Beiträge von Death XIII

    Kyle & Ced


    Es hatte nicht lange gedauert bis Kyle eingeschlafen war. Wenige Minuten, dann hatte die Müdigkeit ihn überwältigt, mit sich in die Traumwelt gezogen und auch, wenn seine Position mit Sicherheit nicht die bequemste war, so machte ihm dies absolut nichts aus. Genau genommen konnte Kyle wohl an jedem Ort der Welt schlafen, wenn er denn wollte und schläfrig genug war - und jetzt, wo er ein wenig mehr davon überzeugt war, dass sein Besuch nicht mitten in der Nacht das Weite suchen und auf Ewig verschwinden konnte, da gab es auch keinen Grund um der zweiten Welt keinen Einlass in seinen Kopf zu gewähren. Die Nacht verlief ruhig, nur kurz war der junge Mann erwacht, nach ein paar Stunden, wie viele, das konnte er nicht genau sagen. Sein Handy hatte sich seit Anbeginn des Abends auf der Tischplatte befunden, kein einziges Mal hatte er einen Blick darauf geworfen - merkwürdig, irgendwie. Sein Zeitgefühl war dementsprechend eine bloße Vermutung, entsprach vielleicht überhaupt nicht der Realität und das einzige, was er mit Gewissheit sagen konnte, war, dass die Sonne noch nicht aufgegangen war. Es schien ein wenig heller, als vorher - aber da eine Vollmondnacht über sie hinein gebrochen war, stellte auch dies kein wirkliches Indiz dar. Er war kurz erwacht, für wenige Minuten, vielleicht nur ein paar Sekunden gar - hatte sich kurz nach Hinten gewandt, um zu sehen, ob der Blondschopf noch da, ob nicht auch der Tag zuvor zu einem vorherigen Traum gehörte und als sich die vermutete Realität als tatsächlich erwiesen hatte und er feststellte, dass Ced noch immer einen ruhigen, vielleicht aber auch einfach tonlosen Schlaf zu haben schien, da gab es erneut keinen Grund um noch länger am Wachsein zu klammern. So schnell wie der Russe erwacht war, war er auch wieder zurück in seine Ausgangsposition versunken und erst einiges später, da wurde er langsam, recht schwach, wieder aus dem Schlaf gerissen. Es waren keine wirklichen Geräusche, die ihn störten - viel mehr plötzliche Bewegungen, die irritierten. Nicht genug, um ihn wirklich zu wecken, aber genug, um ihn ein paar leise, widerwillige Laute entkommen zu lassen. "Dude..", murmelte er, nachdem er diese von sich gegeben hatte, der Empfänger jener Nachricht blieb unadressiert und es war spekulierbar, ob der Heranwachsende gerade überhaupt mit Sicherheit wusste, wer da hinter ihm lag, "Stop moving so fucking muuuuch....", beendete er seine Beschwerde und seine nur halbherzige Anwesenheit in der Runde war in der müden Stimme kaum zu überhören. Ironischerweise war es nun er, der ein paar Bewegungen initiierte, sein Gesicht weiter zur Seite drehte und es in einem fast trotzigen Versuch, zurück in den Schlaf zu gelangen, in die Sitzfläche der Couch kuschelte. Fast wäre er dabei mit seinem Bein gegen den Tisch geknallt, welcher noch immer knapp neben ihm stand und ein wenig, da hatte der Junge sich dann doch verschätzt. Zugegeben hatte herzlich wenig Kalkulation in seiner Methodik gelegen - hatte er zumal in seinem Schlaftrunk auch gar nicht mehr im Visier, wo genau er sich doch befand. So kam es also dazu, dass er sich in einer Recht ungünstigen und unstabilen Position und auch Lage wiederfand - und unwissentlich sein Körper, welcher zur linken Seite geneigt war, langsam, aber sehr sicher, immer mehr vom Polster rutschte. Möglicherweise fiel dies einem wachen Mitglied ja mehr auf, als dem müden Jungen, doch in der jetzigen Situation, da drohte er mit Gewissheit in den nächsten paar Minuten durch eine unsanfte Bekanntschaft seines Gesichts mit dem Boden endgültig aufgeweckt zu werden.

