Die Innenstadt

  • [Am Brunnen] Marlin & Yumi

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    Seine Antwort kam schnell. Zu schnell beinahe wenn man es so haben wollte. Gefühlt war kein Wimpernschlag vergangen seit sie etwas genauer nachgehakt hatte. Deshalb stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen, die dennoch verschlossen blieben und seine rasche Antwort nicht kommentierten. Stattdessen wanderte der Blick ihrer blauen Augen forschend über sein Gesicht - fast so als könne sie hinter seine Worte sehen was natürlich Schwachsinn war. Sie kannten einander schließlich kaum bis gar nicht. Dennoch kam sie nicht drumrum sich Gedanken zu seiner Geschichte zu machen. Zumindest zu dem Teil, den er ihr gerade eben verraten hatte. Ob es nun der Wahrheit entsprach oder auch einfach nur Show war. Vielleicht entsprachen seine Worte der Wahrheit und er war das erste Mal hier in dieser Stadt. Vielleicht war das Mädchen, dass ihm offensichtlich nicht loslassen konnte eine Stalkerin und war ihm gefolgt. Vielleicht aber, und das war wesentlich wahrscheinlicher, zog es ihm einfach in die Gegend, die er mit ihr und dem gemeinsamen Kind verband. Vielleicht konnte er nicht loslassen und suchte deshalb ihre Nähe. Sie biss sich auf die Unterlippe und dachte daran wieso sie eigentlich wieder zurückgekommen war. Weil sie Alex nicht loslassen konnte? Weil sie immer noch an dem was sie hatten hing? "Dann ist es Zufall, dass ihr euch wieder getroffen habt? Wirklich?" Ein amüsierter Laut kam ihr über die Lippen, unsicher ob sie über die Situation des Namenlosen lachte oder über ihre, die im Grunde nicht unähnlich war nur das es in ihrem Fall glücklicherweise kein Kind gab. Gütiger Gott das würde ja noch fehlen. "Dann hast du aber ganz schönes Pech mein Lieber..." Sie ließ nicht durchblicken ob sie seine Worte hinterfragte - ob sie sich darüber lustig machte oder ob sie es wirklich für einen unglücklichen Zufall hielt. Yumi ließ sich nicht in die Karten schauen als sie sich eine störende Haarsträhne aus dem Gesicht strich. "Ja, es ist wohl besser so..." fügte sie doch mit einem Hauch Wehmut seiner Aussage hinzu. Nicht unbedingt weil sie das Studium und den daraus folgenden Job missen würde. Vielmehr weil sie so zumindest nicht um einen Schlafplatz bangen hatte müssen. Es war absehbar gewesen bei ihrem Lebensstil und doch kam das Ende der ganzen Misere früher als geglaubt. Sie spürte seinen Blick auf sich aber erwiderte ihn nicht. Vielleicht weil sie nicht zufiel Preis geben wollte. Keine Angriffsfläche bieten wollte auch wenn sie von einem Menschen, den sie kaum kannte nichts zu befürchten hatte - er nicht nah genug war. Erst als er einen Vergleich zu sich zog hob das Blondchen den Kopf und begegnete seinen Blick. "Bist du zufrieden mit deinem Weg?" fragte sie schließlich und war ein wenig überrascht wie ungewohnt ernsthaft dieses Gespräch geworden war. Sie wusste nicht wie sein Weg aussah. Was er beruflich machte und worin seine Erfüllung lag. Sie musste es nicht wissen. Vielleicht verstieß das Wissen darum sogar gegen einen unausgesprochenen Pakt zwischen ihnen. Einen Pakt den Anderen auf Abstand zu halten weil es so leichter war über all diese Dinge zu reden oder zu schweigen. "Ich will einfach nicht ständig das Gefühl haben Fehl am Platz zu sein und das Ganze so lange manipulieren zu müssen damit mir die Entscheidung abgenommen wird..." Ihre Augen weiteten sich etwas bei dieser Aussage als könne sie selbst nicht glauben was sie da gerade gesagt hatte. Einem Fremden überhaupt. Sie schüttele den Kopf und wandte sich ab nur um ihren Blick über die Innenstadt gleiten zu lassen. Erneut klemmte sie sich die Zigarette, die sie immer noch in der Hand hielt, zwischen die Lippen und nahm einen kräftigen Zug bevor sie sie neben sich an der Mauer löschte. Sie schloss die Augen und genoss die beruhigende Wirkung des Nikotins.

