Beiträge von Kyubey


    Azel hatte Glück. Die Wahl des Rothaarigen war tatsächlich auf einen Essensstand gefallen, was Azels Magen mit einem gewaltigen Knurren bejubelte. In Folge dessen stieg eine sanfte Röte in das Gesicht des Silberhaarigen, hatte er eigentlich versucht, seinen Hunger zu unterdrücken - offensichtlich erfolglos. So war er umso froher über die Entscheidung seines neu gewonnen Freundes, welcher es augenscheinlich auch kaum noch abwarten konnte, etwas zu essen.
    Der Stand, zu dem sich die beiden jungen Männer daraufhin begaben, bot eine ganze Reihe von Leckereien an: Frisches Brot, dessen Duft Azel sofort in die Nase stieg, goldener Mais, dessen Glanz in den Augen des Silberhaarigen in diesem Moment hinreißender wirkte, als der von echtem Gold, und so viele verschiedene Süßwaren, man könnte sich damit sicher Karies in jedem einzelnen Zahn fangen. Kurzum: Von diesem Anblick lief dem Hutträger das Wasser im Mund zusammen, wenn ihn der letzte seiner Gedanken auch zugleich besorgt stimmte - von den Süßigkeiten ließ er die Finger wohl lieber. Nichtsdestotrotz ließ Azel seinem Gefährten den Vorsprung und ließ ihn zuerst seine riesige Bestellung machen. Dann war er dran. Er holte tief Luft und begann aufzuzählen: »Also ich hätte gerne das da zwei Mal« - sein rechter Zeigefinger zeigte auf einen Maiskolben und danach auch noch auf einige andere Leckereien - »und davon drei möchte ich drei und dann noch das da und... ja, das bitte auch ein mal.« Der Verkäufer machte zurecht große Augen, als er mit dem Einsammeln der verschiedenen Produkte kaum noch hinterher kam. Schließlich überreichte der Silberhaarige dem Verkäufer Geld - er hatte glücklicherweise gerade genug, um seine Massenbestellung zu bezahlen - und nahm seine Waren an sich.
    Zufrieden und mit dem ganzen Essen in seinen Armen drehte er sich dann um und entdeckte, dass hinter ihm eine blonde Frau stand, die von Kyle bereits angesprochen wurde. Auf dem ersten Blick machte sie auf Azel einen wirklich gespenstischen Eindruck: Diese blasse Haut, ihre zunächst ruhig wirkende Aura und dazu auch noch ihre farblich nicht ganz zusammen passenden Augen erschienen auf den jungen Mann tatsächlich eher ungewöhnlich, schien sie aber dennoch ein ganz normales Mädchen zu sein - immerhin konnte sie nicht wirklich ein Gespenst sein, diese gab es ja nicht! ..Oder? Azel schüttelte den Kopf. Nein, das konnte nicht sein, weg mit diesem Gedanken!
    Da er eine Weile gebraucht hatte, um seine Bestellung zu beenden, war Kyle bereits in ein Gespräch mit der Fremden verwickelt. Zu gerne hätte der Silberhaarige zwar mitgesprochen, jedoch schien der Rothaarige wahrlich.. fasziniert von der gespenstischen Frau - und diese genau so sehr von ihm. So wollte Azel auch nicht einfach dazwischen platzen. Abgesehen davon hatte er auch wirklich Hunger. Er biss in eines seiner Brote, das er auf seinen Armen gestapelt hatte, und hörte dann dem Gespräch der beiden interessiert zu.


    Als sich das Gespräch der beiden dem Ende zuneigte, war die Sonne schon dabei unterzugehen und Azel hatte seinen Berg an Essen gänzlich vertilgt - er hatte ja so einen Hunger gehabt! Jedoch sollte das nicht alles sein, was der Silberhaarige heute verspeisen würde, denn kurz darauf wurde ihm von Kyle eine weitere Scheibe Brot in die Hand gedrückt. Vielleicht ein Abschiedsgeschenk? Immerhin schien er sich langsam auf den Weg zur Sternenwarte, dem »Highlight« dieses Festes, aufmachen zu wollen - und das alleine. »Ich bin mir auch sicher, dass wir uns bald wieder sehen werden«, entgegnete Azel ihm mit einem Lächeln im Gesicht, als er das Brot an sich nahm und auch direkt hinein biss. Es war unglaublich, wie viel Platz dieser junge Mann in seinem Bauch hatte.
    »Machs gut!« Mit dem Brot noch in der Hand winkte er seinem Freund dann hinterher. Ein wenig traurig machte es ihn schon, zu sehen, wie der Rothaarige von dannen ging, nachdem die beiden beinahe den ganzen Tag miteinander verbracht hatten, aber Azel war sich sicher, dass er den anderen noch viele weitere Male sehen würde - und er wurde ja auch nicht ganz allein gelassen.
    Sein Blick schweifte hinüber zu der mysteriösen Frau, die noch nicht einmal ihren Namen preisgeben wollte. Das ganze Gespräch über hatte es sehr den Anschein gemacht, als würde sie den Fragen des Rotschopfes ausweichen, geheimnisvoll bleiben wollen. Ob sie wohl Schwierigkeiten damit hatte, andere an sich ranzulassen? Nun, das ging Azel wohl mal wieder nichts an, auch wenn es ihn durchaus interessierte. »Freut mich ebenfalls, dich kennenzulernen!«, entgegnete er der Dame fröhlich, nachdem sie ihre höfliche Verbeugung getätigt hatte. Er nahm einen letzten Bissen von dem Brot, das Kyle ihn als Erinnerung gegeben hatte, bevor er auf die Frage der Blonden einging. »Ja, ich denke, das werde ich.« 
    Nach dieser Antwort lächelte er die Blonde ein weiteres Mal an. Vielleicht war ihre unnahbare Art ja nur eine Art Schild, um zu verheimlichen, dass sie eigentlich Gesellschaft wollte? »Wollen wir zusammen zur Sternwarte gehen?«, stellte er dann selbst die Frage. Zwar wusste er nicht genau, was so besonders an diesem Ort war, lebte er ja noch nicht wirklich lange in der Gegend, aber dann wiederum war das auch nur ein weiterer Grund, warum er sich ihn unbedingt angucken sollte! »Ich gehe auf jeden Fall. Und du kannst gerne mitkommen.« 
    Azel holte sich daraufhin eine der Fackeln und winkte der Blonden noch einmal zu. Was würde sie tun? Würde sie wirklich mitkommen oder würde sie lieber für sich bleiben? Nun, das lag jetzt nicht mehr in seiner Kontrolle.


    » Die Sternwarte


    Kyle hatte Recht. Würde Azel an diesem Stand Wurzeln schlagen, bliebe den beiden bald keine Zeit mehr, sich auch noch die anderen Stände anzusehen. Und wer wusste, was sie da womöglich verpassten? Vielleicht wurde irgendwo auf diesem Platz zauberhaftes Essen verkauft, das nur so darauf wartete von Azel verspeist zu werden oder seltenes Geschirr, auf dem jedes Essen super schmackhaft wirkte, egal wie billig es war?! So etwas konnte und durfte der Silberhaarige sich nicht entgehen lassen! Aber auch dieser Stand mit den vielen hochwertigen Büchern war so reizvoll, dass sich der junge Mann kaum vom Fleck bewegen, geschweige denn das soeben entdeckte Buch aus der Hand legen konnte.. Ach, warum musste es so schwer sein, Entscheidungen zu treffen?!
    Nachdenklich betrachtete Azel das gebundene Buch, das er seit einer Weile in seinen Händen hielt. Er konnte sich dieses Sammlerstück unmöglich leisten und so war es wohl an der Zeit Lebewohl zu sagen und weiterzuziehen. Vorsichtig und langsam streckte er also seinen Arm aus, um, nicht nur im übertragenen Sinne, loszulassen und das Buch wieder an seinen Platz zu legen... als Kyle ihm plötzlich eine Frage stellte und er es rasch wieder an sich zog. Seine Augen fingen an zu strahlen sobald er realisierte, was der Rothaarige ihn gefragt hatte und prompt streckte er ihm das Buch entgegen, damit er es sich ansehen konnte. »Das hier heißt Legenden des Stockbrots! Ja, ich weiß, der Titel klingt etwas.. sonderbar.. Aber es war mein Lieblingsbuch, als ich noch ein kleiner Junge war! Es geht darin um einen Bauernjungen, der in die Welt zieht, um seinen Träumen zu folgen und sein Leben zu leben. Es hat mich damals wirklich bewegt! Und das hier ist eine Sonderausgabe.. Ich hätte nicht gedacht, ich würde dieses Buch in meinem Leben nochmal wiedersehen...« Nun leicht melancholisch betrachtete der Silberhaarige das Buch nochmal genau, bevor er es mit einem schmalen Lächeln im Gesicht doch zurück ins Regal legte - in der Ferne konnte man den Besitzer des Standes enttäuscht seufzen hören. »..Aber ich kann es mir eh nicht leisten.« Azel warf noch einen letzten verstohlenen Blick auf das Sammlerstück, bevor er sich umdrehte und wieder dem großen Angebot an anderen Ständen, die dieses Fest zu bieten hatte, gegenüber stand. »Wir wollten uns die anderen Stände doch auch noch ansehen, oder? Sag du, wo wir als nächstes hin wollen!« Immerhin war Azel einfach selbstständig hierher gelaufen, ohne auf seinen Weggefährten zu achten. Nun war es also an der Zeit für ihn, das nächste Ziel zu wählen. Oh, hoffentlich würde er sich einen Stand mit Essen aussuchen, der Silberhaarige hatte schon Hunger..