    Kyle & Ced


    Es war ein langer Tag gewesen. Ein wirklich, wirklich langer Tag. Wann war ihm das zum ersten Mal bewusst geworden? Gerade? In jenem Moment? In jener ruhigen, stillen, wohlbekannten Umgebung, die so voller zarter Klänge war, nur deswegen, weil er sie gerade zum ertönen brachte? Oder schon vorher? Auf dem Dach? Als er Cedric die Treppen hinunter getragen hatte? Als dieser duschen war? Noch viel eher? Als er angefangen hatte seine Tarotkarten zu befragen und dann aus Frustration und Hunger motiviert in die Stadt gegangen war? Gar als er Yuri und Dirk heute Mittag erblickt hatte? Es schien fast so, als wäre Letzteres bereits Ewigkeiten her. Wie spät es wohl inzwischen schon war? Kyle hatte keine Ahnung, wusste nichts, nicht mehr als das, was die unzähligen, strahlenden Sterne und der Vollmond am dunklen Nachthimmel ihm verrieten. Es war eine ruhige Nacht, trotz allem, was zuvor geschehen war, was beinahe gewesen wäre und trotz dem, was an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit, vielleicht noch in ihr zu geschehen mochte. Sie war wunderschön, sie zog einen in den Bann und Kyle blickte aus der riesigen Glaswand hinaus in die Ferne während seine Finger noch weiter über die Tasten tanzten. Er liebte die Nacht, hatte dies schon immer getan. In ihr wog eine Leichtigkeit inne, die schwer zu beschreiben war. Ein Hauch von Behutsamkeit, ein Hauch des Geheimnisvollen, ein Hauch von.. Wunder? Sie war einfach beruhigend, auch, wenn sich viele Menschen vor ihr fürchteten. Angst hatten, was in ihr verborgen lag, Angst davor hatten, ihr ausgeliefert zu sein - verloren, in jener Zeit, in der die meisten Menschen doch allein waren. Allein, ohne Ablenkung, ohne Freunde, ohne die Erreichbarkeit einer anderen Seele. Die einen schliefen friedlich in ihr, die anderen lebten ihre Vorzüge aus und die anderen - sie verliefen sich in ihr und hofften auf baldige Erlösung der ersten, feinen Sonnenstrahlen, die alles Böse, alles Fremde mitnahmen und die Hoffnung wiederbrachten. Unweigerlich fragte sich Kyle, wie Ced wohl gegenüber der Nacht empfand, eine Frage, die vielleicht nie gestellt werden würde. Nicht Heute, zumindest. Und auch, wenn alles so wunderbar war, auch, wenn Kyle sich freute, zum Teil wirklich glücklich war darüber, wie alles gelaufen war - trotz der Tragik, trotz des Kummers, trotz des unsagbar Grauenhaften, dass des Blonden Begleiter gewesen war - so wurde ihm langsam, gerade, so greifbar klar, wie müde er eigentlich war. Es war ihm nicht aufgefallen, nur ganz kurz, ein wenig, als er Cedric auf dem Sofa sitzen gesehen hatte, die Augen geschlossen. Doch je länger er spielte, desto mehr sah er sich mit der Tatsache konfrontiert, dass er erschöpft war. Nicht verwunderlich - es war ein langer, wirklich langer Tag gewesen. Und dennoch - dennoch wagte er es nicht, das Lied, welches er über die Wände hallen ließ vorzeitig zu unterbrechen. Er spielte, spielte das komplette Lied durch und dann, dann spielte er es erneut, ein zweites, ein letztes Mal, auch dann noch, als seine Finger langsamer wurden und seine Lider schwerer. Spielte solange, bis auch der letzte Ton gespielt wurde, hielt die letzte weiße Taste solange gedrückt, bis der letzte Ton vollends erklang und erloschen war und dann hielt er seine beiden Händen einen Moment lang wortlos, tonlos über die Tasten schweben, musterte diese und ließ sie schließlich doch noch sinken. Kein Geräusch erklang mehr, der Raum, die ganze Wohnung glänzte in akustischer Leere und dennoch spielten die bunten Lichter in der Wohnung weiter, ließen sie so auf ihre Weise trotz allem nicht kahl, nicht verlassen wirken. Niemand sagte ein Wort und Kyle stand langsam auf, drehte sich um und blickte zum Sofa hinüber, welches im ersten Augenblick völlig leer erschien. Erst, als er ein paar Schritte nach vorne machte, konnte er erkennen, dass es das in Wirklichkeit gar nicht war, genauso wenig wie der Raum, die Atmosphäre und seine Bekanntschaft tatsächlich auf dieser lag, von der Geborgenheit, von dem Reiz der Nacht überwältigt worden war. Ein kleines Lächeln schlich sich auf die Lippen des Russen, als er diesen Anblick sah und er hielt in seiner Bewegung inne, überlegte, wie es jetzt weitergehen sollte. Ah, er war wirklich, wirklich müde. Kurz geriet er ins Schwanken, die Müdigkeit drohte an Überhand zu gewinnen, doch schnell fing er sich wieder. Wie spät es bloß war? Wie lange war er eigentlich nun schon auf den Beinen? Hatte er bis auf die paar Nuggies und den Salat überhaupt etwas gegessen? Er schritt zum Tisch, griff vorsichtig, möglichst lautlos nach den vier herumstehenden Tellern und brachte sie genauso sachte in die Küche, ließ sie dort stehen, kümmerte sich in jenem Moment nicht mehr um den Abwasch oder darum, sie auch nur ansatzweise in die Spülmaschine zu räumen. Als der Punk damit fertig war, überlegte er, ob er noch einmal kurz die Terrasse betreten wollte, um eine Zigarette zu rauchen, blickte in eben jene Richtung und entschied sich für den Moment dagegen. Stattdessen ging er zurück zur Couch, Lucky folgte ihm auf dem Weg und sah sich einen Moment lang seinen schlafenden Gast an, der so friedlich, so ruhig wirkte, dass es absolut Sinn machte, dass er vorhin bei jenem Anblick instinktiv gelächelt hatte. Er hoffte wirklich, dass er einen guten Schlaf hatte, vielleicht sogar ein paar angenehme Träume - eine ruhige Nacht. Kyle griff nach einer dünnen Decke, welche sich am anderen Ende der Couch befunden hatte und deckte den Älteren behutsam damit zu, ehe er sich wieder von ihm abwandte, sich dazu entschied, noch einmal an die frische Luft zu gehen und lautlos die Terrassentür öffnete und genauso lautlos wieder schloss. Er lehnte seine Arme, seinen Oberkörper an die Metallstange, die ihn vor dem freien Fall nach Unten schützten, ab und zündete sich eine letzte Zigarette für diesen langen, langen Abend an. Er wollte wirklich, wirklich dringend schlafen. Fühlte sich so, als drohten seine Augen jeden Moment damit, urplötzlich zu zufallen und als würde er deshalb unweigerlich umfallen, direkt hier auf der Stelle. Und trotzdem zögerte er es hinaus, blickte hinunter auf den Boden, auf die leere Straße unter sich, auf welcher gerade nicht einmal ein vorbeifahrendes Auto, nicht einmal ein einzelner, nächtlicher Passant zu finden war. Es war gut möglich, dass er sich ein wenig fürchtete. Ein wenig davor fürchtete, zu Schlafen. Der Magie der Nacht zum Opfer zu fallen und sie damit gleichzeitig zu beenden. Wenn er schlafen gehen würde, dann würde er die Nacht damit zweifellos beenden. Und der Magier, Melchior, war sich nicht sicher, ob dies eine so gute Entscheidung war. Er nahm einen Zug von seiner Zigarette, beobachtete den hellen Qualm nach oben steigen und atmete einen genauso großen Schwall wieder aus. Hatte er nicht eigentlich mit dem Rauchen aufhören wollen? War bisher einfach nicht der richtige Zeitpunkt dafür gekommen? Wenn er es sich recht überlegte, so hätte er Cedric heute wahrscheinlich gar nicht erst erblickt, hätte er dies getan. Wäre er paar Minuten früher aus dem Haus gegangen, eben jene Minuten, die ihm die Zigarette vorm Verlassen des Hauses gekostet hatte, dann würde er wahrscheinlich jetzt nicht hier stehen, würde wahrscheinlich bereits in seinem Bett liegen. Der Weißhaarige glaubte daran, dass alles einen Sinn hatte, dass jeder Fehler, alle schlechten Ereignisse einen Zweck hatten - und man manchmal erst Jahre später merkte, worin dieser eigentlich genau lag. Was nicht hieß, dass Kyle an vollends vorgeschriebenes Schicksal glaubte. Oder daran, dass schlechte Dinge passieren mussten. Nein, er wollte eine schönere, eine bessere Welt haben, ein Teil davon sein, sie selbst kreieren. Er würde schlechte Dinge mit allen ihm zu verfügbar stehenden Mitteln zu verhindern versuchen. Aber es war auch einer der Gründe dafür, weshalb er sich keinen großen Kopf darum machte, wenn ihm selbst etwas nicht gelang. Warum er der Vergangenheit nicht mehr so nach hing und nur wenig Probleme damit hatte, sich selbst für verlorene Zeit oder Fehler zu verzeihen. Denn war es im Endeffekt jemals verlorene Zeit gewesen? Niemand konnte wirklich sagen, was passiert wäre, wäre sie anders gelaufen, hätte der Junge eine andere Route eingeschlagen, ob er dann vielleicht für andere Dinge, für andere Menschen am richtigen Ort und zur richtigen Zeit da gewesen wäre - und ob sich nun nicht jene, statt Cedric, allein auf der Kante eines Hauses, auf den Gleisen einer Bahn wiederfanden. Es war interessant darüber nachzudenken, doch wichtig? Das war es gerade nicht. Ihm reichte es, hier zu sein und die Erkenntnis, dass all jene vergangenen Geschehnisse ihn zu eben diesem Moment, gerade hier, geführt hatten. Der Gepiercte schnippte die Asche, die an seinem Glimmstängel hing weg und nahm erneut einen tiefen Zug. Er fürchtete sich ein wenig vor dem Schlaf, weil er nicht wusste, was der nächste Tag mit sich bringen würde. Es machte keinen Sinn, nein, das tat es wirklich nicht. Aber der Tag war nun einmal wirklich, wirklich lang gewesen. Und es war wirklich, wirklich viel gewesen. Schon allein die Gewissheit, die Erkenntnis, dass Dirk wieder in der Stadt war - allein dies hätte für einen einzigen Tag gereicht. Der Mann, zu dem Kyle womöglich die komplizierteste Beziehung hatte, die es jemals gegeben hatte. Den Mann, den er fast schon ein wenig hasste, aber gleichzeitig doch irgendwie auch mochte. Welchen er eigentlich doch als Freund bezeichnet hätte - dies aber indirekt verneint hatte, als Cedric ihn danach gefragt hatte. Sie waren keine Freunde, es wahrscheinlich nie gewesen. Und trotzdem war Dirk der Grund, weshalb er noch hier stand. Nicht nur deshalb, weil er ihm zuvor ungewollt das Leben gerettet hatte. Auch sonst war er dem damaligen Teenager des öfteren zur Hilfe geeilt. Nur, um ihn im nächsten Moment von sich zu stoßen oder einfach so zu verschwinden. Es machte keinen Sinn, hatte es noch nie gemacht. Diese zweideutigen Signale, dieses absolut verwirrende Verhalten. Und dann noch dazu die Tatsache, dass sich die Ereignisse heute wiederholt hatten. Komplett anders, in verkehrter Konstellation und doch irgendwie gleich. Auch der Postbote hatte ihn zu sich nach Hause geholt - selbst, wenn diese Idee eigentlich von Kyle gekommen war, nachdem er zuvor hatte zugeben müssen, dass er keinen Ort hatte, an jenen er in dieser einen Nacht vor über einem Jahr hatte zurückkehren können. Luke hatte ihn nicht dahaben wollen und diese Aussicht hatte seine gesamte Welt zerbrechen lassen, seinen letzten Zufluchtsort genommen, ihm jegliche Aussicht genommen. Es war so offensichtlich, so grotesk klar gewesen und trotzdem hatte Kyle sich in jener Nacht davongeschlichen. Hatte sich so unwohl an jenem Ort, in jener Stadt, in seiner eigenen Haut gefühlt, dass er es nicht mehr aushalten hatte können und verschwunden war. Verschwunden, nachdem er sich wenige Stunden zuvor hatte umbringen wollen und Niemanden hatte es interessiert. Niemand hatte nach ihm gesucht. Er war die Straßen entlang gewandert, ziellos, emotionslos und Dirk? Es war ihm absolut egal gewesen. Er hatte ihn nicht gesucht, sich womöglich nicht einmal darüber gewundert. Der Punk hatte sich davongestohlen, von jenem Mann, vor welchem er zugegeben hatte, keinen Platz mehr zu haben und es hatte diesen kein bisschen interessiert. Kein Anruf, keine Nachricht, keine Mühe. Nichts. Rein gar nichts. Hätte es den Jungen nicht so in seinem Stolz verletzt, hätte er die nächsten Tage nicht aus reinem Trotz über sich ergehen lassen - dann hätte es es womöglich ein weiteres Mal versucht. Hätte mit Sicherheit eine andere Methode gewählt, doch wäre er inzwischen mit Sicherheit nicht mehr am Leben. Er fürchtete sich davor, einzuschlafen, ein klein wenig. Konnte den Gedanken nicht loslassen, dass Ced mit einem Mal verschwinden würde, zusammen mit der Nacht, dass der Tag mit seinen heiteren Sonnenstrahlen am Himmel aufkreuzte und den Blonden zusammen mit der ruhigen Finsternis gestohlen hätte. Dass er ihn, trotz seiner darauffolgenden Versuche, ihn zu kontaktieren, ihn zu finden, nicht erreichen konnte. Dass er einen weiteren Versuch starten würde und dass die letzten Stunden vollkommen vergebens waren. Er verstand nicht. Wirklich nicht. Konnte es sich einfach nicht erklären. Wie hatte dieser Kerl ihn retten, ihn von sich stoßen, ihn aufnehmen und dann vollständig ignorieren können? Sich wie ein Freund aufspielen und ihn schließlich wieder betrügen? Er hatte keine Anstalten gemacht, sich nach ihm zu erkundigen. Hatte definitiv Möglichkeiten gehabt, hatte sogar gewusst, wo er zum damaligen Zeitpunkt gelebt hatte. Stattdessen war er ein paar Wochen später weggezogen. Verschwunden, ohne jegliche Spur. Hatte dem Amerikaner jede Chance dazu genommen, sich jemals bei ihm zu entschuldigen, jemals ein abschließendes Gespräch zu führen. Ihm jemals zu danken, ihn jemals dafür anzuklagen, dass er ihn allein gelassen hatte, in diesem einzigen, in diesem wichtigen Moment, in welchem er jemanden gebraucht hatte. Kyle war Wochen später zu seinem Haus gegangen, hatte in der Patisserie einen Haufen teurer, wundervoller Schokoladen gekauft und vor seinem Haus gewartet, einfach, um ihn wiederzusehen und sich zu entschuldigen. Sich zu bedanken? Stundenlang. Er hatte Stundenlang vor seinem Haus gewartet, vergeblich, hatte von einer bloßen Nachbarin erfahren, dass der junge Mann dort gar nicht mehr wohnte. Kein einziges Wort, kein einziger Laut. Es war so lange her - und nun war er einfach wieder da? Ohne ein einziges Wort, einen einzigen Laut. Was sollte er machen? Was sollte das alles? Es machte einfach keinen Sinn. Kyle atmete den letzten, tiefen Zug ein und sah, wie ein einsamer Stern den Himmel hinunter fiel, in den Tiefen des Kosmos verbrannte und zu einer hellen Sternschnuppe wurde. Er fürchtete sich ein wenig, zu schlafen. Aber ewig, dem konnte er sich diesem nicht verweigern. Die Konfrontation mit den eigenen Fehlern, mit denen eines anderen und mit dem Tod, welchem er selbst nur um Haaresbreite entkommen war. Die Erinnerung, an jenen Mann, an Rick, welcher sich mit seinem Freund zusammen auf dem Dach befunden hatte. Die Erinnerung, an jenen Mann, der zusammen mit des Mannes Vater, viele Jahre zuvor auf einem anderen gestanden hatte und die Erinnerung daran, wie jener vom Dach, hinunter in die Tiefe stürzte und wie Kyle machtlos ansehen musste, wie seine Fingerspitzen die seinen um weniger Zentimeter verfehlten, wie er zu spät gewesen war. Er hatte diesen Moment völlig vergessen. Ihn absolut verdrängt, wie so vieles, vorher. Die anderen Dinge waren inzwischen fast vollständig wieder zurückgekehrt, mit ihnen hatte der Heranwachsende sich auseinander setzen können, zu leben, zu arbeiten gelernt. Aber diese eine Geschichte..? Es fiel ihm schwer, alle Informationen richtig einordnen zu können. Irgendetwas schien zu fehlen und es bereite dem Mann ein wenig Kopfzerbrechen. Er drückte die Zigarette aus, blieb noch ein paar Minuten draußen verharren. Cedric. Wie lange war es wohl schon her? Wie lange schon spielte diese schrille und gleichzeitig lautlose Melodie in seinem Kopf, welche ihn an jenem Abend zu jenem Weg getrieben hatte? Ein weiteres Thema, welches auf seinen Schultern lastete und mit einem breiten, fiesen Grinsen ihn zu erdrücken versuchte. Doch das Halbblut hatte eine Tendenz dazu, Leuten das süffisante Grinsen aus dem Gesicht wischen zu können. Etwas, womit er umgehen konnte, etwas, was er mit einem Hauch von Leichtigkeit besiegte. Die Welt war ein wundervoller Ort, wenn man sie nur ließ. Grauenhafte Dinge gehörten manchmal dazu, wie es schien. Doch die grauenhaften Dinge waren dem Wundervollen unterlegen, wenn man sie nur nicht gewinnen ließ. Und der Punk verlor nicht gerne. Die Terrassentür öffnete sich, schloss sich genauso leise. Langsam fiel es dem Russen wirklich schwer sich noch auf den Beinen zu halten und selbst Lucky hatte es sich bereits auf einer freien Ecke der Couch bequem gemacht und hatte sich zur nächtlichen Ruhe eingerollt. Es war, als sei er als einziger auf der Welt noch wach, als einziger noch da, um über die Geschehnisse zu wachen. Wenn er nicht schlief, dann konnte der Traum, welchen die Nacht darstellte, nicht von einem anderen, einem womöglichen Alptraum ersetzt werden, welchen der Tag bringen mochte. Cedric würde nicht weglaufen, nicht? Cedric war schlauer als er es damals gewesen war, oder? Dabei hatte es eigentlich mit etwas ganz anderem zu tun. Nur zu gut konnte der Weißhaarige nachvollziehen, wie es war, sich in einer fremden Wohnung zu befinden, in eben jener aufzuwachen und zu realisieren, dass sie eben fremd war. Genauso, wie der Mensch, mit welchem man sie sich gerade teilte. Das drückende Gefühl, eine Last zu sein, falsch, an jenem Ort, sich so unwohl zu fühlen, dass man einfach nur das Weite suchen wollte. Er fürchtete sich ein wenig, doch Furcht war etwas, was nur dann mächtiger wurde, wenn man sie ließ. Kyle schob den großen Tisch, welcher von der Couch umrahmt wurde ein wenig nach Hinten und setzte sich auf den Boden, direkt an den Füßen jener entlang. Er lehnte sich an die Couch, sein Kopf ragte über die Sitzfläche hinaus und er warf einen kurzen Blick nach Hinten, wo sich direkt Ceds Oberkörper und Kopf befanden. Natürlich würde er die Furcht nicht gewinnen lassen - was nicht hieß, dass er sich nicht ein wenig absichern durfte. Wenn er direkt vor seinem Besuch saß, hier, auf jenem Boden und ihm quasi ein wenig den Weg versperrte, dann konnte der Blonde mit Sicherheit nicht anders, als ihn ungewollt aufzuwecken, sollte er versuchen, diese Couch irgendwie verlassen zu wollen. Es war nicht so, dass er dem Älteren nicht vertraute. Doch er wusste nun einmal auch, was bestimmte Gefühle in einen auslösen konnten, wozu sie einen treiben konnten. Langsam konnte er den Kampf gegen die elendige Müdigkeit wirklich nicht mehr bestreiten und so lehnte er den Kopf zurück, dieser fiel ein wenig zur Seite, seine Wange legte sich auf die Sitzfläche der Couch und er schloss die Augen. Sein Kopf lag nur wenige Zentimeter von den Händen seines Gastes entfernt und wahrscheinlich war eines der ersten Dinge, die dieser beim Aufwachen erblicken würde, Kyles Haarschopf - aber es erfüllte alles seinen Zweck. Er würde auf den Jungen aufpassen, das hatte er versprochen, nicht? Dass es Cedric gut gehen würde? Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann war Kyle ebenfalls im Land der Träume verschwunden.