  • Bei Yumi


    Sie triezte ihn mit ihrem Unglauben, ihrem Hinterfragen. Sowas konnte er nicht leiden, aber alas, hatte er es auch nicht notwendig, sich zu rechtfertigen. Sie konnte denken was sie wollte, es kümmerte ihn nicht. Am Ende musste er die Dinge - wie stets - mit sich selbst aushandeln, täglich auf's Neue. So war es, wenn es im Leben nie jemanden gegeben hatte, dem man sein Glück und Leid hatte teilen, sich anvertrauen konnte. Ein schräges Konzept. Marlin kannte es nicht anders und es war doch die Unabhängigkeit, die er so schätzte, dass er gar nicht vorhatte sich in dieser Hinsicht zu ändern. Er kramte in der Tüte nach dem Tabak, um sich erneut eine zu drehen. Mia war die Einzige gewesen, die er ein wenig an sich rangelassen hatte, aber am Ende hatte es auch nichts genützt.

    Pech also, hm? Er schnaubte, seine Finger rollten in Ruhe die Zigarette zusammen. Pech war es, in die falsche Familie geboren zu werden. Pech war es, wenn du deinen Erzeugern egal warst, wenn sie dir den Rücken zukehrten und sich dir selbst überließen. Pech war es, wenn sie ihren Frust und ihren Hass an der Welt gewaltvoll an dir ausließen. Pech war es, Hunger und Armut gnadenlos ausgeliefert zu sein. Es gab unzählige Formen der Ungerechtigkeit und sie, diejenigen die davon verschont blieben, konnten es gar nicht verstehen. Ihr Blick blieb in gewisser Weise immer ungetrübt. Verachtung war alles, was Marlin dafür übrig hatte. Ihm schwante jedoch, nach ihrer Reaktion vorhin, dass die blonde Ex-Studentin, die so gerne die Drogen mit ihm teilte, ebenfalls vom Pech gezeichnet war. Andererseits würden sie sich nicht so unterhalten, wie sie es gerade taten.

    Marlin stand schließlich auf, zündete die Zigarette an und steckte die freie Hand schließlich in die Jackentasche. Er hatte es nicht für nötig befunden, auf ihre vorherigen Aussagen einzugehen, nahm sich jedoch Zeit für diese. War er zufrieden? Tja. In der Regel verdrängte er diese Frage ganz bewusst.

    "In gewisser Weise.", antwortete er schließlich. Es gab Wut und Hass, derer er nicht Herr wurde, die ihn stets begleiten würden, aufgrund dem was war, aufgrund dem wie diese Hölle an Welt beschaffen war. Er frönte im Negativen, was für Normalsterbliche unvorstellbar sein mochte und doch, was wäre er ohne? Marlin hatte sich seine Nische auf diesem Planeten geschaffen und so gesehen seinen Platz gefunden. In dieser Hinsicht war er durchaus zufrieden und er konnte sich keinen alternativen Lebensweg vorstellen, dass ihn nicht wahnsinniger machen würde.

    "Versteh ich gut.", meinte er zwischen zwei Zügen, denn genau ebenjenes Gefühl hatte auch ihn begleitet. Bis er alle Bindungen gelöst und die Flucht ergriffen hatte. Hatte für ihn gut funktioniert. Keine Ahnung, was für sie funktionieren würde. Das musste sie wohl oder übel selbst herausfinden, aber Marlin bezweifelte, dass ein Rat von ihm hilfreich wäre, selbst wenn er einen hätte. Manipulation als Mittel der Wahl also, hm? So schützte sich jeder anders.


