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Es passierte wahrlich selten, dass der alte Mann hier einmal überrascht wurde. Umso intensiver war dementsprechend die Wirkung wenn es denn dann mal dazu kam. Vielleicht hatte diese Familie mehr als nur die Sturrheit vererbt. Ihre Unberechenbarkeit war wohl ebenfalls von beachtlichem Ausmaße. Wobei, war es denn wirklich eben jene die ihn gerade verblüffte? Wenn man es genau nahm, dann hätte man diesen Moment hier früher oder später doch kommen sehen müssen. Aber ehrlich gesagt - das hatte Kanno nicht. Nicht auf diese Weise zumindest, nicht einmal ansatzweise so intensiv. Natürlich wusste er, wie angeschlagen die Beziehung zwischen ihm und seiner Ältesten war, doch ihr plötzliche Redeschwall zeigte ihm unweigerlich auf wie sehr er deren Misslichkeit unterschätzt hatte. Er hatte gesagt, er würde ihr bis zum Ende zuhören und das tat er auch. Es war nicht angenehm, selbst für einen Mann wie ihn. Einen Mann, der womöglich schon alles gesehen, mit allem zu tun gehabt hatte. Bloß nicht mit einem Kind, seinem eigen Fleisch und Blut sogar, welches so bestürzt und verletzt, verzweifelt und traurig war, dass es sich nicht einmal mehr dazu in der Lage fühlte Blickkontakt mit ihm zu halten. "Vielleicht hast du Recht.", entgegnete er deshalb und es waren die ersten, tonlosen Worte nach einer langen Phase der Stille. Jemand anderem Recht zuzusprechen war ebenfalls eine Seltenheit aus seinem Munde. Zumindest dann, wenn das Gesagte seiner eigenen Meinung, seiner eigenen Aussage widersprach. Diesmal war es an Kanno das Augenmerk abzuwenden, der Magiermeister blickte eine Weile lang in die Ferne des leeren Ganges, schien nachzudenken. "Mit großer Wahrscheinlichkeit hat es mich tatsächlich nicht interessiert." Waren das harte Worte? Der Ergraute konnte nur ahnen wie Cinnamon sie nun aufnehmen würde. Weshalb er dann auch ohne Umschweife fortfuhr: "Cinna, ich bin nicht gut darin Kinder zu erziehen. Und ich spreche diese Worte bloß deshalb in deiner Anwesenheit aus, da ich der Meinung bin, dass du nun alt genug bist, um mich vielleicht zu verstehen. Ich war niemals gut darin. Ich war es schon bei deiner Mutter nicht und bin es bei dir und Candy noch weniger." Der Mann pausierte, wünschte sich einen Augenblick lang seinen Tee wieder um seine Lippen an die harte Tasse pressen zu können. Doch der Tee war schon lange verschwunden, genauso wie es die Eltern der beiden Rotschöpfe waren. Ah, durfte er seine Meinung ändern und sich stattdessen eben jene zurückwünschen? Oder hatte er diese Option verspielt, da er dies bereits seit jenem unheilvollen Moment tat, der den beiden das Leben gekostet hatte? "Weshalb du auch nicht die Magie gehasst hast. Du hast mich gehasst. Warum sonst solltest du dich heimlich für all diese Bücher hier interessieren, wenn nicht aus diesem einen, simplen Grund? Nicht die Magie hat dir deine Eltern genommen, ich war es. Meine Unfähigkeit. Meine Blindheit. Astor und seine Monster mögen all diese Menschen getötet haben, doch die Schuld ihrer Opfer liegt auf mir. Ich konnte ihn nicht aufhalten, konnte mein Wissen nicht sinnvoll genug weitergeben, um meine Schüler auf solch eine Abscheulichkeit vorzubereiten." Der Mann war inzwischen wieder aufgestanden, machte jedoch wenige Anstalten sich weiter als ein paar Schritte zu entfernen. Er hatte bloß nicht weiterhin untätig rumsitzen können. Nicht so wie damals. "Ich wollte nie, dass du so wirst wie ich, Cinnamon. Ich mag weise scheinen, doch ich bin ein Narr. Ich wirke stark, doch ich fürchte mich vor dem was kommen mag. Ich bin nicht mehr der Jüngste und ich weiß nicht, was Astor, nein, was die Welt noch an Grausamkeiten zu bieten hat. Die Magie war schon immer das Einzige, was ich euch geben konnte. Das Einzige, von dem ich dachte, dass es euch und andere beschützen könnte. Ich wollte, dass du bei mir lernst, nicht deshalb, um mir zu folgen, sondern da ich in dem Glauben war, dass diese Macht bei euch in den richtigen Händen läge. Dass ihr durch diese Gabe sicher wärt, ihr auch ohne mich weiter machen könntet. Ich wollte mein Versagen gut machen, doch scheine ich dir dabei bloß geschadet zu haben. Das lag so nicht in meiner Absicht."