Der Marktplatz

  • Micah und Shara, nachts bei einer Bank 4667-pasted-from-clipboard-png


    Das hatte er nicht gewollt. Das sagte sich immer so leicht, ja, aber das hatte er wirklich nicht gewollt. Vermutlich hatte er ihre Gutmütigkeit zu oft ausgenutzt. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte er sie provoziert. Von dem ständigen Hin und Her war es ja kein Wunder, dass Shara irgendwann so reagierte. Micah handelte immer unüberlegt, obwohl er alles andere immer bis ins kleinste Detail überdachte und überdachte ... Und doch wusste er gar nicht, was er eigentlich wollte. Das hatte er noch nie. Jedenfalls war es schon so, seitdem er denken konnte. Also seit der Tragödie von Alvarna. An die Zeit davor konnte er sich ja nur schemenhaft erinnern.
    Er hatte ein Gewitter herauf beschworen. Wie das Unwetter, dass sie vor einigen Stunden am Polisee heimgesucht hatte, hatte sich auch dieses langsam angekündigt, aber Micah hatte nicht auf dessen Warnungen reagiert. Wie immer. Für ihn kam es aus heiteren Himmel. Sozusagen. Er lebte in seiner eigenen Welt. Eine Welt, die durch Sharas plötzlichen Ausbruch bis ins Markt erschüttert wurde. Er hatte ihr den Rücken zu gewandt. Zum Glück. Obwohl er ihr Gesicht in der Dunkelheit sowieso nicht gesehen hätte, fürchtete er jeden Lichtstrahl, der vom Vollmond in ihr Zimmer gehen könnte.
    Ihre Worte zuckten wie Blitze über den Horizont. Und der daraufhin folgende Donner ließ seinen Körper vibrieren. Er kniff die Augen fest zusammen und ließ die Worte einfach ungehemmt auf seinen Körper prallen. "Was würde es ändern von mir zu hören, dass ich sauer bin?“ Micah rührte sich nicht von der Stelle. „Du würdest dich schlecht fühlen. Noch schlechter als es dir offensichtlich ohnehin schon geht." Ihre Wörter prasselten wie harter Regen auf ihn ein. „Vielleicht sind wir keine Freunde. Vielleicht waren wir es nie und wir hatten nur zufällig zur selben Freundesgruppe gehört.“ Es tat weh das zu hören. Die Wahrheit tat immer weh. Und er konnte ihr nicht widersprechen. „Aber ja lauf einfach wieder weg. Das kannst du schließlich gut." Er hatte den Kopf gesenkt, als er den frischen Luftzug spürte, den sie hinterließ, als sie an ihn vorbei ging, sich ihre Jacke schnappte und nach draußen ging. Sie ließ ihn einfach zurück. Mit seinen Kopf. Mit seinen Gedanken. Allein in der Dunkelheit. In der er glaubte sowieso schon zu Hause zu sein. Ihre Worte hallten noch nach. Immer wieder hörte er sie in seinen Kopf. Vielleicht waren sie nie Freunde. Vielleicht. Es tat so weh, als hätte er wirklich Verbrennungen am ganzen Körper. Warum war er so doof? Warum brauchte er erst so eine Ansage von ihr um das zu merken? Er hatte regelrecht darum gebettelt. Was sollte er jetzt machen? Am liebsten würde er einfach nach Hause gehen. Zu seinen Feldfürchten. Zu den Hühnern und Kühnen. Die einen zwar mitleidig anschauten, aber keine Fragen stellten. Micah legte beide Hände auf seine Augen. Sein Kopf tat weh. Zu viel Adrenalin. Zu viele Schuldgefühle. Zu viele Emotionen. In diesen Moment fragte er sich, wie er zuvor überhaupt gelebt hatte. Er hatte sämtliche menschliche Emotionen ausgestellt. Auf dem Feld war das auch viel einfacher, als im wirklichen Leben. Er hatte sich eigentlich schon nach Hause gehen sehen, das, was er gut kann, und doch trugen ihn seine Beine nach draußen, zu jener Bank, die im einzigen Mondschein vom Himmel stand. Er hatte sie ganz schnell gefunden. Die Arme hatte das Blumenmädchen um den Körper verschränkt. Tränen kullerten ihren Wangen herunter.
    Erst stand er nur da. Unfähig irgendetwas zu sagen. Was sagte man auch in so einer Situation? Was war richtig? Was war falsch? Jedes Wort könnte unwiderruflich einen weiteren Keil zwischen sie treiben. Wenn sie sich ohnehin nicht schon zu weit voneinander entfernt hatten.
    Langsam näherte er sich ihr. Am liebsten hätte er sie umarmt oder ihre Hand gehalten. Er mochte es nicht, sie so zu sehen. Sie weinte. Sie weinte wegen ihm. Er wollte sie trösten, ihr sagen, dass er es nicht wert war, Tränen zu vergießen, er ... Er wartete bis sie den Blick erhob und ihn anstarrte, dann sagte er: "Shara ... i-ich ..." So richtig wollten die Worte nicht aus ihm heraus. Seine Stimme versagte. Tränen liefen ihn die Wangen herunter. Er atmete schnell ein und aus. Und irgendwann kam es aus ihm heraus. Leider konnte er nicht mehr sagen, als: "Es tut mir leid ..."
     

