Königstraße 10: Haus von Matthias & Alessa

  • [Irgendwo zwischen Tür und Angel] Cedric & Alessa

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    Die Umarmung zwischen den Beiden Geschwistern fühlte sich fremd an. Sie hatte nichts inniges an sich und einen Moment überlegte Alessa sogar ob vielleicht zu viel passiert war - sie sich entfremdet hatten und deshalb zu dieser Art von Nähe nicht mehr in der Lage waren. Eine Nähe wie sie in einer Familie doch normal sein sollte und doch musste sich das Blondchen wohl eingestehen, dass sie das vielleicht gar nicht waren. Nie. Vielleicht war es nicht allein ihre Schuld gewesen - hatten doch auch ihre Eltern einen Beitrag dazu geleistet, dass dieses Gefühl verblasst war. Aber nun waren sie in einem Alter, wo jeder für sich entscheiden konnte - richtig? Und das hatten sie auch getan. Jeder hatte sich für sich selbst entschieden und dem Anderen den Rücken zugedreht - aus seinem Leben ausgeschlossen. Sie gab ihm die Schuld für sein mangelndes Interesse - schob sich wieder in die Rolle des Nesthäckchens auch wenn diese Rolle doch in Wirklichkeit längst verjährt war. Auch Alessa entspannte sich etwas als die Anspannung in Cedrics Körper nachzulassen schien - er ihre Umarmung erwiderte - ihren schlanken Körper näher an sich zog und sie mit seiner Wärme umhüllte. Sie schloss die Augen und sog seinen vertrauten Duft ein. Es war zwar eine halbe Ewigkeit her aber ihr Bruder roch immer noch nach Zuhause. Ihre Augen füllten sich unweigerlich mit Tränenflüssigkeit aber sie blinzelte diese geschickt weg, verhinderte irgendwie, dass sie sich ihren Weg über ihre Wangen bahnen konnten. Ein Wiedersehen war doch eigentlich etwas erfreuliches, oder nicht? Warum also war ihr nach Weinen zu Mute? Freudentränen? Vielleicht. Vielleicht gab Cedric ihr aber auch einfach nur das Gefühl von Zuhause. Ein Gefühl, welches nie wirklich aufgekommen war seit sie hier in Riverport lebten. Nicht zuletzt weil Ihr Papa seit dem die Welt bereiste und sie hier nur für sich war. Natürlich hatte sie auch ihre beste Freundin aber... das war eine andere Geschichte. Bewusst versuchte das Blondchen den Gedanken an Hina zu verdrängen auch wenn das gewiss schwerer war als sie es sich vorgestellt hatte. Die Stimme ihres Bruder riss Alessa jedoch wieder aus den Gedanken - beförderte sie schlagartig ins Hier und Jetzt. Seine Stimme klang schwach - erschöpft - abgekämpft. Seine Worte waren nichtssagend aber so war er schon immer gewesen. Cedric war niemand der aus dem Nähkästchen plauderte. Man hatte ihm schon immer alles aus der Nase ziehen müssen wenn man an Informationen heran wollte. Gerade wollte Alessa ihn dafür schelten als sie das Beben seines Körpers bemerkte. Gefolgt von einem Schluchzen. Er weinte. Die roten Augen der Schülerin weiteten sich bei dieser Erkenntnis ein wenig bevor sie besorgt die Augenbrauen zusammenzog. Ihre Lippen öffneten sich einen Spalt aber schon im nächsten Moment schloss sie diese wieder weil ihr einfach die Worte fehlten. Wo setzte man an wenn das Einzige was man aus dem Anderen herausbekam ein 'ich weiß nicht' war. Unbewusst festigte das Blondchen die Umarmung, krallte sich im Stoff seines Hemdes fest als wäre sie es die Halt brauchte dabei war es doch eigentlich andersherum. "Cedric..." Ihre Stimme klang sanft. Fast wie eine Streicheleinheit. In ihr wohnte so viel Gefühl. Gefühle, die sie so nicht in Worte fassen konnte. Noch nicht. Stattdessen hielt sie ihren großen Bruder einfach nur fest. War wortlos für ihn da. So wie sie es schon viel früher hätte sein sollen denn offensichtlich war unbeschreiblich viel vorgefallen. Sonst wären sie jetzt nicht hier. Sonst wäre er nicht so am Boden.

    Wie lange sie stillschweigend in dieser Position verharrt waren vermochte Alessa schlussendlich nicht zu sagen. Irgendwann war sein Schluchzen weniger geworden. Irgendwann waren die Tränen versiegt, die er nach wie vor an ihrer Schulter versteckte. Irgendwann hatten sie einander losgelassen und irgendwann waren sich ihre Blicke begegnet. Seine Augen waren glasig. "Was kann ich tun?" fragte das Mädchen schließlich, fühlte sich unfassbar hilflos in dieser Situation und wahrscheinlich war ihm das auch nicht verborgen geblieben. Welche Fragen waren die richtigen? Welche würde er ihr beantworten? Wollte er das überhaupt? Sie wollte für ihn da sein aber ihn nicht bedrängen. Sie wollte wissen was Sache ist aber nicht mit der Tür ins Haus fallen. Alessa knabberte nervös an ihrer Unterlippe, wich seinem Blick aus und schob die Unterlippe schließlich vor. Mann, in diesen Dingen war sie noch nie gut gewesen. "...tut mir Leid, dass ich es dir zusätzlich schwer gemacht habe..." Das Wissen darum das man selbst ziemlich biestig sein konnte war auch nicht immer leicht zu ertragen. Besonders dann nicht wenn man den Falschen damit erwischte. Sie knibbelte nervös an ihren Fingern und hob ihren Kopf schließlich wieder - strich sich folgend eine lose Haarsträhne hinters Ohr und suchte die blauen Augen ihres Bruders. "Willst du...mir erzählen was passiert ist?" fragte das Blondchen schließlich zögerlich und wusste dabei selbst nicht ob sie überhaupt bereit dafür war. Aber es war leichter sich Sorgen zu teilen, oder nicht?

  • [Cedric] & Alessa | Küche


    Eine kleine Ewigkeit verstrich. Ein Moment, in dem allen Anschein nach nichts passierte, doch der Schein trügte. Gehalten und gehalten zu werden, zu fühlen und sich seinen Emotionen hinzugeben, war unfassbar wertvoll. Kinder tun das stets, doch mit der Zeit lernen wir unsere Gefühle klein zu halten, vor der Welt zu verschließen, rational statt emotional zu handeln - am Ende jedoch haben wir dadurch nichts gewonnen.