    « Der Gasthof 


    Schließlich hatten Azel und Kyle sich dazu entschieden, gemeinsam das besagte Fest zu besuchen. Der Silberhaarige wusste zu dem Zeitpunkt immer noch nicht, was da auf ihn zukam, weswegen er besonders neugierig war. War es ein Fest, bei dem man tanzte? Oder eher Sachen kaufte? Vielleicht ein Fest, um einen besonderen Feiertag, den Azel vergessen hatte, zu feiern? Die Möglichkeiten schienen schier unendlich! So folgte der junge Mann seiner neuen Bekanntschaft munter, als diese ihm den Weg zeigte, obwohl Azel auch auf diese Weise noch einige Male beinahe falsch abgebogen wäre.


    Als sie dann schließlich an ihrem Ziel angekommen waren, kam Azel aus dem Staunen kaum noch heraus. Überall waren Stände und in der Mitte eine kleine Tanzfläche zu sehen, auf der sich bald bestimmt der Großteil der Besucher sammeln würde. Ein Lächeln erschien im Gesicht des Silberhaarigen, als er etwas abseits dieser Fläche einen Stand entdeckte, der allem Anschein nach Bücher verkaufte. Sofort trugen ihn seine Füße dorthin, brauchte er immerhin eine Stelle, an der er anfangen konnte, sich die vielen Attraktionen dieses Festes anzusehen. »Hey, Kyle, guck mal!«, rief er seinem Weggefährten zu, als er gerade ein äußerst seltenes Exemplar seines Lieblingsbuches gefunden und in die Hand genommen hatte. Er wusste zwar noch nicht mal, ob Kyle ein eifriger Leser war oder ob er überhaupt lesen konnte, aber schön aussehen tat das Buch auf jeden Fall, also würde er es sicher auch sehen wollen. Wenn ihn alle dieser Stände hier so begeistern würden, würde Azel es heute vielleicht doch nicht mehr schaffen, sich alle Stände anzusehen.


    Im Verlaufe dieses Gespräches fiel es Azel oft auf, dass Kyle langsam immer offener wurde und immer mehr von sich erzählte, was im Kontrast zu seiner anfänglichen Kälte besonders zu erkennen war. Hatte er seine Meinung über den Silberhaarigen also doch noch geändert? Den Anschein machte es ganz, was den jungen Mann sehr freute. Auch er fand den anderen nämlich sympathisch und hätte es schade gefunden, hätte der andere ihm aufgrund seiner anfänglichen Neugier die kalte Schulter gezeigt. Und nun stimmte der Rothaarige seinem Vorschlag zu einem weiteren Treffen einfach zu und fing an ihm davon zu erzählen, wo er gerade herkam - das war ein großer Unterschied zu seinem anfänglichen Verhalten und so schlich sich doch glatt ein Lächeln in Azels Gesicht. »Nun, zu oft ins Badehaus zu gehen wäre sowieso nicht gut, da verschrumpelt die Haut doch sicher«, kommentierte er die Aussage seines Bekannten dann, halb scherzhaft und halb nachdenklich. Bei der Erwähnung des Festes hingegen, spitzte er wieder die Ohren. Kyle hatte mit seiner Annahme voll ins Schwarze getroffen; Azel liebte Feste. Warum? Aus dem einfachen Grund, dass es dort viele fröhliche Menschen gab, mit denen man sich oftmals gut unterhalten konnte. In dem Wort »Fest« ist Spaß immerhin schon inbegriffen! »Hast du vor dahin zu gehen? Ich würde mir das wirklich gerne mal ansehen.« Er wusste zwar noch nicht mal, um was für eine Art von Fest es sich dabei handelte, aber der Name »Sternnachfest« klang zumindest nach keiner satanischen Aufopferungszeremonie, also konnte es so schlimm nicht sein. Und wo bliebe der Spaß im Leben, wenn man sich nicht hin und wieder auch mal überraschen ließe?
    Das Lächeln im Gesicht des jungen Mannes wurde breiter und breiter, als Kyle seinen Wunsch äußerte, dass Azel hier bleiben würde und die beiden Freunde werden könnten, denn genau das wünschte dieser sich auch. So nahm er auch ohne zu zögern die Hand des anderen und schüttelte diese freudig. »Ich werde ganz sicher bleiben, versprochen!«, entgegnete er seinem Gesprächspartner und (hoffentlich) zukünftigen Freund daraufhin. Der Silberhaarige fand es unglaublich, dass sein Tag damit angefangen hatte, dass er verschlafen und sich verpennt aus dem Haus geschlichen hatte und nun damit enden würde, dass er einen neuen Freund gewann. Komisch, was manchmal in so einem kurzen Zeitraum alles passieren kann, nicht?



    » Der Platz des Volkes


    Die Frage des Rothaarigen, ob ihn manche Gesellschaft nicht nur noch schläfriger machen würde, ließ Azel kurz aufschrecken, glich diese Frage ja schon der Unterstellung, er würde nicht jedwede Art von Unterhaltung genießen können - und das war doch der Fall bei dem Silberhaarigen! »Aber nein, nicht doch!«, gab er dann überzeugt und, zugegeben, etwas lauter als seine normale Lautstärke zurück. Als ihm das auffiel räusperte er sich kurz und fuhr dann in einem ruhigeren Ton fort. »Ich finde alles interessant, was Leute von sich zu erzählen haben, sogar wenn sie einfach nur über einen ihrer Spaziergänge oder so was reden.« Nun war von dem anfänglichen Schreck in dem Gesicht des Silberhaarigen nichts mehr zu sehen, war die völlige Entspannung bei ihm zurückgekehrt. Er wusste nicht wieso, aber aus irgendeinem Grund entspannten ihn solche beiläufigen Gespräche einfach. »Ich mag es, wenn Leute so offen von sich erzählen können.« Kurz lächelte der Silberhaarige seinen Gesprächspartner an, bis ihm eine plötzliche Erleuchtung kam. Seine Augen, die vorher leicht verträumt gewirkt hatten, weiteten sich mit einem Mal und Azel wandte den Blick wieder ab, denn in diesem Moment war ihm aufgefallen, dass die Frage des Rothaarigen vermutlich einfach nur ein Witz gewesen war - Immerhin hatte er dies sogar noch mit einem hinterher gestellten Lachen verdeutlicht. Er kauerte nun etwas zusammen und nahm eingeschüchtert einen weiteren Schluck von seinem Bier, war es ihm jetzt schon etwas peinlich, dass er auf diesen harmlosen Witz eine so ernsthafte, persönliche Antwort gegeben hatte.
    Als Kyle jedoch seufzend sagte, dass er nicht die Stimmung ruinieren wollte, und seinen Gesprächspartner auf die Schulter klopfte, kehrte ein verständnisvolles Lächeln in das Gesicht des Silberhaarigen, der seinen Kopf selbst nun wieder hob, um den anderen ansehen zu können. »Mach dir darüber keine Sorgen, ich bin froh dass ich dir ein Ohr leihen konnte«, antwortete er dann in einem ruhigen Ton, wollte er dem anderen zu verstehen geben, dass es wirklich keinen Grund gab, Schuldgefühle zu entwickeln - vor allem weil Azel immerhin gerne zuhörte.
    Schuld konnte man bei dem Rothaarigen jedoch weit und breit nicht entdecken, eher schien es, als machte sich die Müdigkeit in seinem Gemüt breit - das Senken seiner Augenlider und das Gähnen war ein sicherer Hinweis darauf. Nun befand sich Azel in einem Zwiespalt: Sollte er den anderen ansprechen und wach halten oder sollte er ihn lieber in Ruhe lassen? Die natürlichste Reaktion wäre vermutlich ein belustigtes »Hey, wachbleiben, du Schlafmütze!«, aber Azel entschied sich mit einem leichten Kopfschütteln dagegen. Kyle hatte schon keinen besonders fröhlichen Eindruck gemacht, als der Blauäugige ihn an der Theke vorgefunden hatte und wenn er jetzt auch noch halb einschlief, hatte er heute sicher schon viel durchgemacht und war erschöpft. So entschied sich der Silberhaarige dazu, ihn fürs erste etwas in Ruhe zu lassen und trank wortlos den letzten Schluck Bier aus seinem Krug, als er zusah, wie sein Gesprächspartner beinahe auf dem Tresen einschlief.
    Bevor das Ganze dann allerdings doch zu weit gehen konnte, stellte Azel vorher lieber seine Frage, worauf der Rothaarige mit einem leicht verschlafenen »Was?« und einer dahinter geschobenen Erklärung für seine Schläfrigkeit antwortete. »Man sieht es dir an«, entgegnete der Silberhaarige dann mit einem Lächeln im Gesicht, sollte sein Gesprächspartner erkennen können, dass er ihn keineswegs beleidigen wollte. Dieser brauchte, aufgrund seiner Müdigkeit, auch noch eine kurze Weile, bis er wach genug war, um Azel eine Antwort auf seine Frage zu geben. Diese war dafür aber auch ziemlich ausführlich und so hörte der junge Mann interessiert zu. »Es ist gut, dass du dich so entspannen kannst«, gab er schließlich zur Antwort, während er Augenkontakt mit dem anderen Mann hielt. »Ruhe ist im Leben auch wichtig, und ich bin mir sicher, irgendwann wird dir das, worauf du wartest, noch begegnen.«
    Auf die Gegenfrage hin zog Azel dann scherzhaft eine Schnute. »Also mein Hobby ist das auch nicht..« Danach hellte sich sein Gesicht jedoch wieder auf und er dachte selbst kurz über die Frage nach. Wohin er gerne ging? Nun.. »Ich bin ja noch nicht so lange hier, aber bisher..« - er drehte sich kurz zur Seite und sah sich hier im Keller des Gasthofs um - »Ja, bisher find ichs hier ganz schön. Hier ist es so angenehm still.« Den Blick richtete er nun wieder auf seinen Gesprächspartner, was ihn wieder daran erinnerte, wieso er diese Frage überhaupt gestellt hatte: Er hatte nach einer Sache gesucht, die die beiden das nächste Mal - sollte es ein nächstes Mal geben - tun könnten. »Lass uns irgendwann doch mal zusammen in ein Badehaus gehen!«, schlug er also vor, um wieder zurück auf den Punkt zu kommen.