    Gaius & Tori


    Eine womöglich gemeine Frage war sie gewesen, diese eine, die der Einäugige seiner Geliebten zuvor gestellt hatte. Wie viel sie darüber wusste, die Magd, über ein Event, ein Geschehnis, über welches die gesamte Welt zu schweigen schien, wenngleich sie zur selben Zeit noch immer darüber sprach? Wie viel konnte Tori wissen, über ein Event, über welches doch Niemand etwas zu wissen schien? Eine gemeine Frage, gewiss, doch wusste Gaius nicht, dass sie das war, dass tatsächlich kein Allgemeinwissen herrschte, verfügbar war, selbst in all jenen Büchern, die für all die verschiedenen Lebewesen seit Jahren zum Nachschlagen existierten. Woher auch? So konnte der Mann bis vor kurzem ja noch kein Wissen aus jenen ziehen, herzlich wenig mit ihnen anfangen - so war es doch eine legitime Frage gewesen, aus seiner, leicht auf Verteidigung geschalteten, Perspektive. Wenn ihr jener Name etwas sagte, wie viel wusste sie dann noch? Er hatte sich kurz nach seinem kurzen, unbedachten Ausbruch diese Frage, dieser Anschuldigung entschuldigt, hatte ein wenig abgelenkt, vom Thema, von sich Selbst, von den eben empor kriechenden Sorgen, hatte stattdessen sein altbekanntes Grinsen aufgesetzt, hatte dies sogar nicht in bloßer Halbherzigkeit getan - doch der Gedanke, der ließ ihn trotz allem nicht los, blieb in seinem Hinterkopf. Als auch Tori nun das Wort ergriff, sich ebenfalls bei ihm entschuldigte, für ihre Neugierde, da zogen sich seine Augenbrauen für einen Moment vor Konfusität zusammen - auch, wenn er nicht genau sagen konnte, wieso. War seine eigene Entschuldigung auf ebenso Verwirrtheit gestoßen? Hatte sich so aus dem Nichts kommend angefühlt? Oder hatte er Tori einen Grund gegeben, welcher sie dazu gebracht hatte, das Gefühl zu bekommen, eine Entschuldigung sei angebracht? Hatte sein Kommentar, trotz des Versuchs daraufhin abzuwinken, solch eine Reaktion in ihr ausgelöst? Es war schwierig, genau nachvollziehen zu können, weshalb Tori tat was sie tat und es ab Momente, in jenen es schwierig war, nachzufragen, um besser zu verstehen, auch wenn sich die Frage für ihn stellte. Doch die Bezopfte hielt nicht inne und Gaius formte mit seinen Lippen eine lautlose 'Oh'-Bewegung, als sie fortfuhr und nun auch seine vorherige Erkundigung auflöste, ihm erklärte, dass es tatsächlich Niemanden gab, der diese Informationen hätte weitergeben können und nun das Zepter in seine Hand drücken zu versuchte, in jene, welche ihr vielleicht mehr Auskunft geben konnten, von welchen sie annahm, neues Wissen erlangen zu können. Mit einem Mal schien der Schmied ihre vorherige Entschuldigung besser deuten zu können, jene, welche an ihre Neugierde gebunden war, jene, die nach Antworten suchte. Ihm kam ein kleines Schmunzeln über den Mund, gepaart mit einem leisen, belustigten, aber etwas abweisend klingendem Geräusch - eine bloße Reaktion auf die Tatsachen, die sich gerade vor ihm abspielten. Ironisch - das war es, nicht? Dieser Wissensdurst, diese ungezügelte Energie, dieser Wille und die Lust dahinter, die Welt und alles in ihr besser verstehen zu lernen, sehen zu wollen - es war eine Eigenschaft Toris gewesen, welche ihn von Anfang an fasziniert, beeindruckt hatte. Also wie könnte er es ihr übel nehmen, dass sie diese nun gegen ihn richtete? Es war unmöglich, stand völlig außer Frage und dennoch galt dieser Wendung ein Hauch von Anerkennung, die der Schwarzhaarige ihr mit jener Gestik auch entgegenbrachte. Der Schmied wusste nicht, welche Mimik angebracht war, wusste nicht, welche es war, welche seine Gefühle und Gedanken widerspiegeln würde und gleichzeitig wusste er genauso wenig, welche er Tori entgegenbringen wollte und von welcher er es eben nicht wollte, weshalb sein Blick und Ausdruck neutral blieb, während er die Frau beim Beenden ihrer Worte und beim Wegsehen beobachtete. "Ich..", begann er, nur wenige Augenblicke, nachdem Tori beendet hatte, machte jedoch eine kurze Pause, in welcher sich der uneindeutige Ton seiner Stimme nicht veränderte, ".. Möglicherweise bin ich die einzige Person, die das mit Sicherheit weiß.", erklärte er, sein Blick, der zuvor noch seine Freundin gemustert hatte, wand sich zur Seite, beobachtete die Utensilien, welche an der Wand hingen. Eine Gestik, die ihn selbst verwirrte, doch er vermutete, dass Tori nach dieser Aussage womöglich aufblicken könnte und er hatte es instinktiv vermeiden wollen ihren Blick zu treffen. Es war merkwürdig, wie er agierte, merkwürdig, dass der sonst so ausdrucksvolle Mann eine so ausdruckslose Miene aufsetzte und Gaius fühlte sich nicht ganz so, als wäre er in jener Situation wirklich präsent. Es wirke wie ein Traum, eine surreale Vorstellung, als sei er weit entfernt, als würde er die Situation aus der Erzählung eines Dritten nacherzählt bekommen. Es war ein komisches Gefühl, nicht einsortierbar, erst Recht deshalb nicht, da es sich auch nicht verbunden mit seinen Gefühlen, gar gänzlich getrennt von jenen fühlte. Der Schmied schwieg einen Moment lang, die hölzernen Löffel, welche an der Wand hingen, hatten sich in jener Zeit selbstverständlich überhaupt nicht vom Fleck gerührt, was jener Interpretation, einen bloßen Film vor seinen Augen zu sehen, nichts von seiner Essenz nahm. "Die Magier, die jene Stadt zunächst einmal übernommen haben, also ihre Anführer.. waren meine Eltern. Sie haben die Stadt bis zu ihrem Ende hin regiert.", erläuterte er, wobei seine Erzählung offen ließ, wessen Ende genau er meinte. Jenes der Stadt? Jenes der Eltern? Eine Antwort, die wahrscheinlich mehr Fragen aufwarf, als sie tatsächlich beantwortete, doch gab es in jenem Fall tatsächlich eine vollendete, eine aufschlussreiche Erwiderung? Eine, die nicht beinhaltete, die gesamte Geschichte nachzuerzählen? Beim Gedanken daran verzog sich das Gesicht des Zwergs, die erste Bewegung, die erste Reaktion, die sich wieder ein wenig realer, ein wenig näher für ihn anfühlte, auch, wenn er inzwischen sein Gesicht noch weiter abgewandt hatte. Er stockte in seiner Bewegung, die Hand, die sich noch immer auf dem Tisch befand, hatte es sich weiter darauf bequem gemacht, beherbergte nun seinen gesamten Armen, welcher sich zugleich aufrichtete und nun seinem Kopf Halt gab, welchen er in jenem Moment, mit dem Gesicht nach Vorne, darauf abgestützt hatte. Die Handfläche bedeckte sein gesundes Auge, welches er in der Zwischenzeit geschlossen hatte und seine Finger vergruben sich ein wenig in den fallenden, langen Haaren. Ihm war schwindelig, er fühlte sich schlecht, fühlte sich absolut Fehl am Platz, Fehl in jener Unterhaltung, jenem Augenblick. "Ich... ich will wirklich nicht darüber.. sprechen.", hauchte er dann, etwas zögerlich, etwas wacklig, selbst jene Worte, sie fühlten sich falsch an. Nichts an dem Ganzen hier fühlte sich mit einem Mal richtig an. Wo genau war er gerade eigentlich? Und mit wem sprach er? War es noch immer Tori, die dort vor ihm saß? Er war sich nicht sicher, hatte jene Aussage gar ihm Selbst gegolten? War er noch immer in Incrementos? Alvarna? Nein, nichts von Beidem? Sein Kopf schmerzte und die Informationen, all jene, die tatsächlich existierten und all jene, welche es nicht taten, schwirrten vor ihm umher, umhüllten ihn, machten keinen Sinn und schienen absolut befremdlich.

    Gaius & Tori


    Ah, natürlich. Tori schien mehr zu wissen, als die normale Durchschnittsperson wahrscheinlich würde. Gar konnte. Der Schmied wusste nicht, was es war, dass die junge Frau wusste - aber man konnte ihr aus dem Gesicht ablesen, dass ihr der Name, welchen er ihr genannt hatte, nicht unbekannt war. Es machte Sinn, ja - Tori konnte lesen, etwas, was ihr schon von Grund auf ein Vorteil war, aber genauso war sie auch belesen. Gaius musste zugeben, dass er nicht erwartet hatte, dass ihr die Stadt oder ihre Geschichte bekannt waren - doch er hatte er befürchtet. Sein Gesicht hatte sich wieder in eine gleichgültigere Richtung bewegt, womöglich vielleicht sogar ein wenig verfinstert, als er die Frage seines Gegenübers vernahm. Wann er weggegangen war..? Aus der verfluchten Stadt, deren Schicksal seit Jahren in Mysterien umhüllt war? Der Mann ertappte sich dabei, wie sein Blick ein wenig düsterer, ein wenig abweisender wurde und versuchte diesem Vorgang Einhalt zu gebieten, gar entgegen zu wirken. Die Blonde hatte eine einfache, eine selbstverständliche Frage gestellt - und es war nicht ihre Schuld, sie verdiente es mit Sicherheit nicht, dass er sie so anblickte, so agierte. Dass sie sich unwohl oder schlecht fühlen würde - das war mit Sicherheit das Letzte war er wollte. Dennoch.. "Wie viel.. weißt du darüber?" .. konnte er nicht anders, als diese Gegenfrage in den Raum zu werfen. Vorsichtig, doch mit einer Ernsthaftigkeit, welche Gaius nur dann an den Tag legte, wenn es wirklich um etwas Wichtiges ging. Ja, selbst dann schwang bei ihm doch zumeist ein Hauch der Leichtigkeit mit? Der Einäugige gedachte zunächst ihre Frage zu ignorieren, sein eines Auge verfolgte die Bewegungen, die Reaktion seiner Freundin mit solch einer Intensität, wie sie es sonst vielleicht nur im Kampfe mit dem Feinde machten - doch dann, stattdessen, entkam dem Mann, der sein Auge für einen Moment lang schloss, ein kleines Seufzen. "Entschuldige.", erneut, zum zweiten Mal in den letzten Minuten, wofür blieb unausgesprochen. Die Entscheidung von vorhin wurde geändert, der einzige Grund dafür die Tatsache, wer gerade vor ihm saß. Welch einen Wert diese Person für ihn inne hielt. "Ein paar Tage, in etwa, nachdem die Magier ausradiert wurden. Also kurz, nachdem die Situation komplett eskaliert ist." Er machte eine kleine Pause, setzte dann jedoch, wenn auch sichtlich beabsichtigt, ein kleines, bekanntes Grinsen auf, als er hinzufügte: "Wie ich letztendlich dann ausgerechnet Leo in die Hände gelaufen bin, ist mir jedoch bis heute noch ein Rätsel."

    Gaius & Tori


    Toris Worte, auch wenn sie doch zögerlich und merklich gewählt aus ihrem Munde kamen, sorgten dafür, dass sich unwillkürlich, ja gar automatisch ein kleines Lächeln auf den Lippen des Einäugigen bildete. Er war froh, das zu hören - dass sie es hier nicht mehr so schrecklich fand, vielleicht auch gar überhaupt nicht mehr. Es war irgendwie komisch, dass jene Worte solch eine immense Bedeutung inne haben konnten - für ihn zumindest, also, dass ihre Antwort ihr überhaupt in irgendeiner Weise regte. Nicht, dass Gaius ansonsten gefühlstechnisch einem Stein glich oder etwas in der Art, nein, er hatte auch für andere Menschen, andere Lebewesen Mitgefühl, Bedauern oder ähnliche Emotionen verspürt. Doch bei Tori? Gerade? Da war es erneut etwas anderes, etwas Neues. Zu wissen, dass es ihr gut ging, dass sie glücklich war, dass sie sich wohl fühlte.. es war fast genauso wichtig, wie seine eigene Welt. Vielleicht, ja, sogar ein wenig wichtiger? Es war faszinierend, dieses Gefühl, diese Intimität, diese.. Liebe. Und doch entkam ihm dann ein kleines, überraschtes Glucksen, als seine Freundin die Gegenfrage stellte. Er wusste nicht, was der Magd durch den Kopf ging - aber schien es ihr doch sichtlich genauso zu gehen, wie ihm. Auch sie wollte wissen, wo und wann er sich heimisch fühlte, woher er kam - es lag selbige Intensität, Neugierde und Emotionalität darin, wie in seinen eigenen Fragen. Ihre erste Frage ließ der Schmied absichtlich unbeantwortet, eine Tatsache, die womöglich überhaupt nicht erst auffallen würde, hatte sein Gegenüber doch schnell zur nächsten angesetzt. So war das in Gesprächen oft der Fall, nicht? Man reagierte nicht auf alles Gesprochene, nicht auf jede einzelne Frage wurde stetig eingegangen. "Nicht.. wirklich.", erwiderte er also, auf ihre Frage hin, ob er Alvarna denn vermisste. Nicht wirklich - das war vielleicht sogar ein wenig untertrieben. Er machte eine kurze Pause, es war ihm anzusehen, dass er in seinem Kopf ein wenig rumwühlte, sich vielleicht an etwas zu erinnern versuchte, um ihr eine gänzliche Antwort geben zu können, an irgendeiner Oberfläche kratzte, welche es für Informationen zu bezwingen galt. "Tatsächlich komme ich aus einer Stadt namens.. Incrementos. Aber auch ihr hänge ich nicht wirklich nach. Ich denke.. Orte und Gegenstände haben keine wirkliche Bedeutung für mich? Solange es einen Ort gibt, an dem ich leben und arbeiten kann. Wobei es tatsächlich stimmen würde, wenn ich behaupte, Alvarna ist die Stadt, in der ich bisher die längste Zeit verbracht habe." Konnte dieser Ort, aus welchem auch Tori stammte, demnach als seine Heimat gelten? Er hatte ehrlich gesagt keine Ahnung. Was war es denn, was es ausmachte, eine Heimat? War es die Verbindung, dieses vertraute Bekannte, dass man einen Ort wirklich kannte, all seine Ecken und Kanten? Weder von Trampoli, noch von dem abgebrannten Ort konnte Gaius dies für sich behaupten. Wie sah es also mit Incrementos aus? Wahrscheinlich schon eher, war er doch dort geboren worden. Doch konnte man von solch einem Ort tatsächlich von Heimat sprechen..?