    Charlie hatte die Zeit vergessen. Gedankenverloren tippte sie eine Nachricht nach Hause, dass sie erst jetzt den nächsten Bus nach Sternbach nehmen würde - was noch eine halbe Stunde hin war - und holte sich dann einen Bubble-Tea. Mit dem Getränk in der einen Hand, einer Tüte in der anderen und noch dem Schulrucksack auf den Schultern, ging sie durch die Innenstadt in Richtung Busbahnhof. Naja und was soll ich sagen, Riverport's Innenstadt war nun auch nicht so groß und der Brunnen schon ein gewisser Spot und Charlie war nun niemand der mit den Augen auf den Boden gerichtet durch die Stadt lief, ne. Trotzdem überraschte sie der Anblick, denn ihre große Schwester sah sie nicht alle Tage und zwar so sehr, dass sie sich an einen der Bubbles verschluckte und erst einmal in einem Hustanfall landete. Unbeirrt steuerte sie jedoch auf Yumi zu, die halbfreie Hand vor dem Mund haltend und dadurch bemerkte sie erst, als sie beim Brunnen stand, dass die Blondine wohl in ein Gespräch verwickelt war. Ups. "Hey Yumi.", begrüßte Charlie sie und wandte sich dann - ein wenig tränenverschleiernd aufgrund der Reaktion - ihrem Freund zu. "Und hey... äh..." Sie blinzelte und erkannte nun, dass der Kerl nicht nur viel älter war, sondern auch um einiges grimmiger drein guckte. Gruselig. "Du.", endete sie dann schlicht, da sie den Namen ja nicht kannte. "Lange nicht gesehen." Charlie bemerkte, wie sich der Mann neben ihr ungemütlich bewegte. Er lächelte, aber es wirkte ganz und gar nicht freundlich. "Bin gespannt was du erzählst, wenn wir uns das nächste mal austauschen." Ein Nicken in Yumis Richtung, während er sie mit einem seltsamen Blick musterte. Rauch schlug ihr entgegen, als er sich auf der Stelle umdrehte und in dem Trubel der Menschen auf den Straßen unterging. Fast wie ein Geist. Oder Dämon. Charlie sah ihm mit einer Mischung aus Verwunderung und Irritation nach, ehe sie sich zurück zu Yumi drehte, die noch am Brunnen saß. "Sorry. Ich hab ihn nicht verscheucht oder?" Vorausgesetzt, die beiden waren einander freundlich zugetan? "Oder hat er dich belästigt und es war gut, dass ich ihn verscheucht habe? Ich weiß nicht! Aber ich hab dich gesehen und konnte dich nicht einfach ignorieren." Immerhin sahen sie sich nicht besonders häufig. Das Verhältnis zu ihren älteren Geschwistern war... schwierig und Yumi hatte sich schon immer als recht unnahbar gegeben. Was Charlie unfassbar schade fand, immerhin waren sie trotz allem Schwestern. Deswegen konnte sie die Chance nicht einfach verstreichen lassen, das war doch nachvollziehbar, oder?

  • [Am Brunnen] Marlin & Yumi - Charlie & Yumi


    Er war wortkarg - wie immer eigentlich. Wobei von immer nicht die Rede sein konnte, immerhin war das ihr zweites Treffen. Eine Zufallsbegegnung - mehr nicht und dennoch hatte sie das Gefühl, dass sie nicht so unähnlich waren weshalb sie sich an den mangelnden Worten auch nicht störte. Immerhin war auch die Blonde keine Freundin großer Worte - hüllte sich lieber in Schweigen vor allem wenn es um Themen mit Tiefe ging. Sie war es gewohnt Andere nicht an sich heranzulassen - sie auf Abstand zu halten. Emotionalen Abstand um genauer zu sein. Ihr Blick wanderte in die Richtung des Anderen, der sich gerade wieder eine Kippe ansteckte. Sie hatte seine Worte gehört. Mehr strebte sie im Grunde auch nicht an, richtig? In gewisser Weise zufrieden zu sein. Aber war das möglich? Wovon machte sie diese besagte Zufriedenheit abhängig? Von einem Job? Von einer Situation? Von einem Menschen? Letzteres ließ sie beinahe auflachen. So naiv wollte sie nicht sein. Nie mehr. Diese jugendliche Naivität hatte sie hinter sich gelassen - sie ausgeschlossen. Der Andere war nicht der Typ Mensch, den man vor Augen hatte wenn von Zufriedenheit die Rede war und seltsamerweise, auch wenn er offenbar sein Päckchen zu tragen hatte, wie jeder, so wirkte er doch irgendwie mit seinen Entscheidungen im Reinen. War das bescheuert? Möglicherweise. Vielleicht war er es auch einfach gewohnt seine Maske zu tragen. Sie vermochte es nicht zu sagen oder darüber zu urteilen. Er war zwar eine interessante Person aber so interessant nun auch wieder nicht, dass sie sich den Kopf darüber zerbrechen wollte. Nicht zuletzt weil dieser ohnehin bis oben hin voll mit einer Vielzahl an anderweitigen Fragen war.

