doch etwas zuviel für die Blonde. „Was fällt dir ein!“ Eines war klar, sie hatte es was ihr Temperament anging nicht verändert und so sah die doch eigentlich nett gemeinte Frage als schlechte Anmache an. Scheinbar war er nicht der einzige der noch eine Menge lernen musste. Was den sozialen Umgang anging waren sie beide nicht besonders begabt... „'tschuldige, war nicht so gemeint.“ Forté musste sich auf die Lippe zu beißen um auf seine neue Frage nicht ebenso zickig zu antworten. Sie sollte sich wirklich angewöhnen erst zu denken und dann zu sprechen. Er meinte es doch wirklich nur nett! „Wäre bestimmt das einfachste, oder? Vorausgesetzt du kannst mich noch ne Weile aushalten.“ Seit wann interessierte sie soetwas eigentlich? Das war doch gar nicht ihre Art auf eine solche Frage zu reagieren. Vielleicht war es einfach nur der Schock, der noch immer in ihren Knochen steckte, wer weiß...


  • Brodik hätte seine ersten Worte wohl nochmal überdenken sollen, bevor er sie ausgesprochen hatte. Für ihn war das gemeinsame Fußbad vielleicht nicht peinlich, aber Forté nahm seine Geste eher als schlechte Anmache auf. Wie konnte man es ihr verdenken? Doch bevor der Grauhaarige sich rechtfertigen konnte entschuldigte sich die Blonde bei ihm wieder. "Kein Problem... hab wohl etwas unüberlegt geredet..." Bitte was? Er zuckte kurz mit dem rechten Auge. Was war denn plötzlich mit ihm los? Forté hatte sein Leben gerettet und er war ihr wirklich dankbar dafür, aber musste er sich denn wirklich so vor ihr erniedrigen? Glücklicherweise ging die Blonde nicht weiter auf seine viel zu netten Worte ein, dafür aber auf sein Angebot. "Es ist das einfachste, also lass uns kurz was trockenes anziehen, dann gehen wir los." Mit diesen Worten nahm Brodik seine nun warmen Füße aus dem heißen Wasser und ging los um sich etwas anderes anzuziehen. (Wo wohnt der eigentlich?! Ö_ö) Mit trockenen Klamotten holte er Forté wieder beim Wachposten ab und sie gingen zusammen zum Badehaus~

  • Im Nachthemd - ja, im Nachthemd - stolperte die verwirrt aussehende Illuminator durch die Stadt. Sie wusste nicht, wie sie sich orientieren sollte, wo sie sich orientieren sollte, wo zur Hölle war sie eigentlich? Hatte sie sich nicht eben noch auf der Sternenwarte befunden? Bei ihrem Luftschiff? Ihrem Baby? Mit dieser blauhaarigen Ziege? Und dem hammerschwingenden Jungen? Und - nicht zu vergessen - lieber Gott!, beinahe hätte sie sie vergessen! - diesen widerlichen, ekelerregenden, stinkenden Käfern! Hätte sich Illuminator auch nur im Ansatz - IM ANSATZ - nur ein bisschen, ein winziges bisschen besser gefühlt ... sie hätte diese Käfer platt gewalzt. Alle nacheinander. Und die Larven hätten zusehen müssen, oh ja, da kannte sie keine Gnade. Keine Gnade! Nicht einmal ein bisschen.
    Nach längerem Umherirren hat die Bezopfte eine Mauer entdeckt, die sich allen Anschein durch die gesamte Stadt zog. Oder handelte es sich hier um eine Art Schutzmauer? Befand sich hinter dieser Mauer etwa die Natur? Würde sie dort zur Sternenwarte kommen? Oder befand sich diese ganz woanders? Illuminator kannte sich nicht aus! Sie war unbeholfen! Und dieses Gefühl der Unbeholfenheit machte sie ganz krank! Oh, wie sie es hasste, unbeholfen zu sein! Wenn Unbeholfenkeit ein Ding wäre, würde sie dasselbe mit ihr machen, was sie auch mit dem Herkuleskäfern machen würde! OHNE GNADE! Einen Moment blickte sie der Mauer empor gen Himmel. Was für ein fabelhafter Ausblick, nicht? Illuminator hätte ihn stundenlang ansehen können, wenn sie nicht wüsste, dass ihr Baby momentan ganz allein auf einem Hügel saß und sie hier UNBEHOLFEN in einer völlig fremden Stadt umherirrte. Ein Frustrationsschrei entklang ihrer Kehle. Dieser hatte sie so übermahnt, dass ihre Hände automatisch die Mauer erfassten, sich an ihr krallten und sie davor bewahrten auf dem Boden zu sinken. Was ist nur los? Wohin führt diese Mauer? Diese undurchdringliche Mauer?!

