[Tabatha] vor der Villa (bei Bianca & Leon)
Die Gestalt hatte sie bemerkt, doch es hatte nichts genützt. Tief bohrte sich die Klinge ihres Dolches in sein Fleisch, sie spürte den Widerstand, den die Waffe nahm, spürte auch mehr als sie das sah das dunkle Blut, welches nun ihre Finger benetzte. Ihr wurde übel bei dem Gedanken, doch sie hielt ihre Gefühle bewusst klein. Emotionen hatten im Augenblick keinen Platz, alles was zählte war der Moment. Sie behielt den Dolch fest im Griff, als sie einen Schritt zurück machte, die Arme defensiv oben haltend, da sie fest mit einem Gegenangriff rechnete. Wo war Bianca? Hatte sie sich beim Sturz verletzt oder konnte sie zurück in die Villa laufen? Die Dunkelheit erschwerte es, die Situation schnell genug zu erfassen, doch ihre spitzen Ohren vernahmen Worte, die ihre Entschlossenheit mit einem Mal ins Wanken brachten. Bianca, pass auf. Eine Finte? Eine kluge List, um Verwirrung zu stiften? Ihr Argwohn verhärtete sich nur, doch alles was sie sah war, dass sie den Mann offenbar mehr verletzt hatte, als sie erwartet hatte. Er lag am Boden und schob sich vor ihre Herrin, wie ein Beschützer. Eine Rolle, die doch sie eigentlich hatte einnehmen wollen. Tabatha setzte in ihrem Angriff nicht weiter nach, denn die Unsicherheit hatte sich in ihrem Geist ausgebreitet und das, obwohl sie sich geschworen hatte, nicht länger zu Zögern, denn den Zauderern erlag stets das Nachsehen. "Ich verstehe nicht.", murmelte sie, mehr an sich selbst, als an irgendjemand anderen gerichtet. Die Hände hielt sie noch immer oben, doch das Adrenalin wich langsam aus ihrem Körper und wurde durch ein flaues Gefühl in ihrer Magengegend abgelöst. Eine Fehleinschätzung? Es war ihre Herrin, dessen Stimme sie nun vernahm. Bianca war also weder betäubt noch bewusstlos. Das erleichterte sie ein wenig, verstärkte aber auch ihr unangenehmes Gefühl gerade einen furchtbaren Fehler begangen zu haben. "Ich..." Ihr Mund war trocken. Nach Hause gebracht...? Um diese Zeit? Was mochte geschehen sein? "Seid Ihr... etwa unversehrt, Herrin?" Sie schluckte, ließ von ihrer Angriffshaltung langsam ab, wenngleich ihr ein wenig des Misstrauens blieb. Bianca hatte sich dem Verletzten zugewandt, behandelte diesen frei gekleideten, triefend nassen Mann gar wie einen... Freund? Tabatha wusste sich keinen Rat, stand unschlüssig neben den beiden Personen am Boden. Ihr Verlangen, sich Bianca einfach zu schnappen und in die Sicherheit der Villa zu bringen, stand gegen der Tatsache, dass die Adelige wohl nie wirklich in Gefahr gewesen war. Nie würde sie sonst so ruhig reagieren. Dies als wahr und gegeben anzuerkennen, war... in erster Linie verwirrend. Es bedeutete, dass sie Schuld auf sich geladen hatte und dieser Gedanke lähmte sie. Bade hatte Recht behalten. Es war nicht einfach, alles andere als das. Tabatha schloss für einen kurzen Moment die Augen und presste die Lippen zusammen, ehe sie mit einem gewissen Widerwillen zu dem vermeintlichen Entführer sprach: "Wie... ist es um die Wunde bestellt?" Wenn Bianca diesem Mann freundlich zugetan war, dann würde sie das auch sein. Ihr Ausdruck verblieb grimmig, noch immer wagte sie es auch keinen Schritt näher heran, so als wäre sie dem nicht würdig oder aus Sorge, Bianca möge sie aufgrund ihrer Gräueltat verscheuchen wollen. Für eine Erklärung - und Entschuldigung - war später noch Zeit. Vielleicht. Tabatha war sich unsicher, ob sie nicht einen Heiler rufen sollte oder ob es auch ohne ging und wollte (nicht erneut) voreilig handeln, ohne die Absichten ihrer Lady zu kennen. Wenn sie sich nachts von einem Halbwesen begleiten ließ, mochte das noch weitaus verworrener sein, als es bereits jetzt den Anschein hatte.