    Es dauerte nicht lange, da hatte der Fremde ihm auch schon seine Frage mit dem eigenen Namen beantwortet; »Kyle« hieß der Rotschopf also. Auf die knappe, aber dennoch offene, Vorstellung hin musste Azel ein wenig lächeln, er war froh zu sehen, dass dieser Mensch doch bereit für ein Gespräch war, auch wenn er anfangs nicht so den Anschein erweckt hatte.
    Wenig später kam der Mann, der hinter der Theke arbeitete, dann auch mit dem Getränk für den Silberhaarigen an, welcher sich dafür bedankte und dann auch direkt ein paar Schlücke des kalten Biers zu sich nahm, war er von seinem Weg hierher doch etwas durstig geworden. Wie er jedoch so aus seinem Glas trank, stellte Kyle - das war gewöhnungsbedürftig - selbst eine Frage, über die Azel beim Trinken erstmal nachdenken musste. Genau, warum war er nochmal hierhergekommen? Er stellte sein Glas wieder ab und sah nachdenklich zur Seite, bis es ihm wieder einfiel und er wieder Augenkontakt mit dem Rotschopf herstellte. »Ich hab heute irgendwie verschlafen..«, fing er an, sich immer noch wundernd, wie das passieren konnte, wo er sonst eigentlich immer früh aufstand, um mehr an einem Tag schaffen zu können. Nicht, dass er nicht gerne ausschlief, oh nein! Er empfand es nur nicht gerade als.. nun, praktisch, länger als nötig zu schlafen. »Und da dachte ich, ich misch mich mal unter die Leute, um mich richtig aufzuwecken!« Tatsächlich war sein Plan sogar aufgegangen - was war immerhin ein besserer Start in den Tag als ein Bier ausgegeben zu bekommen? Nun, jetzt wo er so drüber nachdachte, gab es sicher einige bessere Möglichkeiten in den Tag zu starten, vor allem, weil es für seine Verhältnisse eigentlich noch zu früh war, um Alkohol zu konsumieren, aber er würde sich nicht beschweren! Er gönnte sich immerhin nicht oft freie Tage, hatte aber so eben beschlossen, dass dieser einer werden sollte, also konnte er sich auch ruhig mal ein Bier am Mittag erlauben.
    Gerne hätte Azel hier auch eine Gegenfrage gestellt, würde er eigentlich gerne wissen, was der Rothaarige hier trieb, doch entschied er sich dann dagegen, immerhin hatte er wenige Minuten zuvor schon eine ähnliche Frage gestellt und wie das ausgegangen war, wissen wir ja mittlerweile. Also trank er einfach in Ruhe einen weiteren Schluck Bier, an dem er sich fast verschluckte, als sein Bekannter dann doch anfing mehr von sich zu erzählen, was den Silberhaarigen offensichtlich sehr überraschte. Deswegen ließ er das Trinken fürs erste dann wohl doch lieber sein und stellte sein Glas ab, so lange Kyle von sich erzählte, um seine Erzählungen nicht mit unnötigem Rumhusten unterbrechen zu müssen. Seine neue Bekanntschaft hatte also auch schon viel durchgemacht.. Das konnte man auch merken; Er hatte einfach nicht die Aura von einem naiven kleinen Kind, das dachte, es gäbe in der Welt nichts Böses. Solche Leute hatten einen anderen Ausdruck in den Augen, Azel kannte sich mit so was aus, hatte er es in seiner Heimat mit vielen verschiedenen Leuten zu tun gehabt und die Sorte Mensch, die schon viel erlebt hatte, kannte er am besten, wohl auch weil er sich selbst dazu zählen konnte.
    So gut er diese Sorte Mensch aber auch kannte, wusste er nicht, was gerade eine angebrachte Reaktion auf die Geschichte des Rothaarigen gewesen wäre. Hätte er weiter nachfragen, irgendwas sagen sollen? Oder wär Schweigen hier vielleicht tatsächlich am passendsten? Zwar fragte Azel sich wirklich, was denn der Grund für die damalige Handlung seines Gesprächspartners gewesen war, wenn es sich dabei nicht um die Angst gehandelt hatte, aber wollte er ihn auch nicht dazu bringen, mehr von sich zu offenbaren, als es ihm lieb war. So ließ er dann den Kopf bedrückt hängen und entschied sich im Endeffekt doch dazu, dass ein nichtssagendes »Ich verstehe..« vielleicht die beste Antwort war.


    Kyle selbst war es dann, der das Thema, und die darum liegende Stimmung, wechselte und so auf ein paar angedeutete Pläne für die Zukunft zu sprechen kam. »Hm, wo gehst du noch gerne hin, außer in Bars?«, fragte Azel dann also, zum einen um seinem Gesprächspartner dabei zu helfen die Stimmung zu lockern, zum anderen weil er ihn wirklich näher kennenlernen wollte und nichts dagegen einzuwenden hätte, in der Zukunft mal etwas richtiges zu unternehmen, wo der Rothaarige auch schon angedeutet hatte, dass es ein nächstes Treffen geben könnte.


    Mit einem gekünstelten Lachen tat Azel die Antwort des Fremden dann ab. Er hatte ja gewusst, dass er mit seinem neugieren Gefrage ziemlich unhöflich gewirkt haben musste und hatte so auch keine andere Reaktion erwartet. Dennoch war es ihm schon etwas unangenehm, direkt am Anfang der Konversation so etwas entgegen geworfen zu bekommen, vor allem weil der Silberhaarige normalerweise schon wusste, wie man sich in in so einer Situation zu verhalten hatte. Dieser Fehler war also durchaus vermeidbar gewesen und doch war er dem jungen Mann unterlaufen - peinlich. Da hatte er einmal verschlafen und schon war er unfähig, ein kompetenter Bürger der Gesellschaft zu sein.
    Jetzt stand jedoch die offene Frage im Raum: Was nun? Einen lockeren Gesprächseinstieg hatte der Blauäugige ja offensichtlich nicht hinbekommen. Sollte er sich dann einfach entschuldigen und wieder gehen, um weitere unangenehme Vorkommnisse zu vermeiden? Oder wäre das eine etwas übertriebene Reaktion gewesen? Unsicher, welche Handlung jetzt angebracht wäre, saß Azel also einfach da und starrte peinlich berührt auf die Theke, weg von dem Rothaarigen, dem er soeben zu nahe getreten war. Und vermutlich hätte diese unangenehme Situation auch noch einige Minuten lang ihren Lauf genommen, hätte der Fremde sich nicht dazu entschieden, dem Neuankömmling seinen kleinen Fehler doch zu verzeihen. Auf die Einladung hin sah Azel den zuvor betrübten Mann überrascht an. Zugegeben hätte er mit so einer Reaktion nicht gerechnet, also brauchte der Silberhaarige eine kurze Weile, bis er das Angebot verarbeitet hatte. Es war auf der einen Seite eine Einladung zum Trinken, aber symbolisch gesehen wohl auch so etwas wie eine zweite Chance; Immerhin wurde Azel noch nicht weggeschickt. So bestand gar kein Zweifel daran, dass er diese Einladung auf jeden Fall annehmen würde! »..Vielen Dank!«, gab der junge Mann dann also freudig zur Auskunft, bevor er sich ein einfaches Bier bestellte - er wollte die Freundlichkeit des Fremden immerhin auch nicht zu sehr ausnutzen, vor allem nicht nachdem er sich mit seinen bisherigen Aktionen schon nicht gerade beliebt gemacht hatte.
    Der Barkeeper nahm die Bestellung des jungen Erwachsenen auf und ging erstmal zur Seite, um ein Glas mit dem gewünschten Getränk zu füllen, weswegen die beiden Männer fürs erste alleine an der Theke saßen. Zunächst herrschte also wieder Schweigen und Azel fand die Stimmung immer noch etwas gedrückt, was es für ihn schwer machte, offen zu reden. Aber nachdem der Rothaarige schon offen Interesse an etwas Kontakt gezeigt hatte, würde er sich davon doch nicht unterkriegen lassen, oder?! »Ich hab mich noch gar nicht vorgestellt, oder?«, wagte der Erwachsene dann einen Neustart, während er den anderen mit einem sanften Lächeln im Gesicht ansah. »Mein Name ist Azel. Wie heißt du denn? Ich glaube, ich hab dich hier noch nie gesehen..« Zugegeben lebte er natürlich noch nicht so lange in Trampoli und auch die Bar hatte er bisher nur selten betretenen, also war es klar, dass der Fremde ihm nicht bekannt vorkam. Dennoch konnte es ja sein, dass er den Rothaarigen einfach nur vergessen hatte, Azel hatte immerhin viele Gedanken, da ging das ein oder andere Gesicht schon mal verloren. Der Blauäugige musterte den anderen also nochmal mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck. Nein, er war sich doch ziemlich sicher, er hatte diesen Menschen vorher noch nie gesehen.