    Und so ging es auch Cedric, als Alessa ihn hielt und er sie umarmte. Dass er nicht sagen konnte, wie lange sie da standen, dass er in dem Moment kaum wahrnahm, wo er sich befand, dass alles was zu ihm durchdrang die Nähe zu seiner Schwester war, die er ausgeschlossen und doch so vermisst hatte und wie gut es überhaupt tat, Nähe zu jemanden aufzubauen und sich nicht vor allem und jedem zu verschließen. Er hatte es vergessen, wie hatte er das nur vergessen können? Wie hatte er sich nur so sehr isolieren können, wo es doch eine solche Wohltat war sich mit anderen auszusprechen? Aber so kam es oft - wir begeben uns auf einen Weg, ganz unbewusst und wenn wir einmal aufsehen, innehalten, wissen wir nicht wie wir in die Situation geraten konnten, haben vergessen was uns wichtig ist und sind uns nicht im Klaren darüber, was wir brauchen.

    Cedric bemerkte kaum die eigenen Tränen, bis sie schließlich weniger wurden. War innerlich nur so froh, dass Alessa geduldig mit ihm blieb, dass sie überhaupt für ihn da war. Dass ihr nicht entgangen war, wie viel tiefer diese eine, einfache Aussage - Mir geht's nicht so gut - reichte. Und allein das rechnete er ihr hoch an, denn wie viele andere hätten das lediglich abgewunken?

    Ein leises Seufzen entfloh seinen Lippen, als sie die Umarmung schließlich löste, denn am liebsten hätte er ewig ausgeharrt. Ein kleines, sicheres Nest - sich nicht der Welt stellen wollend. Aber so funktionierte das Leben nunmal - es gab nur ein stetes weiter, selbst wenn es Zeiten gab, die so schienen, als würden sie stehen bleiben.

    Die ersten, vorsichtigen Fragen ihrerseits. Sie stürmte nicht auf ihn ein, sondern fragte ihn vielmehr was er brauchte. Obwohl er darauf keine Antwort wusste, schätzte er sie ungemein. Jemand der da war. Jemand, der zuhören wollte. Cedric strich sich mit der Hand über die Augen, um die Tränenreste fortzuwischen, während er versuchte seine Gedanken zu sortieren. Zumindest grob, denn so leicht ließ sich der Knoten im Kopf nicht lösen. Er fühlte sich erschöpft, aber anders als zuvor. Wärmer. Sicherer. Ausgelaugt statt abgekämpft. Und nicht mehr so, als würde er ein Mienenfeld betreten, und jede Bewegung oder Aussage überdenken müssen. Vielleicht... vielleicht könnten sie wieder zueinander finden?

    Cedric zog sich einen Küchenstuhl heran, weil er seinen Beinen nicht unbedingt traute. Als würden in der kurzen Zeit, seitdem er hier war - seitdem er sich für das Leben entschieden hatte - die Emotionen regelrecht durch ihn hindurch fließen und alles in ihm aufwirbeln. Das war verdammt anstrengend.

    Er presste kurze die Augen zusammen, als sie sich entschuldigte. "Nicht.", unterbrach er sie. Es war nicht richtig. Wie sollte sie auch reagieren, wenn plötzlich jemand vor der Tür stand, der ewig nichts von sich hatte hören lassen, insbesondere wenn es der eigene Bruder war? Familie? Keine Ahnung, wie er- oh. Sein Magen machte eine Umdrehung, als eine Erinnerung in ihm hochkroch. Ran, die nach Jahren wieder aufgetaucht war. Ran, die plötzlich vor ihm gestanden hatte, als wäre sie nie weg gewesen. Die keine Ahnung hatte, was zwischenzeitlich in ihm vorgegangen war. Du hättest dich nur mal zu melden brauchen! Ein schmerzhafter Stich breitete sich in seinem Herzen aus. "Ich hätt genauso reagiert.", fügte er matt hinzu, "Ich-," Er rieb sich die Schläfen, nach Worten suchend. Ja. Ja, er wollte seiner Schwester erzählen was passiert war. Keine Ahnung, ob er das überhaupt verdient hatte - hast du nicht - aber er wollte. so. sehr. Nicht länger alleine sein.

    Sein Mund öffnete sich, er wollte sich ihr anvertrauen, wollte erzählen - vielleicht nicht alles, sicher nicht alles, aber genug. Sich erklären. Und er blieb stumm. Als wollte alles gleichzeitig aus ihm herausbrechen, stauten sich Gefühle, Gedanken, Erinnerungen in ihm auf, verknoteten sich, gerieten durcheinander. Es machte alles keinen Sinn. Keinen Sinn. Ihm ging es nicht ganz so gut. Das war ein Fakt, oder? Aber was fehlt dir denn? "Ich-" Mir. Was fehlt mir? "Krieg's gerade nicht so gut hin." Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich weiß nicht was mir fehlt. Warum verwischten die Tage so ineinander, warum waren sie so leer, warum war er so leer?

    Beiläufig nahm er wahr, dass sich die Muskeln seines Körpers erneut angespannt hatten. Bereit zur Flucht, als könnte er immer vor seinen Problemen weglaufen. Bewusst atmete Cedric aus, zwang sich, sich etwas zu lösen und blickte in Alessa's jugendliches Gesicht. Stück für Stück. Es musste nicht alles jetzt, gleich, sofort sein. Fühlte sich auch falsch an, Alessa sofort mit seinen Nöten zu belasten. "Sorry. Ist nicht so einfach." Du stellst dich auch echt blöd an. Was soll so schwer sein? Worte, Ced, fang an Worte zu benutzen - Ich versuch's. "Willst du vielleicht anfangen...?" Feigling! Nein, nein, er wollte ehrlich wissen wie es ihr ging. Ergangen war. Was sie beschäftigt hatte, was sie belastete. Alessa hatte vorhin angedeutet, sie hätte ihre Brüder gebrauchen können. Das schlechte Gewissen regte sich erneut. Sie war so erwachsen geworden. Ob sie das hinbekommen würden?


