Darren & Yumi - In Darrens Zimmer
Er sah sie nicht an als er wieder das Wort an sie richtete, hatte den Blick seiner dunkelbraunen Augen stattdessen auf den Boden gerichtet während er sprach. Genauer gesagt auf das Fleckchen Boden zwischen ihnen. Kein sonderlich großes Fleckchen und doch wirkte es fast als wäre der Abstand, der zwischen ihnen Beiden entstanden war, schier unüberwindbar. Er hatte sich zurückgezogen - sie von sich gestoßen obwohl das normalerweise ihr Part war oder zumindest sein sollte im Anbetracht der Tatsache was ihn ihre Bekanntschaft schon gekostet hatte. Zu viel. Sie biss sich auf die Unterlippe und krallte sich im Stoff ihres langen Pullis fest - erwiderte nichts auf die wenigen Worte, die über seine Lippen kamen. Die gleichen Lippen, die sie vor wenigen Minuten noch geküsst hatte. Die gleichen Lippen, die sie eben noch gebeten hatten aufzuhören - die nicht wollten, dass sie sich für das was geschehen war entschuldigte. Die gleichen Lippen, denen sie vor wenigen Minuten noch Laute entlockt hatte, die ein Kribbeln durch ihren gesamten Körper jagten. Ein und die selbe Person. Nur wenige Minuten lagen zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Szenarien. Zwei Seiten einer Medaille. Zwei unterschiedliche Gesichter. Der optimistische Schauspieler, der Alle glauben lassen wollte, dass es ihm gut ging. Das alles wieder gut werden würde. Der Musiker, der Angst hatte alles verloren zu haben. Der Blick ihrer blauen Augen wanderte über sein gesenktes Haupt. Ihre Lippen blieben nach wie vor verschlossen. Kein Ton entglitt ihrer Kehle. Der Druck auf ihrer Brust war zunehmend. Sie atmete. Einmal ein und anschließend wieder aus. Keine schwarze Katze. Welch passender Vergleich genau genommen. Beinahe musste die Blonde darüber schmunzeln aber sie schaffte es nicht ihre Mundwinkel zu heben sondern verharrte stattdessen an Ort und Stelle - rührte sich weiterhin nicht vom Fleck. Sie brachte also kein Unglück? In einer anderen Situation hätte sie vielleicht darüber gelacht weil sie ihm genug Situationen nennen konnte in denen ihre reine Existenz schon zu Unglück geführt hatte - von ihren Taten und zweifelhaften Entscheidungen, die sie schon in ihrem Leben getroffen hatte ganz abgesehen. "Schade eigentlich..." kam es schließlich über ihre Lippen und für einen Moment hoben sich ihre Mundwinkel nun doch als sie sich an seine Worte damals erinnerte. Ich mag Katzen. Ich mag diese abweisende und zugleich anhängliche Art, die sie haben. Katzen nahm niemand diesen Charakterzug übel. Sie waren am Ende immer noch niedlich und man hatte sie gern um sich. Bei Menschen galt man bei einem gleichwertigen Verhalten gleich als Bitch und jeder war froh einen Menschen, der sich so verhielt nicht in seinem Leben zu haben - richtig? Das Leben wäre wohl so viel leichter als flauschiges Fellknäuel. Unweigerlich dachte die junge Erwachsene an jene Situation damals zurück. Schon damals war das zwischen ihnen zum Scheitern verurteilt gewesen. Sie hatten unterschiedliche Ansichten zum Leben. Sie waren auf unterschiedliche Dinge aus und konnten doch nicht die Finger voneinander lassen. Auch wenn ihr bei jedem Aufeinandertreffen bewusst war, dass es richtig beschissen enden würde zwischen ihnen, hatte Yumi nicht den leisesten Hauch einer Ahnung gehabt, dass es so beschissen werden würde. Dennoch schaffte sie irgendwie aufmunternde Worte zu formulieren. Meinte sie in dem Moment tatsächlich auch so. Konnte die Worte mit einem Lächeln beenden als er seinen Kopf endlich wieder anhob - sie ansah. Der Blick wanderte über ihr Gesicht. Die dunklen Augen direkt auf sie gerichtet als sie die Idee hatte wie sie diesen fehlenden Teil von dem er sprach zurückbringen konnte. Die Musik, die einen so gewaltigen Teil in seinem Leben eingenommen hatte und nun ein klaffendes Loch zurückgelassen hatte als man sie ihr genommen hatte.
