[Cedric] & Kyle | Wohnzimmer
Ein Hauch von Neugierde war für einen Augenblick in Cedric's Gesicht zu erkennen, weil er erneut Kyle's Reaktion nicht ganz einzuordnen wusste. Er tat es oft: Ein Glucksen, ein Kichern, ein Grinsen, ein Lachen - so viel positiver Ausdruck, selbst nach allem was heute passiert war. Immerhin war der Punk auch nur irgendwie in alles reingezogen worden. Cedric fragte sich nicht zum ersten Mal, was es war, das er wohl tat und sagte, welches eine solche Reaktion in dem anderen hervorrief. Er nahm es auch weder böse auf, noch zog es ihn mit - okay, zugegeben, doch ein bisschen vielleicht - doch zum größten Teil überwog ein wenig das Unverständnis, wenngleich ihn das nicht daran hinderte, es einfach hinzunehmen. Es half, so wie Kyle war. Eine Person, die er kannte, der er vertraute, die jedoch nicht seinen Alltag berührte. Bei dem er es noch nicht verkackt hatte, noch jemand, dem er gerecht werden musste oder für den er sich verantwortlich fühlte. Woher er jedoch das Vertrauen nahm - das er überhaupt gerade? wieder? so empfinden konnte - wusste er nicht. Aber jemanden das beschissene Leben zu retten, war definitiv kein kleiner Indikator dessen.
Cedric zog die Beine an und rutschte auf der großen Couch ein wenig nach hinten, um sich anzulehnen und es sich ein wenig bequemer zu machen, als Kyle sich erklärte. Seine Augen wurden groß. 'Das war der Grund, warum ich auf dem Dach so wütend geworden bin.' Wie? Was? Der kurze Schreck war alles, warum diese Wörter stumm versiegelt blieben. Die Erwiderung auf seine Aussage hin, nicht? 'Dass etwas derart Wertvolles mit derart wenig Respekt behandelt wird.' Ah. Als jemand, der bereits mehrfache Suizidversuche hinter sich gebracht hatte und - wie sagte man so schön? - 'überm Berg war', der wieder Freude in seiner Existenz gefunden hatte, musste das Leben per se wahrlich wertvoll vorkommen. Naja, vermutlich jedem, der gesund und bei klarem Verstand war. Aber genau jenes hatte er mit Füßen getreten, nicht? Er war sich selbst jetzt noch uneinig darüber, ob er sich über den Verlauf der Dinge glücklich schätzen konnte. Glücklich war ein zu großes Wort dafür. Kyle's Bemerkung klang wie eine Anklage in seinen Ohren, gleichzeitig schien sie jedoch nicht gegen ihn gerichtet. Das machte keinen Sinn. Oder? Aber gegen wen sonst?
Cedric schloss erschöpft die Augen. Wut. Kyle war wütend gewesen, das hatte er gesagt. Cedric konnte sich überhaupt nicht an solche Gefühle in dem Punk entsinnen. Alles, an das er sich erinnerte, waren seine eigene Gedanken, die in ihm schrien, im Wettkampf zu der Dunkelheit seiner Gefühle, die alles zum verstummen bringen wollten. Und Kyle, der etwas zu ihm sagte, ihn schließlich schüttelte und ihn dann nochmal ansprach. Ah, es war schon ein heilloses durcheinander nicht? Er war tatsächlich sauer gewesen. Und dann erleichtert. Vermutlich. Seltsamerweise war ihm beides weitaus lieber als Entsetzen, Schock oder Sorge. Diese mischten sich sicherlich mitunter, aber zuerst war da die Wut gewesen und dann die Erleichterung. Oder bildete er sich nun alles nur ein, jetzt so im Nachhinein, aufgrund der eigenen Feststellung Kyle's? Schließlich konnte er seinen eigenen Erinnerungen immerhin am wenigsten trauen, nicht wahr? Er wagte es zumindest nicht. 'Fuck, Ced.. fuck, bin ich froh, dass du noch da bist..' Naja, letzten Endes war vielleicht doch alles ganz anders, als es den Anschein hatte.
Das Echo in seinem Kopf verblasste, als sein Gegenüber sich noch einmal erklärte. Als wäre nun er es, der kurz mit sich gehadert hatte - oder nur ein wenig in Gedanken gewesen? Es war reinstes Erstaunen, welches sich in seiner Mimik widerspiegelte, als Cedric die Augen wieder öffnete und unverhohlen zu Kyle sah, als müsste er sicher gehen, diese Aussage gerade wirklich so vernommen zu haben. Er hatte mit vielem gerechnet. Aber damit nicht. Eine fast vergessene Wärme machte sich in ihm breit, nach dieser simplen, doch so kostbaren Wertschätzung. Nachdem Cedric sich so lange selbst herabgewürdigt hatte und ebenso alle von sich weggestoßen hatte, die dem auch nur etwas entgegenzusetzen hätten, kam dieser ehrliche Zuspruch wie ein Segen, nein, eine Begnadigung. Unnötig zu sagen, dass jegliche Sorge, dass Kyle auf ihn sauer gewesen sein könnte, sich wohl als inkorrekt entpuppte - und selbst sollte sie es nicht sein, dass ihm verziehen worden war. 'Wonach du suchst ist Vergebung.'
Cedric schluckte. "Danke.", entgegnete er leise, noch immer resonierend dazu, wie sehr er förmlich nach einer Art von Wertschätzung gelechzt hatte. Erbärmlich, aber nicht verwunderlich. Cedric legte kurz das Handgelenk über die Augen, den Kopf in den Nacken gelegt, während er die Worte sacken ließ. "Danke.", wiederholte er ein zweites Mal, ehe er die Position wieder löste, "Ich kann nicht glauben, wie sehr ich sowas mal wieder hören musste.", rutschte es ihm unbeabsichtigt, aber ehrlich, heraus. Den Blick hielt er nun auf die Katze gerichtet, und sei es nur um dem von Kyle gerade auszuweichen. Er sollte das Kompliment erwidern, nicht? Aber gerade war das Durcheinander zu groß. Nichtsdestotrotz blieb es eine alte Weisheit, das Hilfe dann kam, wenn man sie am Nötigsten hatte. Der Zynismus in Cedric zweifelte die Wahrheit dieser stark an, jedoch wäre es schön, wenn sie einen Funken Wahrheit enthielte.
Cedric verfiel in Schweigen, während Kyle mit Lucky beschäftigt war. Als der Punk ihn wieder in Bezug auf des Flügels ansprach, schüttelte er nur den Kopf. Er konnte nicht. Nicht, weil er nicht wollte, sondern wirklich weil er nicht konnte. Zumindest glaubte er das selbst. Als müsse er zuerst seinen Anker wiederfinden. Aber wie, wenn er es nicht einmal versuchte? Doch mit zittrigen Händen spielte es sich nicht gut.
"Tatsächlich wollte ich dich vorhin das fragen.", sagte er daher mit einer gewissen Wehmut in der Stimme. Er wollte spielen, doch ein beachtenswerter Teil von ihm, fühlte sich dazu nicht in der Lage. Oder traute er sich nur nicht? Vielleicht auch war ihm die Passivität einfach ein zu vertrauter Begleiter geworden. "Ob du was spielen wollen würdest, meine ich.", beendete er den Satz relativ nüchtern. War das eine seltsame Bitte? Er fand durchaus, weswegen er vorhin die Frage auch abgebrochen hatte. Andererseits, waren heute so viele seltsame Sachen passiert - grausame Sachen - das diese, einem Freund beim Klavier spielen zu lauschen, wohl die weitaus Geringste sein dürfte.