Beiträge von Avokaddo

    [Cedric] & Kyle | doch nicht so nah am Flügel


    Something did not work like plan.

    Nicht, dass Cedric gerade irgendeinen Plan vom Leben hatte. Wir hatten uns darauf geeinigt: Er brauchte einfach wieder ein bisschen Übung darin.

    Du hast verkackt., wisperte die Stimme in seinem Hinterkopf. Nur ein Moment - ein kleiner Augenblick - in dem sich die Atmosphäre verschob. Es war nicht die Ablehnung, die auffällig war, es war die Apathie. Kyle reagierte nicht. Kyle reagierte nicht. Kyle, der bis eben noch so sehr hier war, seine Präsenz derart intensiv, dass er Cedric keine Möglichkeit gab, sich in sich selbst zu verkriechen. Warm. Er war weg.

    Cedric schluckte. Und ihm fiel wieder ein, dass er diesen Mann kaum kannte. Nichts von ihm wusste, nichts von dem, was er möglicherweise mit sich herumtrug. Aber - verdammt nochmal - das war egal. Er mochte Cola, keinen Kaffee, aß kein Fleisch, außer vielleicht Chicken Nuggets, war offensichtlich reich und das wichtigste: Er kümmerte sich um einen Dude, dem er erst einmal begegnet war, als wären sie alte Freunde. He cared.

    Und Cedric hatte keine Ahnung was er tun sollte. Er wusste nicht mal, was mit seinem Gastgeber überhaupt los war. Nur das was los war - das war unverkennbar. Was hab ich getan? Hab ich was getan? Falsches gesagt? Bin ich einfach doch zu viel? Bitte lass es nichts mit mir zu tun haben. "Kyle?", fragte er leise, als er sich wieder auf den Stuhl setzte. "Was ist los? Kann ich irgendwas machen?" Die Verzweiflung war nicht aus seiner Stimme zu vertreiben. Es war Angst, die in ihm hochkroch, die sich schwer in seiner Magengegend einnistete. Verdammt, er konnte sich ja nicht mal selbst helfen, was sollte er da für Kyle tun können? Ihm einen Smoothie anbieten? Allerdings hatte er auch um einen Moment Zeit gebeten, also sollte er vielleicht einfach mal die Klappe halten.

    Aber wenn sie schwiegen - hatten die intrusiven Gedanken freie Bahn.

    Du bist Schuld.

    [Cedric] & Kyle | fast am verdammten Flügel


    "Uuh.", mehr entkam ihm nicht, als Kyle seine Widerworte einlegte. Er sagt das bestimmt nur, um dich nicht zu verletzten., flüsterte die Stimme in seinem Hinterkopf. Halt die Klappe. Verdammte scheiße dieses ständige selbst Hinterfragen, war so anstrengend. "Okay.", sagte er daher, Kyle bewusst glaubend schenkend. "Ich find's nicht schlimm. Der Wert liegt ja in der Erinnerung und nicht in der Sache, oder?" Er hatte von Ran kein sentimentales Stück gehabt - gut, wie sich herausstellte war sie auch nie tot gewesen - und sie trotzdem nicht vergessen. Oder den Schmerz des Verlustes. Besser nicht darüber nachdenken. Sein Magen verdrehte sich und er hoffte, dass sein gutes Frühstück drinnen bleiben würde. Reiß dich zusammen. Cedric nahm einen bewussten Atemzug und atmete langsam aus. Dann stand er auf. Hatte den Wohnungsschlüssel am Tisch liegen lassen. Nahm stattdessen die leeren Sachen und stellte sie in die Spülmaschine. Einfach so. Dort blieb er stehen, drehte sich aber zu dem Punk um, der noch (leicht perplex?) am Küchentisch saß. "Kyle, ich-," Ah verdammt, warum war Reden so schwer? Er öffnete den Mund. Nope, keine Worte. Warum nur mussten Kopf und Körper stets so gegen ihn arbeiten? Aber es war einfach so viel. So viel, was ihm im Kopf rumschwirrte. So viel, was er gerade richten musste. So viel im Leben. "Ich glaub, ich könnt ne Umarmung gebrauchen.", meinte er schließlich, was komplett anderes, als das er im Sinn gehabt hatte. Moment, was? "Ich meine nur wenn du magst und dann, dann setzen wir uns endlich an den verdammten, sentimentalen Flügel." Die letzten Worte purzelten nur so aus seinem Mund. Aber eines stand fest: Er wollte so lange bleiben, wie er konnte.

    [Max] & Julia | Konditorei



    Etwas das ihn erfüllte...? Das was Julia sagte, rüttelte etwas in ihm wach, was ihn verwunderte. Er hatte doch alles, was er wollte, nicht? Als Adliger konnte er tun und lassen was er wollte - naja, sofern es den sozialen Regeln entsprach, verstand sich. Aber etwas tun, weil es ihn erfüllte? Das - das machte für ihn überhaupt keinen Sinn. Wie sollte sich das anfühlen? Er tat, was von ihm erwartet wurde, mehr nicht. Um mehr war es in seinem Leben nie gegangen. Nun, vielleicht gehörte es auch einfach zum bürgerlichen Traum hinzu - reiner Idealismus, der sie von ihrer Armut ablenkte. Ja. Ja, das machte Sinn. Zufrieden, diese für ihn unbequeme Frage erstmal abschließen zu können, widmete Max sich wieder Fräulein Julia zu - die er ganz und gar in Befangenheit gebracht hatte. Oh.

    Ein wenig hilflos sah er sie an. Die Frauen, mit denen er sonst verkehrte, waren Komplimente gewohnt, erwarteten sie sogar. Es brachte ihn in Verlegenheit sie in Verlegenheit gebracht zu haben - und tatsächlich nahmen selbst seine Wangen einen leichten, hauchrosa Ton an. Na sowas!