  • #2 - {Raven & Illuminator}
    ◄ Die Schmiede


    Entlang eines gewöhnlichen, mitnichten interessanten Trampelpfades, der sicherlich einen jeden Tag über von mehreren Personen verwendet wurde, ging die junge Frau, jene rot glühenden Strähnen folgten selbstverständlich auf Schritt und Tritt. Sie ging und ging, immer weiter, all dies in einem einheitlichen Tempo, doch letzten Endes verlangten die den Körper tragenden Füße eine kurze Verschnaufpase, wenngleich sie ihre Tätigkeit ganz gewiss nicht für eine lange, unaussprechliche Zeitspanne verfolgten, sondern lediglich für einen recht knappen Moment. Raven stockte, hob den starren Blick, welcher den gesamten Marsch - noch immer nicht mehr als eine Viertelstunde - über den erdigen Grund unter ihren Latschen in Anblick genommen hatte. Die Erwachsene schwieg. Da war sie. Angekommen an einem Ort, der ihr nicht minder bekannt war, als die Schmiede, in der sie hauste, nein, noch eher war dieser Ort ihr noch weitaus stärker im lückenhaften Gedächtnis geblieben als die zuvor genannte Örtlichkeit. Das Augenmerk der Rothaarigen wanderte von links nach rechts. Ein hoher Wall, hoch und steinern, dick noch dazu, nahezu undurchdringlich. Ein Schutzwall. Eine Mauer, welche das Dorf von der Außenwelt trennte, von dem Dämmerwald, von den Monstern, welche man zügellos als wilde Bestien bezeichnete, Bestien, die man ausnahmslos vernichten musste.
    Für einen kurzen Augenblick suchte ein eiskalter Schauer ihren Rücken heim, für die Außenwelt war dies natürlich nicht frei ersichtlich. Ein weiterer erfolgte, als ein hallendes Geräusch, ähnlich einem Jammern, einem gequälten Schrei, sich lautstark Raum schaffte. Der Halbphönix ließ den Kopf senken, da war er wieder, der allseits bekannte Boden. Wie schon vorher, im werten Heim, entfuhr ihr ein Seufzer, dieses Mal jedoch wesentlich lauter, sodass er durchaus noch für andere wahrnehmbar war. Von wem oder was dieser Schrei wohl kam? Ein Bündel Haare fiel der schweigenden Person in das Gesicht, ehe es anschließend mit einer raschen Handbewegung dorthin zurück befördert wurde, wo es herkam. Ob es wohl ein Geräusch aus der Kehle eines vor Schmerzen leidenden Lebenwesen kam? Hatte jener Schrei seinen Ursprung etwa in einem Kampf zwischen Wachposten und "Biest" gefunden? Abermals hob man das Haupt, nahm aus den Augenwinkeln schließlich eine - aus der Sichtweise zwar sehr - verschwommene Gestalt war. Fraglich, ob sie den Schrei von sich gegeben hatte, doch durchaus wahrscheinlicher als ein Gefecht, welches vor den schützenden Stadtmauern stattfand, wenngleich diese keineswegs eine Seltenheit waren. Jedenfalls führte diese Erkenntnis dazu, dass Ravens Augenmerk einzig und allein auf jener Person lag, sie förmlich durchlöcherte. Jene Person, ein Mensch - wie hätte es auch anders sein sollen? -, war gekleidet in ein Nachthemd, eine weiße Tracht, wie man sie in all den Dörfern, die Raven bereits behaust hat, lediglich in der Klinik vorfinden könnte. Raven hob eine ebenso feurig rote Augenbraue leicht an. Ein Patient? Der Klinik? Was hatte eine derartige Person an einem solchen Ort zu suchen? Erst jetzt fiel ihr auf, dass die andere, bezopfte Frau sich vor lauter Frustration an die Mauer krallte. Die Theorie mit dem Patientin begann durchaus Sinn zu ergeben, vielleicht eine Patientin mit psychischen Problemen, die unbedingt fliehen wollte? Die Augenbraue sank wieder.


    Doch just in ebenjenem Moment ertönte eine mickrige Stimme in Ravens Hinterkopf, die sie anfeuerte - "Das ist deine Chance! Sprich sie an! Du wolltest doch offener werden" Zaghaft folgte man den Rufen des Stimmchen, öffnete den Mund, »Du..«, doch dann verstummte die Halbelfe, Fragen stellten sich auf - Worüber sollte sie reden? Sollte sie auf das Nachthemd hinweisen? Vielleicht... Gedanklich schlug das Fräulein sich eine Hand gegen die Stirn, wieso noch einmal war sie ausgerechnet zum Wachposten gekommen..?