    26.03.2023

  • [Irgendwo zwischen Tür und Angel] Cedric & Alessa

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    Das Seufzen, welche seine Lippen verließ klang gequält. Nicht im Sinne von das ihre Frage ihn störte sondern vielmehr, dass das Thema ihn zu erdrücken schien - schwer auf seinen Herzen lastete. Forschend tastete der Blick ihrer roten Augen sein Gesicht ab - tauchten in seine blauen Augen ein, die nicht mehr das Strahlen hatten wie früher. Früher war ein dehnbarer Begriff keine Frage. Aber in ihrem Kopf gab es da eine Version ihres Bruders, die nicht von Melancholie begleitet wurde. Natürlich war er der Zwilling, der sich immer mehr Gedanken gemacht hatte als sein Bruder. Wenn Simon denn überhaupt nachdachte. Er war immerhin eher derjenige, der Dinge aus einer Laune heraus tat während Cedric wohl eher zur Kategorie Mensch zählte, der sich zu viele Gedanken machte. Das strahlte er auch aus - hatte seit jeher immer mehr zu spaßeigen Dingen motiviert werden müssen. Und dennoch war da eine Traurigkeit in seinen Augen, die weit über diese für ihn bekannte Melancholie hinausging. Was war nur geschehen? Was war geschehen, dass er sich so verirrt hatte. Die Augenbrauen des Mädchens zogen sich zusammen und sie fühlte sich schlecht, dass sie ihm die kalte Schulter gezeigt hatte - das sie ihn all den Zorn hatte spüren lassen der eigentlich auch ihrem Papa und Simon und ihrer Mama gegolten hatte. Er wischte die Tränen fort und doch waren sie noch deutlich zu sehen. Vielleicht nicht für jeden aber für seine Schwester ganz sicher. Cedric nahm auf einem Küchenstuhl Platz und nachdem Alessa ihr Glas Wasser geschnappt hatte und den Pizzakarton ebenfalls tat sie es ihm gleich. Sie setzte sich auf ein Bein während das andere hinunter baumelte. Wortlos deutete sie dem Anderen das er sich ebenfalls an dem fettigen Essen bedienen konnte. Gesellschaft vertrieb immerhin ihre trüben Gedanken. Besser als es eine ganze Pizza konnte. Er stoppte ihren Versuch einer Entschuldigung. Einen jämmerlichen Versuch zugegebenermaßen. Damit konnte man ihm das Gefühl des 'Nachhause kommens' auch nicht wieder zurückgeben. Abe im Grunde ging es ihr nicht anders. Zu keinem Zeitpunkt hatte sie hier besagtes Gefühl verspürt. Wie auch. Es war ja nie jemand hier außer sie selbst. Cedric versuchte es ihr glaubhaft zu machen, dass er wahrscheinlich gleich reagiert hätte in ihrer Situation. Unwahrscheinlich. Oder? Sie vermochte es irgendwie gar nicht zu beantworten denn irgendwie... kannte sie ihren Bruder überhaupt? So wie man seinen Bruder vielleicht kennen sollte. Zumindest wenn von beiden Seiten das Interesse da war. Aber war es das? Simon hatte kein Interesse daran das musste er ihr noch nicht einmal sagen - er ließ es sie spüren. "Du bist ja auch viel nachtragender als ich..." fügte Alessa schließlich scherzhaft hinzu und ihre Mundwinkel zuckten nach oben. Auf ihren Lippen erschien ein leichtes Lächeln. Vielmehr der Anflug davon. Vielleicht ein Versuch der Situation die Ernsthaftigkeit zu nehmen. Nicht das sie die Lage nicht Ernst nahm aber irgendwie war es beklemmend wie distanziert sie waren - von der Umarmung vorhin abgesehen. Alessa hatte das Gefühl das zwischen ihnen so eine große Distanz entstanden war aber vielleicht bildete sie es sich auch nur ein das sie sich früher näher gewesen waren - die Augen eines Kindes nahmen Situationen und Bindungen oft anders war. Er rang nach Worten - schien mit sich zu kämpfen. Bruchstücke kamen ihm über die Lippen. Zusammenhanglos. Alessas Blick wanderte erneut über sein Gesicht - sein ganzes Erscheinungsbild. Die Worte wollten nicht aus ihm heraus und für den Moment fragte sich die Blonde mit was er wohl zu kämpfen hatte, dass es nicht möglich war es auszusprechen. War er krank? Hatte er einen schrecklichen Fehler begangen? Ihre Gedanken rasten aber ihr Mund blieb stumm. Sie wollte keine wilden Spekulationen machen und doch konnte Alessa nicht anders als sich Gedanken darum zu machen. Das war doch auch irgendwie normal, oder? War das die Schuld ihrer Eltern? Weil sie ihnen nie Gelegenheit gegeben hatten ihre Gefühle auszusprechen? War es das? War es auf ihre Kindheit zurückzuführen, dass sie jetzt so verkorkst waren? Es war immerhin nicht so als hätte es viel Raum für ihre Gefühle gegeben. Es war selten Jemand hier um sich Sorgen anzuhören. Alessa knabberte an ihrer Unterlippe. "Ich weiß auch nicht..." Sie zuckte mit den Schultern. Vielleicht waren ihre Probleme Lappalien im Vergleich dazu was er mitgemacht hatte. Es fühlte sich nicht richtig an sie so groß anzuprangern wenn man nicht um di Sorgen des Anderen wusste und dennoch... vielleicht tat es gut all das einmal auszusprechen. "...wahrscheinlich sind es die normalen Sorgen mit denen man sich so plagt aber..." Sie machte eine Pause und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Es sollte kein Vorwurf sein und doch empfand sie so und vielleicht war es auch an der zeit es auszusprechen. "...irgendwie hätte ich gerne meine Brüder hier gehabt um mit ihnen darüber zu reden." Alessa sah zu Boden - sah ihm nicht direkt in die Augen. "Weißt du es ist nicht so schön in einem großen Haus allein zu sein. Ich fühle mich oft wirklich einsam und es ist wahrscheinlich idiotisch weil... wie viele Menschen würden alles dafür geben aber selbst all die Partys, die man so feiern konnte ohne das Mama oder Papa einem einen Strich durch die Rechnung machten. Es ist trotzdem irgendwie... so leer hier wenn alle anderen wieder gehen. Verstehst du...?" fragte sie vorsichtig und fragte sich ob er ihr jetzt eine Moralpredigt halten würde, dass sie keine Partys feiern durfte in ihrem Alter oder ob er sich vielleicht erinnerte wie es für ihn in dem Alter war auch wenn Cedric gerade was Partys anging wahrscheinlich der falsche Ansprechspartner war. "Versteh mich nicht falsch. Ich habe viele Freunde und so aber es ist... trotzdem etwas anderes..." Sie griff nach der Pizza und machte einen Bissen davon, füllte ihren Magen weil ihre Gedanken wieder in die Richtung einer speziellen Freundin abdrifteten. Hina. Sie war im Grunde ihr Lebensmittelpunkt. Seit so vielen Jahren und nun drohte sie diese Freundschaft in den Sand zu setzen weil sie so einen Blödsinn verzapft hatte. Konnte sie mit ihm darüber reden? Bei Darren hatte sie es nicht so recht geschafft - war eher vage geblieben was ihre Sorgen anging und nicht zu Letzt war es vielleicht auch besser so gewesen wenn man bedachte, dass er sie gegenüber seinem Mädchen als Fehler bezeichnet hatte. Sie schüttelte gedankenverloren den Kopf. Wie also sollte sie sich diesem Menschen weiterhin anvertrauen wenn das Vertrauen gleich Null war. Alessa schluckte. Die Pizza hinterließ einen bitteren Beigeschmack und das lag definitiv nicht an der Zubereitung sondern vielmehr an ihren Gedanken. Konnte sie ihm diese Dinge anvertrauen oder würde er über ihre kindischen Probleme nur lachen? Nicht auf die gemeine Art und Weise wie Simon es vielleicht getan hätte aber auf die belächelnde Art und Weise...?

  • [Cedric] & Alessa | Küche


    Alessa setzte sich zu ihm und bedeutete ihm stumm, sich ebenfalls vom Essen zu nehmen. Cedric reagierte nicht darauf. Der Geruch der fettigen Pizza rebellierte in seinem Magen und er wusste, er würde sowieso keinen Bissen hinunter bekommen.

