Beiträge von Seaice

    [Antoinette] in Yuris Schneiderei



    Nicht nur die Augen waren gerötet, sondern auch ihre Wangen, die brannten vor Scham. Hoffentlich konnte sie das mit ihrem Taschentuch einfach irgendwie mit verstecken. Ach! Aber die plötzliche Unterbrechung hatte sie erwischt. Damit hatte Antoinette schlicht nicht gerechnet - dass sie sich nicht entschuldigen musste. Gehörte sich das nicht so, wenn man jemand anderen Umstände bereitete? Es irritierte sie, aber gleichzeitig war sie darüber auch einfach erleichtert. So kam es, dass sie der Dame mit dem rosanen Haar hinterherstakste. Antoinette hielt sich auf Zehenspitzen in den hohen Schuhen, damit ihre Absätze nicht laut auf dem Boden klackerten. Sie wusste selbst nicht warum, aber das Geräusch käme ihr in diesem Moment falsch und aufdringlich vor und sie wollte sich lieber leise bewegen, so, als wäre sie gar nicht da. Aber das war sie, nicht? Übte sie sich nicht sonst darin, sich auf das Hier und Jetzt zu besinnen? Dennoch wünschte sie sich gerade am liebsten weit weg - oder hatte es zumindest bis zu dem Punkt, an dem die Schneiderin ihr bedeutet hatte eine Entschuldigung sei nicht notwendig. Als wäre alles irgendwie in Ordnung. Und so saß sie nun in diesem Büro einer quasi Fremden und hörte zu, wie das Wasser anfing zu kochen. Ihr Kopf wirkte wie in Watte gepackt. Sie konnte sich nicht recht konzentrieren und kaum hatte sie einen Gedanken gefangen, verlor sie ihn auch sogleich wieder. Sie fühlte sich nervös und verunsichert, weil sie sich in der Öffentlichkeit von einer solch verletzlichen Seite gezeigt hatte. Was sollte die Dame nur von ihr halten? Doch es schien sie nicht recht zu kümmern - stattdessen zeigte sie sich umgänglicher als sonst, was Antoinette nur mehr irritierte. Sie ließ ihre Hand mit dem Taschentuch langsam sinken, als ihre Tränen versiegten. In ihrem Kleid fühlte sie sich ein wenig wie in einem Kokon, weil es sich beim Sitzen so aufbauschte und so beobachtete sie verstohlen wie die Frau den Tee zubereitete. Sie war sogar noch kleiner als sie selbst es war und - Antoinette fiel in ihrem Watte umwölkten Kopf kein besseres Wort ein - irgendwie niedlich. Das war wohl das erste Mal seit ihren bisherigen, merkwürdigen Begegnungen, in dem sie die Schneiderin einfach einmal anblicken konnte. Doch der Moment war vorbei noch ehe sie sich wirklich ein Bild machen konnte, als diese sich umdrehte und nach ihren Teevorlieben fragte. "Oh.", machte Antoinette, ehe sie sich wieder fing, "Früchtetee bitte.", nuschelte sie und noch leiser "Danke." Ihre Wangen brannten. Sie hatte das Gefühl auf Kohlen zu spazieren, mit der Gefahr sich jeden Moment zu verbrennen. Sie wusste überhaupt nicht wie sie sich korrekt verhalten sollte. Was sollte sie sagen? Was war angemessen? Sollte sie sich erklären? Aber zu viel zu erzählen und es wäre aufdringlich. Sie wollte nicht als geschwätzig und jammernd rüber kommen. Aber wie wollte sie von dieser Person wahrgenommen werden? Diese Frau, bei deren ersten Begegnung sie eine unfassbar schlechte Figur abgegeben hatte? Und warum bot sie ihr jetzt Tee an, wo sie sie doch seither stets vermieden hatte? Hör auf.

    Tee. Der Tee dampfte heiß in der Tasse, die sie nun in den Händen hielt. Sie sah hinab in die leuchtend rote Farbe des Wassers und vergaß für einen klitzekleinen Moment alles um sich herum. So war es auch nicht sie die das Wort ergriff, sondern die Schneiderin. Antoinette sah zu ihr auf und wäre sie selbst nicht so furchtbar angespannt und durch den Wind gewesen hätte sie über den Versprecher wohl gelächelt. Yuri also. Endlich hatte sie einen Namen. Schöner Name. Für einen Moment schien die Belgierin ihren Gemütszustand zu vergessen. "Mein Name ist Antoinette.", stellte sie sich vor. Etwas was schon seit sehr langer Zeit überfällig schien. Ihre Stimme erklang leise, so als traute sie dem noch nicht so ganz. "Danke nochmal für den Tee.", fügte sie an, um keine Stille aufkommen zu lassen, auch wenn sie sich wiederholte und auch wenn sie sich im nächsten Moment doch auferlegte. Der Tee war noch zu heiß um zu trinken. Was sollte sie sagen? "Kann ich dich etwas fragen?", rutschte es ihr dann über die Lippen, ohne das sie zuvor genau nachgedacht hatte, was genau sie vorhatte. Als wäre ihr Verstand vor lauter benebelten Gefühlen mittlerweile komplett abgeschaltet. Damit hätte sich auch die Frage der Höflichkeitsform erledigt. Auch wenn Antoinette wahrscheinlich mehr Leute siezte als duzte - das brachte die Tätigkeit in ihrem Laden irgendwie so mit sich - und sie das prinzipiell auch genoss, weil sie sich dadurch erwachsener und fähiger vorkam, würde es sich mit Yuri befremdlich anfühlen. Obwohl sie sie ja auch nicht wirklich kannte. Antoinette wandte den Blick ab und sah ganz gezielt in die entgegengesetzte Richtung, auch wenn diese Richtung einen recht unspektakulären Schrank beinhaltete. Sie hatte zu Wort angesetzt, jetzt musste sie es wohl irgendwie auch zu Ende bringen. "Warum... läufst du immer vor mir weg...?" Sie versuchte die Verzweiflung in ihrer Stimme zu unterdrücken. Sie kannte die Frau ja nicht einmal richtig, warum war das also so wichtig? Konnte ihr die ständige Ablehnung eines derart unschuldigen Geschöpfes nicht total egal sein? Das sollte es, nicht? Es sollte ihr egal sein was die Leute von ihr dachten und von ihr hielten und sie zeigte sich bewusst mit Rüschen, Schleifen und Spitze in der Öffentlichkeit, um genau das zu demonstrieren. Oder war es nichts weiter als eine unausgesprochene Lüge, die sie sich selbst erzählte? Eine Farce? Und wollte sie die Antwort auf ihre Frage überhaupt hören? Mit einem Mal wusste sie es nicht - wusste nicht ob sie die Wahrheit verkraften würde. Das sie nichts wert war. Das niemand etwas mit ihr zu tun haben wollte. Weil sie einfach nicht passte. Die Teetasse in ihren Händen zitterte kaum merklich und Antoinette wollte die Frage zurücknehmen, doch die blassen Lippen leicht geöffnet, brachten keinen weiteren Ton hervor.

    [Tori] & Gaius | Küche




    Schweigen. Stille. Nichts.

