[Irgendwo zwischen Tür und Angel] Cedric & Alessa
Die Umarmung zwischen den Beiden Geschwistern fühlte sich fremd an. Sie hatte nichts inniges an sich und einen Moment überlegte Alessa sogar ob vielleicht zu viel passiert war - sie sich entfremdet hatten und deshalb zu dieser Art von Nähe nicht mehr in der Lage waren. Eine Nähe wie sie in einer Familie doch normal sein sollte und doch musste sich das Blondchen wohl eingestehen, dass sie das vielleicht gar nicht waren. Nie. Vielleicht war es nicht allein ihre Schuld gewesen - hatten doch auch ihre Eltern einen Beitrag dazu geleistet, dass dieses Gefühl verblasst war. Aber nun waren sie in einem Alter, wo jeder für sich entscheiden konnte - richtig? Und das hatten sie auch getan. Jeder hatte sich für sich selbst entschieden und dem Anderen den Rücken zugedreht - aus seinem Leben ausgeschlossen. Sie gab ihm die Schuld für sein mangelndes Interesse - schob sich wieder in die Rolle des Nesthäckchens auch wenn diese Rolle doch in Wirklichkeit längst verjährt war. Auch Alessa entspannte sich etwas als die Anspannung in Cedrics Körper nachzulassen schien - er ihre Umarmung erwiderte - ihren schlanken Körper näher an sich zog und sie mit seiner Wärme umhüllte. Sie schloss die Augen und sog seinen vertrauten Duft ein. Es war zwar eine halbe Ewigkeit her aber ihr Bruder roch immer noch nach Zuhause. Ihre Augen füllten sich unweigerlich mit Tränenflüssigkeit aber sie blinzelte diese geschickt weg, verhinderte irgendwie, dass sie sich ihren Weg über ihre Wangen bahnen konnten. Ein Wiedersehen war doch eigentlich etwas erfreuliches, oder nicht? Warum also war ihr nach Weinen zu Mute? Freudentränen? Vielleicht. Vielleicht gab Cedric ihr aber auch einfach nur das Gefühl von Zuhause. Ein Gefühl, welches nie wirklich aufgekommen war seit sie hier in Riverport lebten. Nicht zuletzt weil Ihr Papa seit dem die Welt bereiste und sie hier nur für sich war. Natürlich hatte sie auch ihre beste Freundin aber... das war eine andere Geschichte. Bewusst versuchte das Blondchen den Gedanken an Hina zu verdrängen auch wenn das gewiss schwerer war als sie es sich vorgestellt hatte. Die Stimme ihres Bruder riss Alessa jedoch wieder aus den Gedanken - beförderte sie schlagartig ins Hier und Jetzt. Seine Stimme klang schwach - erschöpft - abgekämpft. Seine Worte waren nichtssagend aber so war er schon immer gewesen. Cedric war niemand der aus dem Nähkästchen plauderte. Man hatte ihm schon immer alles aus der Nase ziehen müssen wenn man an Informationen heran wollte. Gerade wollte Alessa ihn dafür schelten als sie das Beben seines Körpers bemerkte. Gefolgt von einem Schluchzen. Er weinte. Die roten Augen der Schülerin weiteten sich bei dieser Erkenntnis ein wenig bevor sie besorgt die Augenbrauen zusammenzog. Ihre Lippen öffneten sich einen Spalt aber schon im nächsten Moment schloss sie diese wieder weil ihr einfach die Worte fehlten. Wo setzte man an wenn das Einzige was man aus dem Anderen herausbekam ein 'ich weiß nicht' war. Unbewusst festigte das Blondchen die Umarmung, krallte sich im Stoff seines Hemdes fest als wäre sie es die Halt brauchte dabei war es doch eigentlich andersherum. "Cedric..." Ihre Stimme klang sanft. Fast wie eine Streicheleinheit. In ihr wohnte so viel Gefühl. Gefühle, die sie so nicht in Worte fassen konnte. Noch nicht. Stattdessen hielt sie ihren großen Bruder einfach nur fest. War wortlos für ihn da. So wie sie es schon viel früher hätte sein sollen denn offensichtlich war unbeschreiblich viel vorgefallen. Sonst wären sie jetzt nicht hier. Sonst wäre er nicht so am Boden.
Wie lange sie stillschweigend in dieser Position verharrt waren vermochte Alessa schlussendlich nicht zu sagen. Irgendwann war sein Schluchzen weniger geworden. Irgendwann waren die Tränen versiegt, die er nach wie vor an ihrer Schulter versteckte. Irgendwann hatten sie einander losgelassen und irgendwann waren sich ihre Blicke begegnet. Seine Augen waren glasig. "Was kann ich tun?" fragte das Mädchen schließlich, fühlte sich unfassbar hilflos in dieser Situation und wahrscheinlich war ihm das auch nicht verborgen geblieben. Welche Fragen waren die richtigen? Welche würde er ihr beantworten? Wollte er das überhaupt? Sie wollte für ihn da sein aber ihn nicht bedrängen. Sie wollte wissen was Sache ist aber nicht mit der Tür ins Haus fallen. Alessa knabberte nervös an ihrer Unterlippe, wich seinem Blick aus und schob die Unterlippe schließlich vor. Mann, in diesen Dingen war sie noch nie gut gewesen. "...tut mir Leid, dass ich es dir zusätzlich schwer gemacht habe..." Das Wissen darum das man selbst ziemlich biestig sein konnte war auch nicht immer leicht zu ertragen. Besonders dann nicht wenn man den Falschen damit erwischte. Sie knibbelte nervös an ihren Fingern und hob ihren Kopf schließlich wieder - strich sich folgend eine lose Haarsträhne hinters Ohr und suchte die blauen Augen ihres Bruders. "Willst du...mir erzählen was passiert ist?" fragte das Blondchen schließlich zögerlich und wusste dabei selbst nicht ob sie überhaupt bereit dafür war. Aber es war leichter sich Sorgen zu teilen, oder nicht?