    Gaius & Tori


    "Oh.", war das erste und zunächst einmal einzige, was Gaius über die Lippen kam, als er Toris Worten, ihrer Erklärung lauschte. Es war keine gute Antwort, keine gute Erwiderung, aber es war einfach das, was ihm als erstes in den Sinn kam. Es stimmte, jetzt, wo sie es so sagte. Bei ihrem ersten Treffen, damals, da hatte es gebrannt, das Inn, die gesamte Stadt, Gebäude, Menschen - es hatte viele Tote gegeben. Es war viel Blut vergossen worden. Es machte Sinn, dass sie den Tag in schlechter Erinnerung hatte, dass sie nicht gerne daran dachte - dass sie hierher geflüchtet war, sie alle eigentlich, selbst Leo und seine Schmiede hatten hier ein neues Zuhause gefunden. Es war dem Schmied entfallen, irgendwie. Auch wenn dies vielleicht keinen Sinn machte, denn wie konnte einem solch ein enormer Schicksalsschlag denn eigentlich überhaupt entfallen? Der Einäugige wand den Blick ein wenig ab, richtete ihn auf eine unbestimmte Stelle des Tisches, schien ein wenig selbst in Gedanken versunken, in dem Versuch, sich zu erinnern. "Du hast Recht.", fuhr er dann fort, eine bloße, nüchterne Aussage, in welcher dennoch ein Hauch von Überraschung steckte, "Ich hatte ganz vergessen." Ironisch, irgendwie. War es ihm doch genauso wie der Blonden entgangen - vergessen, verdrängt. Welche Wortwahl war hierbei wohl die passendere? "Es tut mir Leid.", fügte er hinzu, darauf bezogen, dass er dieses schwierige Thema doch ohne Absicht angesprochen, wieder an die Oberfläche befördert hatte. Tori hatte Angst vor dem Feuer, nicht? Oh, wie sinnig diese Erkenntnis doch war, wenn man einmal bedachte, was es ihr doch alles im Leben genommen hatte. Der Schwarzhaarige sah wieder auf, suchte wieder den Blick der Magd, setzte ein kleines, den Ansatz eines Lächelns auf. "Ehrlich gesagt habe ich wenig Erinnerung an diesen Tag.. ich weiß, dass ich dich getroffen hab', dass ich ein wenig eingeschüchtert von dir war, von allen Leuten, die mir über den Weg kamen, immerhin hatte ich nur selten die Schmiede verlassen und an jenem Tag war ich wohl.. dazu gezwungen. Und wie du weißt, bin ich wirklich schlecht mit Menschen." Er hielt inne, nicht sicher, worauf er mit dem Gesagten überhaupt hinaus wollte. Ein Zugeständnis, eine Erklärung - zum Teil, ja. Er wollte auch sicher gehen, dass Tori seine vorherigen Aussagen nun besser zuordnen konnte, vielleicht. Ah, wie hätte er sie, diese Frau auch vergessen können? Sie hatte sich bereits bei ihrer ersten Begegnung in seine Erinnerungen geprägt, hatte schon immer einen gewissen Hauch, eine gewisse Art, einen Schimmer gehabt, der ihn in den Bann gezogen hatte. Von dem er einfach, bis heute, wahrscheinlich für immer - nicht genug kriegen konnte. "Findest du es hier.. denn so schlimm?", fragte er also schließlich, nicht sicher, was die Antwort darauf sein würde. Wenn sie sich hier nicht heimisch fühlte und ihre eigentliche Heimat nicht mehr existierte - gab es dann überhaupt eine Möglichkeit, dies zu ändern? Es ihr hier angenehmer zu machen? Hatte Gaius diesbezüglich ähnliche Gefühle? Er hatte nie darüber nachgedacht, schien dies jedoch verneinen zu können. Sein Zuhause war immer dort gewesen, wo er schmieden konnte - es hatte ihn nicht wirklich geschert, wo und wie dies geschah. Sein richtiges Zuhause, das, aus welchem er stammte, dies hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Nicht mehr seitdem Leo ihn damals, als er noch ein Kind war, letztendlich aufgenommen hatte. Vermisste er also den Ort, aus dem er stammte, so wie Tori es mit Alvarna tat? Eh..

    Kyle & Ced


    Es war.. irgendwie angenehm. Irgendwie schön? Es dauerte wirklich nicht lange, nur wenige Sekunden, wenige Noten - da hatte Kyle seine anfängliche, leichte Anspannung komplett vergessen. Jeder liebte Musik, irgendwie, auf seine eigene Weise. Es war fast etwas Universales, so gut wie jeder konnte sie verstehen und mit ihr in irgendeiner Art etwas anfangen. Aber in jenem Moment, als er eines seiner liebsten Lieder spielte, da dachte der Punk wieder daran, wie sehr er sie doch liebte. Die Musik. Sie hatte schon immer einen ganz besonderen Platz in seinem Herzen gehabt und in jenem Moment, da war er wirklich froh, dass er wusste, dass er damals gelernt hatte, wie man einen Flügel spielte, dass er sich auch die Zeit genommen hatte, das Schlagzeug zu lernen und ebenfalls, dass er seit einer Weile an der Gitarre herumspielte. Der Russe war ganz in seiner Musik, in seinem Spiel, in den sanften Klängen des Flügels vertieft, hatte ein kleines, unwillkürliches Lächeln aufgesetzt, als er die bunten Lichter beobachtete, die langsam über die Tasten seines Instruments wanderten, am besten jedoch auf den Wänden zu erkennen waren. Kyle spielte, solange, bis er das ganze Stück beendet hatte, widmete sich ganz der Kunst, sah weder auf, noch lenkte er sich sonst irgendwie ab. Erst, als er fertig war, die letzten wenigen Noten ausklingen ließ, da hielt er gedanklich inne, wunderte sich, was.. als Nächstes kommen würde. Cedric hatte nichts gesagt, die ganze Zeit über nicht - und auch er selbst war völlig stumm geblieben. What.. was he supposed to do now? Der letzte Ton klang aus und Kyle wand sich ein Stück zur Seite, drehte den Kopf nach links, um einen Blick auf das Sofa zu bekommen. Ein kleines, lautloses Glucksen entkam seiner Kehle, als er seinen Besucher sah, der mit Lucky auf dem Schoss dort saß, die Augen geschlossen, der Kopf nach hinten, auf die Lehne geneigt. Cedric sagte nichts und der Gepiercte war sich nicht sicher, was das zu bedeuten hatte. Kurz öffnete er den Mund, begann damit, ihn zu einem Wort zu formen, überlegte, sanft den Namen seines Freundes zu nennen, fragend, einfach, damit er reagieren würde, damit er wusste, ob er denn noch ganz bei ihm war - doch er ließ es bleiben, versiegelte die Lippen, ohne jemals einen Laut von sich zu geben, schmückte sie stattdessen bloß mit einem genauso sanften, warmen Lächeln. Er wusste nicht, ob der Blonde eingeschlafen war, ob er noch lauschte, sich einfach entspannte, die Musik genoss - schien er doch eine brennende Leidenschaft dafür zu haben, irgendwie. Er hatte dies nie gesagt, nie wirklich ausgesprochen - aber Kyle war sich sicher, dass es so sein musste, vielleicht mehr dahinter steckte und er nahm sich auch vor danach zu fragen, wollte wissen, warum es ausgerechnet eine gespielte Melodie war, die der Mann sich am Ende dieses langen Tages wünschte, von allen Dingen, die es auf der Welt gab, von allen Dingen, die irgendwie Sinn machten. Der Mann wartete einige Sekunden, wand sich dann wieder zum Flügel, überlegte, dachte nach, welche Lieder er denn noch kannte, welche leise, welche sanft genug waren, um die Bekanntschaft, welche eventuell endlich, zum ersten Mal an diesem Tag wahrscheinlich, zur Ruhe gekommen war, nicht aus der Trance, nicht aus dem Moment zu holen, zu wecken gar. Ihm fiel nicht viel ein, also spielte er die erste Melodie die ihm in den Sinn kam, auch, wenn sie an manchen Stellen etwas aus dem Schema geriet, doch irgendwie passte sie und er versuchte die Lautstärke auf einem angenehmen Pegel zu halten. Ah, es war ein langer Tag gewesen, nicht? Erst jetzt bemerkte er, dass auch er langsam ein wenig müde, ein wenig erschöpft war. Es war soviel geschehen und zugleich doch irgendwie auch.. nichts? Es hätte vieles geschehen könnten, vieles anders sein können, hätte er, hätte irgendwer in irgendeiner Weise anders agiert, hätte er Dirk nicht getroffen, hätte er Cedric nicht gesehen, nicht diesen Mann, nicht.. Rick. Es war ganz passend, wenn Cedric einschlafen würde, nicht? Zu sanften Klängen, die er wohl liebte, zu einer Welt, die anders war, als jene, die er in der letzten Zeit mit bestimmter Gewissheit durchlebt hatte. Kyle fragte sich, ob er dem Engländer einen Einblick hatte gewähren können, ein wenig davon überzeugen, dass es noch mehr gab, dass die Welt und Cedric selbst noch viel zu bieten hatten - und dass selbst in den schlimmsten Zeiten noch Etwas existierte, was wertvoll war. Dass es besser werden würde, mit der Zeit. Ced sollte leben, das Leben genießen, es gar vielleicht lieben lernen - und Kyle wollte ihm dabei helfen. Egal wie. Vielleicht ein wenig zu sehr, konnte er doch nachvollziehen, wie es war, wenn alles schmerzte, wenn die Hoffnung in weiter Ferne rückte, wenn selbst der Gedanke an den Schmerz, welchen man anderen verursachen würde, nicht mehr reichte, nicht mehr überzeugte. Kyle legte den Kopf in den Nacken, musste tief einatmen, um zu verhindern, dass seine Augen kurz glasig wurden, konnte es dennoch nicht völlig verhindern. Es war ein langer, anstrengender Tag gewesen. Ein sehr emotionaler Tag und der Punk neigte den Kopf wieder nach vorne, spielte trotz allem unverblümt weiter. Ein wenig war er ja glücklich, irgendwie. Nein, er war es sehr. Cedric ging es gut, er war hier. Er war bei ihm. Er konnte es verhindern, nicht? Er konnte das Schicksal ändern, wenn er wollte, wenn er es nur fest genug versuchte, wenn er daran glaubte? Die Welt musste kein schrecklicher Ort sein, wenn man sie denn nicht ließ. Es würde besser werden, das wurde es immer. Das Leben war wundervoll, trotz der Tragik, die sich stets in ihrer Mimik abzeichnete.

    Kyle & Ced


    Man könnte meinen, dass es fast ein wenig lustig war, ein wenig ulkig, wie Cedric mit einem Mal reagierte. Die Augen des Mannes, sie öffneten sich plötzlich und er blickte den Punk mit einem Augenmerk an, welches so voller Erstaunen war, dass es Seinesgleichen erstmal finden musste. Lustig, ja, das war es auf gewisse Weise, dieser Anblick, vor allem, wenn man einmal bedachte, wie sehr es Kyle zu amüsieren schien, wenn er Leute überraschen oder verwirren oder irgendwie überwältigen konnte. Natürlich nicht, indem er absichtlich reinen Nonsense sprach oder so, nein, das würde keinen Sinn machen und natürlich würde ihn so niemals jemand verstehen. Und trotzdem, da war es dieses eine Mal kein Grinsen, kein Lachen, was über seine Lippen kam, tatsächlich spielte sich viel mehr auf denen des Älteren ab. Es war ein kleines Danke, ein einzelnes, leises Wort, welches dem Blonden entfleuchte und Kyle verfolgte mit neutralem, aber aufmerksamen Gesichtszügen seinen Gegenüber, als es dies tat. Er hatte nicht mit einer Erwiderung oder einer Art Anerkennung seiner Worte gerechnet, hatte er seine Aussage doch einfach nur deshalb getroffen, weil es eben das war, was in jenem Moment zugetroffen hatte. Und so war der Weißhaarige stumm, während er der Mann vor sich beobachtete und erneut eine Danksagung seinerseits vernahm. War es ein Hauch der Melancholie, die da über Kyle kam? Eher eine Art der wortlosen Verständnis? Die offensichtlich etwas intime Offenbarung Cedrics, diese eben gesprochenen Worte wirklich nötig gehabt zu haben.. Es wäre nicht übertrieben gewesen, zu behaupten, Kyle konnte all die schwere Last, die sich auf den Schultern seines Freundes befand, auf eine Art und Weise nachfühlen, die an Intensität fast dem Original glich. Es machte keinen Sinn, hatte er doch so gut wie - nein, eigentlich absolut keine Ahnung, was es denn war, diese Lage, in der sich der Musiker da befand - aber war es nicht schon immer eine bemerkenswerte Eigenschaft von Lebewesen gewesen, das Leid anderer ebenfalls zu fühlen? Kyle überlegte, etwas zu sagen, Laute mit seinem Mund zu formen, ließ es dann jedoch schnell wieder sein. Es gab so viele Fragen, die er hatte, soviel, was er noch hätte sagen können - aber gerade? Da machte es Sinn zu Schweigen. Es war einfach nicht der Moment, um die Stimme zu erheben, der Moment, um dem noch irgendetwas beizufügen. Auch, wenn das Halbblut sich jenen später vorkommenden Moment sicher nicht entgehen lassen würde. Der Punk strich sich mit einem lautlosen Seufzen, welches von der Bewegung seines linken Armes verdeckt wurde, die Haare aus dem Gesicht, nach Hinten und ließ seine Handfläche ein paar wenige Sekunden auf seinem Kopf ruhen, ehe er sie wieder senkte. Ah, that really kinda hurt. Er tendierte wirklich dazu, viel intensivere Gefühle zu haben, wenn jemand anderes litt oder etwas offenbarte, was Niemand jemals offenbaren müssen sollte - einfach deshalb, weil sich Niemand jemals in solch einer Lage befinden sollte, befinden durfte. Es war ein kleines Schmunzeln, welches nun wieder über seine Lippen kam, als Cedric tatsächlich auf seinen Vorschlag einging. Er war sichtbar ein wenig verwundert, nicht, weil er es nicht ernst gemeint hatte oder etwas in der Art, sondern wegen der Antwort, die der Mann schlussendlich gewählt hatte. Viel eher hatte Kyle gedacht, dass es seine Bekanntschaft selbst sein würde, die auf dem Flügel spielen wollte - immerhin machte das doch Sinn, wenn man diesen so lange und oft anstarrte und von hoher Wertschätzung sprach? Aber dass er tatsächlich doch von Anfang an Kyle fragen wollte, ob er etwas spielen würde..? "Ah, shit.", entfuhr es ihm also, ein kleiner Hauch von Anerkennung darüber, dass der Ältere ihn erwischt hatte, schwang in seiner Stimme mit, "Alright. I will." Er machte eine kurze Pause, in der ihm wohl etwas auffiel, weshalb er noch schnell hinzufügte: "Du darfst aber absolut nicht in meine Richtung gucken, okay?", erklärte er, die Worte mit etwas Nachdruck betont, während er sich daran aufmachte, sich aufzurichten. Auf beiden Beinen wieder angekommen, sah er nochmal zu Cedric und Lucky, welche inzwischen mit leichten Tapsen ihrer Pfoten auf der Seite des Engländers signalisierte, dass sie doch gerne ein wenig Aufmerksamkeit von ihm haben wollte. "Ich..", begann er, die Augenbrauen auf seinem Gesicht bewegten sich ein wenig, als er sich wohl versuchte, zu erinnern, "..hab' actually noch nie vor jemand anderes gespielt, als meinen Eltern. Und selbst das ist schon um die zehn fucking Jahre her." Was nicht hieß, dass er seit jener Zeit nicht mehr gespielt hatte - oh, das hatte er eigentlich relativ oft, seitdem er den Flügel hier aufgestellt hatte. Er.. hatte bloß noch nie Publikum gehabt. Eltern, die den Fortschritt ihres Kindes Unterricht mitverfolgen wollten, galten da nun wirklich nicht als wirkliche, zählbare Kandidaten. Weshalb der Amerikaner, der sonst doch eigentlich eine recht selbstbewusste Art ausstrahle und es inzwischen auch die meiste Zeit über eigentlich war.. zugeben musste, ein wenig nervös zu sein. Immerhin hatte er keine Ahnung, ob er noch ansatzweise spielen konnte? Ob er gut war? Er hatte persönlich jetzt keine Kritik sich gegenüber auszusetzen, war sich also eigentlich sicher, dass er es nicht verlernt hatte aber.. konnte es sich da sicher sein? War es aus der Außenperspektive vielleicht anders? Gott, eventuell hatte Cedric ihn jetzt doch ein wenig unter Erwartungs- und Leistungsdruck gesetzt. "So don't make it awkward for me, please.", fügte er schließlich hinzu, die Stimme dabei durch den leichten Hauch von Anspannung ein wenig höher und weniger fest klingend, die Beine trugen ihn beim Sprechen schon von der Couch weg, hinüber zum Flügel. Vor diesem angekommen blieb er einen Augenblick stehen, fragte sich, was er denn.. eigentlich.. überhaupt spielen sollte? Hätte er der Blonden fragen sollen? Nach einem Liedwunsch? Nope, dann hätte das kleine quasi Lampenfieber sich definitiv zu etwas größerem entwickelt. Eh. Dann würde er einfach mit einem seiner Lieblingslieder gehen, nicht? Der Gepiercte setzte sich hin, legte seine Finger auf die weißen Tasten und schloss einen Moment lang die Augen, holte einmal leise, aber tief Luft, bevor er sie beim ausatmen wieder öffnete. Er begann zu spielen, versiebte die ersten paar Töne ein wenig, indem er sie zu schnell spielte, fand sich dann jedoch wieder rein und auch beim Musizieren selbst war die anfängliche Unruhe schnell verschwunden, als er sich inmitten der im Raum verteilenden Melodie befand. Dass der Raum beim Spielen ein wenig dunkler wurde und sein Galaxy Projector anging, da er vor einer Weile eingestellt hatte, dass Alexa diesem beim Ertönen von Musik automatisch anmachen sollte und sich nun eine blau-lilane Atmosphäre über die Wände und Möbel seiner Wohnung schlich, hatte er absolut vergessen - es störte ihn aber nicht weiter. Tatsächlich brachte es bloß ein kleines Grinsen über seine Lippen, fragte er sich doch, ob dies Cedric nun erst Recht verwirrte, wenn selbst er diesen Fakt verpeilt hatte. Aber es war ein schöner Anblick, nicht?