    Gaius sagte kein Wort. Nicht auf ihr Geständnis, nicht auf ihre Fragen. Keine Reaktion. Sie wartete, wartete, wartete. Ihr Herz klopfte wie verrückt in ihrer Brust, es war die blanke Verzweiflung die sich darin widerspiegelte. Das Gefühl etwas tun zu sollen, zu müssen, wissen zu müssen, was zu tun war. Die Erwartung an sich selbst ihm zu helfen, so wie er ihr immer geholfen hatte - wie er immer gewusst hatte, was das richtige war um sie aus dem Dunklen herauszuziehen. Und sie? Sie konnte es ihm nicht gleichtun? Es ihm nicht im Gleichen zurückgeben? Was für eine Beziehung sollte das sein, in dem die Partner einander nicht ebenbürtig waren? Aber so war es schon immer gewesen bei ihnen, nicht wahr? Er war so viel größer als sie, so viel heller, so viel stärker - und ihn jetzt so zu sehen, an ihrem Küchentisch, ein Häufchen Elend, welches alles von sich abschottete. Es zerriss ihr das Herz. Sein Leid war ihr Leid und so wahr diese Behauptung sein mochte, so blasphemisch war sie doch gleichermaßen, wo sie doch nicht wusste, woran er so sehr litt. Eine Lüge nichts mehr. Sie war eine verdammte Heuchlerin.

    Der Kettel. Der hohe Ton aus dem Teekessel lies einfach nicht nach und Gaius schwieg noch immer. Tori hielt es nicht länger aus, sie stand erneut auf um den Kettel vom Feuer zu nehmen und schenkte, mehr aus Routine als das sie es wirklich vorhatte, ihnen beiden jeweils einen Becher heiß dampfendes Gebräu ein. Beide stellte sie zu schnell auf dem Tisch ab, weil sie ihre Gefühle nicht ganz zurückhalten konnte. Ihre wilden, verletzten, verzweifelten, impulsiven Gefühle. Der Tee schwappte etwas über, aber es kümmerte sie nicht. Es war das Lachen. Das Lachen, dass sie an ihm doch sonst so sehr liebte, dass so vollkommen falsch klang. Entsetzen hatte sich in ihren zarten Gesichtszügen breit gemacht. Wer war das noch, der da vor ihr saß?

    Gaius., gab sie sich selbst zur Antwort. Egal was los war, das war immer noch Gaius, der Mann der ihr alles bedeutete. Nur weil sie zuvor nicht alle Seiten von ihm kannte, nur weil sie nun neue Facetten kennen lernte und mochten sie ihr auch erstmal noch so fremd vorkommen - es war immer noch Gaius der da auf dem Stuhl vor ihr saß. Verletzt, verwirrt, verloren und doch derselbe. Sie setzte sich wieder neben ihn, ganz dicht, gerade so dass sie sich noch nicht berührten. Und dann - dann sprach er. 'Du liebst mich?'

    Sie schwieg. Tori schwieg und sah ihn einfach nur an. Es hätte als Hohn gemeint sein können - als würde er sie für ihre leeren Worte verspotten, sie als das enttarnen was sie war: Eine Heuchlerin, die es mit nichts ernst meinte. Aber da war kein Hohn. Kein Spott. Alles was sie in seiner Stimme hörte, war Verwirrung, als könne er nicht verstehen, wie so etwas nur möglich sein konnte. Eine neue Verletzlichkeit an ihm, der dort saß, wie ein verlorener Junge, von allen verlassen. Und am liebsten würde sie ihn fest in den Arm nehmen, doch sie spürte das es gerade nicht das war, was er brauchte.

    Und er sagte es ihr. Warum? Sie verstand nicht woher es kam - dieser Unglauben, diese Irritation. Doch sie kannte es gut - zu gut. Wie sehr hatte sie sich vor genau der selben Frage gefunden? Wie häufig nagte der Selbstzweifel an ihr, wie oft verlangte es ihr Herz nach einer Bestätigung einer Wahrheit, die sie sonst nicht glauben konnte? Es war ein Stich zu hören, dass es wohl das erste Mal für ihn sein musste. Warum?

    Tori öffnete den Mund. Sie war nicht gut im Sprechen. Obwohl sie so gerne mit Worten hantierte, viel es ihr stets schwer, die richtigen im richtigen Moment auf ihre Zunge zu legen. Sie hörte lieber zu - gerne zu. Weswegen ihr auch so verzweifelt daran gelegen war, den Zwerg zu einer Antwort, einem Hinweis, irgendetwas zu animieren, mit dem sie arbeiten konnte. Die Stille hatte sie ihn die Sackgasse gedrängt. Doch auf Zuhören kam es jetzt nicht an.

    "Ich liebe dich-,", begann sie, ihre Stimme wie ein Wispern und doch klar und deutlich in der Stille. Tori konnte nichts dafür - sie spürte direkt, wie sich ihre Wangen rot verfärbten. Sie konnte ihn nicht direkt ansehen, sondern blickte stattdessen einige Zentimeter tiefer auf Höhe seiner Brust. Ihre Finger nestelten nervös herum, als wären sie sich der Wahrheit gewahr, der sie sich nun selbst stellen würde. "Für alles was du bist. Für deinen unerschütterlichen Optimismus. Für dein Lachen. Deinen Humor. Dafür das du nicht aufgibst und Herausforderungen angehst, so schwierig oder unmöglich sie auch erscheinen mögen. Für die Fähigkeit, die Dinge auch differenziert zu betrachten. Das du deine Meinung lautstark vertreten kannst ohne dich zu kümmern was andere davon halten. Dass du das Richtige tust, ganz gleich wie stark die Konsequenzen sein mögen - weil du deinem Herzen folgst und nicht auf deinen eigenen Vorteil bedacht bist." Ein kurzes Zögern, ehe sie fortfuhr, "Weil du für mich da bist. Vom ersten Tag unserer Begegnung wolltest du mir helfen ohne etwas dafür zu erwarten. Mir. Du hast dein eigenes Leben riskiert um ein Mädchen vor einem Monster zu bewahren, dass du kaum kanntest. Du bist unfassbar mutig und schaffst es sogar mir, der ängstlichen kleinen Magd, ein wenig Mut mitzugeben. Du bist das aufrichtigste und liebenswürdigste Wesen das ich kenne. Du hast mich immer wieder aus den Tiefen rausgezogen und für all das was du tust und was du bist und was du für mich bist liebe ich dich und dieses Gefühl ist so unfassbar stark, dass ich es kaum in Worte fassen kann, so viel stärker als alles was ich bisher erlebt habe und auch wenn es mir wahnsinnige Angst einhaucht würde ich es mit nichts in der Welt tauschen wollen, weil es mir so viel zurückgibt. Weil du, in all deiner wunderbaren, chaotischen, liebenswerten Art und Weise, dadurch ein Teil von mir bist und ich wünschte du könntest nur für einen Augenblick sehen wie ich dich sehe, denn mir scheint auch wenn Worte so viel ausdrücken können, werden sie der Wahrheit nie auch nur annähernd nahe kommen." Stille. Schweigen. Herzklopfen. Worte, so viele Worte gesprochen und doch hatte sie das Gefühl es nicht auf den Punkt gebracht zu haben, nicht genug gesagt zu haben, dass es nicht ganz das ist, was diese Liebe zu ihm wirklich ausmacht. Ihr blieb die Hoffnung, dass der Funke ausreichen würde ihm die Antwort auf seine Frage, die so berechtigt und so sehr nachvollziehbar war, nur im Hauche zu vermitteln

    [Tabatha] mit Bianca und Leon im Krankenzimmer



    Diskretion also. Dem würde sie sich fügen. Obwohl es Tabatha normalerweise einerlei wäre, wünschte sie sie könnte mehr tun als die Wunde nur notdürftig zu vernähen und zu verbinden. Immerhin trug sie Schuld an der Wunde. Mit gutem Recht vielleicht - aber dennoch Schuld. Doch wenn sie oberflächliche Verletzungen zwar versorgen konnte, so kannte sich die Elfe mit Heilkräutern, Salben und Tinkturen nicht besonders gut aus. Sicher, so etwas wie Mädesüß gegen Kopfschmerzen oder Schafgabe bei offenen Wunden gehörten ein wenig zum Allgemeinwissen. Doch damit gegen eine solch tiefe Wunde ankämpfen? Sie war sich nicht sicher. Und sie hasste es sich nicht sicher zu sein.

