[Tara] bei Cedric unter einer Brücke vorm Zoo
Erleichtert horchte Tara bei dem kurzen Lacher von Cedric auf. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass in diesem flüchtigen Ton eine Art Welle aufgeschlagen wurde, die die Atmosphäre zwischen den beiden aufhellte. Und sie wurde nicht nur heller, sondern auch etwas leichter, so empfand sie zumindest. Diese Tatsache hatte brachte zwei gute Dinge mit sich - erstens, da sie sich schon immer sehr schnell von der Situation um sich herum beeinflussen ließ, fühlte auch sie sich etwas leichter, und zweitens, nur wenige Sekunden später korrigierte der Blondschopf ihre - rückblickend wohl etwas vorschnell getroffene Vermutung - dass sein Lage wohl doch nicht so schlimm war, wie vermutet. Stimmt, jetzt wo sie ihn sich so anschaute, sah er auch nicht wirklich aus, wie ein Obdachloser. Immerhin waren seine Klamotten und Haare gewaschen. "Oh, äh, ja klar, das ist auch irgendwie naheliegender... Haha" Mit einem peinlich berührten Gesichtsausdruck drehte sie sich ein wenig die Haarspitzen, während Cedric weiter redete. Nachdenklich schaute sie in Richtung Boden, eine Strähne ihrer schwarzen Haare immer noch in der Hand. Die Angewohnheit, sich mit Dingen zu beschäftigen, die einem nicht gut tun, hm? Als erstes kam ihr dabei die kaputte Beziehung mit ihrer Mutter in den Sinn. Zwar hatte sie sie schon lange nicht mehr gesehen, was wohl eher unter die Sparte "tut mir gut" einzuordnen war, aber in ihren Gedanken nahm sie noch viel zu oft einen signifikanten Platz ein. Nur wie stoppte man diese Gedanken, die einem durch den Kopf rasten, die einem immer die Frage stellten, was man falsch gemacht hatte, ob man ein schlechter Mensch war, ob man irgendetwas hätte tun können, damit alles einfach... in Ordnung war? Damit sich keiner hassen musste? Doch vielleicht war diese vielen Grübeleien ja gar nicht so sinnvoll, wie sie dachte. Beziehungsweise dachte sie sich eigentlich gar nichts dabei, sie machte es nur immer ständig. Nur auf einen grünen Zweig kam sie trotzdem nie. "Da hast du recht", murmelte sie gedankenverloren. Am liebsten hätte sie ihre Gedanken mit ihm ausgetauscht, hätte mehr geredet. Vielleicht wusste er ja, wie sie mit ihrer Situation umgehen konnte? Aber das war jetzt total unangebracht. Immerhin hatte er selbst keinen guten Tag gehabt und hatten sich nach einer langen Zeit zum ersten Mal wieder getroffen. Jetzt eine Konversation über die gegenseitigen Gefühle zu starten fühlte sich irgendwie nicht richtig an. Vor allem, weil sie ja eigentlich von der unangenehmen Atmosphäre weg, und nicht heraufbeschwören wollte. Ihre Augen fokussierten sich wieder auf ihn, als er sie auf seine Violine ansprach. Hatte sie etwa unbewusst in die Richtung seiner Violine geschaut? Jedenfalls war der angesprochene Themenwechsel ihr mehr als willkommen. "Oh Gott", war ihre erste Reaktion, geschockt, als sie den Namen "Guarneri" hörte. Nachdem ihre Leidenschaft fürs Geige spielen wieder aufgeflammt war, hatte sie in einem Rausch der Inspiration nämlich verschiedene Violinen gegoogelt. Sie konnte sich noch an das unsichere Gefühl erinnern, als so eine Geige auf ihrem Bildschirm aufflackerte und sie unglaubwürdig auf den Preis geschaut hatte. "Sicher, dass du so etwas Wertvolles in meine Hände geben willst? Ich bin nicht gerade ein Mensch, der völlig unfallfrei durchs Leben läuft. Immerhin bist du nur auf mich aufmerksam geworden, als ich einen Berg heruntergestolpert bin", erinnerte sie ihn mit einem vorsichtigen Lächeln und zusammengezogenen Augenbrauen. Es war ein wirklich nettes Angebot, aber Tara war sich sicher, dass nichts mit einem Preisschild im vierstelligen Bereich den Weg in ihre Hände finden sollte, wenn man darauf Acht geben wollte.