    Aufmerksam hörte Max ihr nun zu, als sie sich erklärte. In dem Punkt, dass er sonst anderen Umgang pflegte, hatte sie zwar recht, er korrigierte sie jedoch nicht. "Verzeiht mir, ich war wohl etwas zu direkt.", entschuldigte er sich. Es war ihm tatsächlich unangenehm, sie in Verlegenheit gebracht zu haben. Der Kellner stellte die bestellen Tortenstücke vor ihnen ab. Max musste einräumen, dass die Desserts sehr einladend aussahen. Und dann bot Julia ihm eine persönliche Sprache an. Max sah erstaunt zu ihr hin. "Das ist... sehr vertraut.", wandte er zögerlich ein, doch unwillkürlich schlug sein Herz ein klein wenig schneller. Was war das denn?! Verrückt! Max riss sich zusammen. "Also gut, Julia. Ich werde mich bemühen. In diesem Sinne: Wollen wir nun kosten, wofür wir her gekommen sind?"

    [Cedric] & Kyle | Küche


    Der Schlüssel fühlte sich kühl in seiner Hand an. Cedric sinnierte noch über die Bedeutung dessen nach, während er Kyle mit halben Ohr zuhörte. Ein sicherer Ort, dachte er, seine Finger drehten den Schlüssel dabei stetig, Ein fremder Ort. Vertrauen. Wann hatte er eigentlich aufgehört zu Vertrauen? Warum hatte er nie jemanden die Wahrheit über den Vorfall am Strand erzählt? Oder über Ran? 'Ich will niemanden belasten.' Diesen Glaubenssatz hatte er soweit gebracht, dass er am Ende gar niemanden mehr mit seiner Existenz belasten wollte. Cedric ballte die Hand, die den Schlüssel hielt, zur Faust, bis sich die metallenen Kanten tief hineingruben. Das unterband die Gedanken für den Moment, woraufhin er kurz Revue passieren konnte, was Kyle alles gerade gesagt hatte. Cedric sah auf und suchte dessen Blick.

    "Okay." Okay. Ein wunderbares Wort, was sich immer als Antwort eignete. Er hatte Recht. Und er würde schreiben, bevor er reinplatzte - wobei er den Schlüssel dann am Ende ja dann im Grunde gar nicht brauchte. Egal. Für den Notfall, das... das war okay. Musste es sein. Cedric nickte langsam. "Sentimentaler Wert? Ich.... muss nicht... es war nur so eine Idee, weil-," Hilflos zuckte er mit den Schultern. Weil sich das gerade im Gespräch so ergeben hatte. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte. Nur Tischtennis spielen, das wollte er nun nicht.

    [Cedric] & Kyle | Küche


    Natürlich ließ Kyle das nicht einfach auf sich beruhen. Warum sollte er auch. Nichtsdestotrotz fand Cedric diese Fähigkeit seines neuen Freundes bemerkenswert, seine Meinung fest zu vertreten und, irgendwie auch, seinen Willen zu bekommen. Zugegeben, Cedric selbst war in der Hinsicht ja auch kein wirklicher Gegner.

    Als Kyle also bestimmt seine Aussage widerlegte, hielt sich Ced unwillkürlich am Stuhl fest, als könne dieser ihn so ein wenig Halt geben. Nicht, dass Kyle ihm Angst einjagte, das nicht, nur diese Intensität - sie war so sehr das Gegenteil von seinem momentanen Selbst, dass es ihn ein wenig überwältigte. Cedric öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Es dauerte einen Moment, bis er seine Sinne zusammen hatte. "Deine Argumentation hat Lücken", nuschelte er. Zugegeben - seine auch, das hatte Kyle deutlich gemacht. Aber dasselbe galt auch umgekehrt. Sein Zwillingsbruder war das beste Beispiel dafür - er kannte Simon sein ganzes Leben lang, zumindest hatte er das geglaubt. Aber ihm jetzt noch zu vertrauen, würde sehr, sehr viel schwerer werden. Cedric seufzte. Nach langem Zögern griff er schließlich nach dem angebotenen Wohnungsschlüssel. "Bist du dir wirklich sicher?" War er sich wirklich sicher? Das war schon eine große Sache, für ihn zumindest. Es erforderte Vertrauen - und davon hatte Cedric in letzter Zeit sehr, sehr viel verloren.

    Kyle versuchte hingegen smooth das Thema zu wechseln, was Cedric lediglich mit einem 'Dein Ernst?'-Blick quittierte. Trotzdem lockerte dessen Auflachen die Anspannung in ihm etwas auf. Sie war noch da, zog sich durch seinen Körper hindurch, zog alles in ihm zusammen. Manchmal war sie unerträglich. Manchmal spürte er nichts. Und Ablenkung - die half. Auch davon hatte er in letzter Zeit viel zu wenig gehabt. All jene, die ihn hätten ablenken können, hatte er vergrault. Denk nicht drüber nach, flüsterte eine Stimme in ihm, Nicht jetzt, später. Später. Sie wollte ihn schützen, damit die Dunkelheit ihn nicht bekam. Ablenkung, lass es einfach geschehen.

    "Als ob. Du hast doch gestern gezeigt, dass du spielen kannst." Außerdem war er echt kein Lehrer. Er hatte keine Ahnung, wie er jemanden sagen sollte, wie sie sich verbessern konnten. Dafür war er echt der Falsche. "Schätze, da musst du dir einen anderen Musikstudenten suchen." Ein kurzes Zögern, Cedric biss sich sanft auf die Unterlippe, ehe er fortfuhr: "Was nicht heißt, dass ich nicht gerne Spielen würde." So. Er hatte es gesagt. Jetzt war es raus.