    Egal jetzt. Nadel desinfizieren, Faden zur Hand - dann machte sie das eben. Das bekam sie ja hin. Und wenn man sich das Geplänkel so anhörte war das wohl auch ausreichend. Tabatha lauschte nicht, sie war im Raum und als Magd war es ihr täglich vergönnt, den Unterhaltungen in der Villa zu folgen ohne selbst Teil davon zu sein. Verschwiegenheit machte die Dienerschaft immerhin aus, nicht wahr? Wenngleich ihre Gedanken nur ihr gehörten und meine Güte manches wollte sie auch wirklich nicht hören. Wie konnte man so viel sprechen und doch nichts wirklich sagen? Doch dann war es still. Tabathas Ohren spitzen sich unwillkürlich. Still. Nur die brüchige Stimme ihrer Herrin, der den Namen des Gauners aussprach. Unsicher. Angstvoll. Ihr Blick eilte zu Leon, der nun keinen Mucks mehr von sich gab. Die Haut bleich, er schwitzte, atmete schwer. Selbst jetzt wirkte er in keinster Weise verletzlich. Beinahe erstaunlich, wie sein loses Mundwerk ihn so über seine Schmerzen hinweggetragen hatte. Bemerkenswert, aber sicher nicht gesund. Nein gesund sah anders aus. Tabatha zögerte nicht länger. Noch bevor Bianca es wirklich ausgesprochen hatte, war sie eiligen Schrittes aus dem Krankenzimmer verschwunden um einen Heiler aufzusuchen. Die Dienerkammern waren nicht weit entfernt. Sie fand die alte Agatha, die zwar nicht die schnellste, aber sicher die Fähigste war, die in diesen Gemäuern zu heilen vermochte. Sie signalisierte der alten Frau worum es ging. Agatha war so alt, dass sie nicht mehr besonders gut hören konnte, noch sprach sie, doch ihre Augen waren wach und sie verstand sofort worum es geht. Einigen Menschen lag das Helfen einfach im Blut. Anders als mir.

    Kurz überlegte sie einfach vor dem Krankenzimmer zu warten bis Agatha ihren Zauber gewirkt hatte - denn nichts anderes war die Heilkunst im Endeffekt - doch sie gestattete sich dieses Maß an Feigheit nicht. Immerhin lag der Gauner wegen ihr dort drin. Und Bianca war es auch noch... ob sie ihr Vorwürfe machte? Tabatha bemühte sich um eine ausdrucklose Miene, hatte sich neben der Tür postiert, vermied Biancas Blick und sah einfach nur genaustens zu, wie die Heilerin am Werk war. Obwohl ihre Hände alt und runzlig waren, bewegte sie sie mit ausgesprochener Präzision und Fürsorge. So präzise, wie sie das Bein mit ihrem Dolch getroffen hatte. Die Zeit verfloss unfassbar zäh, die Anspannung im Raum schien förmlich greifbar. Bis Agatha sich schließlich zu den Frauen umdrehte und ihnen mit Gesten signalisierte: Entzündet. Fieber. Gut jetzt. Keine Gefahr. Braucht Ruhe. Wird heilen. Tabatha nickte. Der Blick der Alten war durchdringend, ehe sie ebenfalls nickte und schließlich aus dem Krankenzimmer wuselte. Stille. Stille, Stille, Stille - als drohte die Unrast jeden Moment zu zerplatzen. Auf einmal wünschte die Elfe sich die dummen Sprüche des Halbwesens zurück. Vielleicht lag in dem Nichtssagen am Ende doch ein Zweck. Ablenkung. Zerstreuung. Eine Flucht vielleicht, tröstlich, aber nicht auch eine Lüge? Tabatha hielt den Blick bewusst auf Leon gerichtet. Seine Mimik wirkte nicht mehr ganz so angespannt wie noch zuvor. "Ihr könnt Euch ausruhen. Ich werde aufpassen.", sagte sie leise, wenngleich ihre Stimme in dem weißen, kargen Raum ihr unweit lauter vorkam. Sie hoffte Bianca würde ausnahmsweise einfach zustimmen. Sie brauchte genauso eine Pause, wie Leon es tat. Aber sie wusste es nicht, wusste rein gar nichts mehr und so wartete sie die Antwort gar nicht erst ab, sondern zog sich einen Stuhl neben das Krankenbett um ihren Worten Taten folgen zu lassen.

    [Cinnamon] & Joe



    Cinnamon haderte mit sich. Sollte sie sich auf die Stelle zu oder wegbewegen, von der die Vögel gerade hochgeflattert kamen? Joe hatte ihr nicht auf ihre Rufe geantwortet. Das konnte alles bedeuten. Er war doch wo ganz woanders, er hatte sie nicht gehört oder er war vielleicht ohnmächtig geworden. Als sie den Fenris auf sich zu laufen sah, war ihr erstes Gefühl Erleichterung. Das war doch dasselbe Tier, dem Joe nachgejagt war oder? Die übergroße Wildkatze verschwand zwar sofort wieder im Gebüsch, doch es war der erste Anhaltspunkt den sie hatte. Cinnamon umklammerte ihren Speer fester, ehe sie sich langsam und bedächtig auf die Stelle zubewegte. Und tatsächlich! Beinahe wäre sie über ihn gestolpert, wäre sie nicht so vorsichtig vorangeschritten. Dort lag der Hüne, am Boden, über und über mit Kratzern versehen, aber schwer schnaufend. "Bei den Runeys Joe!", rief sie leise, jedoch bestimmt. "Das war's doch echt nicht wert!", schalt sie ihn auch prompt, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass er am Leben war. Er sollte ja nicht glauben, sie habe sich zu viel Sorgen gemacht. Der Idiot. "Geht's dir gut? Kannst du aufstehen?", fragte sie dann, denn sie wollte am liebsten sofort wieder aus dem Wald verschwinden. Die Sonne stand bereits so tief, dass es nicht mehr lange dauerte und sie ihre Hand vor Augen nicht mehr sehen konnten.

    [Marlin] & Alice



    Eins musste man sich eingestehen: Wenn Marlin auch sonst regelrecht von einer Wolke aus Missgunst, Asympathie und jeglichem Desinteresse umwoben wurde, so wurde diese Aura tatsächlich ein klein wenig unterdrückt, wenn er sich von Büchern umgeben sah. Eines der wenigen Dinge, über die er keine Kontrolle hatte und die ihm selbst, an sich, entfielen. (Ansonsten - das sei gewiss - würde er sich um das Gegenteil bemühen). Nun, eine Schwäche (die nicht Mia hieß) hatte ihn dann damit doch ereilt. Solange keiner davon wusste, war es einerlei - und im ernst, wen sollte das schon interessieren?

    Während Marlin durch die Reihen strich, verblieben seine Hände in den Jackentaschen, er suchte die Regale lediglich mit seinen Augen ab. Bei seinem Rundgang fiel ihm auf, wie schlecht die Bibliothek sortiert war. In der Fiktion gab es lediglich den Bereich Romane, ohne weiter zwischen Thriller, Krimi, Fantasy, Romance, Historischen und weiß der Teufel noch was zu unterscheiden. (Zentralbibliothek Frankfurt lässt grüßen hüstl). Ihr habt echt nur einen Job und selbst den kriegt ihr nicht richtig hin, dachte er genervt und blieb schließlich stehen, da ihm ein Titel ins Auge gefallen war. The Power von Naomi Alderman. Das mit dem ins Auge fallen konnte man im nächsten Moment dann übrigens wörtlich nehmen, denn im Regal gab es einen Ruck und die lose gestellten Bücher (nochmal Punktabzug für schlechte Arbeit an dieser Stelle - und das von jemanden der nicht gerade dafür bekannt ist ein Workaholic zu sein) fielen einem Regenschauer gleich auf ihn herab. Marlin fluchte und trat einen Schritt zurück, doch schon hatte ihn ein Roman am Kopf getroffen und war mit aufgeschlagenen Buchseiten auf dem Boden gelandet, sodass die Seiten sich knickten. Er kam noch gar nicht dazu, über die Ursache nachzudenken. Zuerst einmal griff er nach dem malträtierten Buch - Ziemlich gute Gründe am Leben zu bleiben - und hob es auf. Dadurch sah er jedoch nicht das Kind auf ihn zukommen und kaum war das 'Entschuldigung!' erklungen, stolperte sie auch schon über einen High Fantasy Epos mit bestimmt über 1000 Seiten und verlor das Gleichgewicht.