  • Die flinken Finger gegen die Mauer gedrückt, so stark gedrückt, dass sich die Fingerknöchel allmählich weiß färbten, durchbohrte Illuminator die leblosen Steine mit ihrem düsteren Blick. Wenn ich doch nur wüsste, dachte sie niedergeschlagen, was sich dort hinter befindet, dann würde ich auch wissen, ob es sich lohnt, dort hinter zu gelangen? Erneut reckte sie den Hals. Über die Mauer schauen konnte sie gewiss nicht, aber ein Versuch war es wert gewesen. Da drückte sie ihr vom Wind und Wetter beschädigte Ohr gegen die Mauer und lauschte. Am meisten litten die Ohren beim Fliegen, der Wind ist sehr, sehr laut und anfangs hatte die Bezopfte enorme Schwierigkeiten den Druck auf ihren Ohren zu regulieren. Trotz ausgekübelter Schutzvorrichtung - ihre Mütze - bemerkte Illuminator, dass ihr Gehör nicht mehr das beste war. Des Öfteren erwischte sie sich dabei, wie sie etwas Gesagtes entweder nicht verstanden, beziehungsweise gar nicht vernommen hatte. Etwas vernahm sie allerdings - es kam jedoch nicht von der Mauer: Illuminator fuhr herum und erblickte eine blauäugige Frau mit roten, langen Haaren. Würde sie ein Nachthemd tragen und ihre Haaren flechten könnte sie glatt Illuminators Ebenbild sein. Einen Moment schenkte die Pilotin ihr ihre Aufmerksamkeit, dann wandte sie sich ab und drehte sich wieder der Mauer zu. Sie betastete die Steine - einen nach dem anderen - drückte erneut ihr Ohr, diesmal das andere, es bestand immerhin die Möglichkeit, dass dieses besser hörte, gegen den Schutzwall. Und während sie das tat, blickte sie die Fremde eindringlich an, legte sich den Finger an die Lippen und machte: "Pssst!" Sie wollte ihr signalisieren, jetzt leise zu sein. Nicht noch einmal sollte sie sie beim Lauschen unterbrechen. Illuminator wollte schließlich hören, was sich auf der anderen Seite befand. Aber sie hörte nichts - also nicht ganz ... Sie hörte etwas, aber das war nicht das, was sie sich erhofft hatte. Sie hörte ihren eigenen Puls. Na toll!
    Die junge Frau drückte sich von der Wand weg, hielt sie auf Armlänge. Und ohne dabei die Fremde anzusehen fragte sie sie: "Wohin führt diese Mauer? Was ist dahinter?" Himmel Donnerwetter, was ist dahinter?! Illuminator hielt die Spannung kaum noch aus! Ihr Körper war elektrisiert, die Haare im Nacken standen ihr zu Berge! Die Hände zitterten, der Atem war flach. Was ist dahinter? Was ist dahinter? WAS ist dahinter?!

  • #3 - {Raven & Illuminator}


    Das desinteressierte Augenmerk lag auch weiterhin, weitere Sekunden, ja, ganze Minuten auf dem potenziellen Flüchtling, ehe dieser das seltsame Bild eines verrückten Patienten oder dergleichen durch die eigenen Handlungen mehr verstärkte denn je. Raven zog eine Augenbraue in die Höhe, schwieg und beobachtete ebenso still die Frau, welche sich mit aller Macht an die steinerne Mauer drückte, das gespitzte Ohr an den kalten Stein legte. Was tat sie da? Was wollte sie in Erfahrung bringen? Die Halbelfe schüttelte unmerklich den Kopf. Wieso erwieß sie überhaupt Interesse an dem Fremdling, den sie nicht ein einziges Mal in Alverna oder auch Trampoli vorgefunden hatte? Sie kannte diese Person nicht, jene seltsame Person, welche am helligten Tage mit einem weißen Nachthemd durch die Gegend lief und nun verdächtigerweise den Schutzwall und somit auch die vielen Monster dadraußen belauschte. Ein Neuankömmling vielleicht? Das junge Fräulein hob eine Hand, die Linke, und fuhr diese an das eigene Kinn, um eine nachdenkliche Pose einzunehmen, doch genau in ebenjenem Moment... Schlucken. Das war, was folgte. Was folgte, als das Gegenüber sich aus heiterem Himmel heraus - gut, Raven hatte sie angesprochen, doch dies war für diesen Augenblick wohl außer Acht zu lassen - umdrehte, das Rothaar kurzzeitig musterte und anschließend mit der aufmerksamkeitserrengenden Aktion fortfuhr - Selbstverständlich sollte dies jedoch nicht ohne ein mahnendes »Pssst!