    [Marlin] & Mia


    Es war immer wieder dasselbe. Er hatte die Schnauze so voll. Wie wenig kannte sie ihn eigentlich noch? Nicht, dass es verwunderlich wäre. Ein Jahrzehnt lag zwischen der Zeit von damals und jetzt. Und damals war auch längst nicht mehr alles 'gut' gelaufen - so gut, wie es zwischen zwei Charakteren wie sie es war, eben sein konnte. Und das auch noch mit Kind. Sicher erkannte er die Mia von damals in der Frau, die nun vor ihm saß, aber gleichzeitig stimmte etwas nicht. Und sicher konnte auch er nicht vergessen, aber sie klammerte sich und ließ einfach nicht los. Warum konnte sie nicht loslassen? War das etwa Liebe? Er hatte geglaubt sie geliebt zu haben, doch je mehr die Jahre ins Land gingen, desto mehr zweifelte er an den Gefühlen seines jüngeren Selbst. Da war definitiv eine Anziehung gewesen, sie hatte ihn gereizt, aber... Liebe? Konnte ein Mann, wie er es war, so etwas tatsächlich empfinden? Den Gedanken hatte er schon vor langer Zeit abgelehnt.

    Marlin musterte sie von oben bis unten. Dachte unwillkürlich an den einen Sex, den sie zuletzt gehabt hatten. Er war nicht schlecht gewesen. Aber oh so gefährlich. "Nein.", erwiderte er mit harter Stimme. Obwohl bei dem Gedanken etwas ganz anderes drohte hart zu werden //scherz. "Wann wirst du endlich erwachsen?"

    [Cedric] & Kyle | Küche


    Cedric fühlte sich überrumpelt. In Kyle's Gegenwart war das zwar eigentlich nichts Neues, ihn jedoch so enthusiastisch nach seinem Studium fragen zu hören, war aber dann doch nochmal ein anderes Level. Die Reaktion bekam er selten - eigentlich nie. Musikwissenschaften war jetzt nicht gerade sexy. Perplex und absolut planlos, wie er mit so etwas umzugehen hatte, wurde er vielleicht ein klein wenig rot. Can't help it. Ced wich Kyle's Blick aus, als er antwortete: "Primär Geige und Klavier." Verdammt, waren seine Begeisterung (naja, so begeistert wie er in der jetzigen Lebenssituation eben sein konnte) für den Flügel etwa so offensichtlich gewesen? Der Rotton auf seinen Wangen wurde tiefer, was bei seiner blassen Haut nur noch offensichtlicher war. "Und noch ein paar andere Sachen rudimentär.", fügte er nuschelnd hinzu. "Und es ist definitiv theoretischer als andere Musikstudiengänge. Und jüngere Musik wird tatsächlich kaum beachtet" Ein wenig stimmten die Klischee's tatsächlich. Cedric atmete einmal tief durch. "Erinner mich daran, mich später bei deinem Schlagzeug zu entschuldigen." Aber sorry, wenn man einen fetten Flügel im Wohnzimmer stehen hatte, zog das schon viel Aufmerksamkeit auf sich, okay? Cedric runzelte die Stirn. "Warte, du wunderst dich darüber, dass du mich nie auf dem Campus gesehen hast, während du selbst kaum da warst und dich nicht auskennst?" Besser nicht genau hinterfragen. Das schien bei Kyle nicht selten eine gute Devise zu sein.

    Cedric schrak aus seinen Überlegungen, als ein Klirren ertönte und seine Augen wichen vom Kyle zum Tisch zum Teller (der tatsächlich aufgegessen war mittlerweile, können wir eine Runde stolz auf Cedric sein, auch wenn ich in der Zwischenzeit total vergessen habe, was es überhaupt zum Frühstück gab?) zum Schlüssel auf dem Tisch neben dem Teller. "Was ist das.", fragte er tonlos, obwohl erstmal eindeutig war, was das war, nur nicht, was es bedeutete. Als Kyle die Aktion dann erklärte, wurden seine Gefühle... kompliziert. Overwhelming. Konträr. Ein wenig Übung. Ein kleiner Reminder. War das alles, was es brauchte? Um wieder normal zu werden - was auch immer das bedeuten mochte? Mein Gott, wie sehr er sich danach sehnte. Und wie gut es tat, Zuspruch zu bekommen, akzeptiert zu werden. Jemanden einen Freund nennen zu können, der weder die Scheiße mitbekommen hatte, in die er geraten war, noch, die er verzapft hatte. Vielleicht einen Zufluchtsort zu bekommen. Ja, da war Sehnsucht. Dankbarkeit. Und trotzdem dieses fast übermächtige Gefühl, welches ihn unter sich begrub. Du darfst das nicht. Du verdienst das nicht. Du wirst versagen. Es ist nicht real. Es ist gelogen. Und es nahm sie mit sich, jene Emotionen, die er eben noch verspürt hatte, bis nichts übrig blieb, als diese elendige Taubheit, die ihm längst ein so vertrauter, unliebsamer Begleiter geworden war.

    Cedric versuchte den Kloß im Hals herunter zu schlucken, er schaute immer noch zum Schlüssel und mied Kyle's Blick. Das war gut, so gut. Nur eine Möglichkeit, eine offene Hand. Das, was er brauchte. Für einen Moment war der Schmerz in seinem Gesicht zu sehen, als sich der Kampf in seinem Inneren ausfocht - und verlor. "Ich kann nicht.", krächzte er schließlich, "Wir kennen uns kaum. Du hast mir eh schon so viel geholfen." So viele Ausflüchte. In seinem Kopf nur ein Wort: Feigling, Feigling, Feigling.

    [Marlin] & Mia



    Marlin schwieg. Schwieg eine ganze Weile und sah die Frau, die vor ihm auf der Parkbank saß, einfach nur an. Es ging ihm einfach nicht in den Kopf rein - wieso wollte sie mit ihm Zeit verbringen? Er hatte ihr nicht als nur Ablehnung gezeigt, seid ihrem Wiedersehen. Und naja, Sex, einmal. Wie nett er da gewesen war, stand aber auch in Frage. Was kleines Essen? Marlin musterte ihren abgemagerten Körper. Aß sie überhaupt etwas? Mia schien es selbst unangenehm zu sein, wie sie fast schon bettelte. Aber sie schien noch nicht fertig zu sein. 'Wir können auch vögeln.' Marlin starrte sie an - und brach dann in schallendes Gelächter aus. Es war ein Laut, den man vom ihm nicht oft hörte, aber es war einfach so herrlich absurd. Wie tief bist du gesunken, Mia? Wo war ihr Stolz von damals hin? "Was soll das werden, willst du dich verkaufen im Gegenzug für ein bisschen Zeit mit mir? Ist dir jedes Mittel recht?", höhnte er. Marlin beugte sich zu ihr, ließ sie nicht aus den Augen, wagte es ihr sanft über die Wange zu streichen. "Weißt du-", raunte er ihr leise ins Ohr, "Das ist mir zu billig~" Damit richtete er sich wieder auf, ein süffisantes Grinsen auf den Lippen und sparte sich die Antwort auf ihre eigentliche Frage.