    Marlin fiel wieder ein, warum er Menschen hasste.

    Er hatte das aufgehobene Buch noch in der Hand, als ein Mädchen gegen ihn fiel. Marlin behielt Stand, wenn auch mit Mühe und angewidert von der plötzlichen Nähe, schob er sie sofort eine Armlänge auf Abstand. Rechts hielt er noch das Buch in der Hand, weswegen er mit links umso grober ihre Schulter gepackt hatte. "Pass doch auf!", pampte er und dann: "Katja?!" Er hatte sich erst jetzt erlaubt - oder die Gelegenheit dazu bekommen - die Person richtig anzusehen. Marlin hätte sich am liebsten auch prompt auf die Zunge gebissen, doch gesagt war gesagt, auch wenn das natürlich absoluter Bullshit war. Vor ihm stand ein Teenager, vermutlich im selben Alter wie seine Tochter - Und warum Marlin fängst du plötzlich an als Vergleichsmaßstab deine eigene Brut zu verwenden?! - müder Blick und vielleicht mit ähnlichen Gesichtszügen wie seine gute, alte Bekanntschaft (haha), das war's dann aber auch schon. In welche Zeit war er gerade zurück gefallen? Oh, und das Kind, welches ihn gerade so schändlichst überfallen hatte, war schwanger. Mir reicht's jetzt schon. Und wieder, wieder, hatte er ganz kurz Tara vor Augen und der Gedanke sie könnte gerade so rund sein wie dieses verantwortungslose Mädchen hier, die bloße Idee er könnte rein theoretisch Großvater werden, das war zu viel. Ich kotz gleich. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er den Katja-Verschnitt noch gar nicht losgelassen hatte, was er abrupt nachholte und er spürte regelrecht, wie der beruhigende Einfluss der Bücher verpufft war, denn die Wut gärte in ihm, wie Säure in einem Chemielabor. Er wusste nicht einmal warum (doch), abgesehen davon das er gerade eine Handvoll Bücher auf den Kopf bekommen hatte und ihn ein schwangeres Mädchen angerempelt hatte (das ist nicht alles du alter Griesgram und das weißt du!). Marlin murrte unverständliches vor sich hin, während er anfing die Bücher wieder sorgsam einzuräumen. Untypisch für ihn, der sonst keinen unnötigen Finger krümmte, aber wenn es um Bücher ging, konnte er sie nicht einfach so liegen lassen (etwas was sich Mia stets von ihm gewünscht hatte, but here we are).

    Die Frage ist viel schwieriger zu beantworten als gedacht!

    Vor allem weil es ja immer was gibt wovor man sich fürchtet. Die Bandbreite von "sich einem Monster in dem Weg stellen" zu "Verlustängsten" ist halt riesig :D Aber hab's mal versucht!



    Tori (Ist zwar Kategorie "Kann mehr als sie sich zutraut", aber sie hatte canonly auch die Phase wo sie sich vor lauter Angst nicht mal mehr vor die Tür getraut hat, sooo.... yeah xD)

    Ced (Er flüchtet, anstatt einer Situation zu begegnen. Im Moment hat er sowieso Angst alles falsch zu machen :'))

    Ant (Ant versucht es zumindest mehr als Ced, also in der Hinsicht nen Ticken mutiger. Neben social anxiety sind es bei ihr aber auch Dinge wie Angst im Dunkeln oder Angst vor Spinnen, wo sie sich nicht so wacker schlägt)


    Max (Es gibt nicht viel wovor er Angst haben muss und wenn er in brenzlige Situationen kommen würde, ist er felsenfest davon überzeugt, dass ihn jemand beschützt oder da rausholt, weil er einfach ein verhätschelter kleiner Snob ist XD Diese Überzeugung macht ihn jedenfalls etwas selbstsicherer)

    Marlin (Durch jahrelange Erfahrung ist er ein Meister darin geworden Angst zu überspielen, zu unterdrücken oder sich unter Umständen auch im richtigen Maß darüber lustig zu machen. Er gesteht sie sich auch einfach nicht ein - problem solved LOL)

    Beide würden im Zweifelsfall allerdings auch eher davonlaufen, wenn das eine Option ist xD


    Tabatha (Neben Tori kennt sie zumindest die "Angst ums Überleben" am besten und sie erkennt ihre Ängste auch an. Durch ihre Gewissenhaftigkeit schafft sie es auch eher "zu tun, was man tun muss" wie man so schön sagt. Ihre größten Ängste rühren von Selbstzweifel her, aber sie ist da dann der Typ "Zähne zusammenbeißen" anstatt zu kneifen.)

    Cinnamon (Kann ein ziemlicher Schisser sein, doch wenn es drauf ankommt, macht sie einfach. Sie ist auch niemand der Ängste überdenkt, sondern eher realistisch einschätzt, wenn sie auch zu einem Hauch Untertreibung neigen kann)

    Charlie (Ist jemand der sich einsetzen kann und die sich ihren Ängsten auch stellen kann, stur wie sie ist. Konfrontationskurs ist bei ihr da einfach angesagt)



    OK eine thematisch passende Frage!

    Das wird einer ein "in topf gewerfe" statt eine klare Linie, denn:

    Wie geht euer Charakter mit Adventskalendern um?

    a) Kann nicht abwarten und hat den Adventskalender schon innerhalb der ersten Woche geleert

    b) Öffnet artig jeden Tag ein Türchen

    c) hat keinen oder vergisst ihn spätestens nach einer Woche wieder

    [Cedric] & Kyle | Küche


    Der irritierte Ausdruck, den Kyle ihm entgegenwarf, kam überraschend. Was hatte er denn groß gesagt um Verwirrung zu ernten? Einerseits war es aber auch beinahe ein wenig amüsant, denn vermutlich war es meist er selbst, der so dreinblickte - Kyle hatte so eine Eigenart, die in Ced stets Irritation auslöste. Da war es nur fair, wenn es sich einmal andersherum verhielt, weswegen er daher nun auch ganz dreist Kyle's Gestammel überging und sich einen Stuhl heranzog. Aus seinem Blick sprach die reine Unschuld. Sein Gegenüber lies jedoch nicht locker und während Cedric ihn dabei beobachtete, wie dieser das Frühstück anrichtete, erlaubte er sich der Frage noch einmal nachzugehen. Besser als jegliche Alternativen allemal. "Du arbeitest in einem Coffee Shop und die Aushilfe hat die neue Kaffeemaschine versehentlich zweimal bestellt, es ließ sich jedoch nicht zurück schicken, da hast du dich so freundlich gezeigt und das überschüssige Gerät abgenommen." Also dafür, dass seine Erzähler-Fähigkeiten sich auf einige wenige Geschichten beschränkten, die er Alessa erzählt hatte, als sie noch kleiner gewesen war, war die Theorie doch zumindest mal passabel? Realistischer zumindest als das es die Kaffeemaschine gratis zum Flügel gegeben hätte - welchen Sinn machte das denn? Den Deal hätte er auch nicht ausgeschlagen. Und wenn er so darüber nachdachte konnte er es sich doch ein wenig vorstellen, wie Kyle den Flügel-Verkäufer einfach beschwatzt hatte, ihm sein eigenes Gerät aus der Mitarbeiterküche mitzugeben. Warum auch immer. Er ließ Kyle jedenfalls das Urteil fällen und blickte auf Tasse und Teller, die gerade vor ihm abgestellt wurden. Statt einem 'danke' entfiel ihm jedoch zuerst ein "Oh." in Bezug auf die fehlende Antwort. "Ich trinke ihn auch nur schwarz." Das Bittere dem Verbitterten. Doch in diesem Moment hielt sich die Bitterkeit in ihm zurück, zu sehr lag seine Aufmerksamkeit auf dem Essen vor ihm - so einfach es auch sein mochte. Er konnte sich nicht entsinnen, wann er das letzte mal so richtig gefrühstückt hatte. "Danke für das Frühstück.", erklärte er daher, bevor er es Kyle nachmachte und ebenfalls zugriff. Für den Augenblick sollte das alles sein, womit er sich beschäftigte. Seine Gedanken konnten sich auch mal hinten anstellen, nicht?