    So gesehen war sein Bauch sowieso bereits gefüllt - mit Angst, Unsicherheit und Nervosität. Angst, weitere Fehler zu begehen, zu viel zu sein, Unsicherheit, ob er wirklich erwünscht war, ob Alessa, ob irgendwer, ihn wollte, wohin das alles führte, Nervosität, nicht absehen zu können was passierte. Nichts davon lag an Alessa und doch war sie ein Teil von vielen seines Lebens, welches aus den Fugen geraten war. Aber es ist nicht mehr leer. Er wusste nicht, ob diese negativ gezeichneten Emotionen wirklich besser waren als die Leere, die ihn bis vor... vor wenigen Tagen der engste Begleiter war, aber er hoffte es. Denn wenn er jene wieder spüren konnte, dann hatten auch positive Empfindungen eine Chance. Und er hatte schon einen flüchtigen Eindruck erhalten, nicht? Ein seltener Frieden, als seine Finger über die Tasten eines weißen Flügels tanzten.

    Als seine kleine Schwester das Wort ergriff, fand er es beinahe ironisch, wie sie ihn unbewusst zitierte. Sie wusste es nicht? Oh, das konnte er nur allzugut verstehen. Es war merkwürdig ihr zuzuhören. Nicht nur, weil er sie noch immer als Kind in Erinnerung hatte - ein Kind, welches nie den Rückhalt bekommen hatte, den es brauchte, weil niemand da war. Ein Kind, welches sie nun nicht mehr war. Die Wahrheit glitt als Stich durch sein Herz.

    Aber es war auch merkwürdig, weil ihre Worte ihm bekannt vorkamen, als würden sie auch ihm selbst entsprechen. Die normalen Sorgen, nichts verstörendes, nichts traumatisches, nur das was zum Leben halt so dazu gehörte. Das machte sie in keinster Weise weniger belastend. Die Einsamkeit, die einen umgarnte, obwohl man doch alles hatte. Diesmal war es Alessa, die ihn nicht direkt ansah, doch auch Cedric hielt den Blick lose in den Raum gerichtet, das Wasserglas fest in einer Hand und hörte ihr einfach nur zu. Danke, dachte er bei sich, Das du mich lässt.

    Vielleicht wäre er früher - wann auch immer früher war - entsetzt gewesen, bei dem Gedanken, dass seine süße kleine Schwester, sich hübsch machte, feierte und... und Dingen nachging, die er als großer Bruder vielleicht wirklich nicht so genau wissen wollte. Allerdings - wer war er, um über irgendwas zu urteilen? Vor allem in ihrer Situation, wenn sich keiner in ihrer Familie um sie kümmerte, warum nicht tun, was man wollte? Sie hatte zumindest versucht die Leere zu füllen. Er wand sich innerlich bei der Vorstellung.

    "Ich glaub-,", begann Ced langsam, durchbrach schließlich die Stille, die sich für einen Moment über sie gelegt hatte. Nicht unangenehm nur... Zeit lassend. Zeit, die sie sich endlich füreinander nahmen. "Ich versteh das gut."

    Es war seltsam, dass gerade Alessa's Kummer Nähe für ihn erzeugte. Eine traurige Nähe, nichtsdestotrotz ein kleines Stück Verbundenheit. Ihm lag eine erneute Entschuldigung auf den Lippen, dafür dass sie so fühlen musste, dass er sie alleine gelassen hatte, aber er schluckte sie herunter. Das würde in einem ewigen Kreislauf enden, der sie nicht weiterbrachte. Es ließ sich nicht ändern. Nur, wie es für sie beide weitergehen könnte, dass ließe sich entscheiden.

    Cedric drängte sich dazu fortzufahren. Wie sollte sie ihm seine Worte glauben, wenn er sich sonst nicht äußerte?

    "Ich fühl mich auch einsam.", wisperte er, "Auch wenn ich nicht alleine bin, im Wohnheim voll lauter bekannter Gesichter." Cedric zog die Beine mit auf den Stuhl und umfasste seine Knie. "Nur bin ich selber dran Schuld. Ich hab... Ich hab mich nicht nur von dir zurückgezogen." Es war hart, das zuzugeben. Der Kloß in seinem Hals schwoll erneut an, hinderte ihn daran weiter zu sprechen. Es war nicht so, als wäre das eine bewusste Entscheidung gewesen. Viel eher war sie Hand in Hand gegangen, zusammen mit den Gedanken, die ihm einflüsterten, dass sie ohne ihn besser dran seien, dass niemand ihn wirklich da haben wollte, dass seine Anwesenheit, seine bloße Existenz, für niemanden eine Rolle spielte.

    Hör auf. HÖR AUF! Cedric presste die Augen zusammen, vertrieb die Erinnerung, linste schließlich zu seiner Schwester. Simon und er waren damals zum Studieren nach Riverport gezogen, Matze hatte dann dieses Haus für sie erworben. Idiotisch, wie nah sie aneinander wohnen konnten und sich doch so fern waren. Ein Teil von ihm wollte sich damals auch los lösen, selbständig werden, unabhängig von einem Vormund. Aber diese Familie war wirklich nicht sonderlich gut darin, den Kontakt und die Nähe zueinander zu suchen und zu wahren, nicht?

  • [In der Küche] - Cedric & Alessa

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    Er reagierte nicht darauf als sie ihm etwas zu essen anbot und unweigerlich wanderte der Blick der Blonden besorgt über seine Gestalt als Ganzes. Stimmt. Er sah dünner aus. Ausgezerrt irgendwie. Cedric sah aus als hätte er viel durchgemacht. Warum war ihr das nicht gleich aufgefallen? War sie so blind vor Wut gewesen, dass sie dieser Auffälligkeit einfach nicht genug Beachtung geschenkt hatte? Wahrscheinlich. Er war blasser als sonst. Schlief er genug? Was hatte es genau mit seiner Aussage zu tun von wegen das es ihm nicht gut ging. Sie hatte ihn nicht gedrängt - hatte es auch jetzt nicht vor aber es wäre gelogen zu behaupten, sie würde sich nicht automatisch Gedanken darüber machen - sich ihre Wahrheit ausmalen bis sie die seine kannte. Machte sie das zu einem schlechten Menschen? Gut möglich aber ihre Gedanken kamen ganz von alleine und ihnen schwang eine gewaltige Portion Sorge mit. Sorge um seine Gesundheit und um ihn als Person. Sie fühlte einen Druck auf ihrer Brust - der innige Wunsch sie könnten in der Zeit zurückreisen zu jenen Punkt als es angefangen hat ihnen schlecht zu gehen. Ihm vielleicht mehr als ihr aber sie bereute es nicht aufdringlicher gewesen zu sein auch wenn auch er es war der sich zurückgezogen hatte. Vielleicht war sie zu hart zu sich selbst. Vielleicht war es nicht ihre Aufgabe für ihn da zu sein als kleine Schwester aber wenn sie in diese blauen Augen sah, sah sie den Cedric von früher. Der Bruder, der erst nichts von ihr wissen wollte aber dann mit ihr Lieder der Eiskönigin lautstark mit geträllert hat um ihr eine schöne Zeit zu schenken. Seine Augen strahlten weniger auch wenn er immer schon den Hang zur Melancholie hatte und während sie einen Schluck von ihrem Glas Wasser nahm fragte sich Alessa was passiert sein musste das er sich so verändert hatte? Ein traumatisches Erlebnis? Ein gebrochenes Herz? Cedric war immer schon der Typ Mensch, der nicht um Hilfe bat selbst wenn er sie dringend nötig hatte. Aber wie half man jemanden der keine Hilfe annehmen wollte - erst gar nicht sagte das er sie brauchte? Vielleicht war sein Schweigen ein Hilferuf gewesen - sein Rückzug. Fehlte es ihr so sehr an Einfühlungsvermögen, dass es ihr nicht aufgefallen war obwohl es vielleicht offensichtlich gewesen war?