    [Marlin] & Mia | Parkbank



    'Hast du mich vermisst?' "Okay Bye." Er hatte es geahnt. Es war dumm gewesen, sie anzusprechen. Selber Schuld. Warum also, wenn er es doch besser wusste? Das weißt du ganz genau. Weil da dieser Reiz war, das etwas interessantes passieren könnte - ganz vielleicht. Und weil er sie kannte. Als jemand, der sich anonym durch's Leben bewegte, war das eine Außerordentlichkeit, die er nicht ganz ignorieren konnte. Und deswegen stand er noch da, blickte auf sie herab und hatte seinen eigenen Worten keine Folge geleistet. Alas - Marlin war ein Lügner, von dem her sollte das hier niemanden überraschen.

    Mia's Mundwinkel zuckten - sie sah fertig aus. Ihrem frechen Mundwerk tat das jedoch keinen Abbruch. Marlin schnaubte. "Was, das ist alles was dir noch einfällt?" Ja, er war alt geworden. Man sollte meinen Mia auch - doch wenn er sie so ansah, wirkte sie immer noch so jung, so naiv, so kindlich. Die unzähligen Plüschtiere in ihrem Bett fielen ihm wieder ein. Doch es waren nicht nur die kindlichen Interessen - durfte ja jeder machen, konnte ihm ja egal sein - doch auch in ihrem Verhalten. Wie konnte das sein? Sie war anders, als damals, als er sie verlassen hatte, aber gleichzeitig... Marlin schüttelte den Kopf. "Mir liegt die Kälte."

    [Hahkota] & Yahto (how do they even survive)



    Yahto war genauso ratlos über den mysteriösen Gegenstand wie er selbst. Aber dann klappte er es auf. "Was-" Hahkota schnappte nach Luft. Er spürte bösartige Magie entweichen. Und dann brannte es. Hahkota stieß einen gellenden Schrei aus und fluchte in seiner Muttersprache. An den Feuerlöscher dachte Hahkota nicht - er nahm stattdessen das nächstbeste Wasserglas, was auf dem Tisch stand, schüttete es über das Feuer. Das reichte nicht, also ab in die Küche und eine ganze Schüssel voll Wasser über Feuer und Schweizer Taschenmesser. Es reichte nicht! "Yahto, was tun wir?!"

    [Marlin] & Sherry



    Marlin musste schmunzeln. Von sich abzulenken? Das war seine Spezialität. Schien ihr aber genauso zu gehen, nicht dass das was Verwerfliches wäre. So hielt sich ihr Gespräch - so seltsam es sein mochte - wunderbar oberflächlich. Anstrengend war das. "Danke für das Kompliment~", meinte er, fuhr sich durch die Haare und grinste dabei arrogant. Das etwas mit ihm stimmte konnte er auch nicht leugnen. Langjährige Traumata, dachte er bei sich. Aber es war doch ungewöhnlich, einem so etwas direkt ins Gesicht zu sagen. Sympathisch. "Ja? Was hat mich verraten?", fragte er stattdessen leicht amüsiert. "Und nein, das kann ich tatsächlich nicht behaupten." Natürlich, gab es mal bessere, mal schlechte Male, aber wider jeglicher Erwartungen war Marlin kein Aufreißer. Dafür konnte er Menschen einfach zu schlecht leiden.

    [Marlin] & Mia



    Marlin war immer noch in der Gegend. Und langsam, langsam, zog die Ausrede mit der Pleite nicht mehr. Klar, das Geld vom Bauern war nicht viel, aber es reichte um sich ein Busticket in die nächste Stadt zu leisten und von dort aus weiter zu machen. Oder seinetwegen auch zu Fuß. Möglichkeiten gab es immer ganz getreu dem Kalenderspruch: 'Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.' Blabla. Also redete Marlin sich ein, das hier genauso schlecht war, wie sonstwo und er sich ja auch einfach nicht mit ihr auseinandersetzen musste, also konnte er auch einfach eine Weile bleiben. Es war egal. Egal, wo er war. Er nahm sich selbst immer mit. Hatte er wirklich so alt werden müssen um zu begreifen, das man nie vor sich selbst davonlaufen konnte? Ich bin und bleibe ein Heuchler. Er hasste Ignoranz und war doch selbst Meister darin.

    Und so spazierte Marlin durch die Innenstadt. Nichtmal mit einem besonderen Ziel, er wollte einfach nur mal wieder weg vom Dorf, vom Feld, von den anderen Arbeitern, die er lieber mied. Untergehen in einer Masse von Menschen, die er nicht kannte, die ihn nicht kannten. Der Plan ging nur mäßig auf, denn viele scheuten sich vor die Tür zu gehen - bei dem Wetter kein Wunder. Es war kalt, es war nass, es war eklig. Hier und da waren noch Flecken Schnee zu erkennen, mehr graue Pampe als weiße Schönheit. Es war warm, dann war es wieder kalt, dann schmolz wieder alles. Ätzend. Marlin blickte gen Himmel, eine ewige graue Weite, als vereinzelte Flocken sich einen Weg nach unten bahnten und einfach nicht aufgaben, noch irgendeine Art von Winter auf die Erde zu bringen. Das war fast schon beeindruckend. Als Marlin den Blick wieder senkte, sah er sie.