    hallo henthorik!

    Das mit dem wenig Zeit passt eigentlich gut - in der Weinachtszeit sind die meisten hier auch anderweitig beschäftigt :)

    Jetzt bist du auch - ganz offiziell! - eingetragen und damit wünschen wir dir ganz viel Spaß beim posten und bei uns im RPG!

    Kann mich nur anscließen. Bei mir stet grad alles kopf, insbesondere die Woche. Über Weihnachhten wirds wahrscheinlich wieder gehen aber kA


    ps: posten macht keinen spaß wenn die tastatur rumspackt aaargh D:

    [Max] & Julia | Konditorei



    Es war interessant zu sehen, wie viel von Julia's Emotionen sich in ihrem Gesicht widerspiegelte. Das leichte Erröten entging ihm nicht - auch wenn ihn brennend interessierte welcher Gedanke der Auslöser dafür gewesen sein mochte - ebenso wenig, wie die kurze Enttäuschung, die in ihren Augen aufblitzte. Was war es, dass spontan eine solche Reaktion in der Dame auslösen mochte? Max besaß jedoch genug Anstand, um nicht direkt nachzubohren. Sich nach Gefühlen erkundigen war zwar wichtig, jedoch durfte es auch den Raum geben, sie erstmal bei sich zu behalten.

    Der junge Mann musste zugeben, dass die Konditorei einen überraschenden Charme innehielt. Die ausgestellten Desserts sahen wirklich delikat aus - sie mussten nur noch so schmecken. Auch das Ensemble war nicht etwa klein und heruntergekommen, sondern sauber und offen. Der Platz, an den sich die beiden setzten, war zudem direkt am Fenster, wo man ungeniert einen Blick auf die Leute hatte, die draußen vorbeigingen. Etwas, was ihm Spaß machte, doch gerade lag seine Aufmerksamkeit selbstverständlich auf seiner Begleitung. Alles andere wäre ja auch unhöflich gewesen.

    "Ich denke wir können uns darauf einigen, dass wir einander nichts schuldig sind.", erklärte Max mit einem Lächeln, auch wenn ihre Worte ihn erfreuten. Genauso konnte er das aber auch ehrlich zurückgeben - eine angenehme Überraschung heute, mit der er so nicht gerechnet hatte. "Nein.", räumte er auf ihre nächste Frage hin ein, "Ich hoffe es klingt nicht anmaßend, doch empfinde ich unsere hauseigene Küche als derart ausgezeichnet, dass ich nur selten einen Grund sehe, mich nach auswärtigen Verköstigungen zu erkundigen." Julia war so ein Grund. Ansonsten wäre er ganz sicher nicht hier, in einer gewöhnlichen Konditorei in Stadtmitte von Trampoli. Obwohl gewöhnlich vielleicht ein zu frühes Urteil war - er würde nicht voreingenommen sein. Zumindest nicht ganz so sehr, wie sonst vielleicht. "Nun, dann soll uns unser nächster Bummel genau zu den Läden führen, die Ihr auserkoren habt. Das würde mir gefallen - wenn Ihr mögt." Vermutlich kannte sie die Geschäfte rund um den Marktplatz deutlich besser als er selbst - er bewegte sich ja kaum hierher. Und Max glaubte auch nicht wirklich, dass ihn hier etwas begeistern könnte, doch genauso wenig konnte er das Glitzern in Julias Augen ignorieren, als sie davon sprach. Ihr Lachen erhellte seine Ohren - ein wunderschöner Klang. Erst danach fiel ihm auf, dass es ungewohnt aufdringlich von ihm war - er sollte sich ein wenig zurücknehmen. Nicht, dass er sich am Ende noch wie ein Narr verhielt. Das wäre unverzeihlich. Eine Sache interessierte ihn dann aber doch noch näher, nachdem sie nun schon so oft davon gesprochen hatte. "So wie Ihr davon sprecht, seid Ihr dem Badehaus wirklich sehr zugetan. Was ist es, was Euch daran so sehr gefällt?" Sie arbeitete dort doch, oder? Das jemand offenkundig so viel Spaß mit Arbeit haben konnte, war ihm ein Rätsel.

    [Antoinette] in Yuris Schneiderei



    Durch ihren Tränenschleier hindurch konnte Antoinette gar nicht sehen, welch Reaktionen sich im Gesicht ihres Gegenübers abbilden mochten. Nur ihre Stimme hörte sie nun, nah und sorgenvoll.

    'Hat dir.. irgendjemand weh getan?' Kleine Stiche in ihrer Brust. Sie schätzte den vorsichtigen Umgang, die Möglichkeit, die so weit gedacht war. Es sollte leicht sein, darauf zu antworten. Niemand wollte ihr bewusst Schaden zufügen, niemand hatte ihr gedroht. Es war kein körperlicher Schmerz der sie heimsuchte, nein darüber wollte sie gar nicht nachdenken - nicht daran. Doch manchmal verletzten wir die Menschen in unserer Umgebung auch unbeabsichtigt. Durch ungalante Bemerkungen, ein Ausschließen der Person oder dem Gefühl, immer nur das Anhängsel zu sein und nie diejenige, für die es sich wirklich lohnt, sich zu kümmern. Wayne war dir zugeneigt. Aber du bist weggelaufen. Ein neuer Schwall Tränen, der sich in ihren Augen sammelte. Ah. Sie hatte es wirklich vermasselt. Antoinette wollte den Kopf schütteln, um die Frage damit einfach... wegzuschieben und nicht ehrlich beantworten zu müssen, doch der Körper log nicht so gut, wie die Sprache es vermag. So sah die Gestik ein wenig wirr aus, aber man könnte es auch als ein Nicken deuten - zu der Tasse Tee verstand sich. Die Belgierin folgte der kleinen Dame zaghaft, unschlüssig darüber, ob sie wirklich durfte, ob das Angebot ernst gemeint war. Und sie fühlte sich auch gleich ein kleines bisschen besser, als sie die Möglichkeit bekam, sich hinzusetzen. Antoinette zog ihr besticktes Stofftaschentuch (königsblau mit violetten Blüten) hervor, um sich endlich die Tränen trocken zu wischen. Ihr Gesicht war bestimmt furchtbar gerötet. "T-Tut mir leid, d-dass ich hier so eine Szene veranstalte.", begann sie schließlich, darauf bemüht sich wieder zu fassen. Zusammen zu reißen. "Ich-", wollte sie mit einer Erklärung fortfahren, kam jedoch ins Stocken. Was sollte sie schon sagen? Sie hatte einen kleinen mentalen Zusammenbruch? Das Gefühl von Ablehnung hatte sie heftig durchgeschüttelt und ihr erneut vor Augen geführt, wie wenig liebenswert sie war? Achja. Activités quotidiennes. Nichts davon konnte sie wirklich äußern, wer machte das schon, einer quasi Fremden gegenüber? Also verstummte die junge Frau und benutzte nochmal ihr Taschentuch, um sich damit abzulenken. Du solltest einfach gehen, Antoinette.

