Kyle & Ced
Es war ein langer Tag gewesen. Ein wirklich, wirklich langer Tag. Wann war ihm das zum ersten Mal bewusst geworden? Gerade? In jenem Moment? In jener ruhigen, stillen, wohlbekannten Umgebung, die so voller zarter Klänge war, nur deswegen, weil er sie gerade zum ertönen brachte? Oder schon vorher? Auf dem Dach? Als er Cedric die Treppen hinunter getragen hatte? Als dieser duschen war? Noch viel eher? Als er angefangen hatte seine Tarotkarten zu befragen und dann aus Frustration und Hunger motiviert in die Stadt gegangen war? Gar als er Yuri und Dirk heute Mittag erblickt hatte? Es schien fast so, als wäre Letzteres bereits Ewigkeiten her. Wie spät es wohl inzwischen schon war? Kyle hatte keine Ahnung, wusste nichts, nicht mehr als das, was die unzähligen, strahlenden Sterne und der Vollmond am dunklen Nachthimmel ihm verrieten. Es war eine ruhige Nacht, trotz allem, was zuvor geschehen war, was beinahe gewesen wäre und trotz dem, was an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit, vielleicht noch in ihr zu geschehen mochte. Sie war wunderschön, sie zog einen in den Bann und Kyle blickte aus der riesigen Glaswand hinaus in die Ferne während seine Finger noch weiter über die Tasten tanzten. Er liebte die Nacht, hatte dies schon immer getan. In ihr wog eine Leichtigkeit inne, die schwer zu beschreiben war. Ein Hauch von Behutsamkeit, ein Hauch des Geheimnisvollen, ein Hauch von.. Wunder? Sie war einfach beruhigend, auch, wenn sich viele Menschen vor ihr fürchteten. Angst hatten, was in ihr verborgen lag, Angst davor hatten, ihr ausgeliefert zu sein - verloren, in jener Zeit, in der die meisten Menschen doch allein waren. Allein, ohne Ablenkung, ohne Freunde, ohne die Erreichbarkeit einer anderen Seele. Die einen schliefen friedlich in ihr, die anderen lebten ihre Vorzüge aus und die anderen - sie verliefen sich in ihr und hofften auf baldige Erlösung der ersten, feinen Sonnenstrahlen, die alles Böse, alles Fremde mitnahmen und die Hoffnung wiederbrachten. Unweigerlich fragte sich Kyle, wie Ced wohl gegenüber der Nacht empfand, eine Frage, die vielleicht nie gestellt werden würde. Nicht Heute, zumindest. Und auch, wenn alles so wunderbar war, auch, wenn Kyle sich freute, zum Teil wirklich glücklich war darüber, wie alles gelaufen war - trotz der Tragik, trotz des Kummers, trotz des unsagbar Grauenhaften, dass des Blonden Begleiter gewesen war - so wurde ihm langsam, gerade, so greifbar klar, wie müde er eigentlich war. Es war ihm nicht aufgefallen, nur ganz kurz, ein wenig, als er Cedric auf dem Sofa sitzen gesehen hatte, die Augen geschlossen. Doch je länger er spielte, desto mehr sah er sich mit der Tatsache konfrontiert, dass er erschöpft war. Nicht verwunderlich - es war ein langer, wirklich langer Tag gewesen. Und dennoch - dennoch wagte er es nicht, das Lied, welches er über die Wände hallen ließ vorzeitig zu unterbrechen. Er spielte, spielte das komplette Lied durch und dann, dann spielte er es erneut, ein zweites, ein letztes Mal, auch dann noch, als seine Finger langsamer wurden und seine Lider schwerer. Spielte solange, bis auch der letzte Ton gespielt wurde, hielt die letzte weiße Taste solange gedrückt, bis der letzte Ton vollends erklang und erloschen war und dann hielt er seine beiden Händen einen Moment lang wortlos, tonlos über die Tasten schweben, musterte diese und ließ sie schließlich doch noch sinken. Kein Geräusch erklang mehr, der Raum, die ganze Wohnung glänzte in akustischer Leere und dennoch spielten die bunten Lichter in der Wohnung weiter, ließen sie so auf ihre Weise trotz allem nicht kahl, nicht verlassen wirken. Niemand sagte ein Wort und Kyle stand langsam auf, drehte