« geschehen. Raven selbst gab keinen einzigen, störenden Mucks von sich - wie man es von einem braven Gast nun einmal erwartete -, sondern rollte lediglich einmal mit den hellblauen, tiefen Augen, bevor man danach den Blick von der augenscheinlich paranoiden Dame wandte. Und was für Leute es in diesem einst leergefegten Dorf doch gab! Ihr Augenmerk galt fortan dem Boden, auf welchem sie stand, denjenigen, den sie ungewollt plattdrückte: Ein kleines Fleckchen saftgrünes Gras, welches aus der fruchtbaren und dennoch plattgetrampelten Erde hervorgeschossen kam - Und all diese Ambitionen und Hoffnungen eines klitzekleinen Grasbüschels sollten binnen weniger Tage wortwörtlich in Grund und Boden gestampft werden. Raven trat einen Schritt zur Seite, nicht dass es zu dieser Zeit noch irgendetwas außergewöhnliches bewirken sollte, doch... Doch... Doch jener Standort wurde dem halben Phönix durchaus ungemütlich - Ja, so war es!
    Allerdings hatte es den Anschein, dass die Dame sich nicht noch länger mit dem traurigen Schicksal von kleinen Pflänzchen beschäftigen musste, denn - was ein Wunder! - die Frau, welche ihre dunkelroten Haare in einem langen, geflochtenen Zopf trug, hatte sich wohl oder übel dazu entschieden die Stimme zu erheben. Dieses Mal geschah dies jedoch in mehr als nur einem mickrigen »Pssst!«, sondern ertönte ihre Stimme für längere Zeit. Eine Frage. Eine Frage, welche jedwede Vermutungen Ravens bestätigen sollte - Sicher, den Beweis dafür, dass es sich bei der durch und durch Unbekannten um einen durchgedrehten Flüchtling handelte, hatte die Blauäugige sicherlich noch nicht ergattern können, doch wenigstens genügte es, um zu erklären, was die Verrückte denn mit ihrer vorigen Tat erreichen wollte. Was dahinter war? Abermals hob die Rothaarige eine Augenbraue, erneut dieselbe wie schon einige Augenblicke zuvor. Tatsächlich. Ein neues Gesicht in der Stadt - Das oder der vermutliche Flüchtling war nicht durch den finsteren Wald gekommen. »In das Land der süßen Träume sicher nicht«, entgegnete man der Fragenden wie gewohnt recht sarkastisch, während einige Finger der rechten Hand, noch immer in dem grünen Handschuh versteckt, durch die feuerroten Haarspitzen fuhren, die andere, freie Hand zeitgleich auf die leichten Gewänder des Gegenübers deuteten. Und wie bereits zuvor schlug sie sich in der wundersamen Welt der Gedanken die Hand vor die Stirn - Mit solchen Mitteln wollte sie offener und freundlicher werden? Nein, ganz gewiss nicht. Dementsprechend sammelte das Rothaar für einen winzigen Augenblick Luft, näherte sich äußerlich recht entspannt der Fremden. »Eher das Gegenteil...«, fügte Raven hinzu, als sie nahezu direkt neben der Anderen stand, und legte so manche Fingerspitze so, dass sie den harten Stein in einer kleinen Flächen berührten, »... Hinter dieser Mauer ist der Dämmerwald und wenn du nicht gerade als Monsterfutter verenden willst...«, das Halbwesen verstummte, der Blick glitt zu dem weiter entfernten, mächtigen Tor.