    « Die Kaserne



    Nach einem etwas längeren Weg zu seinem Ziel, stieß Azel schließlich auf den Gasthof, öffnete seine Eingangstüren voller Entschlossenheit und trat daraufhin hinein. Er war sich sicher, dass er hier, an diesem Ort, der von Menschen nur so wimmelte, einen geeigneten Gesprächspartner finden würde. Doch zu seiner Enttäuschung musste er nach einem schnellen Blick in die Runde leider feststellen, dass jeder hier Anwesende bereits mehr oder minder in ein Gespräch verwickelt war - und stören wollte er da dann auch nicht. Das entschlossene Lächeln in seinem Gesicht war schon dabei zu verblassen, als dem Erwachsenen plötzlich einfiel, dass es hier ja auch eine untere Etage mit einer Bar gab. Vermutlich würde er dort ja auf einige einsame Seelen treffen, die sich genau wie er nach Kontaktaufnahme sehnten? Einen Versuch war es auf alle Fälle wert. So setzte sich der Blauäugige wieder in Bewegung, schritt diesmal die Treppen hinab und fand unten die Bar vor.
    Das Licht war hier etwas gedämmter, wodurch die ganze Atmosphäre etwas düsterer wirkte, zumindest kam es Azel so vor. Nichtsdestotrotz betrat er die Mitte des Raumes und sah sich erst einmal wieder um. Hier waren eindeutig weniger Gäste anwesend, dafür wirkten diese aber auch empfangsbereiter. Vor allem ein bestimmter junger Mann fiel dem Neuankömmling dabei sehr auf - und zwar nicht nur wegen seiner roten Haare: Er saß alleine an der Theke und schaute ziemlich deprimiert drein. Vermutlich hatte er gerade etwas Aufwühlendes erlebt oder machte sich einfach zu viele Gedanken - und beide Gefühle kannte Azel nur zu gut. Also ging er langsam auf seine auserkorene Zielperson zu und ließ sich neben ihr auf einem Stuhl nieder. »Hey!«, initiierte er das Gespräch mit dem Rothaarigen, während er ihn freundlich anlächelte und die richtigen Worte in seinem Kopf noch zusammen sammelte. »Ich weiß, wir kennen uns nicht, aber du machst einen sehr.. besorgten Eindruck. Da wollte ich fragen, ob etwas los ist?« Diese Frage hatte der Silberhaarige in seinem sehr vorsichtigen Tonfall geäußert, wollte er dem Mann ja nicht in ihrem ersten Gespräch schon zu nahe treten, aber es fiel ihm dennoch auf, dass es mit seiner Besorgnis langsam zu weit ging: Jetzt machte Azel sich auch noch Gedanken um ihm völlig Unbekannte, die einem so neugierigen Fremden vermutlich eh nichts anvertrauen würden, nur weil er sich aufgrund ihrer Ausstrahlung in etwa in ihre Situation reindenken konnte. »..Entschuldige, es geht mich natürlich nichts an.«, hing er also, jetzt selbst mit einem betretenen Gesichtsausdruck, hinterher, während er leicht beschämt zur Seite blickte. Er hatte sich wohl einfach so sehr auf ein simples Gespräch gefreut, dass er ganz vergessen hatte, seine Höflichkeit zu bewahren.

    Die Sonne stand bereits an ihrem höchsten Punkt und hatte ihre Sonnenstrahlen auf die Erde geschickt, als Azel langsam in seinem Zimmer in der Kaserne erwachte. Noch ziemlich verschlafen blinzelte der junge Mann erstmal den Schlaf aus seinen Augen, noch nicht ganz bemerkend, dass er tatsächlich bis Mittag geschlafen hatte. Tatsächlich dauerte es auch nach seinem Erwachen noch eine Weile, bis er sich erschrocken aufrichtete, den Blick gen Fenster gerichtet. Hatte er wirklich schon wieder so lange geschlafen? Rasch stieg der Silberhaarige aus seinem Heubett und sammelte die Klamotten von dem Boden auf, um sie sich dann überzuziehen. Er wollte dieses Faulsein und dieses lange Ausschlafen wirklich nicht zur Gewohnheit werden lassen, also musste er sich jetzt schnell herausputzen! Nachdem er sich also komplett bekleidet hatte, hob er seinen Hut zuletzt von seinem Stuhl hoch und stellte sich mit diesem in der Hand vor seinen Spiegel. Nun erst konnte Azel sehen, dass einige Ecken und Enden seines Hemdes unter seiner Jacke hervorguckten, wo man sie eigentlich gar nicht sehen können sollte - Er hatte sich beim Anziehen also vielleicht etwas zu sehr beeilt, aber das war ihm nun auch egal.
    Mit einem Lächeln im Gesicht gab Azel seinem Aussehen dann den krönenden Abschluss und setzte sich seinen Hut auf den Kopf; Der gehörte einfach dazu, keine Frage! Jetzt war der Blauäugige auch bereit, in die große, weite Welt zu ziehen. Motiviert schritt er daraufhin zur Tür, streckte seine Hand nach dem Türknauf aus, doch hielt dann inne. Wo.. wollte er überhaupt hin? Der junge Mann geriet ins Nachdenken, während er seine raue Hand, die den Türknauf fest im Griff hatte, betrachtete. Er könnte natürlich einfach eine Runde spazieren gehen, aber wäre das nicht langweilig? Viel lieber würde er einen Ort besuchen, an dem sich viele Menschen befanden, mit denen er sich unterhalten könnte; Etwas sozialer Kontakt konnte immerhin nicht schaden! Vor allem konnte er niemandem schaden, der eh schon den halben Tag alleine in seinem Bett verpennt hatte. Also würde er es so machen! Entschlossen drehte er den Türknauf nun um und trat den ersten Schritt zu seiner - mehr oder weniger - aufregenden Reise an. Sein Ziel: Der Gasthof!


    » Der Gasthof

    Hallo!
    Ich würde gerne wieder mitmachen und zwar mit Azel! Da Sonia nicht vergeben ist, kann ich schlecht nach ihrer Erlaubnis fragen und deshalb ist hier gleich der Steckbrief... Ich hoffe der ist ok so?!
    (Den ganzen Steckbrief und vor allem die Persönlichkeit überarbeite ich dann noch, so bald die Ideen kommen orz )



    In dem Wald herrschte ein reges Durcheinander, bei dem sich mittlerweile fast alle Anwesenden beteiligten. Selbst die vorher teilnahmslosen Bürger hatten inzwischen ihre Waffen gegeneinander erhoben. So auch ein blonder Junge auf ihrer Seite, der tatsächlich noch höflich genug war, um nach Erlaubnis für einen Angriff zu fragen. Erschüttert sah Vishnal ihn an und gab ein empörtes »Ja, worauf wartest du noch? Leg los!« von sich, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Wasserbombe richtete.