sich um und blickte zum Sofa hinüber, welches im ersten Augenblick völlig leer erschien. Erst, als er ein paar Schritte nach vorne machte, konnte er erkennen, dass es das in Wirklichkeit gar nicht war, genauso wenig wie der Raum, die Atmosphäre und seine Bekanntschaft tatsächlich auf dieser lag, von der Geborgenheit, von dem Reiz der Nacht überwältigt worden war. Ein kleines Lächeln schlich sich auf die Lippen des Russen, als er diesen Anblick sah und er hielt in seiner Bewegung inne, überlegte, wie es jetzt weitergehen sollte. Ah, er war wirklich, wirklich müde. Kurz geriet er ins Schwanken, die Müdigkeit drohte an Überhand zu gewinnen, doch schnell fing er sich wieder. Wie spät es bloß war? Wie lange war er eigentlich nun schon auf den Beinen? Hatte er bis auf die paar Nuggies und den Salat überhaupt etwas gegessen? Er schritt zum Tisch, griff vorsichtig, möglichst lautlos nach den vier herumstehenden Tellern und brachte sie genauso sachte in die Küche, ließ sie dort stehen, kümmerte sich in jenem Moment nicht mehr um den Abwasch oder darum, sie auch nur ansatzweise in die Spülmaschine zu räumen. Als der Punk damit fertig war, überlegte er, ob er noch einmal kurz die Terrasse betreten wollte, um eine Zigarette zu rauchen, blickte in eben jene Richtung und entschied sich für den Moment dagegen. Stattdessen ging er zurück zur Couch, Lucky folgte ihm auf dem Weg und sah sich einen Moment lang seinen schlafenden Gast an, der so friedlich, so ruhig wirkte, dass es absolut Sinn machte, dass er vorhin bei jenem Anblick instinktiv gelächelt hatte. Er hoffte wirklich, dass er einen guten Schlaf hatte, vielleicht sogar ein paar angenehme Träume - eine ruhige Nacht. Kyle griff nach einer dünnen Decke, welche sich am anderen Ende der Couch befunden hatte und deckte den Älteren behutsam damit zu, ehe er sich wieder von ihm abwandte, sich dazu entschied, noch einmal an die frische Luft zu gehen und lautlos die Terrassentür öffnete und genauso lautlos wieder schloss. Er lehnte seine Arme, seinen Oberkörper an die Metallstange, die ihn vor dem freien Fall nach Unten schützten, ab und zündete sich eine letzte Zigarette für diesen langen, langen Abend an. Er wollte wirklich, wirklich dringend schlafen. Fühlte sich so, als drohten seine Augen jeden Moment damit, urplötzlich zu zufallen und als würde er deshalb unweigerlich umfallen, direkt hier auf der Stelle. Und trotzdem zögerte er es hinaus, blickte hinunter auf den Boden, auf die leere Straße unter sich, auf welcher gerade nicht einmal ein vorbeifahrendes Auto, nicht einmal ein einzelner, nächtlicher Passant zu finden war. Es war gut möglich, dass er sich ein wenig fürchtete. Ein wenig davor fürchtete, zu Schlafen. Der Magie der Nacht zum Opfer zu fallen und sie damit gleichzeitig zu beenden. Wenn er schlafen gehen würde, dann würde er die Nacht damit zweifellos beenden. Und der Magier, Melchior, war sich nicht sicher, ob dies eine so gute Entscheidung war. Er nahm einen Zug von seiner Zigarette, beobachtete den hellen Qualm nach oben steigen und atmete einen genauso großen Schwall wieder aus. Hatte er nicht eigentlich mit dem Rauchen aufhören wollen? War bisher einfach nicht der richtige Zeitpunkt dafür gekommen? Wenn er es sich recht überlegte, so hätte er Cedric heute wahrscheinlich gar nicht erst erblickt, hätte er dies getan. Wäre er paar Minuten früher aus dem Haus gegangen, eben jene Minuten, die ihm die Zigarette vorm Verlassen des Hauses gekostet hatte, dann würde er wahrscheinlich jetzt nicht hier stehen, würde wahrscheinlich bereits in seinem Bett liegen. Der Weißhaarige glaubte daran, dass alles einen Sinn hatte, dass jeder Fehler, alle schlechten Ereignisse einen