    Eine vertraute Stimme störte das mehr oder weniger ohnehin beendete Gespräch der Beiden und ließ Yumi kaum merklich zusammenzucken. Nicht wirklich vor Schreck sondern vielmehr konnte sie nicht glauben ihr hier über den Weg zu laufen. Diese Stadt war wirklich ein Nest. Bereits im Augenwinkel sah sie wie das Mädchen sich näherte. Genauer gesagt ihre Schwester. Langsam drehte Yumi den Kopf in ihre Richtung, bemerkte dass sie Andere offensichtlich gerade Probleme damit hatte nicht an ihrem Getränk zu ersticken, weshalb sich ihre Augenbrauen irritiert hoben. Das Mädchen mit der braunen Lockenpracht blieb vor ihr zum Stehen und plapperte drauf los. Einfache Floskeln, die man an den Gegenüber richtete wenn man sich länger nicht gesehen hatte wobei das wohl die Untertreibung des Tages war. Wie lange war es wirklich her? Eine Ewigkeit und zugleich nicht lange genug. Bisher war ihr noch kein Ton über die Lippen gekommen. Sogar der Namenlose, der ihr zumindest bis jetzt Gesellschaft geleistet hatte, fand vorher seine Worte wieder. Abschiedsworte um genauer zu sein. Die Mundwinkel der Blonden huschten nach oben und ein amüsierter Laut verließ ihre Lippen. „Gleichfalls…“ Der Blick ihrer blauen Augen folgte den Mann eine Weile bevor sie sich wieder Charlie zuwandte. Sie plapperte ohne Punkt und ohne Komma. Kurz musterte Yumi die Gesichtszüge ihrer mittlerweile wirklich groß gewordenen kleinen Schwester. „Wahrscheinlich…“ beantwortete sie knapp die Frage des Lockenkopfs. Oder vielmehr die Sorge gestört zu haben und den Anderen mit ihrer Anwesenheit vertrieben zu haben. Ganz sicher wollte er nicht Zeuge ihres Smalltalks werden. Sie konnte es ihm nicht verdenken - hätte sich an seiner Stelle wohl auch aus der Affäre gezogen. Vielleicht nicht nur an seiner Stelle aber nun war es wohl zu spät. Wahrscheinlich hätte sie an Charlies Stelle weggesehen - hätte so getan als hätte sie ihre Schwester nicht gesehen um diesem Gespräch aus dem Weg zu gehen - immerhin wurde es mit jedem verstrichenen Tag - jedem verstrichenen Monat oder gar Jahr nicht leichter miteinander umzugehen. „Aber das ist egal…“ winkte die ehemalige Studentin schließlich ab weil er ohnehin nur ein Zeitvertreib gewesen war - eine Gedankenzerstreuung in gewisser Weise. Yumi richtete sich ein wenig auf. „Ich muss sowieso gleich wieder weiter…“ Einen Job suchen. Eine Unterkunft finden um nicht unter der Brücke zu landen. Nichts davon verließ ihre Lippen. Sie blieben stumm hinsichtlich genauerer Pläne. Wahrscheinlich würde sie heute davon ohnehin nichts mehr schaffen. Der Tag war schon zu lang. Zu frustran. „Du bist richtig groß geworden seit dem wir uns das letzte Mal gesehen haben…“ Ihre Lippen formten ein Lächeln. Fast wehmütig weil sie es bereute nicht eine größere Rolle im Leben ihrer Geschwister gespielt zu haben. Aber sie wusste es besser. Sie war Niemand zu dem man aufsah - der eine Vorbildfunktion einnahm. Sie schwieg einen Moment und noch bevor die nächsten Worte über ihre Lippen kommen konnten, meldete sich ihr Handy in ihrer Tasche. Entschuldigend hob Yumi ihre Mundwinkel auch wenn ihr nicht wirklich danach zu Mute war. Weder dieses Gespräch weiter zu führen und sich mit ihrem schlechten Gewissen bezüglich ihrer jüngeren Geschwister auseinander zu setzen noch ein fröhliches Gesicht aufzusetzen um nicht völlig anstandslos rüberzukommen. Der Zug war doch sowieso abgefahren, oder nicht? Der Blick ihrer blauen Augen wanderte über den Bildschirm ihres Smartphones. Mehrere neue Nachrichten von Cylie. Ohne Umschweife öffnete Yumi sie und ihre Augen weiteten sich ein kleines bisschen. Nicht unbedingt wegen ihrer Nachrichten sondern vielmehr brauchte es kein geschultes Auge um zwischen den Zeilen zu lesen. Allen Anschein nach ging es ihr nicht gut. Die Liebe. Welche Überraschung. Ihr entkam ein Seufzen bevor sie eine Antwort tippte und ihr Handy wieder in der Tasche verschwinden ließ bevor sie sich an Charlie wandte, die sie mit großen runden Augen ansah. „Es tut mir Leid… ich muss los. Das ist wichtig…“ Erneut wanderte der Blick ihrer blauen Augen über ihre kleine Schwester, die ihr zugleich so fremd war. Immer schon fremd gewesen war eigentlich. Einen Moment wirkte es so als wollte sie sie umarmen aber entschied sich im letzten Moment dagegen und hob stattdessen nur ihre Hand zum Abschied. Zumindest bekam sie erneut ein schwaches Lächeln zusammen. Unwahrscheinlich das es überzeugend war aber sie hatte nicht die Zeit oder die Kraft sich darum zu bemühen den Schein zu waren. Welchen eigentlich? Einen Wimpernschlag später steuerte Yumi die nächste Bushaltestelle an um wieder ins Wohnheim zurück zu fahren. Erfolglos.


