Lustlos vebrachte er die paar Sekunden, in denen Cedric Zeit zum reagieren hatte, damit, auf seinem Lenker zu liegen und die Aktionen des Mannes zu beobachten. Es gab nicht viel. Panik. Angst. Verwirrtheit. Schock. Ein Moment der Taubheit, der Fassungslosigkeit. Natürlich auch Schmerz, wobei dieser wohl mehr von den Worten stammte, die Rick in Cedrics sterbendes Herz gerammt hatte, als den fleischdurchdringenden, alles im Wegstehende zerstörenden Kugeln, die auf ihn abgefeuert worden waren. Rick seufzte. Nur für sich, um sich selbst zu unterhalten. Der Blonde konnte ihn sowieso nicht hören, sogar nicht dann, wenn er dies gewollt hätte. Eigentlich hätte Rick sich unterhalten müssen. Das gerade war eine Darbietung der menschlichen Emotionen, wie man sie nur selten sah. Rick vergnügte sich schon immer daran, die Reichweite dieser zu erkunden. Zu sehen, wozu Menschen fähig fahren. Wie tief sie fallen konnten. Wie verrucht, verflucht, verdammt ihr tiefstes Inneres doch war. Im Endeffekt liebte er es Menschen zu beobachten. Er liebte sie. Und gleichzeitig konnte er sich nicht wiederwärtigeres und abstoßenderes auf der gesammten Welt vorstellen. Weshalb war er dann gerade eher genervt, als fasziniert, belustigt? Vielleicht lag es daran, dass er gerade keine Fäden zog. Dass er selbst ins Gefächt stürzte und die eigenen Hände beschmutzte. Die Leute, die meinten, dies sei das Beste, was es nur gab, Dinge mit den eigenen Händen zu erledigen - sie logen. Allesammt. Beschissene Lügner waren sie, die alle in der Hölle schmoren konnten. Aber das waren ja keine Neuigkeiten. Es machte viel mehr Spaß, die Menschen um einen herum zu manipulieren, sie dazu zu treiben, dass zu tun, was sie in ihrem tiefsten Inneren doch schon immer gewollt hatten. Jeder war verdorben. Jeder einzelne imstande, die Welt noch einen ticken düsterer zu machen. Misstrauen, Wut, Verzweiflung, Missverständnisse, Gier, Lust, Eifersucht, falsche Richtlinien und Vorstellungen. Wen kümmerte es, ob das, was er tat, nicht zu den Dingen gehörte, die die Welt als gut und rein ansah? Sowas gab es nicht. Hatte es niemals gegeben. Und was sollte er schon für einen wert auf das Urteil einer Welt geben, die von Vorne rein keinen Wert hatte? Das einzige, was ihn interessierte war, allen Menschen das zu geben, was sie verdient hatten. Und beim Himmel und den Sternen, wer meinte, er würde sich in diesen Dingen irren, der sollte ihn doch vom Gegenteil überzeugen und dabei doch nur kläglich scheitern. Es wäre wunderbar, wenn auch der letzte Mensch verzweifeln würde. Seine wahren Seiten zeigen, die er sein Leben lang versteckt hielt und die nur gewartet haben, heraus gelockt zu werden. Rick musste für einen Augenblick schmunzeln. Humane Lebewesen bauten ihr Leben darauf auf, ihren Wert zu beweisen. Wollten in irgendetwas, wenn nicht gar in Allem die Besten sein. Erfolgreicher als andere. Wichtiger als andere. Besser. Stellten sich auf Podeste, so weit, dass sie sich sogar einredeten, dass gewisse Untergruppen, die sie sich selbst erbaut hatten, unter einer anderen standen. Frauen waren unter Männern? Weiße Menschen sollten mit gewissen Vorzügen behandelt werden, da sie er verdienten, allein ihrer Hautfarbe wegen? Jemand, der sich nach dem sinnbildlichem Gefüge eines Heiligen verhielt, allerdings seine Präferenzen in demselben oder einem anderem Geschlecht fand, als jenes, welchem er sich selbst zuordnete - sie alle galten für die Mehrheit der Menschen als niedrige Existenz, der kein Respekt, noch irgendwelche Gnade geltete. Was für kranke Individuen das sein mussten, die sich solche Dinge ausdachten. Nach solchen Dingen lebten. Tatsächlich glaubten, sie seien im Recht. Seien rein. Seien nach Gott geformte Geschöpfe, die seinen Willen in die Welt trugen. Sollte es dem so sein, dann war Gott ein verdammter Sadist.