Zweck hatten - und man manchmal erst Jahre später merkte, worin dieser eigentlich genau lag. Was nicht hieß, dass Kyle an vollends vorgeschriebenes Schicksal glaubte. Oder daran, dass schlechte Dinge passieren mussten. Nein, er wollte eine schönere, eine bessere Welt haben, ein Teil davon sein, sie selbst kreieren. Er würde schlechte Dinge mit allen ihm zu verfügbar stehenden Mitteln zu verhindern versuchen. Aber es war auch einer der Gründe dafür, weshalb er sich keinen großen Kopf darum machte, wenn ihm selbst etwas nicht gelang. Warum er der Vergangenheit nicht mehr so nach hing und nur wenig Probleme damit hatte, sich selbst für verlorene Zeit oder Fehler zu verzeihen. Denn war es im Endeffekt jemals verlorene Zeit gewesen? Niemand konnte wirklich sagen, was passiert wäre, wäre sie anders gelaufen, hätte der Junge eine andere Route eingeschlagen, ob er dann vielleicht für andere Dinge, für andere Menschen am richtigen Ort und zur richtigen Zeit da gewesen wäre - und ob sich nun nicht jene, statt Cedric, allein auf der Kante eines Hauses, auf den Gleisen einer Bahn wiederfanden. Es war interessant darüber nachzudenken, doch wichtig? Das war es gerade nicht. Ihm reichte es, hier zu sein und die Erkenntnis, dass all jene vergangenen Geschehnisse ihn zu eben diesem Moment, gerade hier, geführt hatten. Der Gepiercte schnippte die Asche, die an seinem Glimmstängel hing weg und nahm erneut einen tiefen Zug. Er fürchtete sich ein wenig vor dem Schlaf, weil er nicht wusste, was der nächste Tag mit sich bringen würde. Es machte keinen Sinn, nein, das tat es wirklich nicht. Aber der Tag war nun einmal wirklich, wirklich lang gewesen. Und es war wirklich, wirklich viel gewesen. Schon allein die Gewissheit, die Erkenntnis, dass Dirk wieder in der Stadt war - allein dies hätte für einen einzigen Tag gereicht. Der Mann, zu dem Kyle womöglich die komplizierteste Beziehung hatte, die es jemals gegeben hatte. Den Mann, den er fast schon ein wenig hasste, aber gleichzeitig doch irgendwie auch mochte. Welchen er eigentlich doch als Freund bezeichnet hätte - dies aber indirekt verneint hatte, als Cedric ihn danach gefragt hatte. Sie waren keine Freunde, es wahrscheinlich nie gewesen. Und trotzdem war Dirk der Grund, weshalb er noch hier stand. Nicht nur deshalb, weil er ihm zuvor ungewollt das Leben gerettet hatte. Auch sonst war er dem damaligen Teenager des öfteren zur Hilfe geeilt. Nur, um ihn im nächsten Moment von sich zu stoßen oder einfach so zu verschwinden. Es machte keinen Sinn, hatte es noch nie gemacht. Diese zweideutigen Signale, dieses absolut verwirrende Verhalten. Und dann noch dazu die Tatsache, dass sich die Ereignisse heute wiederholt hatten. Komplett anders, in verkehrter Konstellation und doch irgendwie gleich. Auch der Postbote hatte ihn zu sich nach Hause geholt - selbst, wenn diese Idee eigentlich von Kyle gekommen war, nachdem er zuvor hatte zugeben müssen, dass er keinen Ort hatte, an jenen er in dieser einen Nacht vor über einem Jahr hatte zurückkehren können. Luke hatte ihn nicht dahaben wollen und diese Aussicht hatte seine gesamte Welt zerbrechen lassen, seinen letzten Zufluchtsort genommen, ihm jegliche Aussicht genommen. Es war so offensichtlich, so grotesk klar gewesen und trotzdem hatte Kyle sich in jener Nacht davongeschlichen. Hatte sich so unwohl an jenem Ort, in jener Stadt, in seiner eigenen Haut gefühlt, dass er es nicht mehr aushalten hatte können und verschwunden war. Verschwunden, nachdem er sich wenige Stunden zuvor hatte umbringen wollen und Niemanden hatte es interessiert. Niemand hatte nach ihm gesucht. Er war die Straßen entlang gewandert, ziellos, emotionslos und Dirk? Es war ihm absolut