    Er fand seine Stimme wieder und nun war es an der Blonden ihm zuzuhören. Zögerlich kamen die Worte aus seinem Mund - fast so als musste er sich zwingen fortzufahren und ein Stück von sich Preis zu geben. Er hätte vielleicht lieber geschwiegen und vielleicht war genau dieser Wunsch dafür verantwortlich das er sich zurückgezogen hatte. „Aber du hattest doch Freunde. Der eine süße Typ. Wie hieß er noch gleich…Nick? Was ist aus euch geworden und was…“ sie zögerte und suchte vorsichtig den Blick ihres Bruders. „…was ist passiert das du das Gefühl hattest nicht zu den Menschen kommen zu können die dich lieben…?“ Sie wagte es nicht nach Ran zu fragen. Sie war seit jeher doch irgendwo ein Thema gewesen das schwierig war, oder nicht? Alessa war zwar damals noch sehr jung gewesen aber selbst sie hatte bemerkt das die zwei nicht wirklich glücklich gewesen waren, oder? Zumindest hatte Alessa diese Liebesgeschichte immer mit den Liebesgeschichten aus dem Märchen verglichen und irgendwie waren die Leute in den Geschichten immer glücklicher. Beinahe hätte sie bei dieser Erinnerung geschmunzelt. Aus heutiger Sicht wusste Alessa das die Liebe nicht so perfekt war wie es einem gerne glaubhaft gemacht wurde. Manchmal verliebte sich nur einer. Manchmal verliebte man sich in Menschen, in die man sich besser nicht verlieben sollte. Und im seltenen Fall passte es und man wurde nicht als Fehler bezeichnet. Forschend sah Alessa ihren Bruder an und wusste eigentlich nicht ob sie bereit war die Wahrheit zu hören. Wäre sie es jemals?

  • [Cedric] & Alessa | Küche


    Es war ein zögerlicher Austausch, den die beiden Geschwister hier vollzogen. Ein langsames Vortasten, immer am Überlegen, wie viel Informationen gerade angebracht waren, ab wann man Sorge hatte, zu viel zu werden, zu viel zu verlangen. Dabei wünschten sich beide so sehr eine Schulter zum ausweinen, eine Schulter, die einem Halt gab - die einen auffing, wenn man strauchelte. Nur das Vertrauen, das musste erst wieder hart erarbeitet werden.

    Und Cedric wollte das so sehr.

    Er blinzelte überrascht, als Nicks Name fiel - das Alessa sich tatsächlich daran erinnerte zeigte, dass sie sich doch mal nahe gestanden waren. Nick. Sein bester Freund. Ob sie das nochmal fixen konnten? Ich muss auf ihn zugehen. Verdammt, er vermisste ihn. Vermisste seinen Kumpel schon so lange, doch die Emotion war ihm einfach abhanden gekommen, vergraben unter einer Schwere, die er nicht benennen konnte. Nur als Alessa ihn so direkt auf Nick ansprach, konnte er das Gefühl nicht länger unterdrücken. Ced schluckte, blinzelte aufkommende Tränen weg. Nicht weinen. Nicht schon wieder, oh man. Aber seine Schwester hatte da einen ziemlich wunden Punkt getroffen.

    Was ist passiert das du das Gefühl hattest nicht zu den Menschen kommen zu können die dich lieben?

    "Ich weiß nicht.", erwiderte er fast heiser, schlang die Arme noch ein wenig fester um sich. Da war sie wieder, diese nutzlose Antwort. Das Gewitter in seinem Kopf, welches ihn log und betrog. Weil du eine Last bist. Weil sie doch nur dulden, weil sie zu nett sind, dir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Weil sie dich bemitleiden. Weil an dir nichts. liebenswertes. ist.

    Du weißt es also doch.

    Der Kloß in seinem Hals war so dick geworden, dass er Mühe hatte Worte zu formulieren. "Ich weiß nicht, also, ich weiß das es unlogisch ist.", begann er und hatte Schwierigkeiten damit, sein Durcheinander in vernünftige Bahnen zu lenken. Es war hart, die Wahrheit auszusprechen, hart, ihr überhaupt entgegen zu treten. Anzuerkennen, dass er sie überhaupt hatte. "Ich glaub... ich glaub nur nicht daran, dass ich jemanden was wert bin." Da. Jetzt war es raus. Scheiße tat das weh. Wenn man es aussprach, wurde es nochmal so viel realer.

    Cedric presste die Lippen aufeinander, um die Tränen zurückzuhalten, doch sie liefen ihn trotzdem als stummer Zeuge über die Wangen. Verdammt nochmal. Ihm war, als würden seine Gefühle aus ihm herausplatzen wollen. "Nick... hab ich im Stich gelassen-.", fuhr er mit rauer Stimme fort, als müsse er es schnell zu Ende bringen, bevor sich seine Zunge wieder verknotete. "-Mit Simon hab ich mich verkracht, Alice gegenüber war ich total ignorant, der mir liebsten Person hab ich das Herz gebrochen und an dich hab ich auch kaum gedacht und ehrlich gesagt bin ich aus reiner Verzweiflung hier und ich weiß, dass ist total selbstsüchtig, ich weiß nur nicht mehr weiter und ich-" wollte das es einfach aufhörte. Er sah den Abgrund vor sich. Jemanden, der kommt, der dir irgendeinen Unsinn erzählt, dir sagt, es gäbe noch eine Chance für dich, du seist es wert? Cedric warf sein Wasserglas um, bemerkte es jedoch nur am Rande. Sein Herz raste und er bekam kaum noch Luft. "Sorry.", wollte er sagen, ein Teil von ihm registrierte, dass er das Wasser aufwischen sollte. "Sorry." Kein Laut. "Sorrysorrysorrysorry."