    Aber der Tee. Der würde sie schon ein wenig aufmuntern.

    [Tabatha] im Krankenzimmer (mit Bianca & Leon)



    Der Affront den sich der vermeintliche Gauner erlaubte, stieß der Dienstmagd sauer auf. Kurz war sie versucht, den Kerl einfach fallen zu lassen, aber sie riss sich dann doch zusammen. Und schwieg. Schwieg, wo sie sonst vielleicht nicht in Verlegenheit geraten wäre zu sprechen - klar, deutlich und bestimmt. Es waren nicht die Worte, die ihr fehlten - es war die Sicherheit, die sie verloren hatte. Umso mehr war es ihr gar ein Trost, als Bianca dem Halbwesen etwas entgegengesetzte. Und ihn offenbar auch zuerst für einen Gauner gehalten hatte. Zumindest war sie also nicht ganz falsch gelegen.

    Auch zog sich ihr Herz kurz zusammen, als das Wort Ehemann fiel. War sie etwa so lange weggewesen, dass sie die Verlobung ihrer Herrin versäumt hatte? Was hatte sich denn noch alles geändert? Ein kurzer Blick auf die Hände der Adelstochter zeigten jedoch keinen Ring am Finger. Zukünftiger Ehemann beschrieb also doch nur eine sehr vage Perspektive, keine konkrete Annahme. Innerlich seufzte Tabatha. Weshalb baute sich auch eine Konversation auf Mutmaßungen, Ideen und Vorstellungen auf und nicht an direkter, greifbarer Dinge und Thesen?


    Im Krankenzimmer, nachdem sie den Verletzten abgelegt hatte, ging Tabatha einige Schritte abseits Richtung Fenster und rieb sich die Schläfen. Sie musste nachdenken. Was galt es zu tun? Wie viel Diskretion wollte Bianca möglichst wahren? Und warum wusste sie das nicht, wo sie doch sonst stets in der Lage gewesen war, genau das aus einer Situation heraus zu lesen? Die Anspannung zehrte an ihr ebenso wie die Zerrissenheit zwischen dem Gefühl, am besten einfach wieder zu verschwinden und dem Wunsch, in Ruhe unter vier Augen mit ihrer... Freundin zu sprechen. Wie auch immer ein solches Gespräch aussehen mochte. So oder so - es war uferlos.

    Ein Schrei riss sie aus ihren kurzen Gedankengängen. Tabatha drehte sich abrupt zu dem Quell dessen um, erkannte das Fläschchen in Bianca's Hand und warf einen zweiten Blick über das Sortiment im Raum. Oje. Tabatha schritt an das Krankenbett heran und nahm das falsche Glasgefäß vorsichtig aus Bianca's Händen sorgsam darauf bedacht sie nicht zu berühren. Warum auch immer das nun ein Problem sein sollte. Nein?

    "Nur rudimentär.", beantwortete sie schließlich die offene Frage. Nur rudimentär, weil sie sich für Bade statt für Nathalie entschieden hatte. Weil ihr Vorsorge logischer erschienen war als Nachpflege. Weil keine Heilkunst der Welt ihr mehr hatte helfen können. Doch jetzt fehlte ihr das Wissen, welches sie abgelehnt hatte zu erfahren. Jetzt wünschte sie sich ganz einfach, sie könnte beides. Alles. Perfektion wie von Dienern und Adel gleichermaßen erwartet wurde. Doch eine Elfe konnte nur so viel alleine schaffen. Dennoch beschloss sie, Bianca von ihrem Weg zur Kriegerin - anstatt Heilerin - zu verschweigen. Vorerst.

    "Ich kann die Wunde fürs Erste vernähen und verbinden." Sie zögerte, ehe sie einwandte: "Erlaubt Ihr mir, einen Heiler zu holen?" Jemand, der sich wirklich mit der Medizin auskannte. Sie hatten fachkundige Leute in der Dienerschaft. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie gewusst, wann sie einfach einen Heiler hätte holen können ohne danach zu fragen - und wann es Bianca lieber war, dass niemand sonst davon erfuhr. Wenngleich Leon's Schrei vielleicht schon genug Bewohner der Villa alarmiert hatte. Andererseits kam das Brüllen ja auch aus dem Krankenzimmer, also würden viele womöglich einfach nur glauben, ein Patient der versorgt wurde, sei einfach nicht besonders schmerzresistent. Unfälle passierten. Insbesondere in der Küche. Dennoch wäre es Tabatha am liebsten, ihre Herrin möge sich zurückziehen - für den Fall der Fälle. Doch sie wagte es nicht, den Einwand hervorzubringen, da sie wusste, wie sehr die Bevormundung Bianca störte. Während sie auf eine Antwort wartete, desinfizierte sie schon einmal die Nadel - eben mit jenem Fläschchen, welches sie Bianca abgenommen hatte - und holte Jod sowie Leinen zum Verbinden der Wunde.

    [Cedric] & Kyle | Küche


    Eigentlich, da hatte er keine Reaktion erwartet. Nicht wirklich, jedenfalls - auch wenn es absurd war. Kyle war bisher auf alles eingegangen, auch auf die Dinge, die er nicht laut ausgesprochen hatte. Cedric konnte selbst nicht ganz ausmachen, woher das Schuldgefühl kam, welches ihn zu einer halbherzigen Entschuldigung gedrängt hatte. Es schien permanent auf ihm zu lasten, seit gestern, seitdem Kyle aufgetaucht war und er sich dem Punk quasi aufgebürdet hatte. Nein, vorher schon. Als sein Entschluss ins Wanken geraten war. Und davor, nun, da war es eine andere Art von Schuld gewesen - für seine Taten, sein Handeln, nicht für sein Sein - jene, die ihn unter anderem erst dazu bewogen hatte, den Turm zu besteigen.

    Ah, es schien ihm erst jetzt wirklich bewusst zu werden, wie schwer dieses Gefühl auf seiner Seele lastete. Ein simples 'I'm sorry' schien lächerlich, erbärmlich, im Anbetracht jenes Berges an Vergehen, welcher sich hinter ihm auftürmte - und stetig größer zu werden schien. Es tut mir leid, dass du dich mit mir rumschlagen musst. Es tut mir leid, dass du meinst, ein Auge auf mich haben zu müssen. Es tut mir leid, dass ich so derart zerstreut und nichtsnutzig bin. Es tut mir leid, dass ich mich zu kaum einer Entscheidung in der Lage fühle. Es tut mir leid, dass ich so negativ bin. Es tut mir leid, dass ich zugelassen habe, dass es überhaupt soweit kam. Es tut mir leid, dass ich mich nicht klar ausdrücken kann. Es tut mir leid, dass ich mich nicht bereitwillig jemanden anvertrauen kann. Es tut mir leid, dass mich die Ehrlichkeit verließ. Es tut mir leid, dass ich springen wollte.

    Ah. Was? Sein Herz zog sich zusammen, bei dieser letzten, kleinen Feststellung. Eine Wahrheit, die er bisher nicht gewagt hatte einzugestehen, so, als dürfte er nicht, als hätte er kein Recht dazu. Scheitern und Schuld hatten sie erfolgreich unterdrückt. Niedergerungen. Die Scham drohte über ihn hinweg zu waschen und seine ungefestigte Einsicht mit sich zu nehmen, als Kyle zu Wort ansetzte. 'It must have been hard, huh?'