  • Yumi war kurz angebunden. Charlie bereute es ein wenig, so unverblümt reingeplatzt zu sein - vielleicht hätte sie einfach weitergehen sollen. Aber sie konnte nunmal nicht aus ihrer Haut. Ihre Schwester - ganz gleich wie fremd sie sich waren - einfach zu ignorieren, kam nicht in Frage. Tatsächlich wünschte sich die Jugendliche, dass sie sich eines Tages einander annähern konnten. Sie mussten ja kein enges Verhältnis pflegen, aber zumindest normal miteinander umgehen? Wissen, was im Leben des anderen grob Sache war? Das wäre schön. Aber offenbar war der Tag noch nicht gekommen - und vielleicht würde Yumi ihr Leben lang abblocken. Für den Moment riss Charlie sich zusammen, um sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. "Ja, ich werde langsam zur richtigen Frau!", verkündete sie stolz, ehe Yumi verkündete, dass sie weitermüsse. Ob das stimmte oder nur eine Ausrede war, vermochte sie nicht zu sagen. "Ja klar. Mach's gut.", sagte sie noch und hielt ein 'Wollen wir uns einfach ein andermal in Ruhe treffen?' zurück. Als ihre Schwester aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, seufzte Charlie tief und ließ sich auf den Brunnen fallen. Nachdenklich schlürfte sie an ihrem Bubble Tea. Ob es irgendwas gab was sie machen konnte? Sie wusste es nicht. So saß das Mädchen dort, bis der Bus schließlich kam.

  • Mia | allein auf einer Parkbank


    Ein Morgen in Riverport wie jeder andere. Naja, nicht ganz, denn an diesem Morgen hatte Mia es tatsächlich geschafft, mal wieder einen Fuß vor die Tür zu setzen. Wie lange hatte sie ihre Wohnung nicht mehr verlassen? Ach, im Grunde genommen war es auch egal. Es vermisste sie sowieso niemand, außer vielleicht das Arbeitsamt, das am Laufenden Band Mahnungen schickte. Mia seufzte tief, wobei sich eine kleine weiße Wolke vor ihren Lippen bildete. Es war kalt. Es war Winter; die Zeit im Winter, in der niemand mehr den Winter mochte, weil Weihnachten und Silvester schon Wochen zurücklagen und der Frühling nicht schnell genug da sein konnte. Aber Mia genoss die Kälte. Sie hatte heute morgen geduscht und sich einen der wenigen, noch frischen Pullis aus ihrem Kleiderschrank geschnappt und war dann spazieren gegangen. Mia hatte die exzessive Suche nach Marlin, die sie die letzten Monate vor allem von ihrem Laptop aus betrieben hatte endlich einmal sein lassen. Vielleicht würde sie später noch hier und dort ein bisschen diverse Social Media Seiten stalken... Aber eigentlich wusste sie, dass sie damit keinen Erfolg haben würde. Marlin war nie viel online gewesen "Alter Knacker, wahrscheinlich weiß er nicht mal, wie sowas funktioniert..." und auch sonst hatte sie ihn nie auf irgendwelchen Posts der lokalen Bars erkennen können. Ihre Suche war also durch und durch erfolglos gewesen. Und obwohl das Stechen in ihrem Herzen, das dieser Tatsache geschuldet war, immer noch deutlich spürbar war, hatte es doch etwas nachgelassen. Mia war vielleicht einfach nicht für die große Liebe gemacht oder vielleicht... War es einfach nicht Marlin, vielleicht war ja einfach jemand anderes ihre große Liebe. Oder sie war dazu verdammt, für immer allein zu sein. Noch tiefer seufzend ließ sich Mia auf eine Parkbank sinken und betrachtete den grauen Himmel. Wie lange sie hier wohl liegen konnte, bevor es zu kalt wurde? Wie viel Kälte konnte ihr kleiner, abgemagerter Körper aushalten, bevor...