egal gewesen. Er hatte ihn nicht gesucht, sich womöglich nicht einmal darüber gewundert. Der Punk hatte sich davongestohlen, von jenem Mann, vor welchem er zugegeben hatte, keinen Platz mehr zu haben und es hatte diesen kein bisschen interessiert. Kein Anruf, keine Nachricht, keine Mühe. Nichts. Rein gar nichts. Hätte es den Jungen nicht so in seinem Stolz verletzt, hätte er die nächsten Tage nicht aus reinem Trotz über sich ergehen lassen - dann hätte es es womöglich ein weiteres Mal versucht. Hätte mit Sicherheit eine andere Methode gewählt, doch wäre er inzwischen mit Sicherheit nicht mehr am Leben. Er fürchtete sich davor, einzuschlafen, ein klein wenig. Konnte den Gedanken nicht loslassen, dass Ced mit einem Mal verschwinden würde, zusammen mit der Nacht, dass der Tag mit seinen heiteren Sonnenstrahlen am Himmel aufkreuzte und den Blonden zusammen mit der ruhigen Finsternis gestohlen hätte. Dass er ihn, trotz seiner darauffolgenden Versuche, ihn zu kontaktieren, ihn zu finden, nicht erreichen konnte. Dass er einen weiteren Versuch starten würde und dass die letzten Stunden vollkommen vergebens waren. Er verstand nicht. Wirklich nicht. Konnte es sich einfach nicht erklären. Wie hatte dieser Kerl ihn retten, ihn von sich stoßen, ihn aufnehmen und dann vollständig ignorieren können? Sich wie ein Freund aufspielen und ihn schließlich wieder betrügen? Er hatte keine Anstalten gemacht, sich nach ihm zu erkundigen. Hatte definitiv Möglichkeiten gehabt, hatte sogar gewusst, wo er zum damaligen Zeitpunkt gelebt hatte. Stattdessen war er ein paar Wochen später weggezogen. Verschwunden, ohne jegliche Spur. Hatte dem Amerikaner jede Chance dazu genommen, sich jemals bei ihm zu entschuldigen, jemals ein abschließendes Gespräch zu führen. Ihm jemals zu danken, ihn jemals dafür anzuklagen, dass er ihn allein gelassen hatte, in diesem einzigen, in diesem wichtigen Moment, in welchem er jemanden gebraucht hatte. Kyle war Wochen später zu seinem Haus gegangen, hatte in der Patisserie einen Haufen teurer, wundervoller Schokoladen gekauft und vor seinem Haus gewartet, einfach, um ihn wiederzusehen und sich zu entschuldigen. Sich zu bedanken? Stundenlang. Er hatte Stundenlang vor seinem Haus gewartet, vergeblich, hatte von einer bloßen Nachbarin erfahren, dass der junge Mann dort gar nicht mehr wohnte. Kein einziges Wort, kein einziger Laut. Es war so lange her - und nun war er einfach wieder da? Ohne ein einziges Wort, einen einzigen Laut. Was sollte er machen? Was sollte das alles? Es machte einfach keinen Sinn. Kyle atmete den letzten, tiefen Zug ein und sah, wie ein einsamer Stern den Himmel hinunter fiel, in den Tiefen des Kosmos verbrannte und zu einer hellen Sternschnuppe wurde. Er fürchtete sich ein wenig, zu schlafen. Aber ewig, dem konnte er sich diesem nicht verweigern. Die Konfrontation mit den eigenen Fehlern, mit denen eines anderen und mit dem Tod, welchem er selbst nur um Haaresbreite entkommen war. Die Erinnerung, an jenen Mann, an Rick, welcher sich mit seinem Freund zusammen auf dem Dach befunden hatte. Die Erinnerung, an jenen Mann, der zusammen mit des Mannes Vater, viele Jahre zuvor auf einem anderen gestanden hatte und die Erinnerung daran, wie jener vom Dach, hinunter in die Tiefe stürzte und wie Kyle machtlos ansehen musste, wie seine Fingerspitzen die seinen um weniger Zentimeter verfehlten, wie er zu spät gewesen war. Er hatte diesen Moment völlig vergessen. Ihn absolut verdrängt, wie so vieles, vorher. Die anderen Dinge waren inzwischen fast vollständig wieder zurückgekehrt, mit ihnen hatte der Heranwachsende sich auseinander setzen können, zu leben, zu arbeiten gelernt. Aber diese eine Geschichte..? Es