#9 - {Chlorica & Vishnal}
Flink glitt die junge Dame mit dem Wischmopp in den eigenen Fängen über den Boden, welcher bereits ein wenig Schönheit von sich gab, auf schnelle Besserung verhoffen ließ. Der Blick schwiff einmal umher, nahm das bisherige Ergebnis in Augenschein, um es wenige Sekunden darauf mit seinem nicht vorhandenen Mundwerk bewerten zu können. Nicht viel, nicht wenig. Vielleicht gerade so um das Mittelmaß herum. Wenigstens waren sie vorangekommen, oder etwa nicht? Dies jedenfalls bedeutete, dass Chlorica schon bald ihren öfters verschobenen Plänen nachgehen durfte - Und das wiederrum veranlasste die recht stille Angestellte dazu innerlich ein kleines Freudentänzchen zu halten. Doch Freude war vergänglich, wie alles, das auf jener grausamen Welt geboren war, auf ihr hauste. Und welch' einen Grund besaß sie, um nun zu verfliegen? Eine Erinnerung. Düster. Zunächst ausgeblendet, ignoriert, verjagt. Mitten, in dem verfrühten Endspurt, nahm die Geschwindigkeit des Ganges ab bis jedwede Bewegungen ihr provisorisches Ende vorfanden, ein leises Ächzen ertönte ebenfalls. Irritiert, fast schon ein wenig mechanisch - wenn man einmal davon absah, dass an Roboter zu ihrer Zeit noch kein einziger Gedanke verschwendet wurde - betrachtete die Braunäugige ihren Mitarbeiter. Sie sollte den Versuch wagen und sich an die schwierige, fast schon unmöglich scheinende Aufgabe machen, ihm etwas beizubringen? Oh nein. Nein, nein, nein! Hätte das Fräulein jenen Gedanken doch bloß nicht wieder aufgegriffen - Nein, das würde kein gutes Ende finden. Sicherlich nicht. Ein in all dem Schweigen ihrerseits auffälliges Geräusch zog all die existente Aufmerksamkeit auf sich: Der hölzerne Stil des Mopps machte Bekanntschaft mit dem frisch gewischten Boden, rollte wenige Zentimeter von unseren Protagonisten weg und traf auf die hohe Wand. Entgeistert starrte die Hellhaarige drein, das Augenmerk befand sich irgendwo im Brustbereich des Blauauges. Als ob dem Jungen noch zu helfen war! Sicherlich, wenige Augenblicke zuvor hieß es noch, dass es eine Lehrkraft für Geschick aufzutreiben galt - Allerdings... Nun, man hatte keinesfalls mit ihr selbst gerechnet. Vielleicht war sie... Zweifellos! Eine Ausrede musste her! Ausgeklügelt! Überzeugend! Richtig, sie musste so täuschend echt wirken, dass sie fast schon wieder gelogen zu sein schien!