    Cedric schwieg. Presste die Lippen zusammen, ehe sie sich wieder lösten, wie um etwas zu sagen, doch er blieb stumm. Ein Nicken war seine einzige Reaktion. It must have been hard. Nicht er. Die Umstände, die Dinge, die um ihn herum passierten, die Gedanken in seinem Kopf, die sich in beständiger Sicherheit immer weiter abwärts drehten. Es war wie ein Freispruch - als träfe ihn nicht für alles die alleinige Schuld. Doch er hatte die Verantwortung für seine Worte und sein Handeln zu tragen, nicht? Er hatte gelogen, im Stich gelassen, sich von allen abgeschottet. Aber könnte er nicht so auch, wirkliche Verantwortung für das übernehmen, was ab jetzt geschah? Wenn er gemeint, was er soeben gedacht hatte? Es tut mir leid, dass ich springen wollte. Angst rührte in ihm auf. Ah, es war schwer. Ein riesiger Berg vor ihm, der drohte, ihn zu zermalmen.

    Doch gerade geschah nichts davon. Im Moment, da war es ihm vergönnt, sich nicht entscheiden zu müssen, das wurde ihm nun bewusst - und so nahm er diesen Schutz dankend an.

    Cedric nickte nur wieder - langsam, zögerlich - als Kyle seine Aussage ergänzte. Er versuchte es wirklich anzunehmen. Nicht als höfliche Floskel, nicht als falsche Freundlichkeit, die nur gesagt wurde, weil es sich so gehörte oder weil es vermeintlich das war, was er hören musste. Nichts davon traf zu. Es war nicht einfach den Worten Glauben zu schenken, wo er doch ein Stück weit sein Herz dafür öffnen musste. Reichte der Versuch? Ein wenig der Anspannung fiel von ihm ab und fast, fast, konnte man ein Zucken um seine Mundwinkel erkennen. I'm happy to have you here. Keine Lüge. Also könnte er es ja zulassen, sich vielleicht darüber zu freuen.

    Er beobachtete Kyle dabei, wie er sich an das Frühstück machte und überlegte, ob er fragen sollte, ob er irgendwie behilflich sein konnte? Als dieser ihm einen Blick zuwarf und ihm zum Raten aufforderte. Das Geheimnis der Luxuskaffeemaschine. "Ich bin nicht sonderlich kreativ.", nuschelte Ced, gab sich dann aber doch den Überlegungen hin. Er wollte erst etwas Banales sagen, wie bei einem Gewinnspiel gewonnen, aber es passte nicht zu dem Hinweis - wenn es denn einer war. Informationen über Kyle? Eigentlich waren es vielmehr Fragen, die ihm zu seiner Person einfielen. Cedric setzte sich, fast als wolle er Zeit schinden, dabei wollte er nur nicht irgendwie im Weg rumstehen. Seine rhetorische Frage von gestern, ob dies wirklich Kyle's Wohnung sei, wurde nicht verneint. Es war das Klischee im Gegensatz zu dem Bild eines Punk, welches sich vorurteilsbehafteter Weise in die Allgemeinheit eingebrannt hatte. "Hast du einfach zu viel Geld?", meinte er daher, nicht ganz im Ernst, aber hoffentlich gut genug als Antwort. Vermutlich steckte etwas deutlich Spektakuläreres dahinter. Er hatte keine Ahnung und ihm fiel auch nichts passendes sonst ein. Tatsächlich fühlte er sich seltsam erledigt, als hätte sein innerer Widerspruch zuvor ihm schon am Vormittag das bisschen Energie geraubt, was er für den Tag verfügbar hatte. Vielleicht hatte er aber auch... Hunger. Darauf wäre Cedric wohl niemals gekommen, hätte nicht in dem Moment lautstark sein Magen geknurrt. Ein Geräusch, welches er schon lange nicht mehr vernommen hatte und ihn vielmehr verblüffte, als das es ihm irgendwie peinlich sein könnte.

    [Cinnamon] auf der Suche nach Joe



    Am Anfang war Cinnamon noch im selben Tempo hinterhergelaufen, aber ehrlich gesagt: Ausdauer gehörte nicht zu den Stärken der Anglerin. Keuchend und stöhnend musste sie schließlich innehalten, stützte sich dabei an einen Baum ab und schnappte vornüber nach Luft. Wenn ich den in die Finger kriege..., dachte sie, denn solange sich ihre Energie als Ärger Joe gegenüber äußerte, hatte sie keine Zeit dazu Angst zu verspüren. Jaaa... die sie natürlich nicht hatte! Aber nach ihrem letzten Abstecher in ein Monsterareal war sie wenig erpicht auf einen weiteren Besuch in einem dieser gefährlichen Gebiete. Erst Recht nicht, wenn die Sonne gerade dabei war unterzugehen. Wunderbar.

    Als der Rotschopf wieder Luft bekam, richtete sie sich auf und blickte sich um. Durch das grüne Blätterdach des Waldes blitzte bereits verfallene Steingemäuer hervor. Ihr Herz fing an wild zu pochen. Sie konnte sich nicht erinnern, schon einmal wirklich die alte Ruine besucht zu haben. Als Kind... vielleicht? Verlaufen oder im Übermut? Ah, sie wusste es nicht mehr. Wenn, dann musste es vor dem Monsterangriffen auf die Stadt in ihrer Kindheit gewesen sein und das war mittlerweile wirklich lange her.

    Cinnamon hatte gehofft eine Spur von ihrem Kumpel entdecken zu können. Eine Schneise, die er durchgeschlagen hatte, doch nichts. Der Wald wuchs hier zwar dicht, aber nicht so dicht, dass sich leicht Hinweise wie abgebrochene Äste oder zerdätschte Pflanzen erkennbar wären. Auch der Boden selbst war erdig und mit Kiefern benetzt - Spuren gab es da keine.

    "Joe!", rief sie daher, "JOE!" Sie wiederholte ihr Rufen, während sie - den Speer mit beiden Händen fest umklammert - voranschritt. Als ein Schwarm Vögel nicht unweit von ihr entfernt in den Himmel stob, hielt sie erneut inne. War er das oder.... etwas anderes...? "JOE!", rief sie daher nochmal. Wenn es sich um ihn handelte, müsste er sie doch mittlerweile hören, oder? Keine Antwort. Zögerlichen Schrittes ging Cinnamon rückwärts, um schließlich einen anderen Weg einzuschlagen. Hoffentlich war kein Monster in der Nähe. Cinnamon betete die Runeys an, sie mögen ihr beistehen, als sie schließlich - mit Efeu überwuchert - eine Treppe vorfand, die wohl weiter ins innere der Ruine oder auf eine Mauer führen mochte. Sie wusste es nicht genau. Aber vielleicht hatte sie von dort aus ein wenig einen besseren Überblick, weswegen sie sich vorsichtigen Schrittes an den Aufstieg machte.