  • Wäre ich bloß bei meinen Luftschiff, dachte Illuminator schwermütig. So wäre dieses undurchdringliches Mauerwerk gar nicht so undurchdringlich - sie würde es einfach überfliegen, ja! Sie würde es von oben betrachten, von luftiger Höhe, und feststellen, dass diese Mauer, Stein auf Stein errichtet, bloß ein kleiner Wall sei - ha!, nicht mal! Ein aufgerichtetes Stück Pappe, welches nichts - rein gar nichts - außer den flugunfähigen und ameisenähnlichen Menschen aufhalten könne! Ja, das würde sie feststellen! Und dann würde sie lachen! Aus vollsten Herzen! Sie würde über den witzlosen Wall lachen und über sich selbst, weil sie einen Moment geglaubt hatte, dieserkönne sie aufhalten! Aber nein, falsch gedacht! Nichts kann sie aufhalten, wenn es um das Wohl ihres Kindes ging, so würde sie nie etwas aufhalten können. Aber - und das traf die pflichtbewusste Mutter mitten ins Herz - sie hatte versagt. Und das nicht nur einmal, nein. Nie hätte sie abstürzen dürfen, nie hätte sie das Wohl ihres Kindes gefährden dürfen. Sie hätte die Käfer sehen müssen, hätte es kommen sehen müssen. Groß genug waren sie ja, meinte sie bitterlich. Und dann, dann hatte sie ihr Baby auch noch im Stich gelassen. Das Bewusstsein hatte sie verloren im Kampf gegen eben jenen Käfer. Sie hätte weiterkämpfen müssen, bis aufs Blut!, obwohl ... geblutet hatte sie ja, genau genommen hatte sie ihr Bestes geben. Aber manchmal war das Beste eben nicht gut genug.
    Das Ohr weiterhin ans kalte Mauerwerk gelehnt lauschte sie - jedoch mit dem anderem, dem »freien« Ohr. Sie lauschte dem Worten ihres fremden Ebenbildes - schlauer als vorher machte es sie jedoch nicht. Es half ihr nicht im Geringsten. »Im Land der süßen Träume« - was soll das heißen? Selten verschwendete Illuminator einen Moment fürs Träumen - tendenz steigend, aber auch nur, weil ihr momentan nicht viel übrig blieb und die Sehnsucht, die ihre Seele zeriss mit allen erdenkbaren Mitteln gemindert werden musste. Auch früher - als junges Mädchen - hatte sie geträumt, doch früh hatte sie gelernt, dass es sich lohnte, etwas dafür zu tun. So tat sie es auch jetzt: Ihr momentanes Ziel war die Reparatur ihres Luftschiffes, aber alles der Reihe nach. Sie musste zum Hügel, wo sie die restlichen Wochen verbracht hatte, dann musste sie alle fehlenden Teile suchen, die überall in dieser eigenartigen Welt verteilt sein könnten, und dann musste sie diese wiederverwerten. Aber glaubt nicht, Illuminator wäre naiv, nein, sie ist sich wohl bewusst, dass das Metal nicht ausreichen wird. Sie wird mehr benötigen, viel mehr. Das fängt ja schon allein beim Werkzeug an. Womit sollte sie arbeiten? Mit bloßen Händen? Mit Steinen? Wie sollte sie Schrauben, Muttern herstellen? Gerade bei den Kleinteilen herrschte ein großer Mangel. Ein viel zu großer.
    Auf einmal vernahm die Bezopfte einen spitzen Schmerz im Nacken, anmerken ließ sie sich nichts, lediglich riss sie die Augen ein Stück weiter auf und gab ein leises - sehr leises - Stöhnen von sich. Seit mehreren Minuten hatte sie in dieser äußerst ungesunden Position verharrt; die Knie geknickt, den Rücken krumm, den Hals eingeklemmt und das Ohr an die Mauer gelehnt. So kam es, dass sie sich von der Mauer lösen und eine gesündere Körperhaltung einnehmen musste. Demzufolge geschah es, dass sie die Fremde anblickte - einen kurzen Moment, nein, ein Augenblick, ein Blinzeln, mehr nicht - und sich wieder abwandte. Sie blickte geradewegs an der Rothaarigen vorbei. Und dann dem Finger nach zum Tore hin. Ein Tor? Kein Zweifel, das führte sie hier raus! Aber wo führte es hin? Was bedeutete das »Dämmerwald«? Führte es sie dorthin, wo sie wollte, dass es sie dorthin führte? Sie beschloss, nachzufragen. Da schlich sich jedoch eine andere, weitere Frage vor die erste. Eine, die sie genauso sehr interessierte.
    »Was meinst du mit Monsterfutter?«, fragte sie skeptisch. »Gibt es da draußen etwa noch mehr?« Nachzufragen brauchte die ehemalige Pilotin nicht, sie wusste von Anfang an, dass der Rotschopf von den Käfern sprach. Aber ... bestand vielleicht die Möglichkeit, dass es noch mehr da draußen gab? Riesige Würmer, beispielsweise? Oder Spinnen? Illuminator kannte sich damit nicht aus. Sie kam aus einer anderen Welt. Einer Welt, in der es so etwas nicht gab. Große Käfer, Schutzwälle ... Monster? So etwas hörte sie zum ersten Mal und hätte sie es mit einem Auge nicht gesehen, dann hätte sie es auch nie für möglich gehalten. Sie hätte gelacht und gedacht: Und da sagt noch einer, ich wäre verrückt? Ha ha! Insgeheim wünschte sie sich, das denken zu können. Dann wäre sie jetzt nicht hier, ihr Kind kein einziger Haufen Schrott und sie selbst stünde nicht im Nachthemd an einer Mauer. Aber was soll man machen?, so ist die Welt!