Glücklicherweise war diese verwerfliche Aktion nicht von Nöten, immerhin existierte da noch ebenjenes Gespräch, die durchlöchernden Fragen des Anderen, auf die Chlorica bis dato noch nicht eingegangen war - Ein Tapetenwechsel schien wirklich wie angegossen! Irgendwann... Ja, irgendwann hätte sich die feine Nase bei ihrem gnädigen Schicksal für jene Großzügigkeit bedankt. Allerdings folgte daraufhin der nächste Schock: Monsterareal. Hatte der Tollpatsch von Butler etwa wirklich dieses hübsche Wörtchen in den Mund genommen und sogleich in die Freiheit entlassen? Und dann auch noch in einem Zusammenhang mit ihr? Trotzig schüttelte die Braunäugige ihr Haupt, während aus verwirrter Miene eine sanfte Wut geboren wurde. Was für einen Bild hatte der Herr bloß von der Angestellten? Schrecklich! Und vor allem unglaublich passend! Obgleich die Herrin an sich nicht sonderlich begeistert von der Antwort gab, wäre dies wohl eine fast schon perfekte Antwort gewesen - Selbstverständlich wenn man von dem Runenarchiv, dem Heim dutzender, ach nein, tausender Bücher, einmal absah... Vermutlich wäre man tatsächlich aus reiner Laune hinaus in die von Biestern besudelten Gebiete gegangen und hätte diese Wesen in Grund und Boden gestampft! Ohne eine Waffe..? Richtig! Ein falscher Laut, der von den Angreifern losging, und schon wären sie von einem unglaublichen Redeschwall, bestehend aus Vorwürfen, Beleidigungen und Ähnlichem, niedergedrückt worden! Andererseits war dies auch wieder ein klitzekleines bisschen übertrieben - Oder auch nicht. Je nach dem Bild der verwilderten Tiere. »Monster... areale?«, wiederholte man dementsprechend ungläubig, während zur etwa selben Zeit der zuvor gefallene Wischmopp aufgesammelt wurde. Weiteres Wischen. »Warum sollte ich...« Entschlossen verneinte man jene Aussage mittels verschiedener Gesten und Mimiken, um der eigentlichen Gewohnheit, einem stillen Schweigen, wieder treu zu werden. Allerdings wurde auch diese Ruhe mit der Zeit gebrochen! Abermals ein nicht bejahendes Schütteln des Kopfes. Kämpfen? Mit jenen riesigen, blutrünstigen Viechern? Zählten Worte zu Waffen? Oder galt ein simpler Mopp, anstelle eines beeindruckenden Schwertes, als Werkzeug, mit dem diese Kreaturen hätten erlegt werden können? »... Vielleicht...« Murmelnd entkam ihr dieses Wort, zögerlich, ehe das Besenartige wieder über den Grunde blitzte. Sie konnte nicht kämpfen. Lediglich ein paar Dinge zusammenmischen, um eine Art Parfüm herzustellen. Mehr nicht. Doch war dies von außerordentlicher Nutzlosigkeit in einem hitzigen Gefecht, in dem es eventuell sogar um Leben und Tod ging. Vishnal jedoch musste von jener harten, am Ego kratzenden Wahrheit nicht erfahren. Nein, warum auch? Was hätte es dem Pianisten denn gebracht? Nichts. Natürlich nichts.
Mittlerweile war ein wenig Zeit ins Land gezogen, einige Minuten wenn man genau sein wollte, und in ebenjener Zeit der äußerst "gesprächigen" Zweisamkeit brachte man jegliche Arten von Dreck, die auf dem Flure lasteten, wortwörtlich um die Ecke. Stolzes Grinsen - oder besser: unterdrückter Stolz - bildete sich im Gesicht der Dame ab, nachdem der behaarte Holzstab an die Wand angelehnt wurde. Fertig. Endlich! Und das Ergebnis konnte sich sogar sehen lassen! Das Augenmerk huschte binnen kurzer Sekunden zu dem Blauhaarigen. Überrascht war sie. Ja, wirklich. Überrascht, dass keine weiteren Unfälle über die Bühne glitten und alles glatt, geschmeidig verlief. Vielleicht gab es ja doch etwas wie Karma - Was auch immer einer der beiden Gutes vollbracht haben soll... »Was hälst du von einem Ausflug?«, nuschelte sie schließlich, blickte gen glänzenden Boden. Fraglich, welches Ziel sie hatten, spielte jene winzige Information doch eine recht wichtige Rolle in dem großen Stück. Natur! Raus aus dem riesigen Gebäude! Hinein in die erfrischende Außenwelt! Und schon befand man sich unmittelbar hinter dem Rücken des jungen Mannes und schob diesen an den Schulterblättern vor sich herum - Raus, raus aus der Villa. »Geh voran« Ein wahrlich halbherziger, harscher Befehl, der kurz vor dem Tor, der Haustür, in die Lauscher des Ungeschickten drang. Aber er würde sicherlich wissen, was die Langhaarige von ihm verlangte, war es doch nichts anderes als eine schroffere Form von »Geh' einfach irgendwohin und ich laufe dir hinterher!«
» Nicht einmal Gott weiß es [Der Polisee]