Sophia schien nicht all zu überrascht über die schockierende Nachricht zu sein. Vielleicht hatte sie es sich ja schon gedacht, dass es sich hierbei um eine Entführung handelte? Wenn das der Fall wäre, wäre sie auf jeden Fall um einiges schneller im Schalten als ihr schusseliger Butler, welcher noch nicht mal die Wunde an dem Kopf der Lilahaarigen bemerkt hatte. Zu seiner Verteidigung war es hier allerdings auch ziemlich dunkel. Nur einige Fackeln im Hintergrund spendeten gerade noch genug Licht, um die verschiedenen Menschen zu unterscheiden. Man konnte es ihm also nicht übel nehmen, dass er diese Beule so nicht bemerkt hatte. Und kurz bevor Vishnal überhaupt nachfragen konnte, ob bei ihr wirklich alles in Ordnung wäre, kam Sophia ihm zuvor und stellte eine andere Frage. »Ja, ich bin mir sicher man sucht schon nach uns«, gab er der besorgten Dame zur Antwort. Immerhin waren es mehrere Leute, die plötzlich verschwunden waren. Irgendjemand musste es bemerkt haben!
Daraufhin stand der Mann auf und sah sich nach den anderen Gefangenen um. Mittlerweile waren die meisten Anwesenden wieder bei Bewusstsein und diskutierten ihre derzeitige Situation. Vishnal konnte leider nichts Sinnvolles zu der Konversation beitragen. Er war von den Entführten wohl noch der, der am wenigsten über den Entführer wusste und so lange das noch das Thema war, würde er lieber still zuhören. Sophia machte dann den Vorschlag, dass sie sich alle vorstellen sollten. Gar nicht mal so eine schlechte Idee, eigentlich. Wer wusste schon, wie lange sie hier noch fest saßen würden; vielleicht sogar für immer. Dann wäre es doch zumindest ganz gut zu wissen, wer die Leute waren, mit denen man vermutlich die nächsten Stunden seines Lebens verbringen würde.
Aber so weit würde es wohl gar nicht erst kommen, da man deutlich Geräusche von außerhalb des Käfigs hören konnte. Jemand war hier. Dieser jemand näherte sich mit leisen, aber dennoch hörbaren Schritten auf den Käfig zu. Der Blauhaarige war nicht der einzige, der nicht wirklich wusste, wie er in dieser Situation reagieren sollte. Er wartete einfach nur gespannt, vielleicht eher ängstlich, darauf was als nächstes passieren würde. Es schien ewig zu dauern, aber schlussendlich war der Fremdling nah genug, dass man ihn erkennen könnte. Könnte war hierbei das Schlüsselwort, denn die Klamotten des vermutlichen Entführers machten es ziemlich schwer ihn zu identifizieren. Er wollte ja noch nicht mal sein Gesicht zeigen! Tatenlos rumstehen tat der Fremde jedoch nicht, stattdessen fing er an zu reden, seine »Gäste« willkommen zu heißen. Nun, immerhin war er höflich. Seine Stimme ließ darauf schließen, dass es sich bei der mysteriösen Person um einen etwas älteren Mann handelte. Daraufhin erzählte der Fremde noch mehr gruselige Dinge, die Vishnal nicht so recht verstand. »Glück«?! In einem dunklen Käfig eingesperrt zu sein war nicht gerade das, was er als »Glück« bezeichnen würde.
Dolce stellte dann die Frage, die sich wahrscheinlich jeder schon gedacht hatte, auch wenn die Antwort vermutlich schon fast klar war. Was der Entführer geplant hatte, war auf jeden Fall nichts Gutes. Dass er die armen Bewohner entführen und dann einsperren würde, nur um eine Teeparty mit ihnen zu feiern, war in der Tat unwahrscheinlich. Aber nur ein bisschen.
Vishnal beschloss fürs erste still zu bleiben, es kam in der Regel nie was Gutes dabei raus, wenn er den Mund aufmachte. Er stellte sich nur instinktiv näher zu Sophia, um sie, falls ihr irgendwas passieren würde, schnell beschützen zu können. Viel ausrichten könnte er zwar wahrscheinlich nicht, aber er würde auf jeden Fall alles geben, dass den Anwesenden und vor allen Dingen ihr nichts passierte. Das war immerhin sein Job.