  • [In der Küche] - Cedric & Alessa

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    Dieses darauf achten was man sagte und was man besser nicht sagte - dieses zaghafte voran tasten als befände man sich auf dünnem Eis und jeder falsche Schritt würde dazu führen, dass man ins eiskalte Wasser stürzte und erbarmungslos erfror. War es wirklich das was Familie ausmachen sollte? Sollte Familie nicht eigentlich eine Art sicherer Hafen sein bei dem man kein Blatt vor den Mund nehmen brauchte - bei dem man nicht ständig darauf achten musste ob man vielleicht die falschen Worte gewählt hatte. Diese Art des Achtgebens war bestimmt schön und gut und bestimmt auch toll wenn man den Gegenüber so auf keinen Fall vor den Kopf stoßen wollte und alles Fried3e Freude Eierkuchen sein sollte. Ja dann war es wahrscheinlich klasse. Aber Alessa fühlte sich unwohl. Sie fühlte sich unwohl mit der ganzen Situation und sie fühlte sich fremd im eigenen Haus und fremd in ihrem eigenen Körper. Die Schülerin hatte schlichtweg keinen Plan vom normalen Familienleben. Sie kannte nur das was sie als Familie kennengelernt hatte und das war immer schon... etwas speziell gewesen und das mochte schon etwas heißen wenn man bedachte das eigentlich so ziemlich jede Familienkonstellation in dem Dörfchen, in dem sie aufgewachsen war nicht gerade der Norm entsprach. Schlichtweg blieb zu sagen: sie kannte nur Zuckerbrot oder Peitsche. Entweder ihr Papa hatte durch Anwesenheit geglänzt und hatte ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen oder aber er war nicht da. Lange. Sehr lange. Es gab keinen Alltag. Sie kannte so etwas nur durch Serien oder Filme oder das was sie bei Hina Zuhause als Alltag kennengelernt hatte oder früher einmal bei den Ben und Charlie. Mehr gab es nicht und vielleicht war auch das mit ein Grund wieso sie sich schwer tat hier ein Gespräch zu führen. Lag es an ihr? Lag es an ihm? So oder so sie waren irgendwie ja auf die gleiche Weise groß geworden auch wenn ihr Papa bei den Zwillingen bestimmt noch ein kleines bisschen mehr anwesend gewesen war, oder? Sie waren eine Familie und wussten so wenig voneinander. Alessa könnte schwören sie wusste mehr über ihre beste Freundin als über die Menschen, die sie eigentlich von Geburt an kannte. Traurig. Sie spürte wie er sich unter ihrer Frage wandte. Wie sie ihn traf als wäre genau das der wunde Punkt und das obwohl sie sich doch gerade eben noch sicher gewesen war, dass sie einander nicht näher standen als zwei Fremde, die sich wie es der Zufall haben wollte vielleicht noch ein zweites Mal im Leben über den Weg liefen. Cedric schlang die Arme um sich. Tränen glänzten in seinen Augen. Mit einem Mal wirkte ihr großer Bruder so viel zerbrechlicher. Nicht weil er schon immer die sensiblere Hälfte der Zwillinge gewesen war. Nein. Weil er wirklich gebrochen war. Ihre roten Augen wanderten über seine Mimik - seine Gestik. Er war ein Häufchen Elend. Das ihr das nicht gleich aufgefallen war. Er war noch mehr Schatten seiner selbst als ohnehin schon. Sie gab ihm die Zeit die Worte zu finden, nach denen er offensichtlich rang. Vielleicht weil sie wirklich heraus wollten aber vielleicht auch weil er das Gefühl hatte, er wäre ihr eine Antwort schuldig weil er nach Monaten, wenn nicht sogar schon Jahren hier auftauchte. Was es auch war - Alessa wartete ab - ließ ihren Blick auf ihm ruhen und kommentierte sein Verhalten erst einmal nicht. Sie machte keinerlei Anstalten ihn in den Arm zu nehmen oder gar zu trösten. Nicht etwa weil sie es nicht wollte aber weil sie vielmehr den Worten Raum geben wollte, die zwischen ihnen sehr holprig über die Lippen kamen. Ihre Augen weiteten sich ein Stück als er das aussprach was ihn offensichtlich quälte - das zu Grunde liegende Problem wenn man es als solches bezeichnen wollte. Er glaubte er war es nicht wert. Alessa zog die Augenbrauen zusammen. Ihre Lippen teilten sich und fast schon automatisch wollte sie ihm widersprechen weil... man es auch irgendwie so machte, oder? Wenn jemand so etwas zu einem sagte - seinen Gefühlen auf diese Weise Worte verlieh dann neigte man ihm diese Worte abzusprechen aber war das auch richtig? Da war sie wieder. Richtig. Falsch. Sie war keine verdammte Psychologin und hatte keinen Plan davon was ein absolutes No-go war und was das war was man in so einer Lage wirklich sagen sollte damit es dem Gegenüber half. Er fuhr fort noch bevor auch nur irgendein Wort ihre Lippen verließ. Er ging auf die einzelnen Menschen ein, die er anscheinend vor den Kopf gestoßen hatte. Menschen, die ihm wichtig waren. Menschen, die einmal so viel Raum in seinem Leben eingenommen hatten und dann scheinbar vielleicht wie sie einfach nichts mehr von ihm gehört hatten. Er brach mitten im Satz ab. Stattdessen wurde er panischer. Sein Name glitt ihr über die Lippen und plötzlich kippte das Glas um und überall Wasser. Dieses Missgeschick schien ihm den Rest zu geben, denn er starrte auf die sich verteilende Flüssigkeit als wäre es nicht einfach nur das was es war: Wasser. Als wäre dieses ausgekippte Wasser der Tropfen der das besagte Fass zum Überlaufen brachte. Und es lief über. Stumm flossen Tränen über die Wangen ihres Bruders und als sie diese entdeckte - vielleicht bewusst wahrnahm erhob sich Alessa und zog den Größeren zu sich herunter. Wortlos hielt sie ihn fest. Bemerkte, dass seine Tränen auch ihre Wangen benetzte während sie ihn an sich drückte. Wie lang stand sie so da? Hielt ihn einfach nur fest während er stumm weinte. Eine Art zu Weinen, die noch viel herzzereißender war als wenn er geschluchzt hätte. So viel Schmerz lag in dieser Art zu weinen. So viel Leid. "Du bist ein Trottel..." kam es irgendwann über die geschminkten Lippen der Jüngeren. Sie sah ihn nicht an - löste auch die Umarmung nicht. "Natürlich ist es selbstsüchtig das du da bist. Aber was ist daran falsch?" Ihre Mundwinkel hoben sich kurz auch wenn er es nicht sehen konnte. "Du nimmst dich einmal wichtig genug um dich aus dieser Lage in der du dich befindest raus zu kämpfen und glaubst das ist falsch?" Sie waren wirklich verkorkst, oder? Vielleicht hätte ihnen früher einmal eine Familientherapie gut getan. Aber der Zug war wohl abgefahren. Erst jetzt bemerkte sie am Zittern ihrer Stimme, dass ihr auch Tränen über die Wangen liefen. Bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie es bei ihrem Bruder der Fall war aber trotzdem. "Ich bin stolz auf dich, dass du es hierher geschafft hast..." Langsam löste sie die Umarmung und sah in das vertraute und ziemlich verheulte Gesicht des Blonden und wuschelte ihm kurz durch die Haare bevor sie taktlos wie sie vielleicht immer war ihm einen Lappen in die Hand drückte damit er das Wasser aufwischen konnte.