  • #4 - {Raven & Illuminator}


    Ein allerletztes, finales Mal strich die glatte Oberfläche des olivgrünen Handschuhes über den rauen, robusten Stein, welcher das gesamte, vor ihrer Ankunft einst so leere Städtchen umringte. Und dann? Dann zog sich der Arm zurück, zurück zu dem warmen Körper, zu dem er mit Stolz gezählt werden konnte. Die Rothaarige versteckte genau diesen, gemeinsam mit dem anderen Arm, wieder einmal - wie so oft - in den langen, weiten Ärmeln des rosafarbenen Mantels, ihrem liebsten Kleidungsstück. Und ebenjenes gut verpacktes Duo verschränkte sie anschließend vor der eigenen, relativ flachen Brust - Eine Pose, die das Fräulein häufiger einnahm, einnahm, weil sie zumindest einen geringen Teil des Oberkörpers auf jene Art und Weise vor eisig klirrenden Winden schützen und stattdessen aufwärmen konnte. Und eben diese Ursache, dieser Grund für die gänzlich gewöhnliche, oft gesehene Haltung sollte sich auch zu jener Zeit, an jenem Ort nicht ändern, denn ein frisches Lüftchen hatte sich Platz geschaffen, wirbelte sanft durch die Gegend. Es brachte kühlere Luft mit sich, veranlasste die grünen Gräser dazu, gemeinsam mit den ungeschützten, äußeren Blättern jedweder anwesender Baumgiganten in dem Rhythmus zu tanzen, den die leichten Brisen erwählt hatten. Und es war auch diese Böe, die dafür sorgte, dass Ravens Haare nicht stillsitzen wollten und sich stattdessen stets in eine scheinbar willkürlich gewählt Richtung bewegten. Das Wesen, welches sich zur Hälfte Elfe, zur Hälfte Vogelmonster nannte, genoss dieses Gefühl, das wohltuende Gefühl von einem Wind, der sanft die Strähnen durchkämmte, und schloss demnach für einige Sekunden die Äuglein. Eine Entscheidung die letzten Endes dazu führte, dass die handelnde Person, Raven, tatsächlich nicht mitbekam, dass das (vermeintlich) verrückte Gegenüber, welches bei den derzeitigen Standorten mehr von einem Nachbaren hatte, die kuriose Belauschungsaktion abbrach, um sich eine entspannende Pause oder dergleichen gönnen zu können - Fraglich war jedoch, ob dies überhaupt von sonderlich großer Wichtigkeit war, ein Gespräch hatte so oder so bereits seinen Beginn genommen und ein Gespräch konnte sehr wohl auch dann stattfinden, wenn die stetigen Blicke beider Parteien nicht der jeweils anderen galten, oder?
    Wovon das Halbwesens jedoch durchaus Wind bekam, war die Frage der wahrscheinlich ausgebüchsten Patientin - Gewiss doch lautete die Frage nun, wonach ebenjene Frau sich erkundigte, nicht? Irritiert - ja, vielleicht hatte sogar ein klitzekleiner Hauch von Schock seine dürren, knochigen Finger im Spiele - galt Ravens Blick dem neuen Gesicht. Was die Halbelfe mit "Monsterfutter" meinte? Die Blauäugige blinzelte, so groß das wissbegierige Fragezeichen über dem erhobenen Haupte des langhaarigen Gesprächspartners auch war, man konnte sicher gehen, dass die kampferprobte Dame mindestens genauso viel Verwirrung in sich trug. »Du...«, begann das Mädchen, vollendete diesen angefangenen Satz jedoch nicht in den kommenden Momenten, stattdessen starrte sie die Fremde auch weiterhin an. Kannte sie etwa keine Monster? Hatte sie noch nie von den wundersamen, gleichzeitig "grausamen" Kreaturen gehört, die neben Menschen und Elfen diese Welt bevölkerten? Rasch schnellte das Augenmerk des Rothaares in Richtung Grund und Boden, während sie den Knoten, der zuvor mit den Armen gebildet wurde, löste und die linke Hand in die Hüfte stemmte. Sie war verwirrt, sichtlich verwirrt und daran konnte auch nicht gerüttelt werden. Lag es vielleicht an ihrer Herkunft? Ihrer Vergangenheit? Ihrer Vergangenheit, an die sie sich seit Jahren schon nicht mehr erinnern konnte? Immerhin handelte es sich bei ihr höchstpersönlich um eines dieser Wesen, wenn auch nur zu einem gewissen Anteil. Sie kannte es nicht anders. Es war selbstverständlich. Und die skeptische Reaktion des eventuellen Flüchtlings? Die war unverständlich. Für Raven unverständlich - Wie sollte es auch anders sein? »Hmmm..«, gab sie schließlich von sich, nahm eine nachdenklichere Pose ein, um ihren Denkprozessen ein wenig Nachdruck zu verleihen. Wie sollte man es der Frau auf möglichst schonende Weise erklären? Doch bevor sie überhaupt dazu kam...
    »Noch mehr?«, wiederholte die Blauäugige und hob eine Augenbraue an. Kannte das Gegenüber die gemeinten Kreaturen also doch? Das Augenmerk des Halbphönixes wandte sich dem hohen Schutzwall zu, es entfloh ein knapper Seufzer ihrer Kehle, und fuhr schließlich mit einer sarkastischen Unternote fort: »Heh... Was da draußen ist... ist wenig« Wenig. Im Vergleich der gesamten, weiten Welt? Ganz gewiss! Doch wenig? Die schiere Zahl der "blutrünstigen Bestien" - wie so mancher Mensch sie gerne einmal bezeichnete -, die der Fluchttrupp Alvernas im dem finsteren Gehölz vorgefunden hatte, nein, die sie alleine schon vor dem Betreten des Waldes zu begutachten hatten... Nein, das war alles andere als wenig. Es war eine Masse, eine überwältigende, angriffslustige Masse.