    Sein Magen krampfte sich kurz zusammen, dann schalt er sich einen Narren. Dämlich. Mia lag auf einer Parkbank. Lauter Fremde, doch sie erkannte er sofort. Lag sicher an ihren ständigen Stalkerversuchen, da entwickelte man einen siebten Sinn. Sie schien ihn nicht bemerkt zu haben. Er könnte einfach weitergehen. Weg. Sie weiterhin ignorieren. Immerhin - er wusste ja wo sie wohnte. Er hätte jederzeit vorbeischauen können. Aber er war es gewesen, der ihr Halloween eine Abfuhr erteilt hatte. Wieder und wieder. Bis sie es begriff. Und dann war sie gegangen - und er war beruhigt gewesen. Und enttäuscht. Marlin versteifte sich kurz bei dem Gedanken. Was für ein Bullshit. Halloween - das war drei Jahre Monate her. Huh.

    "Du erfrierst noch.", hörte er sich sagen. Er konnte es sich einfach nicht verkneifen. Außerdem: was lag sie da auch dünn bekleidet, bei so einem Mistwetter auf der Parkbank? Nicht, das er sich Sorgen machte (ach), aber das war an Dämlichkeit ja kaum zu überbieten. Also war er rangetreten. Die Hände in den Jackentaschen sah er mit ausdruckslosem Gesicht zu ihr herunter. Weitergehen konnte er ja immer noch.

    [Lily] & [Cinnamon] & Joe & Natalie | Patient:innenenzimmer


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    Nur widerwillig folgte Cinnamon Lily in besagtes Krankenzimmer - dabei fühlte sie sich selbst großartig! Naja gut, das war vielleicht übertrieben, aber ihr fehlte zumindest nicht gravierendes. Immerhin wusste sie den Hornochsen jetzt in sicheren Händen - und einfach gehen konnte sie ja jetzt schlecht.

    "Komm, hier rein und setz dich.", wies Lily sie an und Cinnamon zog eine Schnute, folgte aber ihren Anweisungen. Lily musterte sie daraufhin von oben bis unten, was den Rotschopf dazu veranlasste auch an sich herab zu sehen. Abgesehen von einigen Schürfwunden und Kratzern und eingerissenen Klamotten - oh man sie war so mies im Nähen - konnte sie jedoch nichts ausmachen.

    "Mir geht's gut.", betonte sie, "Gib mir einfach eine Salbe für die Wunden oder so und gut ist."

    Lily zögerte. "Das muss ich erst Nathalie fragen."

    Cinnamon zog die Augenbrauen nach oben. "Was, du kennst dich selbst nicht aus? Da fühle ich mich ja direkt in besten Händen."

    "Ich bin noch keine Heilerin.", verteidigte Lily sich, "Das wollte ich bei Nathalie anfragen, als ihr zwei reingeplatzt seid."

    "Oh, tut mir aber leid, wenn wir dein wichtiges Anliegen unterbrochen haben."

    "Das meinte ich doch gar nicht! Sei nicht so kindisch."

    "Ja, so hast du mich immer gesehen, nicht wahr?", platzte es aus Cinna heraus. Beide verfielen in Schweigen. Naja, vielleicht hatte sie es gerade wirklich ein wenig provoziert, und wenn schon? Ein Wunder, dass sie mal befreundet gewesen waren - aber das ist lange her.

    "Hast du sonst Beschwerden? Ist dir schlecht, hast du Fieber, siehst du irgendwie verschwommen?"

    "Nochmal: Mir geht's gut."

    Sie vernahmen das Gejammer eines verletzten Joe, der nach ihrem Namen rief.

    "Kümmert euch lieber um den da. Der hat mehr abgekriegt."

    Lily seufzte. Dann hörte sie Nathalie's Stimme, die sich nach ihnen erkundigte.

    "Hier ist soweit alles in Ordnung." Zumindest im weitesten Sinne. "Gibt es für Kratzer und Schürfwunden eine Salbe, die aufgetragen werden kann?", erkundigte sie sich dann und übersah, wie Cinnamon die Augen verdrehte.

    [Tabatha] & Elsje | Küche




    Tabatha behielt Elsje im Blick, während der Brotpudding im Ofen vor sich hingarte. Die Elfe legte den Kopf schief, als die Magd zu sprechen begann - wie im Delirium. Hatte sie sich etwa in den Kräutern vergriffen?! Nein, ausgeschlossen. Dann war es also der Halbschlaf der aus ihr Sprach? War das normal bei Menschen? Tabatha hatte keine Ahnung. Und noch mehr verwirrten sie die Worte, die Elsje an sie richtete. "Mir... helfen?", wiederholte sie irritiert, "Bei was möchtest du mir denn helfen, Elsje?" Seltsamerweise lösten die Worte eine gewissen Sehnsucht in der Elfe aus. Tatsächlich hatte ihr noch nie jemand ein solches Angebot unterbreitet. Unter Elfen war ein solches Verhalten nicht üblich. Und unter den Menschen hatte sie als Magd gedient - sie war diejenige die half, nicht der geholfen werden musste. Und doch, ach, wie sehr wünschte sich Tabatha manchmal all ihre Gefühle mögen an die Oberfläche dringen und sie hätte jemanden, mit dem sie reden konnte - ganz offen, ohne das etwas dazwischen stand. Ihre Gedanken wanderten zu Lady Bianca. Diese Aussprache hatte sie auch noch vor sich, doch ihr Magen zog sich zusammen, als sie an das letzte Treffen dachte. Das hätte alles so nicht passieren dürfen. Sie seufzte. Erst als ihr ein rauchiger Geruch in die Nase stieg, schreckte die Elfe wieder auf. Dummerweise hatte sich Elsje komplett an sie gelehnt und schlief - bei den Runeys wie konnte man in dieser Haltung nur schlafen?! Sie gab es auf, sie zu wecken, griff stattdessen bestimmt ihre Schultern und drückte sie zurück auf den Stuhl - wo sie hoffentlich nicht umfiel, ehe sie zum Ofen stürzte und den Brotpudding rausholte, bevor er vollkommen verbrannte. Gerade noch rechtzeitig!