    Kyle & Ced


    Diesmal war es Kyle, der ein wenig verdutzt dreinblickte, als Cedric seine Frage indirekt verneinte. Gut, es war keine Verneinung per se, aber er stimmte auch nicht zu und das warf einige Fragen im Kopf des jungen Mannes auf. Hatte er sich doch vertan? Nicht, dass das etwas Schlimmes oder Fatales war, aber er war sich so sicher gewesen? Die Art und Weise zumindest, wie Cedric über den Flügel gesprochen hatte, war sehr auffällig gewesen. Wieso also hatte er seine Worte so gewählt, wenn er dem Gegenstand in des Punks Wohnzimmer doch nicht soviel Bedeutung oder Wert schenkte? Ced fuhr fort und dem Weißhaarigen entkam ein kleines Glucksen, was Lucky dazu brachte wieder vom Fremden weg, hinauf zu ihrem Besitzer zu blicken. Dem Russen war ganz einfach die Ironie in Cedrics Worten aufgefallen und er nahm es sich nicht, diese zu kommentieren: "Sorry, ich hab' nicht über dich gelacht.", begann er seine Erklärung, da er sich nicht sicher war, ob sein Gast die Laute aus seiner Kehle nicht vielleicht negativ interpretiert hatte. Er begann Lucky hinter den Ohren zu kraulen und die Katze gab ein erfreutes, dunkles Schnurren von sich. "Ich dachte nur gerade daran, dass genau das der Grund war, warum ich auf dem Dach so wütend geworden bin.", fuhr er fort und sprach dabei von dem Moment, an welchem er Rick fast schon aus Reflex seinen vollen Rucksack entgegen geworfen hatte. Er war sich nicht sicher, ob der Ältere verstand, was er damit meinte, sah er sich selbst doch in einem ganz anderen Licht. Aber für Kyle? Da war jedes Leben, Cedric Selbst, so unglaublich wertvoll und wenige Stunden zuvor waren zwei Dinge aufeinander geraten, die ihn diesbezüglich die Fassung hatten verlieren lassen. Zum einen, die Erinnerung daran, wie der Fremde zuvor schon einmal mit dem Leben eines anderen Umgegangen war, wie er damit gespielt hatte, so, als habe es absolut keinen Wert, als wäre es etwas Nichtiges, schnell ersetzbares. Und andererseits.. die Tatsache, Cedric so zu sehen. Zu wissen, dass es wahrscheinlich erneut um eine ähnliche Situation ging, dass seine Bekanntschaft womöglich in Gefahr war, die heutige Nacht nicht mehr zu überleben. Möglicherweise war es merkwürdig dass zu sagen, aber für den Russen war Ced.. eh, what the hell? Wieso dachte er bloß darüber nach und sagte es nicht laut? Das Leben war viel zu kurz, um sich darüber Gedanken zu machen, ob ehrlich gemeinte, positive Worte angebracht waren oder nicht. "To me you're already a precious friend, that's what I meant." Sein Augenmerk, welches gepaart mit einem kleinen Lächeln Cedric gewidmet war, wandten sich wieder an Lucky, welche sich kurz auffällig über die fehlende Aufmerksamkeit beschwerte. Kyle hob die Katze unter den Vorderbeinen mit beiden Händen hoch und hob sie in Höhe seines Gesichts, ließ sie nicht weit davon ein wenig in der Luft hängen. "Yeah, yeah. Aus demselben Grund hab ich dich aus dem Tierheim geholt, we know. Kein Grund eifersüchtig zu werden. You know I love you, bitch. Even though.. I sometimes forget you exist.. Okay, maybe I get your point." Mental geschlagen von einer alten Katzendame, huh. Kyle setzte die Dame wieder auf der Couch ab, woraufhin sie damit begann langsam in Richtung des Blonden zu tapsen und ihn mit ihren großen, dunklen Augen zu mustern. Der Halbamerikaner befreite sich aus seiner Schneidersitzposition und senkte die Füße wieder Richtung Boden. "So, what exactly does that mean?", fragte er nun wieder an Ced gerichtet und beobachtete dabei, wie Lucky damit begann an seinem Besuch zu schnüffeln, "Willst du es dir genauer ansehen? Darauf spielen? Wenn du willst, kann ich auch, es ist allerdings eine Weile her, also erwarte nicht zuviel."

    Kyle & Ced


    Ah! Spätestens jetzt war der Moment gekommen, wo auch Kyle sagen konnte, dass es sich tatsächlich von beiden Seiten aus um einen Scherz handelte. Zumindest war das Grinsen, welches sind zum ersten Mal an diesen Abend auf Cedrics Gesicht schlich, welches ihm die Bestätigung lieferte, dass sie beide das Ausmalen der Situation ein wenig genossen. Belustigt beobachtete der Mann die Gesichtszüge seines Gegenübers und als diesem sogar kurz ein Lachen entkam, als er den Namen des vermeintlich neuen Haushaltsgegenstandes wiederholte, da wurde auch das Grinsen auf den Lippen des Punks um einiges breiter. "Ah, schade. Ich dachte du würdest meinem Genie folgen können.", erwiderte er also mit einem übertrieben klingendem Seufzen und setzte das nun leere Glas wieder auf dem Tisch vor sich ab. Ob er sich noch einen weiteren Drink genehmigen sollte..? Die Frage war, ob er dann nicht doch noch zuviel hätte. Gerade, da war er nicht einmal ansatzweise angetrunken, es war eher so, als hätte er sich einen Wein gegönnt, aber.. vielleicht... hmm. Er konnte ja einfach etwas weniger Spirituosen hinzufügen, als eigentlich im Rezept verlangt? Als Cedric dann fortfuhr und offenbarte, was er eigentlich zuvor hatte sagen wollen, da wandelte sich das breite Grinsen auf Kyles Gesicht zu einem sanften Lächeln. "But no need to worry. Der Flügel ist eines der wenigen Dinge, die ich vom Erbe meiner Mutter behalten hab'. Ich würd' ihn für nichts auf der Welt hergeben.", versicherte er seiner Bekanntschaft ehrlich und warf beim Sprechen diesmal ebenfalls einen Blick in die Richtung des weißen Musikinstruments. Gut, für nichts auf der Welt war vielleicht gelogen - natürlich würde er ihn aufgeben, wenn er die Wahl zwischen ihm und einem Menschenleben oder etwas in der Art hatte, aber.. er bezweifelte tatsächlich stark, dass er jemals in genau solch einer Situation landen würde. Aber okay, er hätte ehrlich gesagt auch nicht unbedingt damit gerechnet, heute in den zweifelhaften Mann und dessen Machenschaften, sowie den völlig aufgelösten Cedric rein zu rennen, also was wusste er schon? Der Russe machte eine kurze Pause, in der er kurz nachdachte und warf sein Augenmerk zurück zu dem Blonden: "Du..", begann er dann und überlegte selbst, wie er diesen Satz nun formulieren sollte, ".. scheinst Selbst mehr Emotionen gegenüber diesem Flügel zu haben, als man eigentlich dem Durchschnittsmenschen zuschreiben würde." Eine Feststellung, die so ziemlich das widerspiegelte, was das Halbblut an den Reaktionen der letzten Minuten ausmachen konnte. Das gequälte Gesicht, welches er eben aufgesetzt hatte, als er seiner Bitte Ausdruck verliehen hatte, reichte da sogar schon, um eine Vermutung in jene Richtung auszusprechen. Er hatte seinen Satz gerade beendet, als Lucky sich dazu entschied, auf die Couch, genauer gesagt Kyles Beine, zu springen und der Russe gab ein kleines, überraschtes Geräusch von sich, hatte er das schwarze Tier doch gar nicht kommen sehen, begann aber dann schnell damit die alte Dame stattdessen am Kopf zu kraulen. Sie schien sichtlich zufrieden mit diesem Verlauf der Dinge. "Wie kommt's?", beendete er seine vorherigen Gedankengang schließlich und sah Ced neugierig entgegen. Auch Lucky wand seine Augen zu Ced, fast so, als wollte auch die die Antwort wissen. Vielleicht hatte sie den Fremden aber auch jetzt erst richtig bemerkt und fragte sich, um wen es sich dabei eigentlich handelte.

    Kyle & Ced


    Was auch immer Kyles Gegenüber gerade durch den Kopf ging - er konnte sagen, dass seine Aussagen genau ins Schwarze getroffen hatten. Es war offensichtlich aus Cedrics Gesicht abzulesen, dass er solch eine Ausschweifung, zumindest in jene Richtung, absolut nicht erwartet hätte und der Russe selbst? Er musste es sich sehr stark verkneifen zu Lachen. Amüsiert beobachtete er also die Mimik des Mannes vor ihm und als dieser dann zum Wort ansetzte, da konnte er sich letztendlich doch nicht davon abhalten, ein kleines Glucksen aus der Kehle entfleuchen zu lassen. "Aww.", kommentierte er also die Feststellung des Musikers, seine Mundwinkel waren inzwischen auch wieder ein wenig nach oben gehuscht, "That hurts my feelings, Ced." Nicht, dass dies der Wahrheit entsprach - aber es war einfach die passendste Erwiderung darauf, von seiner neusten Freundschaft als Idiot betitelt zu werden. Der kleine Finger der Hand, welche seinem Gesicht halt gab, war während er sprach an seine Unterlippe gehuscht, störte ihn aber nicht weiter dabei nach sehr kurzer Zeit hinzuzufügen: "You're not wrong, tho." Ob Cedric ihm die vorhin gesprochenen Worte komplett abgekauft hatte, das wiederum konnte der Punk mit Nichten sagen. Auch, als der Ältere fortfuhr und vorschlug, seine Instrumente dem Wohnheim zu spendieren, war nicht ganz klar, ob der Blonde bei seinem kleinen Witz mitspielte oder aber eine ehrliche Alternative suchte, wie man die verloren geglaubten Wertgegenstände noch vor einem schweren Schicksal bewahren konnte. Kyle ließ den Arm, welcher auf der Couch angelehnt war, wieder sinken und setzte sich wieder aufrechter hin, der leichte Hauch eines Grinsens war von seinem Mund nicht mehr wegzudenken. "Das Wohnheim? Ich bin da gewesen und hab's mir angeguckt - glaub mir, dort würde man sich mit Sicherheit mehr über eine Tischtennisplatte freuen." Nicht, dass das etwas verwerfliches wäre, aber ein Haufen Studenten? Deren Leben bekanntlich aus sehr vielen Studentenpartys und betrunkenen Zuständen, die dazu dienten, den Stress der Klausuren zu vergessen oder zu verdrängen, bestand und ein Flügel? Ja, da war die andere Option sicher beliebter. Auch die Frage, was er sonst in seine Wohnung bringen wollen würde, schien auch ähnliche Art und Weise gelöst werden zu können. "Das wär's doch, nicht? Eine Tischtennisplatte, hier, mitten im Wohnzimmer? Dann könnte ich darauf Bierpong spielen, das hätte doch sowieso viel mehr Klasse, als ein paar fancy aussehende Instrumente, oder?" Den Versuch, völlig ernst zu wirken, hatte der Mann inzwischen aufgegeben, auch, wenn er trotz allem weiterhin ruhig sprach und einen gewissen Hauch des Enthusiasmus erkennen ließ. Was sein Gegenüber wohl von diesem Vorschlag halten würde? Wer konnte bei solch einer genialen Idee schon Einwände aussprechen? Erst, als Ced bei seinem letzten Satz abbrach, da wurde auch Kyle wieder hellhöriger und sprang kurz aufgrund der eigenen Neugierde aus der Rolle: "Hm? Ich was?", hinterfragte er also, das Grinsen wurde mit einem etwas herausfordernden Blick gepaart, nach dem Glas vor ihm greifend um den letzten Schluck seines Cocktails zu sich zu nehmen.

