[Am Brunnen] Marlin & Yumi
Seine Antwort kam schnell. Zu schnell beinahe wenn man es so haben wollte. Gefühlt war kein Wimpernschlag vergangen seit sie etwas genauer nachgehakt hatte. Deshalb stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen, die dennoch verschlossen blieben und seine rasche Antwort nicht kommentierten. Stattdessen wanderte der Blick ihrer blauen Augen forschend über sein Gesicht - fast so als könne sie hinter seine Worte sehen was natürlich Schwachsinn war. Sie kannten einander schließlich kaum bis gar nicht. Dennoch kam sie nicht drumrum sich Gedanken zu seiner Geschichte zu machen. Zumindest zu dem Teil, den er ihr gerade eben verraten hatte. Ob es nun der Wahrheit entsprach oder auch einfach nur Show war. Vielleicht entsprachen seine Worte der Wahrheit und er war das erste Mal hier in dieser Stadt. Vielleicht war das Mädchen, dass ihm offensichtlich nicht loslassen konnte eine Stalkerin und war ihm gefolgt. Vielleicht aber, und das war wesentlich wahrscheinlicher, zog es ihm einfach in die Gegend, die er mit ihr und dem gemeinsamen Kind verband. Vielleicht konnte er nicht loslassen und suchte deshalb ihre Nähe. Sie biss sich auf die Unterlippe und dachte daran wieso sie eigentlich wieder zurückgekommen war. Weil sie Alex nicht loslassen konnte? Weil sie immer noch an dem was sie hatten hing? "Dann ist es Zufall, dass ihr euch wieder getroffen habt? Wirklich?" Ein amüsierter Laut kam ihr über die Lippen, unsicher ob sie über die Situation des Namenlosen lachte oder über ihre, die im Grunde nicht unähnlich war nur das es in ihrem Fall glücklicherweise kein Kind gab. Gütiger Gott das würde ja noch fehlen. "Dann hast du aber ganz schönes Pech mein Lieber..." Sie ließ nicht durchblicken ob sie seine Worte hinterfragte - ob sie sich darüber lustig machte oder ob sie es wirklich für einen unglücklichen Zufall hielt. Yumi ließ sich nicht in die Karten schauen als sie sich eine störende Haarsträhne aus dem Gesicht strich. "Ja, es ist wohl besser so..." fügte sie doch mit einem Hauch Wehmut seiner Aussage hinzu. Nicht unbedingt weil sie das Studium und den daraus folgenden Job missen würde. Vielmehr weil sie so zumindest nicht um einen Schlafplatz bangen hatte müssen. Es war absehbar gewesen bei ihrem Lebensstil und doch kam das Ende der ganzen Misere früher als geglaubt. Sie spürte seinen Blick auf sich aber erwiderte ihn nicht. Vielleicht weil sie nicht zufiel Preis geben wollte. Keine Angriffsfläche bieten wollte auch wenn sie von einem Menschen, den sie kaum kannte nichts zu befürchten hatte - er nicht nah genug war. Erst als er einen Vergleich zu sich zog hob das Blondchen den Kopf und begegnete seinen Blick. "Bist du zufrieden mit deinem Weg?" fragte sie schließlich und war ein wenig überrascht wie ungewohnt ernsthaft dieses Gespräch geworden war. Sie wusste nicht wie sein Weg aussah. Was er beruflich machte und worin seine Erfüllung lag. Sie musste es nicht wissen. Vielleicht verstieß das Wissen darum sogar gegen einen unausgesprochenen Pakt zwischen ihnen. Einen Pakt den Anderen auf Abstand zu halten weil es so leichter war über all diese Dinge zu reden oder zu schweigen. "Ich will einfach nicht ständig das Gefühl haben Fehl am Platz zu sein und das Ganze so lange manipulieren zu müssen damit mir die Entscheidung abgenommen wird..." Ihre Augen weiteten sich etwas bei dieser Aussage als könne sie selbst nicht glauben was sie da gerade gesagt hatte. Einem Fremden überhaupt. Sie schüttele den Kopf und wandte sich ab nur um ihren Blick über die Innenstadt gleiten zu lassen. Erneut klemmte sie sich die Zigarette, die sie immer noch in der Hand hielt, zwischen die Lippen und nahm einen kräftigen Zug bevor sie sie neben sich an der Mauer löschte. Sie schloss die Augen und genoss die beruhigende Wirkung des Nikotins.