    Während er sich darauf konzentrierte, die Wasserbombe so groß wie möglich zu machen, stieß ein altbekanntes Gesicht zu ihm. Es handelte sich dabei um Sophia, die anscheinend beschlossen hatte, dem Blauhaarigen ein wenig unter die Arme zu greifen. Vielleicht hatte sie sich aber auch einfach nur ein willkürliches Opfer ausgesucht und es war nur Zufall, dass sie beide die selbe Person angriffen. Wie auch immer.
    Genau wie ihr Butler beschwor auch sie ihren Zauber und schickte diesen in Richtung der silberhaarigen Person. Der Fremde wich ihr mühevoll aus, konnte der Windsichel allerdings nicht ganz entkommen, wodurch er zu Boden gerissen wurde. Und genau in diesem Moment machte auch die riesige Wasserblase ihren großen Auftritt und stürzte auf den am Boden liegenden Mann herab. Und natürlich traf der Angriff, dank der günstigen Umstände, voll ins Schwarze.
    Zwar hatten sowohl Vishnal als auch Sophia beide selbst ziemlich viel von dem Wasser abbekommen, aber zumindest hatten sie einen der Feinde bewegungsunfähig gemacht, so schien es zumindest. Und das waren die nassen Klamotten doch wert, oder?


    Leider sah die Dame das wohl nicht ganz so wie er. Als ihr Diener sie mit dem leichten Anflug eines Lächelns im Gesicht ansah, konnte sie dieses noch nicht einmal erwidern. Zu verärgert war sie über ihre ruinierte Kleidung, als dass sie sich über diesen kleinen Erfolg freuen könnte. So verschwand das Lächeln des Blauhaarigen auch sofort wieder. Spielverderberin.
    Denkend, er hätte den Silberhaarigen schon außer Gefecht gesetzt, blickte Vishnal sich wieder in der Gegend um. Offensichtlich war viel passiert, während er und Sophia sich um den Fremden gekümmert hatten. Das, was ihm am meisten ins Auge stach, war die Tatsache, dass die »Anführerin« seiner Gruppe erschöpft am Boden lag. So eine Schande.
    Sophia rief dem Mann, der bei ihr stand, zu er solle von ihr verschwinden, doch da hatte schon etwas anderes die Aufmerksamkeit des Brünetten gefangen. Und dieses Etwas war offenbar in der Nähe des Blauhaarigen. Das war nicht gut.
    Leider bemerkte Vishnal den Grund für den Aufruhr des Fremden erst, als Sophia von ihm zur Seite gerissen wurde, was in dem treuen Butler normalerweise eine gewaltige Empörung auslösen würde, und es schon zu spät war. Mit dem Schlimmsten rechnend sah er auf den Boden und entdeckte die Spur von Wasser, die bis zu dem scheinbar nicht-ganz-so-besiegten Fremden führte, der seine Hand gen Boden hielt. Und waren das..?
    Ja, es waren kleine Blitze, die er über das Wasser zu seinen Feinden schickte. Zu Vishnals Unglück hatte der Zauber ihn jedoch schon fast erreicht, weswegen er keine Möglichkeit mehr hatte irgendwie zu reagieren, geschweige denn auszuweichen.
    Der Diener gab einen lauten Schrei von sich, als ein gewaltiger Schock seinen ganzen Körper durchfuhr. Während er versuchte gegen den Schmerz anzukämpfen, fiel er schlotternd auf die Knie und starrte entsetzt und angespannt auf den Boden, unfähig sich zu bewegen.
    So fühlte es sich also an vom Blitz - oder in diesem Fall: von mehreren Blitzen - getroffen zu werden. Eine Erfahrung, auf die der Herr gerne verzichtet hätte.

    Immer noch wollten die Fremden die Warnungen der Entführten nicht verstehen und weigerten sich nach wie vor umzukehren. Keine schlaue Entscheidung, wie Vishnal fand. Denn nun würden sie den Zorn der Gruppe, die sich nicht so leicht unterkriegen lassen würde, ganz egal wie angestrengt ihre Feinde versuchten sie zu besiegen, zu spüren bekommen.
    Der Wasserbombe des jungen Herren waren alle mühelos ausgewichen - was allerdings nicht schlimm war, denn so war es ja auch geplant. Noch wollte er niemanden verletzen. Noch wollte er ihnen die Gelegenheit geben zu fliehen und allen Anwesenden jede Menge Arbeit zu ersparen. Aber sie wollten ja nicht hören. Dann würde Vishnal auch kein Mitleid mit ihnen haben, wenn sie nachher blutend und heulend am Boden lagen und um Vergebung bettelten.
    Kurz nachdem sein Zauber sein Ziel getroffen hatte – den Boden – bemerkte Sophia, dass jemand diesen Moment der Unachtsamkeit genutzt hatte, um einen Bogen zu spannen und mit einem Pfeil auf sie zu zielen. Bei dem Angreifer, der den Pfeil noch nicht abgeschossen hatte, handelte es sich um eine blonde Frau, die höchstwahrscheinlich auch gekommen war, um die entführten Personen zu »retten«. Und nun war sie hier kurz davor eines der Opfer selbst zu erledigen. Tolle Rettungsaktion.
    Jedoch kam sie auch gar nicht mehr dazu, ihre Tat zu vollenden, da sie vorher von einem brünetten Mann davon abgehalten wurde. Wenn es der Blauhaarige nicht besser wüsste, würde er schon fast denken, dass er versuchte, die Lilahaarige zu beschützen. Aber das war lächerlich, denn auch er wollte den Entführten nur Böses. Und dem Feind das Leben zu retten war nicht gerade etwas, was Vishnal als »böse« bezeichnen würde. Ganz im Gegenteil, diese Tat war eigentlich sogar.. nett.
    Weiter darüber nachdenken konnte der Butler aber nicht, denn da erregte schon wieder ein anderes Ereignis seine Aufmerksamkeit. Ehe er überhaupt bemerken konnte, dass ein weiterer Eindringling einen Angriff vorbereitet hatte, schlug dieser auch schon ein. Das Ziel war eine schwarzhaarige Teamkollegin, die sofort hinfiel und nach diesem Blitzeinschlag nicht mehr sehr lebendig schien. Es war jedoch kein wirklich großer Verlust, denn dieses Mädchen war sowieso nur ein Mauerblümchen, das bisher noch gar nichts gesagt und sich auch nicht als sonderlich hilfreich erwiesen hatte, gewesen. Dennoch bedeutete das Krieg, wie Dolce es auch wenige Sekunden später ankündigte.
    Sie griff mit ihrem Sensenmann daraufhin den brünetten Mann an, der vorhin Sophia verteidigt hatte. Das brachte Vishnal dann doch ein wenig zum Grübeln. Wäre es nicht schlauer gewesen, zuerst die anderen, durchaus bösen Fremden anzugreifen und erst danach die Menschen, die etwas Sympathie für die gegnerische Seite empfanden, auszuschalten? Aber gut, dann musste der Blauhaarige sich eben selbst darum kümmern, während Dolce die Vernichtung dieses Mannes übernahm.


    Entschlossen richtete Vishnal seinen kalten Blick auf den Silberhaarigen, der das schwarzhaarige Mädchen auf dem Gewissen hatte. Selbst wenn der Diener ebenjenes Teammitglied noch nicht einmal wirklich gekannt hatte, würde er sie trotzdem rächen und den Angreifern zeigen, dass sie mit so einer Tat nicht ungestraft davonkommen würden.
    Ohne seinen Blick von dem fremden Mann abzuwenden, bereitete der Blauhaarige erneut eine Wasserbombe in seiner Hand vor – Einen anderen Zauber kannte er ja nicht – und schoss diese in die Luft, sobald sie groß genug war. Nur würde die Attacke dieses Mal ein lebendiges Ziel treffen und wohl auch einiges an Schaden anrichten. Es war zwar nur eine Wasserbombe, aber man durfte dabei nicht vergessen, dass es sich hierbei nicht um ganz normales Wasser handelte, sondern um magisch heraufbeschworenes. Und wer konnte schon ganz sicher sagen, woraus das bestand.

    Chlorica schien nicht sehr begeistert von der Höhe dieses Berges zu sein. Sie konnte kaum runtergucken und wenn sie es doch tat, drehte sie ihren Kopf sofort wieder mit einem nervösen Ausdruck im Gesicht weg. Man konnte ihr ihre Höhenangst wirklich ansehen, aber anstatt sie darauf anzusprechen, beschloss Vishnal das lieber sein zu lassen. Wahrscheinlich war das eine weitere ihrer Unsicherheiten und es wäre ihr sicher lieber, wenn der Blauhaarige nichts davon wusste. So tat der Butler einfach, als hätte er nichts davon mitbekommen und lächelte sie ein wenig aufmunternd an.
    Trotz ihrer deutlichen Angst entschied sich die Lilahaarige schließlich doch dafür, den Weg gemeinsam mit ihrem Kollegen entlangzugehen, auch wenn sie deutlich keine Lust mehr dazu hatte. Aber Vishnal hatte sich vorgenommen sie nicht darauf anzusprechen und so würde er es auch belassen. Selbst wenn er Chlorica wirklich zu nichts zwingen wollte, musste er sich wohl zusammenreißen. Nach allem war es ja auch immer noch ihre Idee gewesen hierher zu kommen!