    Kyle & Ced


    Die Reaktion des Mannes, der ihm auf der Couch gegenüber saß, sprach quasi Bände. Die Mundwinkel des Weißhaarigen zuckten belustigt ein Stück weit nach oben, als er bemerkte, wie er den Älteren kurz aus der Bahn geworfen hatte - nicht, dass dieser heute besonders hellhörig oder aufmerksam war, aber gerade, da geschah das nun einmal auf eine andere Art - und dieser sogar noch versuchte ihn abzuwinken. Was, offensichtlich, noch viel mehr offenbarte, als das es ablenkte. Dabei hatte Kyle nicht einmal wirklich etwas gesagt. Ein kleines Oh und eine willkürliche Aussage - er hatte ja nicht einmal ansatzweise angedeutet, was es war, dass er nun verstanden hatte. Der Amerikaner hätte ja auch einfach bluffen können! Und Cedric sprach auch direkt weiter, sprach den Flügel an - hah! hatte der Gepiercte also doch Recht gehabt, nice - und fragte ihn doch tatsächlich, ob er diesen denn spielen könne oder er bloß als Dekoration galt. Gut, grundsätzlich war an dieser Frage nichts auszusetzen, am ersten Teil zumindest nicht. Trotzdem zuckten Kyles Augenbrauen minimal nach oben, denn das war es wieder nicht, was er erwartet hatte. Nein, das war zuviel des Lobes - erwartet hatte der Junge sowieso nichts, aber gefragt zu werden, ob der gigantische, originalgetreue Flügel mitten in seinem Wohnzimmer nur zur Dekoration diente? Die Vermutung, dass es der Flügel war, welchen Ced so anstarrte, hatte eher in Fragen Richtung: Ist das wirklich ein Original Steinway & Sons? Wie teuer war dieser bloß gewesen? Wie lange spielte er schon? Woher nahm er eigentlich das Geld dafür? Dürfte er sich den mal genauer ansehen? oder halt irgendetwas in der Art hingedeutet. Aber Deko? Die Augen des Halbbluts blitzen kurz auf, er musste sich ein wenig verkneifen, seinen Eifer von Außen zu zeigen. Fairerweise musste Kyle zugeben, dass es nicht die abstrakteste Idee gewesen war. Hey, reiche Leute waren nun einmal merkwürdig. Super duper fucking weird. Es gab sicher genug, die nicht einmal wissen würden, dass ein Flügel soetwas wie Pedale besaß. Die sich in ihren Villen den verrücktesten, unnötigsten Kram aufstellten. Aber dass Ced ihn das fragte? Hieß das, dass er dachte, der Punk würde genau so ein Typ sein? Ah, die Vorstellung amüsierte Kyle wirklich, aber er ließ sich dies nicht anmerken. Zu gut war die Gelegenheit. "Oh?", hinterfragte er also kurz, der Kopf, der sich vor seiner Nachfrage eben zur Seite geneigt hatte, tat dies erneut minimal. "Darum geht es also? Yeah, sowohl der Flügel als auch das Schlagzeug sind beides Dekoration. Ich hab' keine Ahnung wie man darauf spielt. Actually..", er schluckte kurz den Drang runter, zu grinsen und versuchte weiterhin komplett ernst und überzeugend zu bleiben, "..hatte ich überlegt sie demnächst wegzuschmeißen. I mean.. ich hab' die Dinger schon vor über zwei Monaten gekauft, langsam wird es Zeit für was Neues, you know? Hmm.. Vielleicht sollte ich aber auch einfach die Farbe wechseln? Eh. Ne, ich glaub' ich hol doch lieber was Anderes.", beendete er schließlich, nachdem er sein Gesicht nachdenklich an seine Handknöchel gelehnt hatte, welches durch den Arm, welchen er beim Reden auf die Couchlehne gelegt hatte, abgestützt wurde. Neugierig, aber bemüht unauffällig beobachtete er nun also den Blonden, nur zu gerne würde er wissen, was jenem nun durch den Kopf ging. Er war ziemlich glaubwürdig gewesen, oder? Hatte Ced ihm das abgekauft? Das verwöhnte Kind, welches absolut kein Konzept von dem Wert des Materiellen hatte?

    Kyle & Ced


    Erneut war es ein leises Kichern, dass über Kyles Lippen kam, also Cedric zu Sprechen begann und dann wohl etwas nicht ganz Stimmiges in der Aussage Kyles entdeckte. Diesmal war die Nachfrage des jungen Mannes tatsächlich auch viel legitimer, als sie zuvor, wo er gefragt hatte, ob Dirk und er eigentlich Freunde geworden waren. Ja, nach dieser kurzen Zusammenfassung und Einleitung etwas vom Auslassen der schlimmen Teile zu sagen - da war es wirklich, wirklich sinnig sich vielleicht zu wundern, was um Himmels Willen diese schlimmen Teile bitte sein sollten? Und auch, wenn Kyles ursprüngliche Reaktion darauf von Belustigung zeugte, so schien er diesmal eine Weile lang nachzudenken, bevor er etwas erwiderte. "Yeah..", war zunächst also das Einzige, was ihm über die Zunge kam und während er noch überlegte, was oder wie viel er jetzt erzählen sollte, zerkaute er stattdessen noch einen der übrig gebliebenen Nuggies. "Let's just.. leave it like that. Zumindest, bis es ein Update gibt." Womöglich war es ein wenig überraschend, dass es bei dem sonst so gesprächigem Russen keine ausführliche oder direkte Antwort gab - immerhin schien er doch auch sonst selten Informationen zurückzuhalten, wenn nach diesen verlangt oder diese möglicherweise erwünscht wurden. Doch.. ehrlich gesagt, da war diese Thematik vielleicht doch eine, die er im Moment nicht ganz zu sehr vertiefen wollte. Es gab viele Gründe, weshalb er noch wütend auf Dirk war, aber auch viele sehr.. zweifelhafte Sachen, die er selbst getan hatte. Über Sachen, wie die Tatsache, dass er bei dem Postboten eingebrochen war, nur um seine Wohnung zu verwüsten oder aber ihm die Hand absichtlich zerquetscht hatte - darüber zu reden, bevor er Dirk wiedergesehen hatte, das fühlte sich einfach nicht richtig an. Und auch, wenn er sonst keine Scheu hatte, von sich zu reden, auch bei Dingen, die andere verurteilen könnten und würden - und dem war er sich natürlich auch bewusst -, so.. war ihm diese Geschichte.. möglicherweise doch noch ein wenig unangenehm. Auch gab es gerade etwas anderes, was Kyle mit einem Mal ins Auge stich. Vorher war es gar nicht mal so offensichtlich gewesen, aber jetzt? Der Punk neigte den Kopf ein wenig schief, während er seinem Gegenüber entgegenblickte und ja, sein Blick war tatsächlich ein wenig auffällig. Zuerst schien es einfach Zufall gewesen zu sein, vielleicht auch einfach ein Abdriften in die eigene Gedankenwelt, aber nun hatte Kyle eine Vermutung. "What are you staring at?", fragte er also schließlich, die Neugierde in seiner Stimme kaum überhörbar und drehte direkt darauf seinen Körper zur Seite, um in dieselbe Richtung zu blicken, wie der Blonde es auch tat. Eh, es gab wirklich viele Dinge in diesem Zimmer, aber in jener Ecke? Die Terrasse? Die Bilder? Der Flügel? Letzteres, oder? Oder interessierte sich seine Bekanntschaft für Kunst? Fragwürdig, immerhin handelte es sich bei der Dekoration ja nicht um Meisterwerke bekannter Künstler. Also doch der Flügel? "Oh! I see.", kommentierte er mit einem wissenden, schelmischen Grinsen, ein wenig so, als wäre er ein Profidetektiv, der gerade einen kniffligen Fall gelöst hatte oder aber als hätte er gerade ein perfides Geheimnis des Engländers aufgedeckt, als er sich zurück zu seinem Gegenüber drehte. Hatte er der Täter also auf frischer Tat ertappt?

    Kyle & Ced


    Es war ein Schmunzeln, welches über Kyles Lippen kam, als Cedric seine Frage bezüglich des Essens mit einem Hauch von Ironie erwiderte. "Oh, wer sagt denn, dass ich nicht stolz auf dich wäre?", war er also, was er daraufhin kommentierte, in seinem Tonfall ebenfalls die Essenz der Komik hängend, auch, wenn er die Aussage dennoch offensichtlich ernst meinte. "Ich war bloß ein wenig schockiert darüber, dass du unsere Tradition jetzt schon unterbrichst." Gut, diese Worte hatten nun weniger Ernsthaftigkeit, als die zuvor - und die Vorstellung diesbezüglich war auch einfach ein wenig köstlich, nicht? Wenn die beiden nun jedes Mal, wenn sie sich sehen würden, Nuggies essen würden - wie lange sie das wohl hätten beibehalten können? Die Quote von einem Mal war da jedoch schon fast ein wenig enttäuschend, auch wenn er selbst seinen Teil zur Erfüllung ja beitrug. Als Ced dann auf die Frage des Punks antwortete, da blitzen die grauen Augen des Weißhaarigen kurz überrascht auf, ehe ihm ein Lachen entkam. Spezifisch gesagt entkam es ihm, als der Blonde meinte oder besser gesagt hinterfragte, dass er keine andere Seite von sich gezeigt hatte. Was, nun ja, wirklich verdammt komisch war, wenn man einmal daran dachte, dass Dirk quasi ein paar Episoden gehabt hatte, in denen eine ganz andere Persönlichkeit namens Jasper herausgekommen war. Gut, Kyle hatte auch einmal in der Form von Melchior zu dem Mann gesprochen, was, ehrlich gesagt, ebenso zählte und dem Witz noch mehr Komik gab - aber bei ihm war das ja etwas anderes, etwas absichtliches, etwas gespieltes gewesen. Ah, es war kompliziert. Es schien mit dem Postboten allgemein so unglaublich kompliziert. Lag es an dem Postboten selbst, oder an Kyle? An dem, wie er vor einer Weile noch gewesen war? Es war komisch, so darüber nachzudenken und der Russe fand es interessant, wie unkompliziert es hingegen mit Ced war, vor allem, wenn man einmal bedachte, wie kompliziert es aufgrund der Konstellation, in welcher sie sich befanden, eigentlich hätte sein können. Hätte vielleicht sein müssen? "Ich bin überrascht, dass du so direkt geantwortet hast.", gab der Mann dann zu, aber in seinen Worten war nicht einmal der Ansatz eines Urteils zu erkennen, tatsächlich schien ihn auch dieser Fakt ein wenig zu erheitern. Aber wie hätte er auch urteilen können? Schließlich hatte er ja diese abstrakte Frage gestellt, aber es war nun einmal Fakt, dass er nicht viel von seinem Gegenüber wusste und so hätte er dies nur bedingt erahnen können. "Dabei hab' ich die schlimmsten Teile sogar noch ausgelassen." Ja, davon hatte es möglicherweise sogar einige gegeben. Wie gesagt - kompliziert. Wie konnte etwas nur so kompliziert sein? "Aber ich bin so ziemlich zum selben Schluss gekommen. Guess ich werd' die Tage mal mit ihm reden müssen oder so. Yeah. Das wird sowas von schief gehen. Aber danke für deine Rückmeldung." Er grinste und stellte dann sein Glas wieder auf dem Tisch ab, die Beine, die zuvor überkreuzt waren, bewegten sich in eine Schneidersitz Position. "I'll keep you up to date, then. If you want." Erneut eine Aussage, die quasi das Weiterleben und die Tatsache, dass es Cedric mit der Zeit besser gehen würde, garantierte. Die Sprache von einer Zukunft, die Ced sich noch nicht ausmalen konnte, aber allein durch diese Pläne eine Richtung bekommen sollte, einen Grundriss. Wer wusste schon, was genau passieren würde? Niemand. Aber jetzt wussten sie zumindest, dass sie sich wiedersehen würden und Kyle dem Älteren davon erzählen, ob er und Dirk schlussendlich doch noch Freunde wurden oder aber nicht.