    Yumi war kurz angebunden. Charlie bereute es ein wenig, so unverblümt reingeplatzt zu sein - vielleicht hätte sie einfach weitergehen sollen. Aber sie konnte nunmal nicht aus ihrer Haut. Ihre Schwester - ganz gleich wie fremd sie sich waren - einfach zu ignorieren, kam nicht in Frage. Tatsächlich wünschte sich die Jugendliche, dass sie sich eines Tages einander annähern konnten. Sie mussten ja kein enges Verhältnis pflegen, aber zumindest normal miteinander umgehen? Wissen, was im Leben des anderen grob Sache war? Das wäre schön. Aber offenbar war der Tag noch nicht gekommen - und vielleicht würde Yumi ihr Leben lang abblocken. Für den Moment riss Charlie sich zusammen, um sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. "Ja, ich werde langsam zur richtigen Frau!", verkündete sie stolz, ehe Yumi verkündete, dass sie weitermüsse. Ob das stimmte oder nur eine Ausrede war, vermochte sie nicht zu sagen. "Ja klar. Mach's gut.", sagte sie noch und hielt ein 'Wollen wir uns einfach ein andermal in Ruhe treffen?' zurück. Als ihre Schwester aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, seufzte Charlie tief und ließ sich auf den Brunnen fallen. Nachdenklich schlürfte sie an ihrem Bubble Tea. Ob es irgendwas gab was sie machen konnte? Sie wusste es nicht. So saß das Mädchen dort, bis der Bus schließlich kam.

    Bei Yumi


    Sie triezte ihn mit ihrem Unglauben, ihrem Hinterfragen. Sowas konnte er nicht leiden, aber alas, hatte er es auch nicht notwendig, sich zu rechtfertigen. Sie konnte denken was sie wollte, es kümmerte ihn nicht. Am Ende musste er die Dinge - wie stets - mit sich selbst aushandeln, täglich auf's Neue. So war es, wenn es im Leben nie jemanden gegeben hatte, dem man sein Glück und Leid hatte teilen, sich anvertrauen konnte. Ein schräges Konzept. Marlin kannte es nicht anders und es war doch die Unabhängigkeit, die er so schätzte, dass er gar nicht vorhatte sich in dieser Hinsicht zu ändern. Er kramte in der Tüte nach dem Tabak, um sich erneut eine zu drehen. Mia war die Einzige gewesen, die er ein wenig an sich rangelassen hatte, aber am Ende hatte es auch nichts genützt.

    Pech also, hm? Er schnaubte, seine Finger rollten in Ruhe die Zigarette zusammen. Pech war es, in die falsche Familie geboren zu werden. Pech war es, wenn du deinen Erzeugern egal warst, wenn sie dir den Rücken zukehrten und sich dir selbst überließen. Pech war es, wenn sie ihren Frust und ihren Hass an der Welt gewaltvoll an dir ausließen. Pech war es, Hunger und Armut gnadenlos ausgeliefert zu sein. Es gab unzählige Formen der Ungerechtigkeit und sie, diejenigen die davon verschont blieben, konnten es gar nicht verstehen. Ihr Blick blieb in gewisser Weise immer ungetrübt. Verachtung war alles, was Marlin dafür übrig hatte. Ihm schwante jedoch, nach ihrer Reaktion vorhin, dass die blonde Ex-Studentin, die so gerne die Drogen mit ihm teilte, ebenfalls vom Pech gezeichnet war. Andererseits würden sie sich nicht so unterhalten, wie sie es gerade taten.

    Marlin stand schließlich auf, zündete die Zigarette an und steckte die freie Hand schließlich in die Jackentasche. Er hatte es nicht für nötig befunden, auf ihre vorherigen Aussagen einzugehen, nahm sich jedoch Zeit für diese. War er zufrieden? Tja. In der Regel verdrängte er diese Frage ganz bewusst.

    "In gewisser Weise.", antwortete er schließlich. Es gab Wut und Hass, derer er nicht Herr wurde, die ihn stets begleiten würden, aufgrund dem was war, aufgrund dem wie diese Hölle an Welt beschaffen war. Er frönte im Negativen, was für Normalsterbliche unvorstellbar sein mochte und doch, was wäre er ohne? Marlin hatte sich seine Nische auf diesem Planeten geschaffen und so gesehen seinen Platz gefunden. In dieser Hinsicht war er durchaus zufrieden und er konnte sich keinen alternativen Lebensweg vorstellen, dass ihn nicht wahnsinniger machen würde.

    "Versteh ich gut.", meinte er zwischen zwei Zügen, denn genau ebenjenes Gefühl hatte auch ihn begleitet. Bis er alle Bindungen gelöst und die Flucht ergriffen hatte. Hatte für ihn gut funktioniert. Keine Ahnung, was für sie funktionieren würde. Das musste sie wohl oder übel selbst herausfinden, aber Marlin bezweifelte, dass ein Rat von ihm hilfreich wäre, selbst wenn er einen hätte. Manipulation als Mittel der Wahl also, hm? So schützte sich jeder anders.