    [Tori] & Gaius



    Die Verzweiflung manifestierte sich in ihrem Inneren, je länger Tori Gaius ansah. Der Zwerg schien ihr regelrecht zu entgleiten. Hatte sie im ersten Moment noch geglaubt, sein Zustand sei nicht von dauerhafter Natur, so zweifelte sie nun daran. Es war mehr als die Trauer und der Schmerz einer Vergangenheit. Der Schmied schien wie blockiert, völlig apathisch. Handelte es sich um ein verdrängtes Trauma, welches ihn nun einnahm? Oder hatte eine Magie ihre Krallen in seinen Geist geschlagen? Sprich mit mir, flehte sie innerlich, brachte die Worte jedoch nicht über ihre Lippen. Sie wünschte, er könne ihr einfach sagen was los war, wie sie ihm helfen könnte. Doch nichts war gerade einfach. Und sie wagte nicht, es mit dieser Aufforderung vielleicht noch schlimmer zu machen. Sollte sie ihn zur Klinik schleppen? Doch es war kein körperliches Leiden, welches ihn plagte. Also zu Kanno? Oder ihrem Lehrer Arthur? Doch was konnte sie ihnen erzählen? War es überhaupt in Gaius Sinne? Ja, konnte sie nicht einmal selbst für ihren Freund sorgen? Panik stieg in ihr hoch. Am liebsten hätte sie Gaius einmal fest geschüttelt, so als ob sie seinen Schmerz damit mit abschütteln konnte. Tori war nicht der Typ für impulsive Aktionen, verkroch sich bei Problemen doch auch lieber selbst.

    Tori drückte seine Hand. Gaius sah sie an und sah doch irgendwie nicht. Seine Bestätigung ihrer Worte klang halbherzig, so, als sagte er nur das, was sie hören wollte. Es verletzte sie mehr als sie sich eingestehen wollte und doch bemühte sie sich um eine ernste Miene. Keine Tränen. Wenn sie jetzt auch noch anfing zu weinen, brauchten sie jemanden, der sie beide rettete. Das würde nicht gut enden.

    "Gaius.", begann sie mit der festesten Stimme, die ihr möglich war. Sag mir was du brauchst. Sie ahnte, dass diese Worte an ihm abperlen, sie lediglich der Unverständnis begegnen würden. Tori schluckte. "Ich liebe dich und wenn du auch nur daran denkst, mich ohne ein Wort zu verlassen, dann... dann..." Ihre Stimme brach. Letzten Endes schossen ihr die Tränen doch in die Augen. Daraufhin stand die Maid abrupt auf. Konnte sie sich nicht einmal zusammen reißen? Wenn er sie doch gerade brauchte? Ah, nicht. Um ihr Weinen zu verschleiern, ging sie zum Feuer, welches noch immer brannte, nahm den Eintopf herunter und setzte heißes Wasser auf. Warum war sie nicht schon weiter in ihrer Lehre der Alchemie, um einen passenden Trank zuzubereiten? Aber dafür müsste sie wissen, was genau ihm fehlte. Und es war naiv zu glauben, dass es für alle Probleme eine einfache, schnelle Lösung gab. So funktionierte das Leben nicht. Einige Dinge brauchten Zeit, Fürsorge und Geduld. Tori versuchte sich ein wenig zu sammeln, ehe sie sich wieder neben den Zwerg setzte und erneut nach seiner Hand griff. "Will-Willst du, dass wir nach o-oben gehen? In mein Zimmer?", sprach sie schließlich mit einer Ruhe, die der Stille von Sternen glich, "O-Oder willst du zu dir n-nach Hause, in die Schmiede? S-Soll ich dich be-begleiten? Oder... oder willst d-du Z-Zeit für dich?" Letzteres würde sie akzeptieren müssen, auch wenn sie vor Sorge wohl kein Auge zumachen würde. Hörte er sie überhaupt? Sie hatte es mit einer detaillierten Herangehensweise versucht, in der Hoffnung es könnte ihm Klarheit bringen. Wenn er nach wie vor apathisch und wortlos wie ein Geist hier saß, würde sie wohl versuchen ihn einfach ins Bett zu ziehen. Oder war doch auf fremde Hilfe angewiesen. Tori war ein wenig blass geworden, trotz der Wärme, die die Küche der Taverne ausfüllte. Im Schein des Feuers wohl kaum zu erkennen. Der Kettel mit dem heißen Wasser fing an zu pfeifen, weil er fertig war, doch die Magd ignorierte das Geräusch. Vielleicht hörte sie es auch gar nicht, weil ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Gestalt an ihrer Seite gerichtet war.

    [Charlene] & Benjamin



    Kaum hatte Charlie Alessa's Nummer eingespeichert, wollte sie ihr tatsächlich am liebsten gleich Hallo schreiben - und sie zum See einladen. Gerade rechtzeitig also, dass Ben sie ausbremste. Sie sah zu ihm hoch und spürte die Umsichtigkeit, die ihn bewegte. Auch wenn sie sich der Kategorie 'Fragen kostet nichts' verschwor, war es eine der Sachen, die sie an ihrem Bruder so mochte: Die Fähigkeit, die Bedürfnisse anderer Menschen zu bemerken und zu achten. Also lächelte sie nur und nickte, um schließlich das Handy wieder wegzustecken.

    Dann stand sie auf, denn der Vorschlag von Ben kam ihr auch ganz recht. "Wir können auch immer noch schwimmen gehen oder zur Gruselvilla.", entgegnete sie grinsend. Ein entspannter Spaziergang um den See klang aber auch entspannt. Außerdem - und das musste sie sich eingestehen - es war schon wirklich ziemlich kalt. Als sie losgingen, frischte der Wind auch auf und ließ die Blätter von den Bäumen tänzeln. Charlie war zwar ein Sommerkind, aber gegen die Schönheit des Herbstes konnte sie nichts sagen. Der war einfach unübertroffen.

    [Marlin] kommt an



    Ein paar wenige Tage waren vergangen zwischen dem unseligen Widersehen mit Tara. Und auch Mia war er seit All Hallow's Eve nicht mehr begegnet. Man könnte fast meinen es wäre Frieden eingekehrt im Leben dieses missgünstigen Mannes, doch Marlin wusste, solange er sich in der Gegend befand, war an Ruhe nicht zu denken. Er fürchtete Mutter und Tochter an jeder Ecke wieder anzutreffen und es ärgerte ihn, dass beide Frauen einen solchen Einfluss auf ihn zu haben schienen. Der Preis, der durch Verdrängung verursacht wurde, huh? Alles Unsinn. Sternbach war ein einfaches Dorf, wie es sie unzählige gab und Riverport vereinte alle Nachteile einer Kleinstadt: Das miese Angebot gepaart mit zu vielen Menschen. Mit dem bisschen verdienten Geld kam er noch nicht weit - aber er könnte. Einfach losgehen. In den nächsten Ort. Nur ein kleines Stück weiter. Also, was war los? Hast du etwa auf einmal Ansprüche, Marlin?

    Er ignorierte die Frage natürlich. Stattdessen hatte er sich in die Kleinstadt hineingewagt. Es schüttete so sehr, dass die Arbeit auf dem Feld heute extrem erschwert wurde - und der Grünschnabel von Bauer hatte sich gütig erwiesen und ihnen den restlichen Tag frei gegeben. Es wirkte stockdunkel, dabei war es gerade mal Nachmittag. Der Weg vom Bus in die Bibliothek war kurz und doch fühlte er sich wie ein begossener Pudel, als die elektronischen Schiebetüren ihn in das Gebäude ließen.

    Marlin war vom ersten Blick auf enttäuscht. Der Ort hatte wenig vom Charme einer Bücherei, sondern mehr dem eines Krankenhauses. Die Möbel neu, modern. Die Anordnung linear und statisch, die Bücher auf langweilig weißen Regalen sortiert. Marlin seufzte. Naja, besser als nichts. Wann hatte er sich zuletzt Zeit für Bücher genommen? Es schien gefühlte Jahrzehnte her zu sein. Nun, in Ländern deren Sprachen er nicht beherrschte, war ein Besuch auch eher eine Zeitverschwendung.

    Der oder die Bibliothekarin war gerade verschwunden, weswegen Marlin sich schnell zwischen die Reihen begab, ehe jemand ihn wegen seiner nassen Sachen aufhalten konnte. Er würde schon aufpassen - und erstmal durch alle Reihen wandern, ehe er sich etwas griff - oder wieder ging.