Darren sah aus als hätte er einen Geist gesehen als sie mit der Gitarre in der Hand in sein Zimmer zurückkam. Wortlos beobachtete er ihr Tun, folgte ihren Bewegungen mit seinen Blicken als sie neben ihm Platz nahm. Ihre Knie berührten sich ganz leicht als Yumi auf ihrem Handy nach der App suchte um die Gitarre zu stimmen. Die leichte Berührung schickte ein leichtes Kribbeln durch ihren Körper aber sie blickte weiterhin auf den Bildschirm ihres Handys bis sie fündig geworden war - ignorierte dieses Gefühl. Sie spürte seinen Blick auf sich während sie alles gab um die Gitarre wieder spielbar zu machen und auch wenn es etwas dauerte war Yumi mit dem Ergebnis doch zufrieden und doch war sie im Vergleich zu ihm nur ein Laie in diesem Bereich. Ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen als sie ihre Fingerkuppen über die Saiten gleiten ließ und es nicht mehr nach einem Autounfall klang. Die Blonde war selbst überrascht wie sehr sie sich freute, dass ihr Kommentar ihm ein leichtes Schmunzeln entlockte. Nicht etwa weil sie auf Teufel komm raus eine gute Stimmung haben wollte sondern weil es etwas mit ihr machte ihn so am Boden zu sehen. Mehr als es ihr wahrscheinlich machen sollte. Mehr als sie bereit war sich einzugestehen. Er schüttelte den Kopf ganz leicht aber ihm war wohl bewusst, dass sie nicht Unrecht hatte. Seine zweite Hand funktionierte glücklicherweise noch. In vielerlei Hinsicht was er nun zum zweiten Mal unter Beweis stellte indem er dem Instrument die ersten Klänge entlockte. Als er folgend enttäuscht wirkte, dass sie sich nicht in die versprochene Schuluniform geworfen hatte erschien ein Grinsen auf den Lippen der jungen Frau, welches nur noch breiter wurde als er die Minuspunkte erwähnte, die sie wohl dafür von ihm bekam. Kurz trafen sich ihre Blicke und für eine Sekunde war es wieder so leicht wie es früher zwischen ihnen war. Unkompliziert. Sie lebten im Moment und blendeten all das was nicht in Ordnung war aus. Den Fakt, dass Gefühle im Spiel waren obwohl diese hier nichts zu suchen hatten. Eigentlich. Den Fakt, dass Niemand wusste ob seine Hand jemals wieder so funktionieren würde wie vor dieser Geschichte. Für diesen winzigen Moment schien alles leicht. Alles möglich. "Hmmh und ich hatte noch überlegt was dich wohl eher aufmuntert. Die Schuluniform oder die Gitarre." Mit einer flüchtigen Geste strich sich die Blonde eine lose Haarsträhne hinters Ohr, ehe sie ihren Blick auf das Musikinstrument in seiner Hand warf. "Da hab ich mich wohl falsch entschieden..." Einen Moment wirkte es so als wäre nicht nur von dieser Situation die Rede sondern von viel mehr. Wahrscheinlich weil sie danach nicht weiter sprach - fast schon nachdenklich in die Leere sah bevor ihre Mundwinkel kurz nach oben zuckten als sie ihren Kopf wieder anhob und darauf wartete, dass Darren fündig wurde. Immerhin schien er auf ihrem Handy nach einer Möglichkeit zu suchen ihr die Griffe beizubringen, die für ein gemeinsames Spielen notwendig waren. Es dauerte nicht lange, da reichte der Lockenkopf ihr wieder ihr Handy und schon im nächsten Moment wanderte ihr Blick über die verschiedenen Griffzeichen, die am Bildschirm zu sehen war. Ganz oben stand der Titel jenes Liedes für welches er sich entschieden hatte. Erinnerst du dich? Natürlich. Es war das erste Mal, dass sie ihn singen hatte hören. Dort oben auf der kleinen Bühne im Licht der zahlreichen Lichterketten, die man rundherum angebracht hatte. Sie hatte ihren Blick nicht abwenden können obwohl sie es versucht hatte. Er hatte etwas einnehmendes gehabt - hatte es noch immer denn ansonsten würden sie nicht hier sitzen obwohl es nur ein One Night Stand hätte werden sollen weil sie nicht bereit war für mehr. Und doch war es mehr. Aber auch so viel wie er es sich vorstellte - wie er es sie glauben lassen wollte? "Ja..." kam es knapp über ihre Lippen, die bisher geschwiegen hatten. Ein einziges Wort welches nicht durchblicken ließ, was wirklich in ihr vorging. "Ich bin immer noch enttäuscht, dass wir beim ersten Mal nicht nur zu zweit waren..." Mit Absicht ließ sie ihre Worte so zweideutig klingen wie er an jenem Abend und doch war es in dem Moment damals unwichtig