    Charlie hatte die Zeit vergessen. Gedankenverloren tippte sie eine Nachricht nach Hause, dass sie erst jetzt den nächsten Bus nach Sternbach nehmen würde - was noch eine halbe Stunde hin war - und holte sich dann einen Bubble-Tea. Mit dem Getränk in der einen Hand, einer Tüte in der anderen und noch dem Schulrucksack auf den Schultern, ging sie durch die Innenstadt in Richtung Busbahnhof. Naja und was soll ich sagen, Riverport's Innenstadt war nun auch nicht so groß und der Brunnen schon ein gewisser Spot und Charlie war nun niemand der mit den Augen auf den Boden gerichtet durch die Stadt lief, ne. Trotzdem überraschte sie der Anblick, denn ihre große Schwester sah sie nicht alle Tage und zwar so sehr, dass sie sich an einen der Bubbles verschluckte und erst einmal in einem Hustanfall landete. Unbeirrt steuerte sie jedoch auf Yumi zu, die halbfreie Hand vor dem Mund haltend und dadurch bemerkte sie erst, als sie beim Brunnen stand, dass die Blondine wohl in ein Gespräch verwickelt war. Ups. "Hey Yumi.", begrüßte Charlie sie und wandte sich dann - ein wenig tränenverschleiernd aufgrund der Reaktion - ihrem Freund zu. "Und hey... äh..." Sie blinzelte und erkannte nun, dass der Kerl nicht nur viel älter war, sondern auch um einiges grimmiger drein guckte. Gruselig. "Du.", endete sie dann schlicht, da sie den Namen ja nicht kannte. "Lange nicht gesehen." Charlie bemerkte, wie sich der Mann neben ihr ungemütlich bewegte. Er lächelte, aber es wirkte ganz und gar nicht freundlich. "Bin gespannt was du erzählst, wenn wir uns das nächste mal austauschen." Ein Nicken in Yumis Richtung, während er sie mit einem seltsamen Blick musterte. Rauch schlug ihr entgegen, als er sich auf der Stelle umdrehte und in dem Trubel der Menschen auf den Straßen unterging. Fast wie ein Geist. Oder Dämon. Charlie sah ihm mit einer Mischung aus Verwunderung und Irritation nach, ehe sie sich zurück zu Yumi drehte, die noch am Brunnen saß. "Sorry. Ich hab ihn nicht verscheucht oder?" Vorausgesetzt, die beiden waren einander freundlich zugetan? "Oder hat er dich belästigt und es war gut, dass ich ihn verscheucht habe? Ich weiß nicht! Aber ich hab dich gesehen und konnte dich nicht einfach ignorieren." Immerhin sahen sie sich nicht besonders häufig. Das Verhältnis zu ihren älteren Geschwistern war... schwierig und Yumi hatte sich schon immer als recht unnahbar gegeben. Was Charlie unfassbar schade fand, immerhin waren sie trotz allem Schwestern. Deswegen konnte sie die Chance nicht einfach verstreichen lassen, das war doch nachvollziehbar, oder?

    [Charlene] & Benjamin - gehen




    Okay, allzulange hielt Charlie es im See dann doch nicht aus. Es war doch noch scheiße kalt. Ben's Lippen waren auch schon ganz blau angelaufen. "V-Vie-l-le-i-c-c-h-h-t s-sol-lte-n-n w-wir d-doch n-nach H-h-a-u-u-s-e, u-uns au-auf-wä-ärmen.", meinte sie stotternd, bibbernd vor Kälte. Ben nickte bloß, die Zwillinge zogen sich aus dem See, radelten nach Hause und lagen danach erstmal eine Woche mit Erkältung im Bett. Yay.

    Bei Yumi


    "Bin ich nicht.", erklärte er mit einem Schulterzucken und leere sein Bier. In den Dosen war einfach immer zu wenig drin. Aber was soll's. "Es ist mein erster Aufenthalt in dieser bezaubernden Kleinstadt am Meer." Was stimmte. Ihm war schon klar, dass die Wurzel, nämlich Destiny Valley, nicht allzuweit von hier weg lag. Aber ob es sich um Minuten oder Stunden handelte, konnte er nicht einordnen. Er hatte es nicht darauf angelegt, irgendjemanden zu treffen, den er kannte - erst recht nicht seine Familie. Aber er schwieg dazu, weil er nicht hören wollte, dass ein unterbewusster Drang in wieder in die Nähe des Kaffs von einst gezogen hatte. Bullshit. Zufälle gab es auch, you know? Und wie hoch stand schon die Wahrscheinlichkeit seine anhängliche Ex in einem beschissenen Kleinstadtsupermarkt anzutreffen? Unter Null. Mit einer Annahme hatte sie natürlich recht. Er könnte weg sein, aber wozu die Eile? Er wollte sehen, ob er Mia mit seiner letzten Abfuhr nun endgültig vom Leib hielt oder wie sonst ihre nächste Aktion aussehen würde. Oder seine? Marlin hatte nicht vergessen, welche Worte sie ihm vor dem Supermarkt noch hinterher gebrüllt hatte.

    Die Sehnsucht in ihrer Stimme verriet, dass es bei ihren Gefühlen ähnlich zweifelnd zuging. Hatte sie das Debakel um ihren Lover also auch noch nicht gelöst, huh? Liebe. Was konnte es höllischeres geben?

    Marlin nahm sich seine und ihre leere Dose und schmiss sie zurück in seine Plastiktüte. War immerhin Pfand drauf. Sie war jedoch noch nicht fertig. Ihm entfuhr ein trockenes Lachen. "Wow, das ja mal ne richtige Ansage. Vielleicht ganz gut, dass du den Scheiß nicht zu deinem Beruf machst." Nicht ihr Problem, absolut richtig. Davon hatte sie sicher genug eigene. Deswegen konnte er auch nicht verstehen, wieso sie sich freiwillig die Probleme anderer anhören wollte - oder es zumindest zu irgendeinem Zeitpunkt mal für eine ganz gute Idee hielt. Marlin warf ihr einen langen Blick zu. "Ehrlich gesagt ja." Es gab immer Leute, die auf Hilfe aus waren. Und Möglichkeiten mochten ohne Abschluss weniger werden, doch es gab auch solche. "Es lässt sich auch ohne Ausbildung und Studium leben." Auf seine Lippen stahl sich ein provokantes Lächeln, "Wie man an meinem Beispiel so gut sehen kann." Sein Weg war sicherlich kein Musterpfad für ein erfolgreiches Leben - aber ehrlich gesagt, Marlin mochte es so. Er konnte es sich nicht vorstellen, ständig am selben Ort zu verweilen, jeden Tag dieselben Wege zu gehen, ein und dieselben Tätigkeiten zu verrichten. Wo blieb da der Reiz? Das Neue? Die Leute fingen an zu rosten, noch bevor sie 30 waren. Aber das war nur seine Perspektive. Es war nur eine Frage der eigenen Prioritäten.