  • [Cedric] & Alessa | Küche


    Langsam doch stetig breitete sich die Flüssigkeit über den Tisch aus. Cedric starrte auf das umgestoßene Glas, schrie sich im Kopf an, zu handeln, das Glas wieder hinzustellen, das Wasser aufzuwischen. Doch sein Körper rührte sich nicht, konnte es nicht. Als begriff er nicht ganz, was um ihn herum geschah. Wie all jene Male, in denen er im Bett lag und sich stumm anschrie aufzustehen, einfach nur aufzustehen. Etwas zu essen. Einem Tag nachzugehen. Wie konnte man nur die einfachsten Dinge verlernen? Ich habe verlernt zu leben, hatte er gedacht, nachdem er sich wieder einer Gegenwart gegenübergestellt sah. Es ging weiter. Irgendwie. Nur manchmal, da stockte es plötzlich, unbedarft - so wie jetzt. Cedric glaubte seinen Namen zu hören, doch in seinen Ohren rauschte es, als wäre sein Kopf Unterwasser, als hätte ihn die umgestoßene Flüssigkeit untergetaucht. Beweg dich.

    Aber er musste sich nicht bewegen. Nicht von alleine, zumindest, denn sie half ihm, in dem sie aufstand und ihn zu sich zog. In eine Umarmung.

    Überrascht zu fühlen, dem war er gerade nicht fähig, daher war es mehre Verwirrung, die die Geste seiner Schwester in ihm auslöste. Weil er sich gerade gedanklich woanders befunden hatte. Weil zwischen ihnen bisher Vorsicht und Distanz im Vordergrund stand. Weil er nicht erwartet hatte, dass sie oder irgendjemand sonst ihm so zugeneigt war. Denn da nun vor allem eins: Wärme.

    Beinahe hätte Cedric tief aufgeseufzt. Er spürte sie: Die Wärme, die Zuneigung, die Sorge. Er wusste nicht, ob es das war, was Familie ausmachte, ob es ganz ungeachtet davon passierte, fest stand nur eines: Er fühlte sich nicht alleine. Als ihm dieser Gedanke kam, erwiderte er die Umarmung seiner Schwester bewusst, drückte sie noch ein wenig fester an sich, auch wenn sie so seine Tränen abbekam. Seine dummen, naiven Tränen. Weil er einen Schmerz in sich trug, mit dem er nicht umzugehen wusste - und die nicht nur ihn, sondern auch die um ihn herum belastete.

    Ein wenig wollte er die Zeit vergessen. Es einfach geschehen lassen, in diesem kleinen Kokon der Fürsorge, der sich gerade um die Geschwister gesponnen hatte. Ihn festhalten diesen Moment und vielleicht, vielleicht konnte er noch weiter gedichtet werden. Als Alessa ihn liebevoll als Trottel bezeichnete, fühlte er sich zurückversetzt in eine Zeit in der noch alles in Ordnung war - oder zumindest mehr als jetzt - eine Zeit, in der der Kummer nicht allumfassend war. Sie verharrten in ihrer Umarmung, in der Nähe die sie so lange nicht miteinander geteilt haben. Seine Schwester. Seine Familie. Am Ende des Tages, als er überhaupt nicht mehr wusste wohin mit sich, hatte es ihn als erstes zu seiner Familie gezogen. Verrückt, wenn man bedachte, wie verkorkst ihre Verhältnisse waren. Aber doch so nachvollziehbar, wenn man nichts mehr hatte. Cedric schluckte. Sie lösten die Umarmung, während ihre Worte noch immer in seinem Kopf schwirrten. Er verstand nicht. Ihre Ansicht ergab in seinem Kopf keinen Sinn, war Selbstsucht nicht etwas Negatives? Dachte er zu simpel? Sicherlich war es manchmal wichtig, sich selbst vorzuziehen, aber doch nicht zum Schaden anderer? Zu simpel. Er ahnte es, aber verinnerlichte Glaubenssätze veränderten sich nicht von heute auf morgen.

    "Jaa... irgendwie schon.", nuschelte er daher als Antwort, ehe sie ihm durch die Haare wuschelte. Verblüfft sah er auf. Sah ihre Tränen, die er zu verantworten hatte und dennoch diese liebevolle Geste der Zuneigung. Ein gutes Gefühl. Vertraut. Nah. Familiär. All das, was er wollte, nachdem er sich so sehnte. Und er vermutete, dass es ihr genauso ging. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "...Danke." Cedric nahm den Lappen entgegen und war schon drauf und dran, sein Missgeschick zu beseitigen, ließ ihn dann jedoch erstmal liegen. Jetzt nochmal richtig. Er suchte die Hände seiner Schwester und drückte sie einmal fest. "Danke.", wiederholte er über den dicken Kloß in seinem Hals hinweg. "Das du für mich da bist. Das ich dir das anvertrauen durfte." Einen kleinen Teil zumindest. Obwohl du jedes Recht gehabt hättest, mich in hohem Bogen hinaus zu werfen. Er zögerte, senkte den Blick, ehe er leiser fortfuhr: "Ich glaub... ich glaub ich brauch Hilfe." Das einzugestehen, löste Unwohlsein in ihm aus. Niemand gab gerne zu, dass er nicht klar kam. Gebrochen. "Mir geht's nicht gut, das... das sehe ich mittlerweile ein, aber-" Er zuckte hilflos mit den Schultern, "Ich weiß nicht weiter." Er wusste nicht, wie er sich in die Situation gebracht hatte, er konnte nicht einmal benennen was für eine Situation das genau war. Für ihn war es kaum greifbar. Es waren Einsamkeit und Apathie, Panik, Ängste, Unsicherheiten, fehlendes Vertrauen, verinnerlichte Wertlosigkeit, verlorene Freude und so viel mehr - oder auch Nichts - das ihn dazu brachte aufzugeben. Aufgegeben zu haben. Nicht noch einmal. Alessa hatte ausgesprochen, woran er noch kaum getraut hatte zu denken: Er versuchte einen Weg heraus zu finden. Sie war verdammt nochmal stolz auf ihn deswegen. Sie wäre es wohl kaum, wenn sie die ganze Wahrheit wüsste., dachte er zerknirscht. Tiefe Scham saß dort. Nichts, worauf er stolz sein konnte. Schon lange nicht mehr. Aber es war schön, irgendwie, die Worte trotzdem zu hören, auch wenn er sie nicht annehmen konnte. Vielleicht konnte er es irgendwann.