gewesen. Als sie ihn dort auf der Bühne gesehen hatte, hatte sie sowieso alles andere ausgeblendet und schon damals wollte sie diese Erkenntnis mit zu viel Alkohol hinunterspülen. Sie sah ihn nicht an als sie ihm antwortete - sah nur auf ihr Handy, während sie sich versuchte die Griffe zu merken, sie versuchte in der Luft zu üben bevor sie näher an den Schauspielstudenten heranrückte und ihre Finger an den Hals der Gitarre legte. Ihr Handy zur Sicherheit immer noch in Reichweite damit sie sich immer wieder vergewissern konnte wie genau sie greifen musste damit es nicht einfach nur schrecklich klang. Beim ersten Klang sah sie jedoch zu Darren, auf dessen Lippen ein ehrliches Lächeln erschien als sie dem Instrument gemeinsam den richtigen Ton entlockten. Es dauerte nicht lange da ertönte seine Stimme neben ihrem Ohr. Ein Zittern lag in ihr aber es klang nicht unpassend - ganz im Gegenteil. Seine gesungenen Worte zauberten ihr eine Gänsehaut und jagten ein Kribbeln durch ihren gesamten Körper. Genau genommen fiel es ihr fast schon schwer sich auf die Griffe zu konzentrieren weil es zwar das selbe Lied war wie damals aber hier in seinem Zimmer - nur sie beide - es hatte noch einmal eine ganz andere Wirkung auf sie, die sie fast schon überforderte - mit der sie nicht gerechnet hatte. Sie spielten das Lied langsamer als es im Original der Fall war. Nicht zuletzt um es irgendwie gemeinsam hinzubekommen. Es war nicht perfekt - ganz und gar nicht und sehr wahrscheinlich vergriff sich Yumi ein oder zwei Mal aber es war gut so wie es war - vielleicht genau deshalb noch besonderer. Den zweiten Refrain sang Yumi schließlich mit. Nicht mit der gleichen Intensität wie er ihn sang - nur ganz leise und doch war es irgendwie schön wie ihre Stimmen miteinander harmonierten. Bei Weitem war sie keine Sängerin - keine Frage aber auch sie hatte durch das Tanzen eine ganz besondere Verbindung zur Musik - schon seit jeher. Der letzte Ton erklang und ließ eine Stille in seinem Zimmer zurück. Nicht wie zuvor auf unangenehme Art und Weise sondern fast schon andächtig weil sie doch etwas Gutes geschaffen hatten - oder? Yumi drehte ihren Kopf ganz leicht und sah in die dunkelbraunen Augen des Anderen, der sie durchdringend musterte. Hatte sie ihm die Musik wieder ein wenig näher bringen können auf diese Weise? Wortlos sahen sich die Beiden einen Moment lang einfach nur an. Noch immer kribbelte es in ihrem ganzen Körper. Unaufhörlich. Als hätte dieses Lied eine Art Zauber im Raum zurückgelassen. Ihre Lippen öffneten sich einen Spalt als wollte sie etwas sagen und doch lehnte sie sich stattdessen in seine Richtung um ihre Lippen auf die seinen zu legen. Zärtlich. Sanft. Flüchtig. Sie hauchte einen Kuss auf seinen Mundwinkel - fuhr mit ihren Lippen die seinen entlang um erneut einen Kuss auf seinen anderen Mundwinkel zu hauchen. Ihre Hand positionierte Yumi an seiner Wange - spürte das Kratzen seiner Bartstoppel unter ihren Fingerkuppen. Ihr Herz klopfte einen Takt zu schnell als sie die Augen für einen Moment schloss - den leichten Druck seiner Lippen auf den ihren genoss und kurz lächelte bevor sie sich wieder zurückzog weil sie sich dem Moment wohl zu sehr hingegeben hatte. "Du hast sie nicht verloren... die Musik." Sie presste ihre Lippen aufeinander und griff folgend nach ihrem Handy um es schließlich zur Seite zu packen. Als erinnerte sie die reine Existenz dieses Objektes daran, dass sie nicht hier sein sollte. Zumindest wenn ihre Geschichte weiterhin glaubhaft klingen sollte auch wenn sie seit ihrem Treffen am Flur einige Dinge getan hatte, die wohl nicht ganz dafür sprachen, dass sie und ihr Exfreund wieder in einer glücklichen Beziehung waren. Yumi räusperte sich - nicht zuletzt um der Stimmung, die zwischen ihnen vorherrschte die Intensität zu nehmen. "Du kannst sie behalten..." fuhr die Blonde schließlich fort und deutete auf das Musikinstrument auf seinem Schoß. "Ich brauche sie ohnehin nicht." Yumi zuckte mit den Schultern und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "So hab ich weniger Gepäck." Je weniger sie letztendlich zu schleppen hatte desto besser, richtig? Wo auch immer es sie hin verschlagen würde...