    Der Butler nickte der Dame entschlossen zu, bevor er ihre rechte Hand mit seiner Linken nahm und sich dann langsam in Bewegung setzte. Vorsichtig drückte er sich an die Wand des schmalen Bergpfades, während er die ängstliche Frau, die jetzt hinter – beziehungsweise neben – ihm stand, weiterhin an der Hand hielt. Nun setzte Vishnal vorsichtig einen Fuß vor den anderen, darauf aufpassend, dass er auch ja nicht runterfiel.
    Als er nach einigen weiteren Schritten immer noch Boden unter seinen Füßen hatte, fing er an ein wenig zu lächeln. Er war ernsthaft überrascht, dass er bei seinem Pech noch nicht runtergefallen war. So wurde er dann übermütig und ließ die Hand seiner Begleitung los, um sich ein wenig flinker bewegen zu können. »Siehst du, Chlorica, du musst hier gar keine Angst haben!«, rutschte es dem Herren dann doch raus, woraufhin er sich zu seiner Gefährtin umdrehte. »Dir kann hier gar nichts passieren, so lange du aufpasst und – huch?« Versehentlich hatte er in der Bewegung seinen Fuß zu weit nach hinten gesetzt, was dazu führte, dass Vishnal verwirrt nach hinten kippte und runterfiel, während er ein überraschtes Quietschen von sich gab. Ironie des Schicksals.
    - Beziehungsweise, er fiel nicht ganz runter, da er sich gerade noch so am Abhang festhalten konnte. Wie erstarrt schaute der Herr in die Tiefe und konnte nicht mehr weggucken. Nun verstand er die Höhenangst seiner Begleitung.
    Der Blauhaarige schluckte und drehte seinen Kopf langsam wieder in Richtung Berg, wandte seinen Blick von dieser grausamen Ansicht ab. »Ein bisschen, uh, Hilfe wäre vielleicht ganz.. nett...« Auf diesen gestammelten Satz folgte ein nervöses Lachen. So etwas konnte auch wirklich nur ihm passieren.

    Immer mehr Einwohner wurden auf die kleine Gruppe Entführter aufmerksam. Darunter waren einige der ursprünglichen Bewohner Alvarnas, aber auch mehrere Einwohner Trampolis, die dem Blauhaarigen eigentlich bekannt sein sollten. Doch das waren sie nicht, nicht in seinem derzeitigen Zustand zumindest.
    Einer der Fremden, ein braunhaariger Mann, wagte es sogar sich ihnen zu nähern, doch Dolce hielt ihn schnell davon ab, bevor er noch den Fehler seines Lebens begehen konnte. Auch die anderen aus dem Gebüsch hervorgetretenen Mitglieder des Rettungstrupps warnte sie noch einmal, während Vishnal nur daneben stand und die Fremden mit seinem eisigen Blick durchbohrte. Wer hätte gedacht, dass dieser freundliche Tollpatsch überhaupt so gucken konnte?
    Um ihre vorherige Aussage noch ein wenig zu verdeutlichen, verwendete Dolce jetzt auch noch ihre Magie, um das Schattenwesen erneut herbeizurufen. Aber dass die Elfe das Wesen vorher bereits schon einmal beschworen hatte, wusste der Blauhaarige natürlich nicht mehr. Zu viel Hass und zu viel Wut machten sich in seinen Gedanken breit, als dass er sich an solche unnützen Kleinigkeiten erinnern könnte.
    Aufgrund ebenjener fehlenden Erinnerungen machte der Butler auch keine Bewegung, als sich ein Feind Sophia bedrohlich näherte. Es war nicht mehr seine Pflicht sich um andere zu kümmern, er wollte nur sich selbst beschützen. Außerdem hatte sich Dolces Sensenmann schon um diese Arbeit gekümmert, bevor Vishnal überhaupt richtig bemerkte hatte, was gerade vor sich ging.


    Trotz der drastischen Maßnahmen, die das Elfenmädchen ergriffen hatte, verstanden die Fremden dennoch immer noch nicht, dass sie besser verschwinden sollten. Einer von ihnen, diesmal war es der silberhaarige Mann, der erst kurz vorher auf der Bildfläche erschienen war, weigerte sich sogar seine Situation zu akzeptieren und tat das Ganze lieber als einen Scherz ab.
    »Seid ihr taub?«, fragte Vishnal daraufhin erzürnt nach, während auch er seinen Zauber vorbereitete. »Ihr sollt abhauen!« 
    Die kleine Wasserkugel, die der Blauhaarige in der Zwischenzeit in seiner Hand geformt hatte, warf er nun in den Himmel, woraufhin sie etwas größer wieder runterfiel und vor den Füßen der Fremden zerplatzte. Nein, der Mann hatte nicht verfehlt. Er wollte den Eindringlingen lediglich einen Vorgeschmack darauf geben was passieren würde, wenn sie nicht bald das taten, was von ihnen verlangt wurde. »Als wären wir blöd genug, in eure Falle zu tappen und mit euch zu kommen.«

    Noch bevor der Magier seine seltsame Rede ganz beendet hatte, spürte Vishnal, wie sich etwas an seinem Körper und in seinem Verstand veränderte. Das Zeichen, das vorher auf seine Haut gebrannt wurde, begann plötzlich zu leuchten und es war, als hätte der Blauhaarige nicht mehr die volle Kontrolle über seine Gedanken, als wären sie stattdessen von einer mysteriösen Macht gesteuert. Was der Butler nicht wusste, war, dass er mit seinem Gefühl goldrichtig lag. Doch davon bekam er schon nichts mehr mit. Das einzige, was ihn jetzt noch beschäftigte, war es, die Eindringlinge zu bekämpfen. Moment, Eindringlinge? War es nicht möglich, dass es sich dabei vielleicht um eine Art Rettungstrupp handelte, der gekommen war, um sie zu retten? Nein, nein, das konnte nicht sein. Sie waren böse, durch und durch böse.
    Vishnal konnte nicht ganz erklären wieso oder woher, aber er wusste, dass diese Menschen ihnen nichts Gutes wollten. Es fühlte sich fast so an, als hätte jemand in seinem Verstand den Schalter von »Naiv und Gutgläubig« auf »Realistisch und logisch denkend« umgelegt. Und so wusste der Butler einfach, dass diese Menschen seinen Tod wollten und er sie davon abhalten musste, irgendwelches Unheil anzurichten. Die anderen Entführten sahen das scheinbar genauso und so machten sie sich alle gemeinsam auf, diese Schufte von ihrem Vorhaben abzuhalten.


    Bald wanderten alle nicht-mehr-Gefangenen durch den Dschungel auf der Suche nach ihren Feinden, welche sie auch bald ausfindig machen konnten. Da sich die Anderen nicht gerade unauffällig verhielten, dauerte die Suche auch nicht wirklich lang. Was dachten sich diese Fremdlinge dabei, sich so offensichtlich mitten im Dschungel aufzuhalten? Womöglich hatten sie ihre Gegner unterschätzt. Und das würden sie noch bitter bereuen.
    Die erste Person, die aus Vishnals Gruppe einen Schritt wagte, war erneut Dolce. Sie informierte die Eindringlinge ziemlich direkt über die momentane Lage, in der sie sich befanden und gab dabei Acht darauf, ja nicht zu freundlich zu wirken. »Ihr solltet besser auf sie hören«, unterstützte der Blauhaarige seine Teamkollegin dann in einem strengen Ton.
    Wenn die Fremden diese simple Aufforderung verstanden, mussten die Entführten ja noch nicht einmal Energie verschwenden, um diese Leute zu vernichten. Aber es war doch nie so einfach, wie man es gerne hätte.

    « Der Polisee.


    Eines war dem Butler mittlerweile klar: Chlorica war keine Freundin der großen Worte. In der Tat war ihre Antwort auf die Frage des Blauhaarigen noch nicht einmal ein vollständiger Satz. Aber vielleicht wollte sie sich ihren Atem auch einfach nur für den langen Weg zu ihrem genannten Zielort sparen. Und ebenjener Ort war die Sternwarte. Es wurde ihr nachgesagt, dass sie vor allen Dingen bei Nacht ein sehr schöner Ort sei. Und diese Tageszeit würde ja bald anbrechen.
    Es stimmte, die beiden Bediensteten hatten in der Tat schon eine ziemlich lange Zeit gemeinsam verbracht - so lang, dass es mittlerweile schon Abend war. Zwar war es noch hell, aber das würde sich auf jeden Fall bald noch ändern. Das war immerhin der Lauf der Dinge: Erst war es hell und dann würde es irgendwann wieder dunkel werden. Eine Selbstverständlichkeit.
    Ein schlechtes Gewissen hatte Vishnal schon dafür, dass er die Lilahaarige um ihre kostbare Freizeit gebracht hatte, auch wenn er inzwischen so ein bisschen das Gefühl hatte, dass seiner Begleitung der kleine Ausflug mit ihrem Kollegen tatsächlich ein wenig gefiel. Aber wahrscheinlich wirklich nur ein wenig. Naja, immer noch besser, als wenn die Dame ihn verabscheuen würde, nicht?


