Mit tränenüberlaufenem Gesicht starrte Suiren zu ihrem Partner, als dieser die Stille mit einem lauten Lach unterbrach, unwissend was für Worte er jetzt von sich geben würde. Wenn Menschen normalerweise lachten, dann, weil die Situation vielleicht lustig war oder jemand etwas lustiges gesagt oder getan hatte. Und wenn man das nun von der Mehrheit behaupten konnte, dann hätten die meisten in diesem Moment anders reagiert als Rick. Doch schließlich hatte sie vor wenigen Augenblicken schon festgestellt, dass er nicht so war wie die meisten. Trotzdem verstand sie nicht was ihn so belustigte; war es der Brief, ihre Handlungen oder ihre impulsiven Worte? Nahm er sie nicht ernst oder wusste er einfach, dass sie gerade Dinge sagte, die sie nicht so meinte? Sie hasste seine Unberechenbarheit, weil er es immer wieder schaffte sie mit dieser irgendwie zu durchschauen, aber andererseits liebte sie gerade diese Eigenschaft an ihm. Situationen liefen nie so ab, wie sich Sue sie immer vorstellte, er überraschte sie immer wieder mit seinem Verhalten, seinen Reaktionen und seinen Gefühlen auf die verschiedensten Dinge. So wie jetzt. Wieso zur Hölle kam er ihr näher und wieso zur Hölle ließ der Unterton seiner Stimme sie sich nicht unwohl fühlen, sondern eher das Gegenteil? Hatte sie ihm eben nicht noch die Chance geboten, sich endgültig aus dem Staub zu machen um eine Bindung zu vermeiden, um ein Versprechen nicht einzuhalten müssen? Keiner von beiden war wirklich jemals eine Person gewesen, die von permanenten Dingen fest überzeugt war. Man benutzte oft jemanden, der einem für einen Moment das gab, was man brauchte. Sei es Bestätigung, ein Zeitvertreib, guter Sex oder eine emotionale Stütze und sobald diese Momente vorbei waren, ließ man diese Personen gehen. Es war einfach, keine starken Gefühle wurden involviert und es wurde mit Sicherheit nie langweilig. Wieso schien diese Bindung zwischen den beiden dann alles andere als temporär zu sein? Irgendwie schafften sie es immer wieder zu einander zurück, selbst in den miserabelsten Lebenslagen wie dieser hier. Ihr Herz stoppte für eine Sekunde, als er wieder Körperkontakt herstellte und auch der Rest ihres Körpers verkrampfte sich kurz. Während er nun sprach, spürte sie förmlich die Leichtigkeit und das Grinsen in seiner Stimme, welche ihre Panik langsam aber sicher runterschraubten. Und anstatt still zu stehen, begann ihr Herz wie wild zu klopfen als er Sätze sagte, von denen jedes Mädchen auf dieser Welt wahrscheinlich nur träumen konnte. Oder waren es normale Worte, die Menschen täglich auf der ganzen Welt zu hören bekamen? Das einzige, was sie so besonders machte, war die Tatsache, dass sie von dem Menschen kamen, von welchem Suiren sie hören wollte. Von dem Menschen, den... sie auch liebte. Der Mensch, der es irgendwie geschafft hatte, ihr Vertrauen zu gewinnen und all' ihre Stimmungsschwankungen durchzumachen und zu überleben und sich immer noch freiwillig dazu entschieden hatte, an ihrer Seite zu bleiben. Es würde keinen Sinn machen, hätte er gerade über alles gelogen, als Arzt war er schließlich nicht dazu gezwungen, jemanden für materialistische Gründe auszunutzen. Und der einzige Grund, wieso er sie so sehr haben wollte, wieso er all das sagte und wieso er sie so bestimmt küsste war doch eigentlich klar, nicht? Ja, er hatte es doch eben ausgesprochen. Und der einzig ausreichende Grund, warum sie ihm glaubte, stand direkt vor ihr. Trotz aller Fehler die Rick, die Sue, die sie gemeinsam gemacht hatten, stand er jetzt vor ihr und sah sie mit einem Blick an, der für sich selbst sprach. Aber anstatt mit einem breiten Lächeln, einer darauffolgenden Umarmung oder einem Kuss zu reagieren, wie es wahrscheinlich in einer typischen Rom-Com abgelaufen wäre, brach sie wieder in Tränen aus und bot ihm dabei das wahrscheinlich hässlichste Heulgesicht, was er jemals gesehen hatte. Nicht das, bei dem die Tränen einfach vom Kinn tropften, begleitet von leisem Schluchzen, sondern das, das schon fast den Schnodder aus der Nase wieder hochziehen musste und die Augen so rötete, dass sie wehtaten. Das, bei dem das Schluchzen, wenn auch nicht unbedingt laut, unkontrolliert aus dem Mund kam und einem die Luft knapp wurde. Jede einzelne Sekunde mit ihm war immer so ein verdammt intensives Erlebnis, da war es mittlerweile kein Wunder mehr, wieso sich jemand wie Sue so stark zu ihm hingezogen fühlte. Sofort begann sie ihren Kopf zu schütteln, als Antwort auf seinen letzten Satz und ließ sich wieder in seine Arme fallen. Gott, diese Frau tat es sich wirklich schwer mit Entscheidungen, huh? Wie unglaublich nervig sie damit sein musste, doch dem Amerikaner schien dies nicht viel auszumachen, er stand immer noch in ihrem Wohnzimmer. Ihr Gesicht war nun so an seine Brust angelehnt, dass ihre rechte Wange gegen sein Shirt drückte (und es dabei leicht durchnässte) und ihr Blick seitlich auf die Couch fiel. "Okay..." Wieder unterbrach sie sich mit einem Schluchzen. "Okay. Kannst du mich... einfach halten?" Es war ihr schon fast peinlich solch kitschigen Worte auszusprechen, aber es war das mindeste, was sie sagen konnte. Aufgrund ihrer chaotischen Gefühlslage fiel es ihr viel zu schwer seine Worte auf angemessene Art und Weise zu erwidern, weshalb sie hoffte er wüsste auch so, was sie für ihn empfand. Aber eigentlich sollte er als langjähriger Kindheitsfreund auch wissen, dass sie kein Fan von vielen Worten ihrerseits war, wenn es um dieses Thema ging.