  • In den Augen eines Fremden würden die beiden sicherlich einen komischen Eindruck hinterlassen. Und das nicht nur, weil eine von ihnen ein Nachthemd trug, nein. Da standen zwei Frauen, die sich äußerlich so ähnelten, dass man sie für Schwestern halten könnte. Sie sprachen miteinander, aber - und jetzt kommt das Komische - sie sahen sich einander nicht an. Was in anderen Augen als »seltsam« oder sogar als »unhöflich« gewertet würde, empfand Illuminator sogar als angenehm. Fremden sah sie ungern in die Augen, demzufolge mochte sie es auch nicht, wenn man sie anstarrte. Einen besseren Gesprächspartner konnte sie sich also momentan nicht wünschen.
    Da es sich bei dem Nachthemd der Bezopften um ein weißes, kurzärmliches Exemplar handelte, schlang sie die nackten Arme unwillkürlich um den Körper, als eine leichte Brise aufkam. Wenige Sekunden verharrte sie so, bis es ihr auffiel und sie die Arme wieder nach unten gleiten ließ. Was ist los mit dir? Am Himmel hast du viel kälteren Temperaturen standgehalten! Ein solcher Windhauch dagegen ist ja gar nichts! Wobei man hinzufügen muss, dass sie am Himmel nie ein kurzärmliches Nachthemd getragen hatte - konnte man das dann noch vergleichen? Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf, was machte sie bloß? Die stickige Luft hier unten machte sie noch ganz kirre. Sie brauchte bessere Luft, frischere Luft! Die frischeste Luft, die ihre Lungen je verbraucht hatten: Die am Himmel. Einen freien Kopf brauchte sie, ja. Einen freien Kopf. Zum Nachdenken. Mhm.
    Illuminator wendete sich ab, einen Moment. Dann erhob die fremde Frau wieder die Stimme, sie schien verwirrt zu sein. Ohne diese anzusehen legte die ehemalige Pilotin den Kopf schief. Sie schwieg, wartete, dass die Fremde weiterreden würde. Was sie letztendlich auch tat: Draußen ist wenig, hatte sie gesagt. Wenig? Wie wenig ist wenig? Sehr wenig? Im Sinne von eins, zwei? Drei, vier? Fünf, sechs? Ab wann sind es »mehr«? Was für eine Definition! »Wenig«!
    Eine Augenbraue erhoben reckte Illuminator den Hals Richtung Tor. »Dann ist ja gut ...«, sagte sie, womit sie sich auch von der Frau verabschiedete und Schritt für Schritt zum Tor ging. Wenig? Wenig ist nicht viel! Was soll ihr also passieren? Wenig! Ja, ihr würde wenig passieren, wenn etwas passierte, falls etwas passieren sollte ... W-e-n-i-g! Illuminator sagte es sich gedanklich so häufig, dass sie es bald glaubte.


  • Als die beiden Wächter das Badehaus verließen standen bereits die Sterne am Himmel. Ist es wirklich schon so spät? Die gemeinsame Zeit mit ihrem Kollegen war unheimlich schnell vergangen, es war später als sie erwartet hatte, aber schließlich hatte es auch Spaß gemacht, das musste sie sich eingestehen. Neckereien zwischen ihnen waren zwar nicht ausgeblieben, aber sie hatten kein einziges böses Wort miteinander gewechselt. Wenn das nicht ein gewaltiger Fortschritt war! Jetzt blieb nur zu hoffen, dass sich das bis Morgen nicht wieder normalisierte, sonst würde ihre geplante Aktion wohl im Fiasko enden und das könnte sie noch weiter in ihrer gemeinsame Entwicklung zurück werfen, als wie sie angefangen haben. So etwas Frieden unter ihnen war ja wirklich ganz schön. Das Badehaus war ein ganz schönes Stück Fußweg von ihrem Heim entfernt, doch sie waren trotzdem ziemlich schnell dort angekommen. „Gut, dann bis Morgen! Pünktlich, 8 Uhr, nicht vergessen!“ Warnend drohte Forté ihm mit ihrem Zeigefinger, ehe sie sich herumwund und ohne einen Blick zurück zu werfen in ihren und Kiels Teil des Haus marschierte. Jetzt, wo sie alleine war, spürte sie wie müde sie eigentlich war. Sie schaffte es sich gerade noch ihr Nachthemd anzuziehen, ehe sie todmüde ins Bett fiel und im Traum den Tag Revue passieren ließ.

