(darf ich mich zu euch gesellen?)
Wer weiß wie viel Zeit verstrichen war? Mochten es nur wenige Minuten sein, Tori kam es vor, als hätte sie nächtelang durchgeweint, bis ihr Tränenstrom endlich versiegte. Zähren halfen niemanden, sie zollten nur dem Vergangenem ein letztes bisschen Achtung, denn die Historie wird und sollte nicht Vergessen bleiben. Nachdem das Mädchen sich also einigermaßen beruhigen konnte, sah sie sich ernsthaft um. Wo war sie? Wie war sie hierhergekommen? Was war geschehen? An diese Fragen musste sie sich halten, um verstehen zu können. Hatte Raven sie hergebracht? Sie runzelte die Stirn. Nein, das glaubte sie nicht. Alles war laut gewesen, sie hatte versucht, sich vor allem zu verschließen. Sie erinnerte sich an das Feuer. Richtig, es hatte gebrannt, doch wie ein Wunder hatte sie keine großartigen Brandwunden davon getragen - bisher hatte sie zumindest noch keine entdecken können. An die Löwen glaubte Tori schon gar nicht mehr. Das war doch surreal! Sie wusste nicht wie, wann oder warum - doch die Dorfbewohner schienen ihre Nachbarsstadt Trampoli erreicht zu haben. Richtig, sie wurden empfangen, Flüchtlinge die Asyl suchten. Wurde sie vorübergehend diesem Gebäude zugeweisen, hatte sie es etwa aus eigener Kraft hierher geschafft? Es war hoffnungslos, das Mädchen konnte sich nicht erinnern. Mit dem Gedanken, erstmal gewisse Dinge in Erfahrung bringen zu müssen, schlug sie die Bettdecke zurück und stand auf. Sie wollte wissen, wo sie sich befand. Was aus ihren Lieben geworden war, ihrem Bruder. Wie es weiterging. Tori zog ihr zerflicktes, brandbeflecktes Kleid wieder an - mehr hatte sie nicht, nichts hatte sie mehr, nichts außer eine Erinnerung an ihr früheres Leben. Der Blick in den Spiegel war ein noch größerer Schock als sonst, sie sah schrecklich aus, noch schlimmer, als sie sich eigentlich fühlte. Überall waren kleine Schnite, Wunden, die brannten. Ihre Hände waren noch bandagiert von ihrem Sturz bevor das ganze Horrorspektakel begonnen hatte. Ihre langen Haare, die sie meistens in zwei Zöpfe bändigte waren absolut versengt. Kaputt, alles war kaputt, die Stadt, ihr Leben, tja, jetzt sogar ihre Haare. Erst zögerlich, dann akzeptierend, suchte Tori nach einem spitzen Gegenstand, eine Schere, ein Messer, egal. Die meisten Schubladen des kleinen Raumes waren leer, doch in einer fand sich tatsächlich eine Scheere sowie anderweitig Nähzeug, Nadel, Faden, einige wenige Stoffe. Irrelevant, die Schere brauchte sie, es half nichts, die Haare mussten ab. Am liebsten würde sie die abgeschnittenen Haare verbrennen, doch hatte sie kein Streichholz und zusätzlich viel zu große Angst vor dem Feuer. Feuer! Wiederwärtiges, gruseliges Element, dass es war. Tori verließ beinahe fluchtartig ihre neue Bleibe, besann sich dann aber und ging einigermaßen sicher (soll heißen, sie stolperte nicht), die Treppe hinunter.
Ah. Der Ort war eine Taverne, ein wenig erinnerte Tori das Gebäude an den Inn, ihrem früheren Heimatort - abgebrannt. Danach war sie in die Bibliothek von Alverna gezogen, doch auch das spielte jetzt keine Rolle mehr. Die Taverne war teilweise fast verstaubt, wie man hörte, war auch Trampoli viel Schreckliches wiederfahren. Niemand sonst war hier, wieder einmal kroch Panik in dem zurückhaltendem Mädchen hoch - man hatte sie doch nicht alleine zurückgelassen? Waren die Monster wiedergekehrt, während sie schlief?
Tori erschrak, als die Tür aufging und zwei junge Männer hereinkamen. Den Brünetten kannte sie nicht, den Blonden kannte sie nur ein wenig vom sehen, aber auch sein Name war ihr Unbekannt. Das Mädchen sah wohl noch immer sehr ängstlich drein, obwohl sie doch erleichtert war, dass überhaupt irgendjemand da war.