    Nachdem Chlorica ihr nächstes Ziel deklariert hatte, setzte sie sich schon direkt in Bewegung, davon ausgehend, dass Vishnal ihr einfach folgen würde, was er auch tat. Rasch lief er zu ihr und ging dann den Rest des Weges neben ihr, während er ihr begeistert von seiner neuesten Komposition auf dem Klavier erzählte. Ob es die Frau überhaupt interessierte, war dem Herren unklar, aber so lange sie sich nicht beschwerte, würde sie schon nicht zu abgeneigt von der »Geschichte« des Klavierspielers sein.
    Nach einer etwas längeren Wanderung war das Ziel dann zum Greifen nah - nur nicht ganz. Zwischen den zwei Bewohnern Trampolis und dem ersehnten Reiseziel befand sich noch ein weiterer beschwerlicher Marsch in Form eines Bergpasses. Vishnal starrte diesen ungläubig an. »Ha, und ich dachte wir hätten den Großteil des Weges schon hinter uns«, gab er dann seufzend von sich. Wie man sich doch irren konnte. Aber wenn es Chloricas Wunsch war, zu dieser Sternwarte, die sich irgendwo hinter diesem langen Weg befand, zu gehen, würde ihre blauhaarige Begleitung keine Kosten und Mühen scheuen, um sie dahin zu bringen. Ja, das hatte er sich vorgenommen und jetzt würde er auch nicht mehr kneifen. »Wollen wir?«, fragte der Diener seine Kollegin entspannt und mit ruhiger Stimme.

    ((WEN NENNST DU HIER SANDSÄCKCHEN)) (#`д´)ノ


    Die erste Gefangene, die auf Vishnals Vorschlag einging, war Dolce. Sie war nicht abgeneigt von der Idee, einen Ausbruch mit Magie zu wagen und sie äußerte den Gedanken, dass sie dem Fremden auf keinen Fall trauen sollten, woraufhin sie vorschlug, als erste ihre Zauberkräfte auszuprobieren. Als die Elfe sich neben den Blauhaarigen stellte und nickte, zögerte dieser zunächst, bevor er auch ihr ein Mut machendes Nicken zurückgab. Vielleicht war es keine ganz so gute Idee, den Zauber, der ihnen von der Rolle des Bösewichts gegeben wurde, zu benutzen, aber wenn nicht einer den ersten Schritt wagte, würden sie nie einen Weg herausfinden. Dolce würde daran schon nicht sterben. Hoffte Vishnal.
    Die Rosahaarige schloss daraufhin die Augen, konzentrierte sich. Vishnal sah langsam zwischen ihr und dem Gitter hin und her, darauf wartend, dass sich etwas tun würde. Aber da wartete er wohl vergeblich, zumindest wenn er sich ein gutes Ergebnis erhofft hatte. Denn ihr Plan ging nicht auf und mit einem Mal zuckte das »Versuchskaninchen« und fiel schlagartig um, als hätte sie ein Blitz getroffen. Vielleicht war genau das ihre neue Kraft, sich selbst Stromschläge zuzufügen! Allerdings wäre das eine äußerst unnütze Fähigkeit gewesen, es sei denn man wäre lebensmüde, natürlich. Aber so wie die Gefangenen hier um ihr Überleben kämpften, konnte der Butler sicher sagen, dass das bei keinem der Anwesenden der Fall war. Also wirklich ein unnötiger Zauber. Oder das war gar nicht der Zauber, sondern irgendetwas anderes. Aber wie sollte der Schussel denn auf so etwas kommen?
    Kurz nach dem Fall der Elfe hielt Vishnal erschrocken die Luft an, bevor er sich zu ihr runterkniete und ihr Handgelenk hielt, um den Puls zu messen. Am Leben war sie zumindest noch, auch wenn ihr Puls raste. Aber das war nach einem Stromschlag wahrscheinlich normal. Die Nachfrage, ob alles in Ordnung wäre, übernahm Sophia, die sich mittlerweile allem Anschein nach zumindest ein bisschen von dem Schock erholt hatte.


    Und damit war ihre einzige Chance, dem Käfig zu entkommen, verloren. Wenn sie die Gitterstäbe weder mit bloßer Kraft, noch mit Magie zerstören konnten, würde wohl keiner der Gefangenen ohne äußere Einflüsse rauskommen. Den Magier mit »Bitte, bitte« anzubetteln würde höchstwahrscheinlich auch nichts bringen. Diese Entführung war kein Test um zu sehen, wer der höflichste Dorfbewohner war. Das hier war um einiges ernster als das. Und da konnte man noch so höflich sein, es würde einem nicht beim Ausbruch helfen. »Okay«, gab der Mann leicht entmutigt von sich, als er langsam wieder aufstand und seine Leidensgenossen alle nacheinander ansah. »Hat jemand von euch eine bessere Idee?« Aufgeben kam gar nicht in Frage, selbst wenn die Situation ausweglos erschien. So lange sie stark blieben, würden sie einen Weg raus finden, da war Vishnal sich sicher.

    Nach einem schier unendlichen langen Zeitraum der Stille, so kam es Vishnal zumindest vor, hatten sich die Anwesenden endlich wieder gefangen und redeten wieder. Dolce war die Erste, die etwas von sich gab, als sie sich empört zu dieser Situation äußerte. Auch sie hatte noch nicht so ganz den Durchblick, war eher verwirrt über die jüngsten Ereignisse. Aber zumindest war die Elfe momentan aufnahmebereiter als der Butler, der immer wieder das Wort »Zauberkraft« in seinen Gedanken wiederholen musste, um überhaupt zu verstehen was damit gemeint war. Natürlich wusste er über Magie und das ganze andere Zeug Bescheid, aber das waren einfach zu viele aufregende Geschehnisse auf einmal für ihn. Sie verfügten jetzt also über Magie. Aber wieso probierte dann niemand von den Anwesenden aus, was sie mit der neugewonnenen Fähigkeit anstellen konnten? Ob sie Angst hatten? Nun, dann würde Vishnal es auch nicht selbst ausprobieren, vielleicht würde jemand anderes den ersten Schritt wagen.
    Ein bisschen spät entschied sich die Pinkhaarige dazu, sich vorzustellen, was ein kleines Lächeln in das Gesicht des Blauhaarigen zauberte. Nicht, dass ihre derzeitige Situation zum Lachen wäre, oh nein. Er freute sich nur darüber, dass Dolce bereit dazu war, mit ihren Leidensgenossen zusammenzuarbeiten. Vishnal nickte daraufhin und wandte sich der Gruppe zu, um ihrem Beispiel zu folgen. »Mein Name ist Vishnal und ich bin der Butler der Sainte-Coquilles.« Es würde den Gefangenen sicher helfen, wenn sie ihn auch irgendwo zuordnen könnten.
    Dolce war jedenfalls nicht die einzige Elfe, die etwas zu sagen hatte. Auch das blonde Mädchen sprach etwas aus, wobei es sich um eine Frage nach dem Wohlsein der Anwesenden handelte. »Den Umständen entsprechend«, gab der Diener ihr ungewiss zur Antwort und brachte erneut kurz ein schwaches Lächeln auf seine Lippen. »Und bei dir? Ist bei dir alles.. in Ordnung?« Vishnal musterte ihr Gesicht und ihren Körper während der Aussprache dieser Frage vorsichtig. Als das erste Opfer des Magiers hatte sie vielleicht einen noch größeren Schaden davongetragen, da der Entführer bei ihr noch den Überraschungseffekt nutzen konnte.


    Danach ging Vishnal zu den Gitterstäben, um sich diese anzugucken. Er fing an, an einem der Eisenstäbe zu rütteln, aber es hatte keinen Nutzen. Ein normaler Mensch konnte dieses feste Gebilde unmöglich mit bloßer Gewalt zerstören. Das hätte allerdings auch ein unglaublich billiger Käfig sein müssen, wenn das möglich wäre. Und der Magier hatte eher so den Anschein gemacht, als würde er weder Kosten noch Mühen scheuen, um seine »Gäste«, wie er sie liebevoll genannt hatte, gefangen zu halten. Aber da kam dem Blauhaarigen eine andere Idee. »Meint ihr, wir könnten diesen Käfig mit unseren neugewonnenen Kräften vielleicht zerstören?« Der alte Mann hatte zwar gesagt, sie könnten ihm von ihrem derzeitigen Standort aus nichts antun, aber er hatte kein Wort darüber verloren, dass sie nicht vielleicht ausbrechen konnten. Ein Versuch wäre es wert, oder nicht? Hoffentlich hatte jemand der Einwohner hier etwas Ahnung von Magie. Der Bedienstete wusste jedenfalls nicht, wie man so etwas anwenden sollte.

