[Tabatha] vor der Villa (bei Bianca & Leon)
Tabatha schrak aus dem Bett und wusste im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Finsternis umhüllte sie. Die Kerze, die sie bisweilen anließ war längst ausgebrannt. Die Elfe zögerte nicht länger, sprang behände aus dem schmalen Bett und war in wenigen Schritten am Fenster. Im Halbschatten des frühen Morgens waren die Umrisse nur schemenhaft zu erkennen, doch ein goldener Schimmer war bereits als dünner Streifen am östlichen Horizont zu erkennen, so würde die Sonne bald jene nächtlichen Schauer vertreiben.
Nun war sie wach. Tabatha war in der Regel früh wach, doch zumeist begrüßte sie die Sonne dann bereits. Sie schüttelte den Kopf, wie um ihre Gedanken zu sortieren. Ihre erste Pflicht des Tages war stets jene, sich um Fräulein Bianca zu kümmern, doch das war noch kaum die Zeit. Ihr Herz wurde schwer. Bianca. Wie mochte das nur werden? Konnte es je wieder werden... wie es war? Tabatha hatte ihre Herrin gestern nicht mehr angetroffen und ein kleiner, feiger Teil war beinahe erleichtert darum. Das machte es heute nicht einfacher. Einfach klopfen und eintreten wie immer? Der Gedanke wirkte absurd, gar falsch - weil sie selbst es war, die sich falsch anfühlte? Würde Bianca sie überhaupt erwarten? Oder hatte die Lady... sie vielleicht vergessen?
Ein erneutes Kopfschütteln. Solch Gedanken brachten sie nicht weiter! Sie musste sich dem einfach stellen und dann mit den Reaktionen arbeiten, die ihr entgegengebracht wurden, ganz einfach. Als hätte ich nicht schon Schlimmeres überwunden, versuchte sie sich einzureden, doch es wollte nicht recht fruchten.
Tabatha kleidete sich an und drapierte, fast schon aus Gewohnheit, auch ihre Dolche, die sie geschickt unter ihrer Schürze verbarg. Ihre Geschicklichkeit im Umgang war zwar nicht vollkommen und dennoch fühlte sie sich deutlich besser, wenn sie das Gewicht des Eisens an ihrer Seite spürte. Ihre erste Stunde mit Bade war für den Nachmittag angesetzt und sie verspürte gar etwas wie freudige Erwartung diesbezüglich. Nun, bis zum Nachmittag hatte sie ihre erste Schlacht vermutlich schon geschlagen, jedoch der ganz anderen Art...
Nachdem sie den Krieger gestern verlassen hatte, hatte sie einen ausreichenden Spaziergang durch den Wald gedreht, um über einige der Sachen nachzudenken, die Bade gesagt hatte. Er hatte nicht unbedingt viel gesagt, doch jedes Wort hatte Gewicht besessen. So verließ sie ihre Kammer auch jetzt erneut, schloss die Tür leise hinter sich, um die Villa für eine frühmorgendliche Runde zu verlassen.
Es war keine große Runde die Tabatha eingeschlagen hatte. Zwischen den Bäumen fand die Elfe nicht die Entspanntheit die sie suchte, weswegen sie auf halben Weg kehrt machte, um sich stattdessen einer Handarbeit zu widmen. Es war noch immer zu früh, als das sie jemanden im Wachen erwartete anzutreffen.
Doch sie irrte sich.
Eine, nein, zwei Gestalten ließen sich vor den Toren der Villa ausmachen. Abrupt blieb die Elfe stehen. Es sah seltsam aus wie- halt. Das Herz sackte ihr in die Hose, als sich das Bild vor ihr zu einem Ganzen zusammenfügte. Offensichtlich war gerade jemand dabei eine Tochter des Adels zu entführen...! Und nicht nur irgendeine Tochter, nein. Selbst im dämmrigen Licht war ihre Herrin Bianca deutlich als auserkorene Geisel zu erkennen. Neben Schock und Panik (und der Tatsache, welch seltsame Fügung es zu sein schien, dass ihr Wiedersehen ganz anders verlaufen würde, als erdacht), war es ein ungekannter Zorn, der sich in Hitze durch sie hindurch ergoss. Niemand hatte es sich zu erdreisten ihre Herrin anzurühren. Die Motive des Entführers waren ihr zweitrangig, auch den Ärger der Wachen, die so etwas zuließen konnten - ein Mitglied der Adelsfamilie unter ihren Augen gestohlen! - würde sie auf später verschieben. Jetzt galt es nur, das Unglück abzuwenden und die wehrlose Bianca aus den Klauen dieses Kriminellen zu befreien.
Sie konnte sich nicht entsinnen, wann der Dolch in ihre Hand gelangt war, noch, wann sie losgelaufen war. Adrenalin pochte in ihrem Blut, die Panik zu verlieren, was sie nicht verlieren durfte. Sie schrie nicht, ihre Lippen waren fest zusammen gepresst, doch mussten ihre Laufschritte im groben Kies deutlich zu hören sein. Doch daran dachte sie nicht. Tatsächlich dachte die Elfe an nichts länger - ihr Kopf war wie leer gefegt, ihr Körper agierte von alleine so schien es und nur die Runeys mochten wissen, ob sie richtig handelte, als sie, mit aller Kraft und Geschwindigkeit die sie aufbringen konnte, ihren Dolch schwang und dabei auf die Beine des Entführers zielte.