    "Damit wollte ich nicht sagen, dass du irgendwas machen sollst oder auf deinen großen Bruder aufpassen musst, weil er nicht in der Lage ist, sich um sich selbst zu kümmern--", fügte er schnell hinzu und verzettelte sich dabei total. Er wollte Alessa auf keinen Fall Druck machen oder ihr eine Last sein (sind wir schon wieder an diesem Punkt, huh?), erst recht nicht, nachdem sie sich gerade so zugeneigt gezeigt hatte. Er hatte den offenen Raum genossen, den sie geteilt hatten und wünschte sich dieses Verhältnis für die Zukunft bei. So. Sehr. Hastig griff er nach dem Lappen, bevor er weitere Dummheiten von sich gab und wischte das vergossene Wasser endlich auf.

  • [In der Küche] - Cedric & Alessa

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    Er schien so unsicher in allem was er tat. Nicht auf die für ihn normale Art und Weise sondern so übermäßig zaghaft, dass es das Blondchen fast schon ärgerte. Es war fast schon so das sie Angst haben musste das er zerbrach, wenn sie ihn nicht mit Samthandschuhen anfasste und vielleicht war es auch so. Vielleicht vertrug er ihre gewählten Worte nicht. Vielleicht waren sie zu grob gewählt - nicht sanft genug. Vielleicht würden sich erneut Tränen anbahnen. Aber das war die ehrlichste Art wie sie ihm das näher bringen konnte was sie zu sagen hatte. Solange sie trotzdem blieb oder ihn nicht wegstieß war es doch in Ordnung, oder? Zumindest war das eine Art und Weise wie sie ihm das sagen konnte was auch wirklich ihre Meinung war und nicht nur irgendeine geheuchelte Scheiße, die er vielleicht gerne hören wollte. Das war nicht sie. So jemand war Alessa einfach nicht. Sie nahm kein Blatt vor den Mund oder schmierte Anderen Honig ums Maul nur um sie anschließend in Watte zu packen. Damit war doch niemanden geholfen und am Ende wären ihre Worte dann nicht mehr als Schall und Rauch. Das war sie und das wusste Cedric, richtig? Sie hatten zwar nicht das engste Verhältnis - eigentlich das komplette Gegenteil. Ihre Familie war alles nur keine Familie aber auch wenn sie vielleicht nicht alles voneinander wussten - keinen regelmäßigen Kontakt hatten. Sie kannten einander. Vielleicht eine andere Version. Er kannte eine jüngere Alessa - andere Sorgen als heute. Sie kannte einen anderen Cedric - distanziert - melancholisch aber nicht so gebrochen wie der Cedric, der heute vor ihr stand. Was war passiert? Er vermochte es nicht in Worte zu fassen. Er vermochte es nicht auszusprechen. Vielleicht kein Ereignis - vielleicht eine Vielzahl an Dingen und dieser Gedanke machte ihr nur noch mehr bewusst das sie keine Ahnung von seinem Leben hatte - wo er stand - was ihn bewegte. Und diese Tatsache schmerzte irgendwie. Es fühlte sich fast so an als besäße sie nicht einmal das Recht für ihn da zu sein. Dumm, oder? Die Schülerin presste die Lippen aufeinander und spürte die Tränen in ihren Augen, die sie im nächsten Moment schon wieder beiseite wischte weil es sich schlichtweg nicht so anfühlte als wäre es in Ordnung das es nun sie war die weinen musste. Er äußerte seine Dankbarkeit. Erst beinahe beiläufig und dann nochmal indem er ihre Hand drückte und sie es auch fast spürte. Echte Dankbarkeit obwohl sie nichts gemacht hatte. Sie war nicht da gewesen als er sie vielleicht dringend gebraucht hätte. Natürlich hatte er sich nicht gemeldet. So war Cedric schon immer gewesen. Hatte sich selbst als lästig oder gar störend empfunden. Vielleicht war sie es auch selbst gewesen, die ihm dieses Gefühl vermittelt hatte. Unbedacht. Ohne daran einen Gedanken verschwendet zu haben, dass es ihn vielleicht auf eine Art und Weise getroffen hatte, die über das übliche geschwisterliche Zanken hinaus ging. Sie hätte sich auch selbst melden können - hätte lieber einmal öfter anrufen oder schreiben können aber sie hatte es nicht getan weil irgendwie das eigene Leben im Mittelpunkt stand und manchmal vergaß man über den Alltag hinaus, dass auch andere ihr Leben hatten und dieses Leben vielleicht gerade aus dem Ruder lief und diese Menschen vielleicht darauf wartete, dass man sich meldete - das man einfach nur einmal fragte wie es dem jeweils Anderen ging. Seine Stimme wurde nahezu ein Flüstern als er fortfuhr . Sich eingestand das er Hilfe brauchte und dabei war es den Geschwistern wohl beiden bewusst das sie von einer Art Hilfe sprachen, die über die hinausging, die Alessa ihm geben konnte. Sie fühlte sich hilflos als sie ihn so ansah. Sah wie er litt - wie er mit sich selbst kämpfte. Wie er unter ihrem Blick immer kleiner zu werden schien. Vielleicht weil sie schwieg. Vielleicht weil er Dinge aussprach über die er lange geschwiegen hatte. Was es auch war es schien für ihn schwer zu ertragen. Die Worte hingen zwischen ihnen. Vielleicht weil sie sie erst einmal verarbeiten musste - die Worte oder vielmehr ihre Bedeutung. Sie wog schwer. Alessa schluckte. Noch bevor sie etwas darauf erwidern konnte war es Cedric, der zurückruderte was letztendlich dazu führte das Alessa ihre Augenbrauen zusammenzog und ihm einen vernichtenden Blick zuwarf. Sie schnappte sich ein Stück Pizza und stopfte es ihm in den offenen Mund damit er endlich still war. „Stopp.“ befahl die Blonde dem Anderen folgend und unterbrach damit seine Ausflüchte. „Hör auf damit.“ Verständnislosigkeit spiegelte sich in den Augen ihres Bruders wider. „Es ist nicht schlimm um Hilfe zu bitten. Du bist deswegen nicht schwach oder so…“ Ihr Blick wanderte über sein Gesicht als suche sie allein in seinem Antlitz nach der Antwort auf eine Frage, die sie nicht aussprach. Nicht mal im Gedanken. „Du bist kein Ballast oder so und ich bin kein Kind mehr…“ Nur Weil er der Ältere war hieß das nicht das er irgendwie funktionieren musste - keine Hilfe annehmen oder sich auf andere verlassen durfte. „Ich mache es weil ich will und nicht weil ich muss und jetzt schnapp dir dein Glas und komm mit auf die Couch…“ Alessa griff nach ihrem Glas und dem Pizzakarton um folgend in der Richtung des Wohnzimmers zu verschwinden damit sich das Ganze nicht so anfühlte als würde sich zwei Fremde gegenüber stehen…

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