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    "Good point.", erwiderte er schulterzuckend und nahm einen weiteren Schluck seines Bieres. Damit hatten sie die Grenzen klar abgesteckt. Jeder hatte so sein Leid, welches er hütete als wäre es ein Schatz, dem es niemanden zu zeigen kann. Allerdings herrschte zwischen ihnen ja auch kein Vertrauensverhältnis, also war das schon okay so. Marlin fragte sich, wer die letzte Person gewesen war, der er noch Vertrauen geschenkt hatte. Hatte es außer ihr da jemals wen gegeben? Ist ja auch egal. Ein Schutz, der mit Einsamkeit einherging, aber das war ihm nur recht. 'Das Leid Anderer lenkt mich von meinem eigenen Leben ab.' Makaber. Sympathisch. Ein Scherz. Marlin ließ das Gespräch - was weder tiefgründig noch Smalltalk gewesen war - einmal Revue passieren. Zuhören. Theater. Ablenkung. Warum eigentlich nicht? Ein kleiner Reiz. Ansonsten konnte er an der Stelle auch aufstehen und gehen, aber gerade war es entspannt. Sicher auch dem Einfluss der Drogen zu verdanken. "Na gut. Dann wollen wir mal ehrlich sein." Er suchte ihren Blick und schenkte ihr sein charmantestes, aufrichtigstes Lächeln, welches gekünstelter nicht hätte sein können. "Als ich dich in der Bar angeschnorrt hab, war ich gerade meiner bezaubernden Ex wieder in die Arme gelaufen. Hab sie vor zehn Jahren mit unserer Tochter sitzen lassen. Und gerade spare ich fleißig darauf hin, schnellstmöglich wieder aus der Stadt zu verschwinden~." Lügner. Marlin war nicht reich, aber das Geld für ein Busticket, Essen und einige Übernachtungen woanders um sich wieder was Neues zu suchen hatte er schon zusammen. Bei seinem spartanischen Lebensstil auch nicht allzu schwer. Davon ließ er sich jedoch nichts anmerken. Er nahm einen weiteren Schluck, ehe er hinzufügte: "Also du siehst, nichts wofür es eine Couch bräuchte." Die bräuchte viel eher Mia. Naja sollte er sie wiedersehen, hatte er jetzt vielleicht ja jemanden an den er sie vermitteln konnte. "Falls du eine Visitenkarte hast, kann ich dich aber gerne empfehlen...", meinte er, "Vorausgesetzt du willst dem Job noch nachgehen." Da steckte offensichtlich ja was im Argen, aber ob sie einfach keinen Bock mehr darauf hatte - könnte er ihr nicht verübeln - ob sie vielleicht durchgerasselt war oder ob was ganz anderes dahinter steckte, darüber konnte er nur raten.

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    Er musste schmunzeln, als sie so tat, als würde sie sich das mit der Theologie tatsächlich überlegen. Ihr Verlangen nach Ablenkung, nach einer Zerstreuung, die nicht zu sehr in die Tiefe blickte, ging nicht an ihm vorbei. Im Verdrängen war er ja selbst ganz gut. Und im Leugnen von Tatsachen. Nur einige seiner herausragendsten Eigenschaften. Sie lehnte sich zu ihm herüber, griff nach seiner Hand und genehmigte sich einen weiteren Zug an seiner Zigarette. Sollte ihm recht sein. Solange sie teilten, musste er ihr keine eigene drehen. Wobei es ihm im Endeffekt einerlei gewesen wäre. Ob ihr seine Auswahl wirklich schmeckte oder wollte sie sich nur um jeden Preis weiter betäuben? Vermutlich Letzteres. Nicht, dass er es ihr verdenken konnte.

    Marlin wandte den Kopf zu ihr, als sie ihn - quasi - auf ihre Couch einlud. In seinen Augen lag beinahe etwas provozierendes. "Ach bitte. Dich interessiert's doch nicht was ich zu sagen habe, also können wir uns das Theater auch sparen. Warum sich die Mühe geben?" Ein spöttischer Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. Wenn sie wirklich etwas von ihm wissen wollte war das eine Sache, aber Marlin hatte keine Lust als reinen Zeitvertreib herzuhalten und ihr aus diesem Grund sein Leid zu klagen. Das er außerdem nicht hatte. Sein Problem von letztem Mal, als er sie traf, war ja seit einer Weile nicht mehr aufgetaucht, also alles gut. Prima. Er konnte weiterhin tun und lassen was er wollte, darauf hatte er es ja angelegt. Warum also war er deswegen so angepisst? Egal. Egal.

    Marlin stand auf um den Stummel seiner Kippe in den Müll zu schmeißen. Er stand noch eine Weile und blickte in die Ferne, während er über ihren letzten Satz nachdachte. "Kaputt also, hm?" Er sah kurz zu ihr, "Hat dir das wer gesagt oder bist du selbst zu dieser Erkenntnis gekommen?" Er wandte sich wieder ab, ehe er fortfuhr: "Stimmt aber doch. Was will man bei jemanden, der überhaupt nicht nachvollziehen kann, wovon man spricht? Wär doch bescheuert." Jemand, der in Fachbüchern auswendig gelernt hat, was die vielen tollen Symptome so sind und der dann ganz mitleidig mit einem den Leidensweg durchkaut, ohne jemals zu wissen, wie es sich anfühlte? Es gab Dinge, die ließen sich nicht durch reine Theorie verstehen. So einige.

    Marlin kickte einen Kieselstein fort und ließ sich dann wieder neben die blonde Frau auf die Mauer fallen. Seine Miene war unergründlich, als er sagte: "Stell dir einfach vor dieser Brunnen wäre die obligatorische Couch..."