  • [Marlin] & Mia



    Marlin war immer noch in der Gegend. Und langsam, langsam, zog die Ausrede mit der Pleite nicht mehr. Klar, das Geld vom Bauern war nicht viel, aber es reichte um sich ein Busticket in die nächste Stadt zu leisten und von dort aus weiter zu machen. Oder seinetwegen auch zu Fuß. Möglichkeiten gab es immer ganz getreu dem Kalenderspruch: 'Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.' Blabla. Also redete Marlin sich ein, das hier genauso schlecht war, wie sonstwo und er sich ja auch einfach nicht mit ihr auseinandersetzen musste, also konnte er auch einfach eine Weile bleiben. Es war egal. Egal, wo er war. Er nahm sich selbst immer mit. Hatte er wirklich so alt werden müssen um zu begreifen, das man nie vor sich selbst davonlaufen konnte? Ich bin und bleibe ein Heuchler. Er hasste Ignoranz und war doch selbst Meister darin.

    Und so spazierte Marlin durch die Innenstadt. Nichtmal mit einem besonderen Ziel, er wollte einfach nur mal wieder weg vom Dorf, vom Feld, von den anderen Arbeitern, die er lieber mied. Untergehen in einer Masse von Menschen, die er nicht kannte, die ihn nicht kannten. Der Plan ging nur mäßig auf, denn viele scheuten sich vor die Tür zu gehen - bei dem Wetter kein Wunder. Es war kalt, es war nass, es war eklig. Hier und da waren noch Flecken Schnee zu erkennen, mehr graue Pampe als weiße Schönheit. Es war warm, dann war es wieder kalt, dann schmolz wieder alles. Ätzend. Marlin blickte gen Himmel, eine ewige graue Weite, als vereinzelte Flocken sich einen Weg nach unten bahnten und einfach nicht aufgaben, noch irgendeine Art von Winter auf die Erde zu bringen. Das war fast schon beeindruckend. Als Marlin den Blick wieder senkte, sah er sie.

    Sein Magen krampfte sich kurz zusammen, dann schalt er sich einen Narren. Dämlich. Mia lag auf einer Parkbank. Lauter Fremde, doch sie erkannte er sofort. Lag sicher an ihren ständigen Stalkerversuchen, da entwickelte man einen siebten Sinn. Sie schien ihn nicht bemerkt zu haben. Er könnte einfach weitergehen. Weg. Sie weiterhin ignorieren. Immerhin - er wusste ja wo sie wohnte. Er hätte jederzeit vorbeischauen können. Aber er war es gewesen, der ihr Halloween eine Abfuhr erteilt hatte. Wieder und wieder. Bis sie es begriff. Und dann war sie gegangen - und er war beruhigt gewesen. Und enttäuscht. Marlin versteifte sich kurz bei dem Gedanken. Was für ein Bullshit. Halloween - das war drei Jahre Monate her. Huh.

    "Du erfrierst noch.", hörte er sich sagen. Er konnte es sich einfach nicht verkneifen. Außerdem: was lag sie da auch dünn bekleidet, bei so einem Mistwetter auf der Parkbank? Nicht, das er sich Sorgen machte (ach), aber das war an Dämlichkeit ja kaum zu überbieten. Also war er rangetreten. Die Hände in den Jackentaschen sah er mit ausdruckslosem Gesicht zu ihr herunter. Weitergehen konnte er ja immer noch.