    Kyle & Ced


    Kyle konnte nicht anders, als seine Lippen ein Stück weit zucken zu lassen, als Cedric letztendlich seinen Anstoß erwiderte. Ehrlich gesagt war er sich überhaupt nicht so sicher gewesen, ob jener dies tun würde - hey, so lange kannten sie sich im Endeffekt ja nun auch nicht und der Punk musste zugeben, dass es gar nicht so einfach war, seinen Gegenüber einzuschätzen (zumal er durch Worte und Aktionen nicht besonders viel über sich selbst preisgab bisher), aber am Ende, da hatte er es ja sowieso getan, nicht? Der Russe überlegte sich kurz, ob er nicht einfach die falschen Fragen stellte - auf den Fakt, des nicht viel über seinen Gegenüber wissend bezogen, aber andererseits.. gab es bisher auch nicht wirklich die Gelegenheit dazu, richtige oder falsche Fragen zu stellen, also verwarf er diesen Einwand schnell wieder. Erneut war es nur mäßig, was dem Älteren über die Lippen kam, gar ein einziges Wort nur - doch das Halbblut schien den Eindruck zu haben, dass seine Worte zumindest ansatzweise einen Effekt gehabt zu haben schienen. Auch, wenn er nicht viel über den Mann, der gerade aus seinem Weinglas, auf seinem Sofa, sein kaltes Wasser trank, so hatte er dennoch das Gefühl.. ihn doch ein wenig deuten zu können? Ihn ein wenig zu verstehen? Schon so, wie man es nun einmal mit einer Person tat, welche man eine Weile lang kannte. Und sein Gefühl war es auch, dass ihm zusprach, dass seine Beobachtungen richtig lagen und sich tatsächlich etwas in dem Jungen gerührt hatte. Eine Sache, die Kyle dann aber doch noch zugeben musste - und er wusste diesmal wirklich nicht, wie der Musiker das machte -, war die Fähigkeit des Blonden, ganz alltägliche, unauffällige Dinge zu tun, so zu wirken, als sei er mit den Gedanken noch ganz woanders - und dann plötzlich wie aus dem Nichts Fragen in den Raum zu werfen. Hatte er nicht gerade noch mit seinem Wasser herumgespielt? Plötzlich blickte er jedoch auf und stellte ihm eine Frage. Eine nicht gerade übliche Frage, noch dazu, weshalb sich auf dem Gesichtsausdruck des Amerikaners eine Mischung aus Erstaunen, aber auch einer kurzen Belustigung über diesen Fakt ausbreitete. Es war kein Geheimnis, dass er manchmal als fragwürdig und skurril galt - und ganz ehrlich, darin lag ja auch ein wenig der Spaß an der ganzen Sache, nicht? - aber Ced? Seine Gedankenwelt schien auch nicht gerade ohne und allzu linear. Als das kurze Erstaunen verschwunden war, während die Belustigung über die definitiv nicht mundanen Ansätze seines Freundes noch immer unterschwellig ein wenig auf seinen Lippen verblieb, schienen dem Gepiercten doch tatsächlich einmal für ein paar Augenblicke die Worte zu fehlen. "Ah... uhm..", begann er also, die Iriden, die doch oft gezielt auf irgendetwas schauten, wanderten dabei in die linken oberen Ecken seiner Augen, sein Kopf drehte sich ein wenig nach links, von Ced wegblickend. Ob sie Freunde geworden waren, fragte er. "I.. don't really.. know?", beendete er dann und fast klangen diese Worte eher so, als ob er die Frage zurückwarf, als könnte jemand anderes im Raum eine Antwort geben, die ihnen beiden weiterhelfen würde - aber, und dies war nicht wirklich überraschend, passierte dies nicht. Mit noch immer gleichbleibendem Blick versuchte der Mann ein wenig über die Frage nachzudenken, gab dann jedoch schnell auf und wand sich wieder zu dem Blonden, die Pupillen wieder zentriert im Bilde. Ein kleines Seufzen entkam seinen Lippen und er zuckte mit seinen Schultern, ehe er das Glas wieder in die Hand nahm. "I mean.. ich kannte ihn schon vorher, so isses nicht. Aber es war.. alles sehr verwirrend und kompliziert und zugegeben, ich war damals sicher nicht die beste Gesellschaft und das ich pretty much niemals fucking nüchtern war hat definitiv auch nicht geholfen-" Er hielt kurz inne, als er realisierte, dass er gerade noch das mehr als halbleere Cocktailglas festhielt, darauf bedacht, weiterhin daraus zu trinken und hob dann kurz ermahnend den Zeigefinger eben jener Hand: "-Sag nichts. I swear to fucking god. Das ist absoluter und reiner Zufall, dass du mich bisher immer nur mit Alkohol gesehen hast." Er machte eine Pause, trank, so als hätte er eben jene Dinge gerade nicht gesagt, einen großen Schluck von seinem Getränk und schlug dann seine Beine überkreuz. "Anyway.", fuhr er fort, "Ich hab ihn seitdem nicht mehr gesehen und er ist sogar weggezogen, apparently. Nein, das stimmt so nicht. Ich hab' ihn heut wiedergesehen, absolut ungeplant - und meine absolut geniale Reaktion war gewesen wegzulaufen. Literally. Ziemlich ereignisreicher Tag bei mir, wie es scheint." Nach dieser Aussage konnte er sich ein kleines Kichern nicht verkneifen - denn seien wir mal ehrlich, hatte er damit nicht sogar ziemlich Recht? "So what would you say, Ced? Care to share a second opinion with me?" Weshalb er diese letzte Frage stellte, diesen letzten Teil anfügte, das konnte er nicht so genau sagen. Vielleicht war er einfach ein wenig gespannt darauf, was Cedric dazu sagen würde, deshalb auch die ehrliche Neugierde in seiner Stimme - auch wenn dem Mann definitiv viel zu viele Informationen dazu fehlen und der Punk ihm auch nicht gerade unendlich viele zur Verfügung gestellt hatte. Aber trotzdem war er neugierig, was Ced dazu sagen würde und um ehrlich zu sein, war diese Begegnung, trotz all der anderen wilden Dinge, die Heute geschehen waren, immer noch etwas, was sich nicht aus seinen Gedanken schleichen wollte. Irgendwo nervte es ihn ein wenig, machte ihn wütend - gab ihm viel zu viele verschiedene Gefühle, mit denen er gerade nicht umzugehen wusste. Was ebenfalls so nicht stimmte - auf einem gewissen Level wusste er genau, was da in ihm vor sich ging, aber genauer darüber nachzudenken, dies alles vor sich auszupacken und sich komplett und hunderprozentig darauf einlassen? Nope. Das würde er mit Sicherheit nicht tun. In ein paar Tagen? Vielleicht. Heute? Morgen? Nein, danke. Nichtsdestotrotz legte der Grauäugige dennoch einen bestimmten Wert auf das, was der Blonde ihm antworten würde. Solange, bis zwei Gehirnzellen, die in den letzten Minuten scheinbar damit beschäftigt waren, in einer hinteren Ecke von Kyles Gehirn Tetris zu spielen, endlich aneinander gerieten und dafür sorgten, dass Kyle einen Moment lang etwas intensiver auf den Tisch vor sich starrte und die Augenbrauen ein wenig verzog. "Wait.. Gibt es eigentlich einen spezifischen Grund, warum du die Nuggies so diskriminierst?" Irgendwann musste dem Jungen ja auffallen, dass in dieser Hinsicht etwas nicht stimmte, nicht? Auch, wenn man an seinem Tonfall erkennen konnte, dass er die Frage nicht sehr ernst nehmen konnte. Aber nichtsdestotrotz! Es ging hier um ein sehr wichtiges und seriöses Thema! Der Punk musste doch schließlich wissen, ob er es hier nicht nur mit einem Nuggiemörder, sonder auch einem Nuggierassisten zu tun hatte?!

    Kyle & Ced


    Der Teller in Cedrics Händen leerte sich in gleichmäßigem Tempo, solange, bis er es nicht mehr tat. Cedric antwortete nach einer kurzen Weile der Überlegung auf die Frage seines Gegenübers und daraufhin stand der Teller wieder auf dem Tisch. Der Blick des Blonden schweifte ab, in den Raum, ins Leere, besser gesagt - fixierte sich aber auch vielleicht auf irgendetwas, auf eine einzelne Sache - immerhin war dies eine nicht allzu unerfolgreiche Methode, um sich zu erden. Was genau davon es also war, konnte Kyle nicht sagen, aber es war auch nicht wichtig, nicht? Nicht immer war alles von großer Bedeutung, nicht immer die richtige Antwort ein Muss. Also hatte auch der Punk in der Zwischenzeit zum zweiten Teller in der Runde gegriffen, sich ein wenig vom Salat und dann noch ein paar der Nuggies daraufgelegt. Er hatte gerade ein Stück von dem ersten abgebissen, hielt den Rest davon noch immer in seiner Hand, nicht weit von seinem Gesicht entfernt, hatte dieser nun doch erfolgreich den Platz in seiner linken Hand eingenommen, welcher vorhin noch vom Cocktailglas gefüllt worden war. "Mhm.", war er, was er als Erstes über die Lippen brachte, seine Augen sahen auf das Stück Essen zwischen seinen Fingern hinunter, "Dann hast du dir die Frage damit quasi selbst beantwortet, nicht?" Er blickte wieder auf, zurück zu seinem Freund, erst nachdem er die Antwort, die auch gleich eine Frage gewesen war, in den Raum geworfen hatte. Sie war wahrscheinlich verwirrend - auf mehreren Ebenen. Zum einen, da Cedric per se ja keine Frage, sondern eine Aussage von sich gegeben hatte - und zum anderen, da es möglicherweise fragwürdig war, wie er zu eben jenem Schluss kam. Und was verdammt nochmal war denn bitte diese Antwort, die nun bitte so offensichtlich zu sein schien? "Du hast Angst vor einem weiteren Versuch. Ich glaube nicht, dass es nochmal dazu kommen wird.", fuhr er dann mit seiner Erklärung fort, wohl wissend, dass auch dies nicht wirklich voll überzeugender Argumente war. Kyle nahm den Rest des Nuggies in den Mund, die Beine, die bis eben noch überkreuzt waren, bewegten sich beide mit ihrer Sohle zum Boden. "I mean.. We already figured out before, that it was never dying you were after. Dir hat es einfach an anderen Optionen gefehlt, an einem Ausweg, einer Lösung." Seine Pupillen wanden sich von Cedric ab, galten nun dem Tisch und der Mann erhob sich, stand ein Stück weit auf und beugte sich rüber, zur Seite seines Besuchs, wo er kurz an dem Tisch herumspielte, um ein Fach zu öffnen, in welchem sich ein Haufen gekühlter Getränke befand. Er nahm eine Flasche Wasser heraus, schloss sie hinter sich wieder und öffnete die Flasche, um ins übrig gebliebene, leere Glas einen Teil davon zu füllen. Ein kleines Lächeln zierte seine Lippen, als er zum wahrscheinlich etwas konfusen Musiker hochblickte und sich derweil wieder auf seinen üblichen Platz zurücksinken ließ. "That's what friends are there for. Um dir dabei zu helfen, welche zu finden, wenn du's selbst gerade nicht mehr kannst." Der Gepiercte nahm sein eigenes Glas wieder in die Hand, hielt es ein wenig in Cedrics Richtung, bereit anzustoßen und das Grinsen auf seinem Gesicht deutete darauf, dass dieser es ihm möglicherweise gleichtun sollte: "You just have to trust them a little." Die symbolische Geste noch immer innehaltend, regte sich Kyles Gesicht kurz in eine Richtung, die so aussah, als wäre ihm gerade wieder etwas eingefallen, was er vergessen hatte, weshalb er noch kurz, völlig beiläufig hinzufügte: "Oh. Und ich hab den Kerl, der mir geholfen hat, quasi nonstop mit Beleidigungen bombadiert. Und.. mich danach eventueeeeeeeell noch mit ihm geprügelt. Und.. ihn dazu gezwungen, mich mit nach Hause zu nehmen. Und.. dann noch mehr beleidigt. Ich bin apparently also sehr überzeugend." Auf die letzte, nicht ganz so ernst gemeinte Aussage, entkam dem Weißhaarigen ein kleines Lachen.