"Hm?", entkam es ihm leise, mit einer Augenbraue in die Höhe gezogen, als Cedric immer näher kam. Okay, das war in der Tat für einen Augenblick fast schon eine Belächelung wert. Für den Studenten musste die Zeit wie im Fluge vergehen, wobei er selbst sich doch langsam genug bewegte, um Rick alle seine Bewegungen miterleben zu lassen. Dachte Cedric, er hätte einen Überraschungsmoment gewonnen? Nein, eher nicht. Verzweiflung und ein angestiegener Adrenalinspiegel trafen wohl eher zu. Doch der Dunkelhaarige dachte nicht einmal daran, dem Blauäugigen seine Aktion zu verweigern. Er hätte ihn mit Leichtigkeit von sich schlagen, treten, ihn sogar überfahren können, hätte er gewollt. Doch er wollte dem Jungen eine Chance geben. Wieso? Er wollte sehen, was daraus entstehen würde. Ob er überrascht werden konnte. Auch wenn er das bezweifelte. Er lachte kurz auf, höhnisch, abwertend, als Cedric sich die Waffe krallte. War er doch so defus, dass er es bloß halbherzig tat und auch, wenn nicht viel Gegengewalt von Rick kam - nein, im Gegenteil, er half dem gerade fast vollständig von Instikten getriebenem Mann dabei, auf seinen Kopf zu zielen, bis er schließlich kam, der lang ersehnte Schuss. Rick hielt in der Bewegung inne und das einzige, was Cedric nun wirklich sehen konnte, war wohl das Blut, welches auf das Gesicht des Blonden tropfte. "Tss.", zischte Rick, schadenfroh, bevor er eben jenes, blutbefleckte Gesicht mit seiner freien Hand umklammerte und seine Finger nur soweit öffnete, dass Cedrics Augenbereich frei blieb. Ein Klicken. Und schon war die Pistole wieder gesichert, bevor sie in seiner Jackentasche verschwand. Ricks Augen huschten zur seiner eigenen, linken Seite, wo ein Streifschuss sein Gesicht auf Augenhöhe erwischt hatte und die rote Lebensenergie nun auch auf seine eigene Hand runterfloß, tropfte, die Stille mit ihren eigenen Geräuschen durchbrach. Mit einem tückischen Grinsen auf den Lippen fuhr der Amerikaner seine Zunge aus und leckte das Blut weg, welches seinem Mund am nähsten war. "Selbst mit meiner Hilfe hast du es nicht hinbekommen, mir irgendeinen Schaden zuzufügen, das ist fast schon wieder bemitleidenswert, weißt du..?", während er die Worte sprach, näherte er sich dem Blonden immer mehr, bis sich ihre Gesichter nur auf wenige Zentimeter trennten und der Arzt direkt vor seinen Augen zu einem gewaltigen Seufzen ansetzen konnte, obwohl das Blut noch immer aus seiner, relativ harmlosen Wunde kroch. "Nächster Versuch, go on." Mit diesen Worten drückte er das Gesicht des Blonden noch fester und schubste ihn von sich weg, nach Hinten, zurück auf den Boden. "Irgendwelche letzten Worte?~", witzelte er, denn wirklich vorhaben, ihn zu töten - das wiedersprach seinen Prinzipien.