    Der mysteriöse Mann schien sehr zufrieden mit den Reaktionen seiner »Gäste« zu sein. Er grinste hämisch und musterte die Gefangenen daraufhin. Jeden Einzelnen. Er hatte irgendwas geplant, das konnte man leicht erkennen. Die einzige Sache, die unklar war, war nur, was er geplant hatte. Insgeheim hoffte der Blauhaarige zwar immer noch, dass es sich hierbei um ein wirklich dummes Missverständnis handelte, aber er wusste genau so gut wie alle anderen, dass das nicht der Fall war.
    Das wurde spätestens dann offensichtlich, als der Fremde das blonde Elfenmädchen - Vishnal kannte sie nicht, also war sie wahrscheinlich einer der ursprünglichen Bewohner aus Alverna - packte und zu sich ans Gitter zog. Die Entführte wehrte sich, doch der Mann war wohl einfach zu stark.
    Vishnal wollte ihr zwar helfen, war aber noch zu sehr in Schock um genau zu verstehen, was gerade vor sich ging. Es passierte alles so schnell. Mit einem Mal war das Mädchen von gelben Rauch umgeben, woraufhin der Entführer ihr sagte, sie beherrsche jetzt.. Magie? Der Butler verstand nicht ganz, was damit gemeint war. Magie? Richtige Magie? Wenn das, was der Fremde von sich gab wirklich stimmte, musste er ein mächtiger Mann sein. Zugegeben, Vishnal hatte mittlerweile ernsthafte Angst um sich und die anderen Gefangenen. Wer wusste schon, wozu der alte Mann alles in der Lage war, wenn er so schwierige Magie beherrschte. Vielleicht wollten sie es gar nicht wissen.


    Der Bedienstete wurde aus seinen Gedanken gerissen, als der nächste Bewohner Trampolis in Rauch umhüllt wurde. Dieses Mal hatte der Rauch allerdings eine andere, dunklere Farbe. Aber das war wahrscheinlich nur ein unwichtiges Detail.
    Das nächste Opfer, das der scheinbare Magier sich aussuchte, war die Lilahaarige, die an Vishnals Beine geklammert auf dem Boden saß, Sophia. Zuerst bemerkte der Blauhaarige nicht, dass die beiden bereits Augenkontakt gemacht hatten. Dass etwas nicht stimmte, realisierte er erst, als die Dame auf das Gesagte des Herren reagierte und sich mechanisch zu ihm hinbewegte. »..Fräulein Sophia?!«, stieß Vishnal daraufhin überrascht aus. Was tat sie nur? Ohne groß weiter nachzudenken, lief er ihr hinterher, packte sie an der Schulter, versuchte sie davon abzuhalten weiterzugehen, sie zum Stillstand zu bringen. Doch es hatte keinen Sinn. Sophia war nicht sie selbst und in ihrem derzeitigen Zustand würde sie bestimmt nicht auf ihn hören, wenn er versuchte sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Nichtsdestotrotz gab ihr treuer Diener nicht auf. Er würde nicht zulassen, dass der Fremde Gott-weiß-was mit ihr anstellte. »Lassen sie sich das nicht gefallen! Wehren sie sich!« Verzweifelte Versuche, die Adelstochter wieder »aufzuwecken«. Leider waren seine Mühen vergebens, die Magie des Fremden war zu stark. Und nun war Vishnal auch noch in seine Falle getappt, denn da die beiden mittlerweile am Gitter angekommen waren, war es ein leichtes Spiel für den Entführer die Handgelenke der beiden auf einmal zu schnappen. Sein Griff verengte sich schnell, als er seine Finger in ihr Fleisch krallte und anfing irgendwelche Worte vor sich hinzumurmeln. Der Schmerz veranlasste den Blauhaarigen dazu seine Zähne zusammenzubeißen und seine Augen zuzukneifen, während auch er von Rauch umhüllt wurde. Nachdem dieser zusammen mit dem Magier verschwunden war, sackte Vishnal erstmal in sich zusammen, woraufhin er sich aber sofort wieder aufrichtete. Keine Schwäche zeigen, für so was hatte er keine Zeit! Zunächst müsste er überprüfen, ob Sophia wieder zu sich gekommen war und ob sie irgendwelche ernsten Verletzungen hatte. Selbst - oder eher gerade - in Notsituationen durfte er seine Pflicht nicht vernachlässigen.
    Nachdem er sie ausfindig gemacht hatte, beugte er sich zu ihr runter und suchte die sichtbaren Teile ihres Körpers nach Wunden ab, aber es machte nicht den Anschein als würde sie in Lebensgefahr stecken. Gott sei Dank.
    Inzwischen war ihr Entführer wohl fertig mit was-auch-immer er da getan hatte und hielt eine kleine Rede vor dem Käfig. Vishnal richtete sich wieder vollständig auf und drehte sich zu ihm um. Er sprach schon wieder von Magie und anderen merkwürdigen Dingen. Dann verschwand er ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren. Der Butler blickte verwirrt und zugleich geschockt in die Runde. »Was.. ist gerade passiert? Zauberkraft??«, brachte er in seinem Versuch eine zusammenhängende Frage zu äußern heraus. Nun war es wirklich an der Zeit, dass die Gefangenen miteinander kommunizierten, auch wenn sich immer noch niemand vorgestellt hatte.

    Scheinbar durchfuhr Chlorica ein plötzlicher Sinneswandel, als sie langsam wieder ihre Hand senkte. Vishnal war ihrem Zorn wohl noch einmal entkommen, das nächste Mal - welches es hoffentlich nicht geben würde - würde sie ihn wahrscheinlich nicht so locker davon kommen lassen. Ob das Rütteln wirklich etwas gebracht hatte? Vielleicht war sie ja tatsächlich wie in einer Art Trance gefangen gewesen und musst einfach.. aufgeweckt werden. Diese Theorie wurde dem Blauhaarigen bestätigt als die Dame erschrocken nach seinem Handgelenk griff, um sich von ihm loszureißen, woraufhin die Dame konfus herumtaumelte. Das machte dem Butler dann jedoch wieder ein wenig Sorgen. »Chlorica.. alles in Ordnung?«, fragte er leicht beunruhigt, als er seine Hand nach ihr ausstreckte, um sie wieder zum Stillstand zu bringen. Das schaffte die Lilahaarige dann aber doch von alleine, woraufhin Vishnal seine Hand schnell wieder zurückzog. Er wollte sie ja nicht bedrängen.
    Dann war Chlorica es, die den nächsten Schritt machte. Wortwörtlich. Sie blickte ihr Gegenüber strengen Blickes an und ging dann auf ihn zu. Jedoch schien es trotz ihres Blickes nicht so, als würde sie den armen Mann wieder ohrfeigen wollen. Deshalb blieb dieser auch einfach ruhig dastehen, selbst als die Lilahaarige ihre Hand wieder bewegte. Er vertraute ihr - Was ziemlich naiv war, wenn man bedachte, dass er der Frau vertraute, die Stimmungsschwankungen wie sonst wer hatte. Allerdings hatte Chlorica diesmal wirklich nichts Böses im Sinne. Sie hatte ihre Hände nur gehoben, um die des Butlers mit ihnen zu umschließen. Danach lächelte sie seicht und entschuldigte sich, irgendwie zumindest. Leider konnte Vishnal ihr Lächeln nicht erwidern, da er immer noch um ihren Zustand besorgt war. Der Mann hatte die letzten paar Stunden damit verbracht, ihr das Leben schwer zu machen und jetzt war sie der Meinung, sie müsse sich entschuldigen? Nein, da ging etwas nicht mit rechten Dingen vor. Erneut streckte er vorsichtig seine freie Hand nach ihr aus, ohne sich runter zu beugen, und fühlte ihre Stirn ab. Sehr zu seiner Verwunderung hatte sie jedoch kein Fieber. Aber wenn es das nicht war, was war es dann? »Geht es dir wirklich gut?«, fragte er noch einmal behutsam nach, während er seine linke Hand wieder wegzog und diese dann benutzte, um sie auf Chloricas Hände zu legen. Seine rechte Hand befreite er dann auch aus ihrem Griff, um ihre zarten Hände zu umklammern. »Du musst dich nicht entschuldigen, du hast nichts falsch gemacht.« Damit zog er seine Hände auch langsam wieder weg und lächelte die Bedienstete sanftmütig an. Er wollte ihr wirklich nicht das Gefühl geben, als hätte sie etwas falsch gemacht.


    Das Thema wechselnd stellte Chlorica dann die Frage, ob sie den Standort wechseln wollten. »Das ist vielleicht gar nicht mal so eine schlechte Idee«, antwortete Vishnal ihr darauf und richtete seinen Blick kurzzeitig ebenfalls auf die Wasseroberfläche. »Was hältst du davon, wenn du dir jetzt aussuchst, wo wir hingehen?« 
    Auf das geflüsterte Danke der jungen Frau reagierte er nicht großartig, außer dass sich sein Lächeln noch ein wenig weitete. Das Thema war jetzt abgehakt und die Tatsache, dass es der Lilahaarigen besser ging, war schon Freude genug für Vishnal.