  • #5 - {Raven & Illuminator}


    »Dann ist ja gut...«
    , so lauteten jene eindeutigen, äußerst verständlichen Worte, welche das Gegenüber von sich gab. Es waren Worte des Abschieds, so viel konnte Raven sich aus der Tonlage der Anderen erschließen, doch dieses kleine Häufchen an Informationen... Nun, wozu sollte es dienen? Ein Abschied. Abschiede waren gewöhnlich, besonders für die Halbelfe, die seit Anbeginn ihrer Zeit - oder eher mit dem Anfang ihrer wenigen Erinnerungen - bereits so einige Leute kennenlernen durfte, sich aber auch von ihnen trennen musste. Ein ganz gewöhnlicher Abschied zweier Menschen, die soeben erst die ersten Worte gewechselt hatten - Was war da so unglaublich ungewöhnlich? Gab es überhaupt etwas, das aus der Reihe tanzte? Der Blick der Rothaarigen löste sich mehr oder minder ungewollt von der vermeintlich irren Dame und glitt langsam in Richtung Grund und Boden. Noch immer waren da die klitzekleinen Grasflächen, auf denen sie standen, auf denen sie sich einen Platz zum Stehen schufen - Eben ganz und gar gewöhnlich. Sogleich erblühte die winzige Knospe eines mulmigen Gefühles, verwandelte sich in eine beachtenswert große Blüte eines noch stärkeren Gefühles und breitete die Samen schlussendlich in dem gesamten Körper der Blauäugigen aus. Gedanklich ging sie jenen unbedeutenden Satz, der des Gegenübers, mehrmals durch, immer und immer wieder, wenngleich er doch eigentlich sinnlos war. Warum also beschäftigte es sie auf eine derartige Weise? Und dann... Erneut hob das junge Fräulein, das zurzeit ein Gebäude wie eine Schmiede ihr stolzes Heim nannte, ihr Haupt und sah innerlich wahrlich schockiert der (ehemaligen) Gesprächspartnerin hinterher.
    Ihr Blick verfolgte die Nachthemdträgerin auf dessen Wege, ein Weg, der zum mächtigen Wall, zu seinen Pforten führen sollte, ein Weg, der für so manchen Dorfbewohner sicherlich mit Trauer und Verderben gepflastert war, oder schlichtweg ein Weg, der mit Sicherheit keine guten Ereignisse mit sich bringen sollte. »H-Hey..!«, gab das Halbwesen dementsprechend schnell und laut von sich, bewegte sich mit schnellen Schritten zu derjenigen, die letztlich vor dem massiven Tor stand, »Ich sagte doch, du wirst zu Monsterfutter verarbeitet werden!« Die Miene der Erwachsenen hatte unbewusst einen ernsten Hauch angenommen, als diese nach einem Arm der Unbekannten griff und sie unsanft zurückzuziehen versuchte. Mittlerweile war der Dame auch eingefallen, was ihr denn so derartig seltsam vorkam, doch dies spielte in jenem Moment eine durchaus unrelevante Rolle - Es sei denn, die Tatsache, dass Raven keine besondere Stimmungslage oder dergleichen aus dem Satz herausfiltern konnte, ließ sich als "Wichtig" abstempeln. Was folgte war ein anschließendes Räuspern, man lockerte den Griff um den Arm der allem Anschein nach Namenlosen und zog die Hand schnell in Richtung Mund, dabei den Blick von der vor ihr stehenden Person abgewandt und stattdessen zur freien Seite - der ohne Einzäunung - gerichtet. »Entschuldigung« - Die Worte, die Raven damit von sich geben wollte, und zugleich die Worte, die sie in ebenjenem Augenblick nicht von sich geben wollte. Nein, anstelle dessen schwieg sie und vermied jedweden Blickkontakt. Sie hatte ihre Stimme erhoben, lauter als zuvor, lauter als ursprünglich gewollt, erhoben für eine völlig fremde Person, einer Person, dessen Name ihr unbekannt war, einer Person, die im Nachthemd durch Trampoli irrte. Wie also hätte sie dies ändern sollen? Immerhin hätte ihr ungewollter Sarkasmus einen anderen Menschen fast in die Krallen des Dämmerwaldes gestoßen! Vielleicht... Nein, ganz gewiss war, dass Raven ihre vorige Aussage revidieren und verbessern musste: »Wenig. Oh ja, das ist wenig. Weniger als vorher - Und dennoch genug um einer... unbewaffneten Person...« Die Halbblütige verstummte noch bevor sie ihren Satz beendete. Es fiel ihr schwer, dies zu sagen, dies zuzugeben. Da draußen waren Monster, Kreaturen, wie sie, Lebewesen. Schon bei der Flucht wollte sie nicht kämpfen - Sie glaubte an die Friedlichkeit dieser "blutrünstigen Bestien", wenngleich sie auch durchaus wusste, wann man sich zu verteidigen hatte, wie gefährlich sie werden konnten. Es fiel ihr schwer, einer anderen, in einer komplett neuen Welt gelandeten Person gleich ein Mordwerkzeug und dergleichen anzuraten, nur, um vor lauter Blindheit diese Lebewesen zu verletzten. Raven biss sich auf die Unterlippe, versuchte zeitgleich jedoch, sich nichts oder zumindest möglichst wenig anmerken zu lassen. Dabei entschloss sie sich dazu, das Sätzchen unbeendet zu lassen, wie die ausgebüchste Dame es zu deuten hatte, war demnach ihr selbst überlassen.
    Letztlich fand das Augenmerk der Amnesiepatientin dann doch wieder seinen Weg zu der Gestalt in Abendtracht, ehe es mit einem leisen Murmeln von wegen »Und sowieso... Was willst du da überhaupt...« abermals abgezogen wurde. Blickkontakt? Nun, es schien doch mehr als offensichtlich, dass dieser für beide anwesenden Persönlichkeit fehl am Platze, ja sogar unangenehm wirkte. Wer schrieb einer Person denn auch schon vor, dass bei einem Gespräch stetigen Blickkontakt halten musste?


    // Oh Gott, noch einmal eine große Entschuldigung für die Wartezeit >o<

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