[Rosalind] ~ bei Vishnal
Strahlendes Grün bedachte den Butler, welcher neben der Adelstochter saß, welcher seine Schüssel mit dem verwürzten Essen noch immer in den Händen hielt. Dessen Worte entlockten ihr fast ein Kopfschütteln, wenn es nicht so unangebracht gewesen wäre. Natürlich schickte es sich nicht für eine Dame blauen Blutes, sich bei einem ihrer Untergebenen zu entschuldigen, jedoch hatte Rose vor nicht allzu langer Zeit festgestellt, dass ihr diese Gepflogenheiten außerordentlich gegen den Strich gingen. Warum es sich nicht schickte, Menschlichkeit zu zeigen, Fehler einzusehen, Offenheit zu zeigen, selbst innerhalb der eigenen Familie, war ihr noch immer unverständlich. Wozu das alles? War das Leben nicht zu kurz für all diese Restriktionen und Regularien? Ihr Bruder war doch das beste Beispiel dafür, wenn auch Max aus unerfindlichen Gründen eine zweite Chance bekommen hatte. Die Blauhaarige bedachte Vishnal mit einem nachdenklichen Blick, während dieser kundtat, dass sich seine Meinung zu dem scharfen Essen geändert hatte. Sie sah ihm zu, wie er einen Löffel nach dem anderen nahm und ihre Augen weiteten sich unmerklich. Wie... konnte er das essen? War die Zunge der Adelstochter wirklich so viel empfindlicher? Oder war es für Vishnal genauso unerträglich und er versuchte sich einfach nichts anmerken zu lassen? Weil es sich nicht gehörte? Dennoch bot er ihr an, dass misslungene Mahl für sie zu entsorgen. Ganz plötzlich wandelte der Ausdruck auf dem Gesicht der Blauhaarigen. Während sie Vishnal prüfend ansah, schüttelte sie den Kopf. Wenn er es ertragen hatte, dann würde sie das auch schaffen. Andere Menschen würden alles für eine warme Mahlzeit geben und auch, wenn die Schärfe grausam in ihrem Mund brannte, so wollte sie es durchstehen. Nur weil sie das Glück hatte, in Reichtum geboren zu werden und diesen auch gerne nutzte, so wollte sie doch wieder etwas mehr Nähe zu den Bürgerlichen gewinnen. Und außerdem wollte sie Vishnal dieses Grauen nicht alleine durchleben lassen. Schließlich war all das ihre Schuld. Und so zwang sich Rosalind ihre Schüssel Stück für Stück zu leeren, auch wenn sie zwischendurch kurze Pausen einlegen musste. Danach fasste sie sich an den Hals. Er fühlte sich an als hätte sie Flammen geschluckt, aber sie hatte es geschafft. Mit einem ermutigenden und auch ein wenig triumphierendes Blick sah sie den Butler an. "Ich bewundere Eure Hingabe, Vishnal. Die Meisten würden wohl nicht im Traum daran denken. Danke." Sie meinte es ernst. Von ihrer zuvorigen Enttäuschung war kaum mehr etwas übrig und auch wenn dieses Essen mit wohl das Schlimmste ihres gesamten Lebens war, so war sie froh um die Erfahrung und die Gesellschaft. Ein kleines Läcjheln stahl sich auf die rosigen Lippen der jungen Frau.
[Iris Noire] ~ geht
Der Platz leerte sich, die Sonne schwand allmählich am Horizont. Und mit jedem verblassenden Strahl fühlte sich die Silberhaarige wohler, lebendiger, freier. Sie war einige Schritte gegangen ohne dabei viel auf ihre Umgebung zu achten. Je näher die Nacht rückte, desto besser fühlte sie sich. Schwarz, dunkel, kalt, Nacht, bald war all dies wieder das Ihre. Nach einer Weile drehte sich Noire um, nur um zu sehen, dass Dylas nicht mehr da war. Sie zuckte mit den Schultern, das sollte sich nicht stören. Im Gegenteil, bald schon stand die Vampirdame alleine in völliger Schwärze auf dem Platz. Das einzige Licht, welches den Ort erhellte waren eine kaum sichtbare, dünne Mondsichel und ein paar vereinzelte Sterne. Befreit atmete Iris aus und zog sich den schwarzen Stoff ihres Umhangs, welcher sie den Tag über vor den brennenden Sonnenstrahlen geschützt hatte, von ihrem Haupt und sog die kühle Nachtluft tief in ihre Lungen ein. Schließlich entledigte sich sich des Umhangs komplett, faltete ihn zusammen und legte ihn über einen ihrer Arme. Wie sehr doch hatte Noire die Nacht vermisst. Das war einfach ihre Welt, ihre Heimat, ihr Lebenselixir. Ein zufriedene Lächeln umspielte die Lippen der Silberhaarigen als sie ihre eigene, schwache Spiegelung im Wasser des Brunnes, welcher in der Mitte des Platzes thronte, betrachtete. Ihre blasse Haut hatte nur ein paar vereinzelte rote Flecken davon getragen, ihre heterochromen Augen strahlten mit neuem Leben. Wie anstrengend dieser Tag unter den Menschen doch gewesen war. Einmal mehr wurde ihr bestätigt, wie einfältig und unerfreulich diese Wesen waren. Wie man solche Massen, solchen Lärm, solche Hitze mögen konnte war ihr unbegreiflich. Die Menschen mussten doch alle einen Hirnschaden haben, wenn sie denn überhaupt über mehr als eine Gehirnzelle verfügten. Im Kollektiv, versteht sich. Noire ließ ihre Hände in das kühle Wasser des Brunnens gleiten, genoss das Gefühl auf ihrer erhitzen Haut. Doch lange wollte sie hier nicht verweilen, denn sie war den ganzen Tag auf den Beinen gewesen und ihr müder Körper schrie förmlich nach Ruhe. Mit einem letzten Blick auf den Brunnen kehrte Iris dem Platz den Rücken zu und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Turm.
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