    Misasagi & Priscilla 4625-misasagi-png


    Misasagis Enthusiasmus schien die Kleine anzustecken. Sie war ganz aufgeregt und begeistert und lief freudig auf und ab. Wer hätte das gedacht. Wenn Murakumo das sehen könnte! Oder Hina! Beide meckerten ständig mit ihr, ihr Laden wäre zu kremplig und unaufgeräumt. So könne man keine Kunden anlocken, blablabla. Wenn sie das sehen könnten, wie begeistert die kleine Rosahaarige war. Das erfüllte das Halbwesen mit noch mehr stolz. "Woher ich das alles habe ...?" Das hätte die Kleine lieber nicht fragen sollen. "Komm ...!" Das Halbwesen schnappte ihre Hand und führte sie zu den Regalen. "Das sind seltene Edelsteine", verkündete sie und drückte der anderen, obwohl sie ebend gesagt hatte, sie soll nichts anfassen, einen Achat in die Hand. "Das ist ein Achat und das ist ein Aquamarin und hier habe ich noch einen Amethysten, die habe ich alle vom Ymir-Vulkan. Der ist immer eine Reise wert! Da findet man so viele tolle Edelsteine und Erze und ...", sie bückte sich und holte kurz darauf eine Reagenzglas in die Luft. "... und Eidechsen! Schau, die hab ich selbst konserviert!" Das Lächeln des Halbwesen reichte von einer Backe zur anderen. "Und schau hier im nächsten Regal, dass ist eine Meerjungfrauschuppe, die ich einer vor der Walinsel ..." abgemurkst habe ... upps!


  • [Auf einer Bank mitten in der Nacht] Micah & Shara



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    Reumütig sah er aus. Bedauern lag in seinem Blick als er sie sah. Als sie es nicht länger schaffte die Tränen zurück zu halten. Wie erbärmlich. So fühlte sie sich. Warum hatte er nach all den Jahren noch immer so viel Macht über sie? Warum berührte es sie noch immer obwohl es Jahre her war? Sie waren andere Menschen geworden. Beiden hatten sich weiterentwickelt. Es gab eine Zeitspanne in ihrem Leben in der sie getrennte Wege gegangen waren - einander nicht einmal beim Bäcker begegnet waren sondern eine Zeit in der von ihm jede Spur gefehlt hatte. Wie war es überhaupt möglich das sein Auftauchen nach all den Jahren immer noch etwas mit ihr machte. Wieso war es ihr nicht einfach egal? Sie hatte doch weiter gemacht. Auch ohne ihn. Ohne ihre Schwester. Ohne ihre Freunde. Sie war stark geworden oder zumindest hatte sie das geglaubt. Anscheinend hatte sie sich das nur vorgemacht. Gut genug um es selbst zu glauben aber nicht wahrhaftig sonst würde sie seine bloße Existenz nicht in die Knie zwingen. Shara wollte ihn nicht ansehen. Sie wollte nicht das er ihre Tränen sah und doch ließ es sich nicht verhindern das sich ihre Blicke begegneten. Sie war überrascht das die Tränen auch in seinen Augen glänzten. War weniger überrascht über die Worte, die über seine Lippen kamen. Eine Entschuldigung. Sie war niemand der Entschuldigungen ablehnte. Überhaupt nicht. Jeder machte Fehler. Das war menschlich und es zeugte von gutem Charakter wenn man sich dafür entschuldigte aber irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los oder zumindest fühlte es sich gerade für sie so an als sagte er diese Worte nur weil er vor einem weinenden Mädchen stand und das Gefühl hatte, dass es das war was sie hören wollte. „Was….genau?“ Ihre Stimme war brüchig - kaum hörbar als erwarte sie gar keine Antwort darauf. Was tat ihm leid? Was konnten diese Worte jetzt zwischen ihnen schon großartig ausrichten? Im Grunde gar nichts, richtig? Es war zu viel geschehen oder einfach nicht geschehen. Es war so viel Ungesagtes zwischen ihnen aber keiner von Beiden sprach es aus. War es schon immer so gewesen oder war es über die Jahre einfach komplizierter geworden? Hatten sie verlernt wie man miteinander umging oder sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt? War der Micah, der heute vor ihr stand der Micah für den sie damals heimlich geschwärmt hatte aber für den sie immer die Gefühle unterdrückt hatte weil es für ihn nur sie gegeben hatte? Vielleicht war sie es die sich entschuldigen sollte. Das sie nicht sie war. Das es nicht das Wiedersehen war, welches er sich erhofft hatte. Shara senkte den Blick und ein Seufzen verließ ihre Lippen. Sie waren rettungslos verloren. Entfernten sich immer weiter und weiter voneinander. Vielleicht nicht physisch aber auf emotionaler Ebene. Vielleicht musste man sich das manchmal eingestehen? Das eine Freundschaft so sehr man es sich auch wünscht wie auch eine Beziehung manchmal einfach zerbricht. Shara wischte sich die Tränen aus den Augenwinkel und rutschte ein wenig zur Seite damit auch er Platz nehmen konnte wenn er es denn wollte. Eine stille Bitte? Vielleicht. Aber sie vermochte sie nicht auszusprechen weil sie sich unsicher war ob sie das überhaupt wollte oder ob sie vielleicht lieber allein wäre. Shara wusste nicht was sie wollte. Ein Teil von ihr war verletzt. Verletzt weil er damals nicht da war ja aber auch verletzt weil er kein Wort davon erzählte was ihm passiert war. Warum er nicht mehr er war oder zumindest eine Art gebrochene Version dessen, „Vielleicht.. sollten wir einfach neu anfangen…“ schlug sie vor. Die Stimme nach wie vor brüchig. Wenn man nicht an dieser Stelle weitermachen konnte dann war das der letzte Weg, oder?

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