fiel ihm schwer, alle Informationen richtig einordnen zu können. Irgendetwas schien zu fehlen und es bereite dem Mann ein wenig Kopfzerbrechen. Er drückte die Zigarette aus, blieb noch ein paar Minuten draußen verharren. Cedric. Wie lange war es wohl schon her? Wie lange schon spielte diese schrille und gleichzeitig lautlose Melodie in seinem Kopf, welche ihn an jenem Abend zu jenem Weg getrieben hatte? Ein weiteres Thema, welches auf seinen Schultern lastete und mit einem breiten, fiesen Grinsen ihn zu erdrücken versuchte. Doch das Halbblut hatte eine Tendenz dazu, Leuten das süffisante Grinsen aus dem Gesicht wischen zu können. Etwas, womit er umgehen konnte, etwas, was er mit einem Hauch von Leichtigkeit besiegte. Die Welt war ein wundervoller Ort, wenn man sie nur ließ. Grauenhafte Dinge gehörten manchmal dazu, wie es schien. Doch die grauenhaften Dinge waren dem Wundervollen unterlegen, wenn man sie nur nicht gewinnen ließ. Und der Punk verlor nicht gerne. Die Terrassentür öffnete sich, schloss sich genauso leise. Langsam fiel es dem Russen wirklich schwer sich noch auf den Beinen zu halten und selbst Lucky hatte es sich bereits auf einer freien Ecke der Couch bequem gemacht und hatte sich zur nächtlichen Ruhe eingerollt. Es war, als sei er als einziger auf der Welt noch wach, als einziger noch da, um über die Geschehnisse zu wachen. Wenn er nicht schlief, dann konnte der Traum, welchen die Nacht darstellte, nicht von einem anderen, einem womöglichen Alptraum ersetzt werden, welchen der Tag bringen mochte. Cedric würde nicht weglaufen, nicht? Cedric war schlauer als er es damals gewesen war, oder? Dabei hatte es eigentlich mit etwas ganz anderem zu tun. Nur zu gut konnte der Weißhaarige nachvollziehen, wie es war, sich in einer fremden Wohnung zu befinden, in eben jener aufzuwachen und zu realisieren, dass sie eben fremd war. Genauso, wie der Mensch, mit welchem man sie sich gerade teilte. Das drückende Gefühl, eine Last zu sein, falsch, an jenem Ort, sich so unwohl zu fühlen, dass man einfach nur das Weite suchen wollte. Er fürchtete sich ein wenig, doch Furcht war etwas, was nur dann mächtiger wurde, wenn man sie ließ. Kyle schob den großen Tisch, welcher von der Couch umrahmt wurde ein wenig nach Hinten und setzte sich auf den Boden, direkt an den Füßen jener entlang. Er lehnte sich an die Couch, sein Kopf ragte über die Sitzfläche hinaus und er warf einen kurzen Blick nach Hinten, wo sich direkt Ceds Oberkörper und Kopf befanden. Natürlich würde er die Furcht nicht gewinnen lassen - was nicht hieß, dass er sich nicht ein wenig absichern durfte. Wenn er direkt vor seinem Besuch saß, hier, auf jenem Boden und ihm quasi ein wenig den Weg versperrte, dann konnte der Blonde mit Sicherheit nicht anders, als ihn ungewollt aufzuwecken, sollte er versuchen, diese Couch irgendwie verlassen zu wollen. Es war nicht so, dass er dem Älteren nicht vertraute. Doch er wusste nun einmal auch, was bestimmte Gefühle in einen auslösen konnten, wozu sie einen treiben konnten. Langsam konnte er den Kampf gegen die elendige Müdigkeit wirklich nicht mehr bestreiten und so lehnte er den Kopf zurück, dieser fiel ein wenig zur Seite, seine Wange legte sich auf die Sitzfläche der Couch und er schloss die Augen. Sein Kopf lag nur wenige Zentimeter von den Händen seines Gastes entfernt und wahrscheinlich war eines der ersten Dinge, die dieser beim Aufwachen erblicken würde, Kyles Haarschopf - aber es erfüllte alles seinen Zweck. Er würde auf den Jungen aufpassen, das hatte er versprochen, nicht? Dass es Cedric gut gehen würde? Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann war Kyle ebenfalls im Land der Träume verschwunden.