    Kyle & Ced


    Das Kopfschütteln des jungen Mannes auf seine Frage hin kam nun nicht allzu überraschend für Kyle. Hey, es hatte letztendlich auch nur eine 33,3% Chance gegeben, dass er seinem Besucher nun tatsächlich einen Cocktail mixen müsste. Die anderen Optionen waren gewesen es nun einmal nicht zu tun - oder aber, vielleicht, möglicherweise, im Laufe des weiteren Abends noch. Die darauffolgende Erklärung des Mannes machte Sinn für den Punk, auch wenn er zugeben musste, ein wenig enttäuscht darüber zu sein - auch, wenn es nicht genug war, um es sich auf irgendeine Weise von Außen hin anmerken zu lassen. Stattdessen war er es, der ausnahmsweise wortlos die Schultern zuckte, als Geste der Zustimmung und gleichzeitig Gleichgültigkeit - was es auch war, denn nur, weil er die anderen beiden Optionen präferiert hätte, hieß das nicht, dass er die Entscheidung nicht akzeptierte oder nicht damit leben konnte. Hieß bloß, dass nun weder Ced, noch er diesen Abend betrunken beenden würden. Was es ein wenig schwieriger machen würde, den Blonden nach dem heutigen Tag aus seiner Schale zu holen - aber hey, seiner eigenen Aussage nach war er sowieso nicht der Typ, der gut auf Alkohol reagierte, nicht? Oder war es bloß eine Vermutung auf die jetzige Situation bezogen? Eh.. das würde er schon irgendwann noch herausfinden. Kyle hatte seinen Cocktail inzwischen bereits zur Hälfte getrunken, hatte während seiner präsenten Gedankengänge das Glas wieder an seine Lippen gelegt und die Flüssigkeit darin über eben jene laufen lassen - als Cedric, welcher zuvor noch, zu seinem Wohlgefallen tatsächlich etwas von dem Essen in die Nähe seines eigenen Mundes gebracht hatte, das Wort ergriff und ihm eine kurze, schlichte Frage stellte. Augenblicklich verschluckte der Russe sich, ließ das Glas ein Stück weit nach unten sinken und hielt sich schnell die geballte Faust seiner freien Hand vor den Mund, um zu verhindern, das Getränk in seinem Rachen wieder auszuspucken. "Shit.", entkam es ihm nach wenigen Sekunden, als er die Flüssigkeit erfolgreich runtergeschluckt hatte und sich räusperte, ehe er direkt zu seinem Gegenüber blickte, "I really did not see that one coming." Kyle sah den Musiker eine ganze Weile lang an, klimperte dabei in seiner Überraschung mehrfach mit den Wimpern, nicht sicher, ob er nicht irgendeinen Witz, irgendeine Ironie oder eine Art Hinweis übersehen hatte, welche der Kerl ihm nun gnädigerweise vor die Füße werfen würde. "Warte, wirklich? Du willst das wirklich wissen, like, for real?", hinterfragte er dann, als die erwartete Aufklärung nicht kam, offensichtlich noch immer absolut verblüfft von dem Fakt, dass irgendjemand tatsächlich auf die Idee gekommen war, diesbezüglich genauer zu hinterfragen. Doch das Thema änderte sich schnell, als Cedric sich kurze Zeit später wieder in seinen eigenen Gedanken befand, sich aber dafür entschied, diese mit dem Raum - vielleicht aber auch gar gezielt mit dem Amerikaner - zu teilen. Kyle schwieg, schwieg mehrere Sekunden lang, stellte das Glas in seiner Hand währenddessen auf den Tisch vor ihm ab, ein nasser Film zeichnete sich durch die Kälte darauf ab, ein Fakt, welchen das Halbblut mit seinen Augen einen Moment lang verfolgte. Nach kurzer Bedenkzeit blickte er wieder auf, zu seinem Gegenüber, sein Kopf war erneut ein wenig zur Seite geneigt, kaum merklich. "Meinst du.. vor dem zweiten Versuch selbst, oder dass es zu einem weiteren kommt?", fragte er schließlich, die Worte langsam und betont aussprechend. Vielleicht machte diese Frage auf den ersten Blick keinen Sinn, aber der Blick und die Art und Weise, wie der Weißhaarige diese Frage gestellt hatten, ließen darauf schließen, dass mehr dahinter steckte. Dass es scheinbar doch irgendwo einen gewissen Unterschied gab.


    Gaius & Tori


    Irritiert war er, der Mann. So ganz und gar irritiert davon, dass auch Tori mit einem mal verwirrt schien, sich mit einem Mal auch zu entschuldigen begann. Wofür entschuldigte sich die Magd gerade? Gaius verstand es nicht, doch kaum einen Sekundenbruchteil später griff sein Gegenüber nach der Hand, die er zuvor ausgestreckt hatte und der Zwerg nahm dies als gutes Zeichen. Sie fuhr fort, die Frau, erklärte, dass sie sich an etwas erinnert habe - also waren es gar nicht seine Worte an sich gewesen, die sie so sehr verstimmt hatten? Sie entschuldigte sich erneut, diesmal, mit Begründung und Gaius Gesichtszüge wurden ruhiger, seine Körperhaltung verlor an Zappeligkeit, dennoch schwing noch immer ein Hauch von Sorge mit. Erst, als Tori erneut zum Wort ansetze, er den Schatten eines Lächeln auf ihren Lippen aufblitzen bemerkte, ihre Worte einen Moment lang auf sich einwirken ließ - erst dann zuckten auch seine Mundwinkel nach oben um, in ein warmes, ruhiges Lächeln. "Ich liebe sie wirklich, deine Stimme..", war das erste, was seiner Kehle entkam, eine Aussage, die gar nicht mal an Tori gerichtet war. Es waren Gedanken gewesen, die entkommen waren, eine bloße Feststellung, die leise in den Raum trat. Wer Gaius auch nur wenige Minuten kannte, dem sollte wohl bewusst sein, dass er kein Geschöpf war, dem so etwas wie ein Konzept der Scham, der Peinlichkeit bekannt war - wie sollte es auch, bei der Persönlichkeit die er hatte? Würde er sich für irgendetwas schämen, was er tat, dachte oder sagte, so wäre es ja kaum möglich, immer das zu sprechen, was er dachte - immer so zu handeln, wie es sich in jenem Moment richtig anfühlte. Und dennoch fühlte er sich ein wenig ertappt, als er realisierte, was er da gerade gesagt hatte - und man merkte schnell, dass er ein wenig errötete, ein wenig verunsichert war, sich dies jedoch nicht allzu sehr anmerken lassen wollte. Mit Tori war es nun einmal etwas anderes - etwas Neues, etwas Besonderes - alles hiervon. Da machte es Sinn, nicht? Gaius wand den Blick seines Auges ein wenig ab, begutachtete den hölzernen Tisch vor ihnen, auch wenn es offensichtlich doch gar keinen Grund hierfür gab. "Du..", begann er dann, das gesunde Auge wieder zu seiner Freundin wendend, "Du musst dich nicht dafür entschuldigen, du selbst zu sein.. so zu reagieren, wie du es eben tust. Niemals. Was ist denn falsch daran, nah am Wasser gebaut zu sein?" Er war nicht sicher, ob er seine Botschaft richtig, passend ausgedrückt hatte - aber er hatte das Gefühl, dass Tori ihn so oft verstand, auch dann, wenn er Probleme damit hatte, sich zu erklären. War das nicht ein Teil der Magie zwischen ihnen? Er wartete einen Moment, entschloss sich dann jedoch noch einmal nachzuhaken: "Woran.. hast du dich denn erinnert?", fragte er vorsichtig, in seiner Frage schwing offen die Absicht mit, Tori zu keiner Antwort zwingen zu wollen, "Etwas, worüber du reden möchtest?"

    Gaius & Tori


    Das Schmunzeln auf den Lippen des Schmieds wurde ein klein wenig breiter, als Tori sich mit einem Mal aufrichtete und ihn vollkommen entgeistert anstarrte. Ihr plötzlicher Ausruf und die verwirrten Wortfetzen, die daraufhin folgten, galten für Gaius selbst als voller Erfolg - immerhin hatte er mit seiner kleinen Aussage genau das heraufbeschwören wollen. Natürlich war sie überrascht! Wie konnte es auch anders sein, nicht? Seine Worte waren vollkommen überraschend gewesen, richtig? Das war es zumindest, was er sich gedacht hatte, aber so ganz genau konnte man das vorher natürlich nie wissen. Tori war unglaublich schlau, unglaublich belehrt und schien auch eine sehr ausgereiftes, komplexes Innenleben zu haben - soviel war dem Mann durch ihre Gespräche schon bewusst geworden - und so war es einfach unmöglich für ihn, kein schelmisches, zufriedenes Grinsen auf dem Gesicht gemalt zu haben, als er es schaffte, sie vollkommen den Faden verlieren zu lassen. Die Magd brauchte nicht lange, um sich an die Begebenheiten ihres ersten Treffens zu erinnern und der Einäugige lauschte bloß ihrer vokalen Erkenntnis. Er wollte gerade zum Wort ansetzen, da kam Tori ihm unerwarteterweise zuvor - und nun war es an Gaius etwas irritiert zu blinzeln. Seine Augenbrauen zogen sich in seiner Konfusität zusammen und die Hand, die bis eben noch mit dem Besteck in der Luft gespielt hatte, kam abrupt zum Stehen. Es dauerte einen Augenblick, bis der Mann begriff, was genau passierte. Es war ihr auf einmal merkwürdig scheinender Blick, welchen er zuerst bemerkte, gefolgt von den Tränen, die ihre Wangen bedeckten und lautlos auf den Holztisch zwischen ihnen prallten. Die Augenbrauen, die zunächst einmal zusammengekommen waren, hoben sich nun in die Höhe, ein wenig erschrocken - sein Gesichtsausdruck veränderte sich, das Grinsen auf seinem Gesicht erlosch schlagartig. Ihr leises Hauchen war es, was er als letztes mitbekam und nun ließ der Schwarzhaarige seinen Löffel endgültig, gar etwas achtlos, mit einem Klirren auf den Tisch sinken, in seinem Auge herrschte der Ausdruck von Verwirrung, Hektik und Sorge. "Ich-... Du.. Wieso weinst du?", fragte er, die Schlagfertigkeit, für die er doch sonst so bekannt war, schien gerade wie ein bloßes Gerücht. Er verstand nicht, was in Toris Kopf vorging, konnte nicht sehen, was sich dort abspielte und so arbeitete er mit dem, was für ihn sichtbar war. Es war eindeutig, dass er einen Fehler gemacht hatte, nicht? Dass seine Worte der Auslöser für ihre Reaktion, ihre Tränen waren - und er sie unweigerlich damit verletzt hatte. Die Körperhaltung des Schmieds war unruhig, es war nicht schwer zu übersehen, dass er ein wenig zappelig dasaß, nicht sicher, ob er nun aufstehen sollte, zu Tori gehen, sitzen bleiben, sich entfernen - ah, es gab so viele Möglichkeiten und er wusste nicht einmal ansatzweise, welche davon nun die passende, die richtige Vorgehensweise war. Verflucht, war er wirklich so unfähig, dass er selbst bei seiner Freundin nicht wusste, wie er zu agieren hatte? Sich nicht dessen bewusst gewesen war, sie zu verletzten, noch während er es tat? "Weil.. also.. du, nein... nicht du, sondern.. Tori-", begann er erfolglos, einfach nicht die passenden Worte findend und seine Hände ein wenig über der Tischplatte hinweg, in Richtung Toris rückend, "Ich.. ich meinte ja überhaupt nicht dich! Also, nicht vor dir! Also, nicht spezifisch vor di..-" Nichts, was er zu sagen, zu erklären begann, schien ihm ausreichend genug, seine Worte überschlugen sich, je mehr er sprach und zum Ende hin gab er sich geschlagen, noch immer in seinem Kopf weiter nach Silben suchend, die er nun zu verwenden hatte.

    Kyle & Ced


    Es dauerte tatsächlich eine ganze Weile, bis Cedric wieder aus dem Badezimmer kam. Kyle konnte nur schätzen, wie lange es wirklich dauerte, da er die Zeit nicht mitverfolgt hatte, die Vermutung, dass ihn dies ein wenig verrückt gemacht hätte, war diesbezüglich zu stark gewesen, um es wirklich zu versuchen. Der Weißhaarige hatte bereits ein paar seiner Nuggies gegessen und ein Viertel seines Cocktails getrunken, als er hörte wie sich eine Tür öffnete und eine Person nicht lange danach ins selbe Zimmer trat, in welchem auch er sich befand. Er drehte sich nicht um, wartete, bis der Ältere in sein Blickfeld trat und er zu ihm hoch sah. Ein Schulterszucken des Blonden folgte, ehe er sich ihm gegenüber setzte und der Russe wartete einige Augenblicke, nichtssagend, während er weiterhin an seinem Cocktail nippte. Es gab keinen genauen, wirklichen Grund weshalb er nichts sagte, weshalb er bedacht eine Weile wartete - bloß die Möglichkeit, dass sein Gegenüber vielleicht doch noch etwas zu sagen hatte, das Wort erheben mochte und Kyle hatte das Gefühl, wäre dies der Fall - so war es doch die richtige Entscheidung seinerseits ihm zu gewähren, ihn die Situation leiten zu lassen, auf ihn zu reagieren. Der Kopf des Halbbluts neigte sich ein wenig zur Seite, er schluckte die Flüssigkeit in seiner Kehle runter, das Glas in seiner Hand entfernte sich von seinen Lippen und ihm entkam nach kurzer Zeit ein kleines, belustigtes Geräusch aus dem Rachen. Es war einer dieser Momente, die nach Situationskomik schrien und dem Punk beschlich das Gefühl, dass er seine Reaktion vor seinem Gast zu erklären hatte. "It's kinda funny, you know.", begann er seine Erklärung, begriff aber schnell, dass diese keine wirkliche darstellte, "When I was in your situation - I legit couldn't shut my damn mouth for a fucking second." Was er damit aussagen wollte? Nicht viel, aber gleichzeitig konnte man dadurch vielleicht viel vermuten. Es war bloß etwas, was ihm in jenem Moment erst richtig, aber teilweise schon den ganzen Abend aufgefallen war und es war irgendwie skurril, dieser Kontrast zwischen den beiden Männern. Die offensichtlichen und weniger offensichtlichen Gemeinsamkeiten und die genauso vielfältigen Unterschiede. Kyle musterte das Gesicht Cedrics ein wenig, konnte aus diesem jedoch wenig ablesen. Was Sinn machte, wenn man dies einmal mit seinem Gemütszustand verglich - war sein Innenleben im Moment genauso still, genauso ausdruckslos wie seine Miene? Der Gepiercte hob sein Glas in einer gestenhaften Bewegung leicht an, sein Kopf war noch immer ein Stück weit zur Seite geneigt. "Soll ich dir auch einen machen?", fragte er, auch wenn er vermutete, die Antwort darauf schon zu kennen. Wobei, ganz so sicher, da war er sich da doch nicht. Hatte der Blonde bei ihrem letzten Treffen am Ende hin nicht auch etwas von seinem Cider getrunken? Nachdem er von der Offenbarung Kyles, sich seiner Schusswunde bewusst zu sein, so außerordentlich geschockt gewesen war? Man konnte wohlwollend behaupten, dass die heutige Nacht eine ähnliche Note trug, wer konnte also wissen?