  • Mia | nicht mehr ganz so allein auf einer Parkbank


    Immer wieder fielen kleine Schneeflocken auf Mias Gesicht und schmolzen dort sofort wieder. Wenn Mia an Kurzlebigkeit dachte, waren ihr immer zuerst die Kirschblüten eingefallen, die es nur wenige Wochen im Frühling gab, aber eigentlich war das Leben von Schneeflocken von noch kürzerer Dauer. Obwohl es wirklich ziemlich kalt war und es gefühlt auch immer kälter wurde, blieb Mia liegen und ließ sich von den Flöckchen das Gesicht kühlen. Es tat gut, nur zu fühlen und nicht zu denken. Wann hatte sich ihr Kopf zuletzt so leicht angefühlt? Doch das Gefühl war nicht von Dauer. "Du erfrierst noch." Seine Stimme ließ sie heftig zusammenzucken. Reflexartig schnellte Mia hoch und sah ihn fassungslos an. Schon war ihr Kopf wieder schwer. Voller Gedanken. Sie hatte ihn doch... so lange gesucht. War immer wieder Orte abgelaufen, an denen sie ihn vermutet hatte. Hatte das gesamte Internet nach seinem Gesicht durchsucht. Und heute, gerade als sie sich dazu entschieden hatte, die Suche aufzugeben... Stand er vor ihr? Mia wusste nicht, was sie erwidern sollte. Was hatte er noch gleich gesagt? Der Klang seiner Stimme hatte seine Worte völlig übertönt. In ihrer Brust machte sich ein ekliges, enges Gefühl breit und sie musste sich sehr zusammenreißen, ihm nicht direkt um den Hals zu fallen. Oder seine Hand zu greifen. Ihn festzuhalten. Panik. War es Panik, was sie fühlte? Zum ersten Mal in ihrem Leben wurde Mia bewusst, wie intensiv die Gefühle waren, die sie für ihn empfand. Seitdem sie 15 war, drehte sich alles nur um Marlin, jeden Tag. Nicht mal Tara hatte Mias Gedanken so eingenommen. Am liebsten würde sie, ja, was? Mit ihm verschmelzen? Für ihn sterben? Jedenfalls war es das, was das Ziehen in ihrer Brust wollte. Sie liebte ihn nicht, sie war süchtig nach ihm. Mia schluckte. "Hast du mich vermisst?" Sie wollte, das ihren Worten ein Grinsen folgte, aber dem Zittern in ihrer Stimme folgte nur ein kurzes Zucken ihrer Mundwinkel. Diesmal würde sie ihn nicht mehr gehen lassen. Sie würde ihm so lange folgen, bis sie sich vor Erschöpfung auflöste. "Mir macht so ein bisschen Kälte nichts aus. Aber kommst du in dem Alter denn noch zurecht, wenns so kalt ist?", fragte Mia frech und wippte ein wenig mit den Beinen, wie ein kleines Kind.

  • [Marlin] & Mia | Parkbank



    'Hast du mich vermisst?' "Okay Bye." Er hatte es geahnt. Es war dumm gewesen, sie anzusprechen. Selber Schuld. Warum also, wenn er es doch besser wusste? Das weißt du ganz genau. Weil da dieser Reiz war, das etwas interessantes passieren könnte - ganz vielleicht. Und weil er sie kannte. Als jemand, der sich anonym durch's Leben bewegte, war das eine Außerordentlichkeit, die er nicht ganz ignorieren konnte. Und deswegen stand er noch da, blickte auf sie herab und hatte seinen eigenen Worten keine Folge geleistet. Alas - Marlin war ein Lügner, von dem her sollte das hier niemanden überraschen.

    Mia's Mundwinkel zuckten - sie sah fertig aus. Ihrem frechen Mundwerk tat das jedoch keinen Abbruch. Marlin schnaubte. "Was, das ist alles was dir noch einfällt?" Ja, er war alt geworden. Man sollte meinen Mia auch - doch wenn er sie so ansah, wirkte sie immer noch so jung, so naiv, so kindlich. Die unzähligen Plüschtiere in ihrem Bett fielen ihm wieder ein. Doch es waren nicht nur die kindlichen Interessen - durfte ja jeder machen, konnte ihm ja egal sein - doch auch in ihrem Verhalten. Wie konnte das sein? Sie war anders, als damals, als er sie verlassen hatte, aber gleichzeitig... Marlin schüttelte den Kopf. "Mir liegt die Kälte."

  • Mia | nicht mehr ganz so allein auf einer Parkbank


    Mia bekam fast einen Herzinfarkt, als Marlin sich wieder von ihr abwenden wollte. Zum Glück blieb er dann aber doch stehen und ging auf ihren Spruch über sein Alter ein. Wirklich kreativ war ihr Gesagtes aber tatsächlich nicht gewesen. Sie hatte ihn schon immer aufgrund seines Alters aufgezogen, auch, als sie damals ganz frisch zusammen waren. Aber immerhin war sie damals erst 15 gewesen und er... Alt. Hätte sie damals jemandem von ihrer Beziehung zu Marlin erzählt, hätte sie sicher einige Personen gegen ihn aufgehetzt. Popuri zum Beispiel. Und... Cliff! Aber selbst, als sie schwanger wurde, hatten sich ihre Ziehmutter und ihr Vater kaum für sie interessiert. Niemand war da gewesen, selbst Leila hatte kein besonderes Interesse daran gehabt, Mia mit einem Neugeborenen zu helfen. Ironischerweise war ihr nur Marlin zur Hilfe gekommen, wohl dem schlechten Gewissen geschuldet, dass er bestimmt gehabt hatte, weil er sie bei der Geburt von Tara allein gelassen hatte. Die Erinnerungen an die erste Zeit mit Tara waren zwar verschwommen, aber doch, Mia erinnerte sich daran, dass Marlin (auch, wenn er nicht viel mit seiner Tochter anfangen hatte können) die ersten Jahre eigentlich fast immer bei ihr gewesen war. Wenn auch eher unfreiwillig und nie mit viel Enthusiasmus. Und schließlich war er ja dann doch abgehauen. "Dann sind wir ja schon zwei", meinte Mia und schwieg dann wieder. Und nun? "Du willst doch sicher nicht gleich wieder gehen, oder? Hast du noch ein bisschen Zeit für mich? Wir könnten... Was kleines essen oder so." Erbärmlich. "Zeit für mich"? Wirklich? Wütend auf sich selbst sah Mia zu Boden. Das würde ihn bestimmt nicht hier halten. "Wir können auch vögeln." Noch erbärmlicher ging es wirklich nicht. Aber die Worte kamen einfach so aus ihrem Mund und ihr fiel nicht ein, was Marlin sonst dazu bewegen könnte, zu bleiben. Eigentlich wusste Mia nur, dass er gerne allein war. Und dass er Alkohol mochte. Und ab und zu hatte sie ihn auch ein Buch lesen sehen...

  • [Marlin] & Mia



    Marlin schwieg. Schwieg eine ganze Weile und sah die Frau, die vor ihm auf der Parkbank saß, einfach nur an. Es ging ihm einfach nicht in den Kopf rein - wieso wollte sie mit ihm Zeit verbringen? Er hatte ihr nicht als nur Ablehnung gezeigt, seid ihrem Wiedersehen. Und naja, Sex, einmal. Wie nett er da gewesen war, stand aber auch in Frage. Was kleines Essen? Marlin musterte ihren abgemagerten Körper. Aß sie überhaupt etwas? Mia schien es selbst unangenehm zu sein, wie sie fast schon bettelte. Aber sie schien noch nicht fertig zu sein. 'Wir können auch vögeln.' Marlin starrte sie an - und brach dann in schallendes Gelächter aus. Es war ein Laut, den man vom ihm nicht oft hörte, aber es war einfach so herrlich absurd. Wie tief bist du gesunken, Mia? Wo war ihr Stolz von damals hin? "Was soll das werden, willst du dich verkaufen im Gegenzug für ein bisschen Zeit mit mir? Ist dir jedes Mittel recht?", höhnte er. Marlin beugte sich zu ihr, ließ sie nicht aus den Augen, wagte es ihr sanft über die Wange zu streichen. "Weißt du-", raunte er ihr leise ins Ohr, "Das ist mir zu billig~" Damit richtete er sich wieder auf, ein süffisantes Grinsen auf den Lippen und sparte sich die Antwort auf ihre eigentliche Frage.

  • Mia | nicht mehr ganz so allein auf einer Parkbank


    Verkaufen? Billig? Das klang, als wäre Mia eine Hure. Aber vielleicht war sie das ja auch irgendwo, denn... Im Grund genommen hatte Marlin recht, sie hatte vorgehabt, ihren Körper für Zeit mit ihm zu verkaufen. Aber sie konnte ihn sowieso nicht überreden, wenn er wirklich keine Zeit mit ihr verbringen wollte. Mia schnaubte frustriert und wollte schon aufgeben, als Marlin ihr über die Wange strich. Sofort war das Feuer in Mia wieder entflammt. "Und wenn wir einfach ein bisschen Spaß haben? Das würde dir doch gefallen, oder?" Schließlich war das ursprünglich der Grund gewesen, wieso er sich auf die damals 15-jährige Mia eingelassen hatte. Spaß. Sie war schon immer Spaß gewesen! Gut, früher vielleicht definitiv mehr Spaß, aber sie konnte sicher ein bisschen von ihrem alten Selbst ausgraben. "Wo wolltest du denn gerade hin?" Aber eigentlich wollte sie nur bei ihm sein, sich an ihn kletten, mit ihm mitkommen. "Lass mich hier nicht zurück, bitte."

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